Handels- und Gesellschaftsrecht

Schadensersatzanspruch, Berufung, Aufhebung, Pflichtverletzung, Berufungsverfahren, Schriftsatz, Umfang, Erledigung, Klage, Endurteil, Beurteilung, Kostenentscheidung, Zusammenhang, Beweisaufnahme, Erledigung des Rechtsstreits

Aktenzeichen  1 U 7114/20

Datum:
20.1.2022
Fundstelle:
BeckRS – 2022, 363
Gerichtsart:
OLG
Gerichtsort:
München
Rechtsweg:
Ordentliche Gerichtsbarkeit
Normen:

 

Leitsatz

Verfahrensgang

55 O 4143/18 2020-11-13 Urt LGLANDSHUT LG Landshut

Tenor

1. Die Berufung der Kläger gegen das Urteil des Landgerichts Landshut vom 13.11.2020, Az. 55 O 4143/18, wird zurückgewiesen.
2. Die Kläger haben die Kosten des Berufungsverfahrens zu tragen.
3. Dieses Urteil ist ebenso wie das in Ziffer 1 genannte Urteil vorläufig vollstreckbar. Die Kläger können die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110% des zu vollstreckenden Betrages abwenden, sofern nicht die Beklagten vor der Vollstreckung Sicherheit in gleicher Höhe leisten.
4. Die Revision gegen dieses Urteil wird nicht zugelassen.

