Handels- und Gesellschaftsrecht

Mietsache, Heizung, Anspruch, Vertrag, Anzahlung, Leistung, Pauschalpreis, Verkauf, Vereinbarung, Ausland, Veranstaltung, Zustimmung, Anlage, Zeitpunkt, entsprechende Anwendung

Aktenzeichen  3 C 59/21

Datum:
27.7.2021
Fundstelle:
BeckRS – 2021, 24827
Gerichtsart:
AG
Gerichtsort:
Dachau
Rechtsweg:
Ordentliche Gerichtsbarkeit
Normen:

 

Leitsatz

Tenor

I. Der Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin 3.000,00 € nebst Zinsen hieraus in Höhe von 5 %-Punkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit 08.10.2020 zu bezahlen.
II. Im übrigen wird die Klage abgewiesen.
III. Der Beklagte hat die Kosten des Rechtsstreits zu tragen.
IV. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages.
Beschluss
Der Streitwert wird auf 3.000,00 € festgesetzt.

Gründe

Die Klage ist zulässig und begründet.
I.
Die Klage ist zu lässig, weil der Klägerin ein Anspruch gegen den Beklagten auf Bezahlung der geleisteten Anzahlung aus den §§ 346 Abs. 1 Alt. 1, 326 Abs. 1 S. 1, Abs. 5, 323, 275 Abs. 1 BGB haben.
Gem. § 346 Abs. 1 BGB sind im Falle eines Rücktritts die empfangenen Leistungen zurückzugewähren. Die Mitteilung der Klägerin über den Mobil-Telefon-Messengerdienst WhatsApp vom 07.09.2020 stellt eine Rücktrittserklärung in diesem Sinne dar. Willenserklärungen sind gem. §§ 133, 157 BGB nach dem objektiven Empfängerhorizont auszulegen. Die Klägerin hat als juristischer Laie erklärt, den Termin für die Hochzeit absagen zu wollen und ausgeführt, dass mit (nur) 100 Personen nicht gefeiert werden könne. Dementsprechend habe man beschlossen, nicht mehr zu feiern. Außerdem fragte die Klägerin beim Beklagten an, wann er Zeit habe, damit sie ihr Geld abholen könne. In einer Gesamtschau mit der WhatsApp Nachricht der Klägerin an den Beklagten vom 31.08.2020 und unter Berücksichtigung der vorangegangenen Terminsverschiebungen, wobei dahinstehen kann, inwieweit diese einvemehmlich erfolgt sind oder durch den Beklagten einseitig bestimmt worden sind, hat die Klägerin in hinreichender Art und Weise deutlich gemacht, sich vom bestehenden Vertrag lösen zu wollen, im Hinblick darauf, dass aufgrund ihrer Prognose, auch am 09.01.2021 die geplante Feier mit 400 Gästen aus öffentlichrechtlichen Gründen unzulässig sein wird. Die Rücktrittserklärung der Klägerin als juristischem Laien erfordert nicht die Mitteilung eines hinreichend juristisch präzise formulierten Rücktrittsgrundes. Der Mitteilung der Klägerin ist zweifellos die Absicht zu entnehmen, sich vom Vertrag lösen zu wollen, wegen zu erwartender Unmöglichkeit der Durchführung der geplanten Veranstaltung zum vertraglich vereinbarten Termin.
Die Klägerin hatte auch ein gesetzliches Rücktrittsrecht im Sinne des § 346 Abs. 1 BGB. Gem. § 326 Abs. 1 BGB entfällt im Falle der Unmöglichkeit einer vertraglichen Leistung der Anspruch auf die Gegenleistung. Gem. § 326 Abs. 5 BGB kann der Gläubiger, falls der Schuldner nach § 275 Abs. 1-3 BGB nicht zu leisten braucht, vom Vertrag zurücktreten. § 323 BGB findet entsprechende Anwendung, mit der Maßgabe, dass eine Fristsetzung entbehrlich ist.