Gründe

A. 
I.
Auf die tatsächlichen Feststellungen des Endurteils des Landgerichts Landshut vom 13.11.2020 wird Bezug genommen.
II.
Das Landgericht hat zur Begründung des klageabweisenden Urteils – soweit für das Berufungsverfahren noch von Interesse – ausgeführt, es läge weder ein Organisationsverschulden des Beklagten zu 1) vor, noch eine Pflichtverletzung des Beklagten zu 2), für welche der Beklagte zu 1) einzustehen hätte. Die von der Beklagten zu 1) zur Gewährleistung einer ordnungsgemäßen Beaufsichtigung und Überwachung des Schwimmbetriebs im Freibad getroffenen Maßnahmen seien ausreichend gewesen. Es habe ausgereicht, dass am Unfalltag zur Aufsicht über das Freibad lediglich eine Person eingesetzt gewesen sei. Das Gericht habe sich nicht davon überzeugen können, dass der Beklagte zu 2) allein nicht in der Lage gewesen sei, die an ihn gestellten Anforderungen zu erfüllen. Das Freibad sei vergleichsweise klein und das Becken aus der verglasten Front des Bademeisterhäuschens sowohl bei stehender als auch bei sitzender Tätigkeit problemlos zu überblicken gewesen. Der Einsatz eines weiteren Bademeisters sei auch nicht aufgrund einer hohen Anzahl von Badegästen veranlasst gewesen. Die genaue Zahl der Badegäste am Unfalltag habe aufgrund der Beweisaufnahme nicht festgestellt werden können. Selbst wenn 400 Besucher unterstellt würden, hätte ein Bademeister zu deren Beaufsichtigung ausgereicht. Die Kläger hätten nicht nachgewiesen, dass am Unfalltag derart viele Badegäste vor Ort gewesen seien, dass der Einsatz eines zweiten Bademeisters erforderlich gewesen wäre. Der Beklagte zu 1) habe seinen Pflichten dadurch genügt, dass er dem Beklagten zu 2) die klar formulierte Betriebs- und Dienstanweisung BDAnwBad ausgehändigt habe, die ausreichende Anweisungen hinsichtlich der Ausübung der Bademeistertätigkeiten und der Wichtigkeit der zu erfüllenden Aufgaben enthielte. Darüber hinausgehende Hinweise und Erläuterungen seien insbesondere angesichts der Tatsache, dass der Beklagte zu 2) bereits seit 2000 unbeanstandet als Bademeister tätig sei und über alle notwendigen Qualifikationen verfüge, nicht geboten gewesen. Der Beklagte zu 2) habe seine Pflichten nicht dadurch verletzt, dass er sich nicht permanent am Beckenrand aufgehalten, sondern sich zur Durchführung einer Wasserprobe in das Bademeisterhäuschen begeben und die Aufsicht von dort weitergeführt habe. Es könne von einem Bademeister nicht verlangt werden, dass er ständig am Beckenrand verweile. Es sei ohnehin nicht möglich, in jedem Augenblick jeden Besucher eines Bades zu überwachen, und der Beklagte zu 2) habe seiner Aufsichtspflicht auch aus dem Bademeisterhäuschen gerecht werden können. Daran ändere nichts, dass am Unfalltag der Blick auf den Grund des Beckens durch Sonneneinstrahlung und Wellenbewegungen selbst bei einer Beobachtungsposition am Beckenrand erschwert gewesen sei. Auch bei schönem Wetter mit entsprechend beeinträchtigten Sichtverhältnissen müsse ein Bademeister nicht ständig am Beckenrand stehen, weil dies dazu führen würde, dass dann in keinem Fall ein Bademeister unabhängig von der Größe des Freibades alleine die Aufsicht führen könne. Die von den Klägern vorgelegten Lichtbilder, die das Freibad am 04.07.2020 um 14.00 Uhr aus Sicht des Bademeisterhäuschens zeigten und eine eingeschränkte Sicht auf das Becken belegten, änderten an dieser Beurteilung nichts, weil es sich um eine Momentaufnahme handele. Der Umstand, dass der Beklagte zu 2) erst durch einen anderen Badegast auf die Notlage des Verunglückten aufmerksam gemacht worden sei, erlaube nicht den Rückschluss auf eine Aufsichtspflichtverletzung. Der Beklagte zu 2) habe sich zuvor persönlich davon überzeugt, dass der Verunglückte des Schwimmens mächtig war. Es sei zu vermuten, dass der Verunglückte plötzlich von der Wasseroberfläche verschwunden sei, weil auch kein anderer Badegast einen Todeskampf oder Ertrinkungsvorgang wahrgenommen habe. Selbst wenn sich der Beklagte zu 2) weiterhin am Beckenrand aufgehalten hätte, hätte sich ihm nicht zwingend eine Gefahrenlage aufdrängen müssen, weil es sich schlicht um einen tauchenden Badegast hätte handeln können. Ebenso könne nicht aus der Dauer der Untertauchzeit des Verunglückten auf eine Pflichtverletzung des Beklagten zu 2) geschlossen werden. Der Bundesgerichtshof habe nicht postuliert, dass bei Überschreitung einer Untertauchzeit von 4 Minuten ohne weiteres von einer Aufsichtspflichtverletzung auszugehen sei, es handele sich vielmehr lediglich um ein Indiz und es müssten weitere Umstände hinzutreten, wie etwa die Nichteinsehbarkeit des Beckens vom Standort des Bademeisters aus. Die Kläger hätten aufgrund der Einvernahme der Zeugen B., Bi. D. und R. D. sowie auf Grundlage der Feststellungen des Sachverständigen Prof. Dr. G. den ihnen obliegenden Beweis nicht erbracht, dass sich der Verunglückte mindestens 7 Minuten unter Wasser befunden habe. Der Sachverständige habe es bei Annahme einer Hypoxiedauer zwischen drei und zehn Minuten zwar für wahrscheinlich gehalten, dass die obere Grenze erreicht worden sei. Dabei müsse aber berücksichtigt werden, dass die Hypoxiedauer nicht nur die Zeit unter Wasser einschließe, sondern die gesamte Zeit bis zur Wiederherstellung der Sauerstoffversorgung, wobei eine Differenzierung zwischen der Zeit unter und über Wasser morphologisch nicht möglich sei. Es könne nicht augeschlossen werden, dass ein wesentlicher Anteil der Hypoxiezeit in die Phase der Rettungs- und Wiederbelebungsmaßnahmen gefallen sei.
III.
Die Kläger haben gegen das am 20.11.2021 zugestellte Endurteil mit Schriftsatz ihrer Prozessbevollmächtigten vom 10.12.2021, eingegangen am selben Tag, Berufung eingelegt und diese fristgerecht mit Schriftsatz vom 19.02.2021 begründet.
Die Kläger sind weiterhin der Auffassung, der Beklagte zu 2) habe seine Aufsichtspflicht verletzt, wofür der Beklagte zu 1) haften müsse. Der Beklagte zu 2) habe sich nicht zur Durchführung von Wasserproben in das Bademeisterhäuschen zurückziehen dürfen, weil zum Unfallzeitpunkt ein Überblick über das Badegeschehen von dort bei geschätzt 350 bis 400 Personen weder in sitzender noch in stehender Position in gesicherter Weise möglich gewesen sei. Es sei davon auszugehen, dass sich mindestens 150 Schwimmer in dem 375 qm großen Becken aufgehalten hätten. Diese Schwimmerdichte könne ein Bademeister zwar vom Beckenrand aus übersehen, nicht aber vom Inneren des Bademeisterhäuschens, das vom vorderen Rand des Beckens 25 Meter und vom hinteren Rand 50 Meter entfernt sei. Das gelte erst recht, wenn der Beklagte zu 2) sich mit Wasserproben beschäftigt habe. Außerdem sei der Blick auf das Schwimmbecken zusätzlich durch Badegäste im Kinderbecken, auf der Liegewiese und am Beckenrand erschwert. Die mit Lichtbildern (Anlage zum Schriftsatz vom 09.7.2021) dokumentierte Situation im Schwimmbad am 04.07.2020 sei mit derjenigen am Unglückstag hinsichtlich der Temperatur von kreislaufgefährdenden 32 Grad und Besucherfrequenz nahezu identisch, deshalb sei auch für den 04.08.2015 von einer ähnlich beeinträchtigten Sicht auf das Becken auszugehen. Wenn der Blick ins Becken bereits vom Rand aus durch Sonneneinstrahlung und Wellenbewegungen getrübt sei, sei das erst recht aus der weiteren Entfernung des Bademeisterhäuschens der Fall. Das Landgericht sei fehlerhaft dem klägerischen Antrag nicht nachgekommen, einen (weiteren) Augenschein im Schwimmbad zum Beweis der Tatsache durchzuführen, dass bei direkter Sonneneinstrahlung und 300 Badegästen eine Sicht vom Innern des Bademeisterhäuschens auf den Boden im hinteren Schwimmbecken unmöglich sei. Der Beklagte zu 2) habe erkennen müssen, dass in dieser Situation