Die Voraussetzungen des gesetzlichen Rücktrittsrechts der Klägerin sind gegeben, weil die Klägerin keinen Anspruch auf die vereinbarte Leistung des Beklagten gem. § 275 Abs. 1 BGB hatte, weil diese unmöglich war.
Der zwischen den Parteien geschlossene Vertrag stellt einen typengemischten Vertrag dar, dessen Schwerpunkt im dienstvertraglichen und kaufvertraglichen Bereich und nicht im mietvertraglichen Bereich liegt. Anders als vom LG München I mit Endurteil vom 29.04.2021, Az.: 29 O 8772/20 entschiedenen Fall schuldete der Beklagte aufgrund des zwischen der Klägerin und dem Beklagten bestehenden Vertrags nicht lediglich die mietrechtliche Überlassung der Location mit völlig untergeordneten auch dem Mietvertragsverhältnis entstandenen Nebenpflichten wie Heizung, Nachreinigung oder Beleuchtung, sondern dem Verkauf von alkoholfreien Getränken, Cola, Fanta, Mineralwasser, Kaffee und Tee sowie des Hochzeitskuchens, einer Hauptspeise und einer Vorspeise für 400 Personen, die Dekoration des Saales und die Servicedienstleistungen im Rahmen der gastronomischen Bewirtung. Richtigerweise haben die Parteien den Vertrag auch als „Vertrag für Hochzeitsfeier“ und in Abweichung zum vom LG München I entschiedenen Fall nicht als „Mietvertrag“ bezeichnet. Auch die in das als Anlage K 1 bei der Akte befindliche Vertragsdokument aufgenommenen Einzelpositionen Saalmiete 0,00 € Pauschalpreis 13.400,00 € für vereinbarte Speisen, Getränke und Deko (siehe Anlage Speisenkarten) spricht dafür, ein Verkauf der Speisen und Getränke sowie gastronomische Serviceleistungen als weit überwiegenden Vertragsbestandteil gegenüber dem mietvertraglichen Element der bloßen zur Verfügungstellung der Location anzusehen. Hieran ändert auch nichts, wenn die Hochzeits-Location des Beklagten umfassend renoviert worden ist. Vor dem Hintergrund der weit überwiegend kaufvertraglichen und dienstvertraglichen Elemente ist nicht die mietvertragliche Risikoverteilung, dass der Verwendungszweck grundsätzlich zu Lasten des Mieters geht, anzuwenden, sondern die Regelungen des allgemeinen Schuldrechts.
Die vertraglich vereinbarte Leistung des Beklagten war unmöglich im Sinne des § 275 Abs. 1 BGB, weil der Vertrag zwischen den Parteien ein absolutes Fix-Geschäft darstellt. Ein absolutes Fixgeschäft liegt dann vor, wenn die Einhaltung der Leistungszeit nach dem Zweck des Vertrages und der gegebenen Interessenlage für den Gläubiger derart wesentlich ist, dass eine verspätete Leistung keine Erfüllung mehr darstellt. Der Beklagte irrt, wenn er meint, das Vorliegen eines absoluten Fix-Geschäfts sei schon deswegen ausgeschlossen bzw. sogar abwegig, weil der zwischen Klägerin und Beklagten vereinbarte Termin zur Ausrichtung der Hochzeit nicht mit besonderem weiteren an diesem Tag getroffenen Dispositionen, wie beispielsweise der standesamtlichen Trauung, einhergeht und weil zwischen Klägerin und Beklagten, wenngleich im Einzelnen streitig, die vereinbarte Hochzeitsfeierlichkeit mehrfach verschoben worden ist und eine Vielzahl unterschiedlicher Termine zwischen den Parteien in Verhandlung standen. Die Anforderungen an das Vorliegen eines absoluten Fix-Geschäfts, wie sie das Amtsgericht Weinheim im Urteil vom 09.09.2020, Az.: 2 C 145/20 aufgestellt