sein Platz nicht im Bademeisterhäuschen, sondern nur am Beckenrand sein könne. Die Analyse der Wasserproben erfordere 4 bis 5 Minuten Konzentration, die bei der Kernaufgabe der Beobachtung des Badegeschehens verloren gehe. Der Beklagte zu 2) hätte die Wasserproben problemlos zurückstellen können, jedenfalls aber eine Hilfskraft hinzuziehen müssen. Am Beckenrand befinde sich ein mannshoher Beobachtungssitz just dort, wo der Verunglückte ertrunken sei; dieser gewährleiste einen optimalen Überblick über das Badegeschehen. Hätte sich der Beklagte zu 2) oder eine Hilfskraft dort platziert, wäre ihnen das Abtauchen des Verunglückten mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit nicht entgangen. Bei einer Untertauchensdauer von 4 Minuten oder länger spreche der Anscheinsbeweis für eine Pflichtverletzung der Aufsichtsperson. Das Landgericht hätte aufgrund der Beweisaufnahme die Überzeugung gewinnen müssen, dass der Verunglückte deutlich über 4 Minuten unter Wasser gelegen habe. Es könne von der von dem Zeugen B. angegebenen Zeitspanne zwischen 7 und 10 Minuten als gesichert ausgegangen werden, insbesondere weil er die einzelnen Beobachtungsschritte differenziert geschildert habe. Der Zeuge müsse im Berufungsverfahren noch einmal vernommen werden. Die Zeitangaben des Zeugen seien zwanglos mit den inzidentiellen Angaben des Beklagten zu 2) in Einklang zu bringen. Die Annahme des Landgerichts, es könne nicht ausgeschlossen werden, dass ein wesentlicher Anteil der Hypoxiedauer auf die Phase der Rettung entfallen sei, widerspreche der Feststellung des Sachverständigen, wonach durch die Reanimation offensichtlich keine Revisibilität der neurologischen Ausfälle habe bewirkt werden können. Auch aus der Angabe des Beklagten zu 2), es habe von der Information durch den Zeugen B. bis zur Reanimation nur 2 Minuten gedauert, sei zu folgern, dass die Hypoxiedauer im Wesentlichen die Zeitspanne unter Wasser betroffen habe.
Die Kläger beantragen,
das Endurteil des Landgerichts Landshut vom 13.11.2020 – 55 O 4143/18 – wird, soweit die Klage gegen den Beklagten zu 1) abgewiesen ist, aufgehoben.
Im Umfang der Aufhebung wird die Sache an das Landgericht Landshut zurückverwiesen.
Der Beklagte zu 1) beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Der Beklagte zu 1) verteidigt das erstinstanzliche Urteil. Das Landgericht habe zu Recht keine Pflichtverletzung des Beklagten zu 2) feststellen können. Die Badeaufsicht habe nicht die Verpflichtung zur lückenlosen Beobachtung eines jeden Schwimmers, weil dies nicht möglich sei. Die zeitweise Durchführung anderweitiger Verrichtungen sei nicht per se pflichtwidrig, wenn die Aufsichtsperson jederzeit erreichbar sei und auf Hilferufe in kürzester Frist reagieren könne; das sei bei dem Beklagten zu 2) der Fall gewesen. Der Beklagte zu 2) habe sich nicht ständig an den Beckenrand stellen und auf den Beckenboden schauen müssen. Bei der von den Klägern behaupteten Zahl von 150 Schwimmern im Becken handele es sich um eine nicht belegte Schätzung, und auch dann könne die Aufsicht über das Becken vom Bademeisterhäuschen aus wahrgenommen werden. Die von den Klägern vorgelegten Lichtbilder vom 04.07.2020 seien als verspätetes Vorbringen nicht zu berücksichtigen, und sie seien im Hinblick auf die Situation am Unglückstag auch nicht aussagekräftig. Sonneneinstrahlung und Wellenbewegungen seien typische Begleiterscheinungen des Badebetriebes. Bei einem kleinen Bad mit üblichem Besuch ohne Spitzenauslastung müsse kein weiterer Schwimmmeister hinzugezogen werden. Der Beklagte zu 2) sei auch nicht verpflichtet gewesen, den Hochsitz zu benutzen. Das Landgericht habe die erhobenen Beweise zutreffend gewürdigt.
Im Übrigen wird auf die im Berufungsverfahren gewechselten Schriftsätze verwiesen.
B.
I. 