hat und auf die sich im vorliegenden Fall auch der Beklagte zu berufen scheint, sind insofern zu eng. Auch das LG München I führt in seinem oben genannten Urteil aus, dass schon die Anmietung von Räumlichkeiten für eine Hochzeitsfeier überwiegend als absolutes Fix-Geschäft angesehen wird und eine abweichende Auffassung, soweit ersichtlich, nur das AG Weinheim vom 09.09.2020, Az.: 2 C 245/20 vertrete. Anders, als der Beklagte wohl meint, ist Voraussetzung eines absoluten Fixgeschäfts nicht, dass aufgrund objektiver Umstände selbst eine privatautonom und freiwillig zwischen beiden Vertragsparteien vereinbarte Verschiebung des Termins denklogisch ausgeschlossen sein müsse, weil jede Leistung zu irgendeinem anderen Termin völlig zwecklos sein müsste. Eine derartig enge Auslegung würde die Existenz des absoluten Fix-Geschäfts praktisch ausschließen. Abzustellen ist vielmehr entsprechend darauf, ob die Vereinbarung der Leistungszeit nach dem Zweck des Vertrags und der gegebenen Interessenlage für den Gläubiger derart wesentliche ist, dass eine einseitig verspätete Leistung des Schuldners für den Gläubiger überhaupt keine Erfüllung mehr darstellen würde. Die enge Auslegung des Beklagten zu Grunde gelegt, würde beispielsweise zu dem schwerlich nachvollziehbaren Ergebnis führen, dass in einem fiktiven Fall, in dem die Gläubigerin am Tag der Hochzeit mit 400 geladenen und aus aller Welt angereisten Gästen vor der Eingangstür der Location des Beklagten erscheinen würde, und dieser mitteilen würde, er hätte die Durchführung der Feier an diesem Tag entweder völlig vergessen oder die Durchführung sei aus Gründen, die von niemanden zu vertreten sind, unmöglich, die Klägerin nicht vom Vertrag zurücktreten könnte, sondern eine Nachfrist setzen müsste, binnen derer der Beklagte sich leistungsfähig machen könne.
Der Beklagte schuldete vorliegend aufgrund vertraglicher Vereinbarung die zur Verfügungstellung seiner Event-Location und die dortige Bewirtung von 400 zum Teil aus dem Ausland mit Flugreisen – was auch dem Beklagten bewusst war – anreisenden Gästen mit Speisen und Getränken zum Zwecke einer Hochzeitsfeier am 09.01.2021. Dass der Beklagte seine vertragliche Verpflichtung genau am 09.01.2021 und nur an diesem Tag entsprechend dem Zweck des Vertrages und gegebenen Interessenlage zu leisten hat, liegt auf der Hand, weil die Klägerin an einer Leistung an einem anderen Tag schon deswegen kein Interesse hat, weil zu diesem Zeitpunkt die zahlreichen Gäste nicht geladen und nicht angereist sind. Dass sich Klägerin und Beklagter privatautonom bei Zustimmung beider Parteien jederzeit auf eine Änderung der vertraglichen Vereinbarungen einlassen können, ist Ausdruck der grundsätzlichen im Privatrecht geltenden Privatautonomie, hat indessen keinen Einfluss auf den absoluten Fix-Charakter der vertraglichen Vereinbarung im Hinblick auf die Durchführung der Veranstaltung am 09.01.2021, und nur dann.
Zwischen den Parteien ist unstreitig, dass am 09.01.2021 eine Veranstaltung, wie geplant, nicht annähernd hätte durchgeführt werden dürfen, vor dem Hintergrund öffentlich-rechtlicher pandemiebedingter Bestimmungen.