Die zulässige Berufung ist unbegründet. Das Landgericht hat die Klage zu Recht abgewiesen. Ein Schadensersatzanspruch gegen den Beklagten 2) aus § 839 BGB i.V.m. Art. 34 GG ist nicht gegeben. Zunächst kann auf die in jeder Hinsicht zutreffenden Ausführungen im landgerichtlichen Urteil verwiesen werden, die sich der Senat zu eigen macht. Ergänzend ist zum Vorbringen in der Berufungsbegründung noch Folgendes auszuführen:
1. Eine Badeaufsicht hat nicht die Pflicht zur lückenlosen Beobachtung eines jeden Schwimmers. Sie ist jedoch verpflichtet, den Badebetrieb und damit auch das Geschehen im Wasser zu beobachten und mit regelmäßigen Kontrollblicken daraufhin zu überwachen, ob Gefahrensituationen für die Badegäste auftreten. Dabei ist der Beobachtungsort so zu wählen, dass der gesamte Schwimm- und Sprungbereich überwacht und auch in das Wasser hineingeblickt werden kann, was ggf. häufigere Standortwechsel erfordert (BGH, Urt. v. 23.11.2017 – III ZR 60/16, juris-Rn. 18; v. 21.03.2000 – VI ZR 158/99, juris-Rn. 7). Von einem Bademeister kann dabei nicht verlangt werden, dass er sich immer dann, wenn er nicht an anderer Stelle gebraucht wird, direkt an den Beckenrand stellt. Er würde dabei zwar etwaige Gefahren im Becken selbst, vor allem Auffälligkeiten unter der Wasseroberfläche möglicherweise eher entdecken; andererseits würde er sich aber ebenfalls erforderlicher Beobachtungs- und Einblicksmöglichkeiten berauben, die die Badegäste außerhalb des Beckens betreffen (vgl. BGH, Urt. v. 02.10.1979 – VI ZR 106/78, juris-Rn. 14).
Nach diesen Maßstäben konnte sich das Landgericht zu Recht nicht von einer Pflichtverletzung des Beklagten zu 2) überzeugen. Der Beklagte zu 2) musste sich insbesondere nicht ständig auf dem zur Verfügung stehenden Hochsitz am Beckenrand positionieren und das Badegeschehen von dort überwachen, auch wenn er von dort den in der Nähe schwimmenden bzw. abgetauchten Verunglückten besser hätte beobachten können. Ferner durfte sich der Beklagte zu 2) vorübergehend zur Durchführung von Wasserproben in das Bademeisterhäuschen begeben und die Aufsicht von dort ausüben. Wie im Urteil (S. 9, 12) ausgeführt, ergab die Inaugenscheinnahme des Bades am 30.09.2020 (Prot. S. 4 und 6), dass vom Fenster der Bademeisterkabine im Stehen wie im Sitzen prinzipiell eine sehr gute Sicht auf das Schwimmer/Nichtschwimmerbecken gegeben war. Der Beklagte zu 2) gab im Rahmen seiner Anhörung am 16.06.2020 (Prot. S. 2 ff, 15) an, er habe seine Aufmerksamkeit dort nicht ausschließlich auf die Entnahme und Analyse der Wasserproben, sondern weiter auch auf das Badegeschehen gerichtet. Er führte in diesem Zusammenhang weiter – auch für den Senat ohne Weiteres nachvollziehbar – aus, dass es durch die Wellenbewegungen und ggf. auch durch die Sonneneinstrahlung schwer zu erkennen sei, ob jemand taucht, d.h sich unter Wasser bewegt, oder lediglich dort treibt; das gelte aber auch dann, wenn man direkt am Beckenrand stehe. Es versteht sich im Übrigen von selbst, dass die Aufsicht über den Badebetrieb bei stärkerer Frequentierung eines Freibades bzw. der Schwimmbecken im Sommer anspruchsvoller wird. Der Senat teilt jedoch aus den im Urteil (S. 9, 12) genannten Gründen die Auffassung des Landgerichts, dass unter den von dem Beklagten zu 2) in Übereinstimmung mit dem Zeugen B. geschilderten Umständen die Hinzuziehung eines weiteren Bademeisters (noch) nicht geboten war. Wie das Landgericht weiter zutreffend ausgeführt hat, ergibt sich auch aus dem von den Klägern vorgelegten Lichtbild vom Juli 2020, das einen regen Badebetrieb mit zahlreichen am Beckenrand bzw. im Bereich der Duschen stehenden Personen zeigt, keine andere Beurteilung. Denn dieses Foto zeigt weder die maßgebliche Perspektive aus der Bademeisterkabine, noch das tatsächliche Geschehen am Unfalltag. Schließlich war das Landgericht auch nicht verpflichtet, einen weiteren Augenschein während der saisonalen Öffnungszeiten des Freibades durchzuführen. Denn abgesehen davon, dass sich die Erledigung des Rechtsstreits dadurch erheblich verzögert hätte, wäre selbst dann nicht gewährleistet gewesen, dass an dem anberaumten Termin tatsächlich (hoch) sommerliches Wetter mit einer entsprechenden Auslastung des Bades geherrscht hätte. Das Landgericht hat seine Erkenntnismöglichkeiten mit der durchgeführten Beweisaufnahme hinreichend ausgeschöpft.