Der Rücktritt vom Vertrag wegen Ausschluss der Leistungspflicht des Beklagten wegen Unmöglichkeit seiner Leistung ist auch nicht deswegen ausgeschlossen, weil die Klägerin bereits Anfang September, also zeitlich vor Eintreten der Unmöglichkeit, den Rücktritt erklärt hat. Gem. § 326 Abs. 1 S. 1 BGB entfällt der Anspruch auf die Gegenleistung im Falle der Unmöglichkeit schon ipso iure. Der Gesetzgeber hat im § 326 Abs. 5 BGB ausdrücklich geregelt, dass auch im Fall der Unmöglichkeit die Möglichkeit besteht, vom Vertrag zurückzutreten. Vorliegend hat sich die Klägerin dazu entschlossen, vor dem nachvollziehbaren Hintergrund, dass bei 400 Gästen, die großteils aus dem Ausland per Flugreise anreisen müssen, ein entsprechender Vorlauf bei der Organisation zwingend erforderlich ist und eigener Prognose zu entscheiden, von einer Unmöglichkeit der Leistungspflicht des Beklagten zum vereinbarten Zeitpunkt am 09.01.2021 auszugehen und sich vom Vertrag zu lösen. Das Risiko, dass ihre Prognose nicht eingetreten wäre, hat die Klägerin damit auf sich genommen. Wäre letzten Endes eine derartige Veranstaltung, wie vertraglich geschuldet, am 09.01.2021 doch zulässig gewesen, so hätte die Klägerin ihren Rücktritt ohne Vorliegen eines gesetzlichen Rücktrittsrechts erklärt gehabt, wäre sie zur Zahlung der Gegenleistung verpflichtet geblieben. Im vorliegenden Fall ist indessen, wie bereits ausgeführt, zwischen den Parteien unstreitig, dass zum vertraglich vereinbarten Zeitpunkt am 09.01.2021 eine Veranstaltung, wie geplant, nicht zulässig gewesen wäre. So dass sich der bereits im Vorfeld aufgrund der Prognoseentscheidung erklärte Rücktritt nicht zu Lasten der Klägerin ausgewirkt hat, weil sich ihre Prognose als zutreffend herausgestellt hat und letzten Endes ein Rücktrittsrecht, das zum Rücktritt ohne vorherige Fristsetzung berechtigt hat, gegeben war.
Da die vom Gesetzgeber normierte Regelung zu den Unmöglichkeitsvorschriften gem. § 275 Abs. 3 BGB leges speciales zum Wegfall der Geschäftsgrundlage gem. § 313 BGB darstellen, und der Gesetzgeber für den Fall des Eintretens von Unmöglichkeit, die Risikoverteilung zwischen Schuldner und Gläubiger abschließend geregelt hat, kommt ein Rückgriff auf die Regelungen des Wegfalls der Geschäftsgrundlage gem. § 313 BGB nicht in Betracht. Vergleiche zur gesamten Problematik auch die Urteile des Landgerichts Lüneburg vom 10.05.20021, Az.: 10 O 313/20 (Beck RS 2021, 12795) und des Amtsgerichts Köln vom 21.01.2021, Az.: 125 C 379/20.
II.
Der Anspruch auf Zahlung der Zinsen ergibt sich aus §§ 280 Abs. 1, 2, 286 BGB wegen Zahlungsverzugs. Die erstmalige eindeutige endgültige und mit einem Zahlungsziel verbundene Aufforderung zur Rückzahlung vermag das Gericht ausschließlich im Schreiben des Prozessbevollmächtigten der Klägerin vom 24.09.2020 mit Fristsetzung zum 08.10.2020 zu erkennen, so dass Verzugszinsen lediglich ab dem 09.10.2020 zuzusprechen und die Klage im übrigen abzuweisen war.
III.
Die Kostenentscheidung folgt § 92 Abs. 2 ZPO. Das Unterliegen der Klägerin stellt sich als völlig untergeordnet dar.
IV.
Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit folgt § 709 ZPO.


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