2. Nicht zu beanstanden ist auch die Rechtsauffassung des Landgerichts (Urteil S. 13), dass die Untertauchzeit des Verunglückten für sich genommen noch nicht den zwingenden Rückschluss auf eine Pflichtverletzung des Beklagten zu 2) erlaubt. Der BGH hat in dem einschlägigen Urteil vom 21.03.2000 (VI ZR 158/99, juris-Rn. 6) eine Haftung der dort beklagten Gemeinde nicht schon deshalb angenommen, weil das verunglückte Kind vor seiner Bergung vier Minuten oder länger im Wasser des Nichtschwimmerbeckens untergetaucht war, sondern weil die Badeaufsicht – anders als im vorliegenden Fall – von dem ihm zugewiesenen Standort das Becken nicht einsehen konnte. Entgegen der Auffassung der Berufung streitet bei einer Untertauchzeit von mindestens 4 Minuten auch kein Anscheinsbeweis für die Kläger. Richtig ist allerdings, dass eine längere, für die Sauerstoffversorgung des Gehirns kritische Untertauchzeit ein Indiz für eine Vernachlässigung der Aufsichtspflicht darstellen kann, wobei nach Auffassung des Senats hier keine starre Grenze von 4 Minuten anzusetzen ist. Das Landgericht konnte sich jedoch aufgrund der durchgeführten Beweisaufnahme zu Recht schon nicht davon überzeugen, dass der Verunglückte bis zu seiner Bergung bereits über eine Zeitspanne von mindestens 7 Minuten, also länger als der erforderliche Zeitraum für die Analyse der Wasserproben durch den Beklagten zu 2) nebst den Gehzeiten zwischen dem Bademeisterhäuschen und dem Beckenbereich, leblos unter Wasser getrieben hätte. Wie das Landgericht zutreffend ausgeführt hat, kann weder aufgrund der inhaltlich etwas schwankenden Aussage des Zeugen B. noch der Angaben der Zeugen vom Hörensagen B. und R. D. eine Untertauchzeit zwischen 7 und 10 Minuten als gesichert angenommen werden. Die Berufung setzt insoweit lediglich ihre eigene Beweiswürdigung an diejenige des Landgerichts, ohne Mängel des Urteils aufzuzeigen. Eine erneute Vernehmung des Zeugen B. durch den Senat war nicht veranlasst. Etwas Anderes ergibt sich auch nicht aus den Feststellungen des Sachverständigen, der hinsichtlich der wahrscheinlich im Bereich von 10 Minuten liegenden Hypoxiedauer nicht zwischen der hier maßgeblichen Zeit unter Wasser und dem Zeitraum an Land bis zu Wiederherstellung der Sauerstoffversorgung des Verunglückten differenzieren konnte. Aus der Äußerung des Sachverständigen bei seiner Anhörung vor dem Landgericht, die Reanimation habe offensichtlich keine Revisibilität der neurologischen Ausfälle bewirkt, und der Angabe des Beklagten zu 2), zwischen der Information durch den Zeugen B. und dem Beginn der Reanimation seien seiner Schätzung nach nur 2 Minuten vergangen, kann ebenfalls nicht zwingend auf eine Untertauchzeit von 7 Minuten oder länger geschlossen werden, weil der Beginn der Reanimation nicht bedeutet, dass damit bereits die Luftzufuhr in die Lunge des Verunglückten wiederhergestellt wäre.
II. 
Die Kostenentscheidung ergibt sich aus § 97 Abs. 1 ZPO. Der Ausspruch über die vorläufige Vollstreckbarkeit folgt aus §§ 708 Nr. 10, 711 ZPO.
III.
Die Voraussetzungen für die Zulassung der Revision gemäß § 543 Abs. 2 ZPO liegen nicht vor. Der Rechtsstreit wirft weder Fragen von grundsätzlicher Bedeutung auf, noch erfordert die Fortbildung des Rechts oder Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Revisionsgerichts.


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