Handels- und Gesellschaftsrecht

Unwirksame Forderungsanmeldung zur Insolvenztabelle bei mangelnder Individualisierung der Forderung

Aktenzeichen  13 U 927/15

Datum:
22.12.2017
Fundstelle:
ZInsO – 2018, 326
Gerichtsart:
OLG
Gerichtsort:
München
Rechtsweg:
Ordentliche Gerichtsbarkeit
Normen:
InsO § 174 Abs. 2, § 176, § 179, § 181, § 182

 

Leitsatz

1 Meldet ein Gläubiger eine Forderung zur Insolvenztabelle an, die sich aus mehreren Teilforderungen zusammensetzt, muss sich zumindest aus dem Begründungsschreiben oder dessen Anlagen hinreichend ergeben, wie sich der geltend gemachte Betrag im Einzelnen zusammensetzt und worauf sich die Ansprüche im Einzelnen stützen. (Rn. 28 – 29) (redaktioneller Leitsatz)
2 An der Unwirksamkeit einer Forderungsanmeldung infolge mangelnder Individualisierung ändert ein unterbliebener Hinweis des Insolvenzverwalters auf diesen Mangel der Anmeldung nichts. (Rn. 38 – 39) (redaktioneller Leitsatz)
3 Ein Befreiungsanspruch wandelt sich nicht automatisch mit der Insolvenz des Ersatzpflichtigen in einen Zahlungsanspruch um. (Rn. 33) (redaktioneller Leitsatz)

Verfahrensgang

35 O 3496/14 2015-01-19 Urt LGMUENCHENI LG München I

Tenor

1. Die Berufung der Kläger gegen das Urteil des Landgerichts München I vom 19.01.2015, Az. 35 O 3496/14, wird zurückgewiesen und die Klage bezüglich des Hilfsantrags zu 3. abgewiesen.
2. Die Kläger haben die Kosten des Berufungsverfahrens einschließlich der Kosten des Rechtsbeschwerdeverfahrens zu tragen.
3. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Das in Ziffer 1 genannte Urteil des Landgerichts München I ist ebenfalls ohne Sicherheitsleistung vorläufig vollstreckbar.
4. Die Revision wird nicht zugelassen.
Beschluss
Der Streitwert wird für das Berufungsverfahren auf 1.403,85 € festgesetzt.

Gründe

I.
1.) Die Kläger machen Schadenersatzansprüche wegen der Verletzung von Aufklärungspflichten bzw. wegen fehlerhafter Anlageberatung im Zusammenhang mit dem Beitritt zur SH. I.F. GmbH & Co. Objekte F. und M. F. KG.
Die Kläger zeichneten am 25.10.2008 insgesamt drei Beteiligungen an dem Fonds, und zwar zweimal in Höhe von je 25.000,- € zuzüglich 5% Agio in der Beteiligungsvariante „Immorente Plus“ sowie einmal in Höhe von 50.000,- € zuzüglich 2,5% Agio in der Beteiligungsvariante „Clevere Kombi“.
Hinsichtlich der weiteren tatsächlichen Feststellungen sowie der Anträge erster Instanz wird gem. § 540 Abs. 1 Satz 1 Nr.1 ZPO auf den Tatbestand des angefochtenen Urteils des Landgerichts Bezug genommen.
Das Landgericht München I wies mit Endurteil vom 09.02.2015 die Klage als unzulässig ab und setzte zugleich per Beschluss den Streitwert endgültig auf 500,- € fest (Az. 35 O 3496/14). Urteil und Beschluss wurden der Klagepartei zugestellt am 16.02.2015. Das Erstgericht begründete seine Entscheidung mit der Vorschrift des § 182 InsO.
2.) Gegen das Endurteil vom 09.02.2015 legten die Kläger mit Schriftsatz vom 11.03.2015, eingegangen am selben Tage, Berufung ein (Bl. 135/ 136 d.A.), die sie mit Schriftsatz vom 13.04.2015, eingegangen am 14.04.2015, begründeten (Bl. 148/168 d.A.).
Im Berufungsverfahren beantragten die Kläger zunächst:
Das Urteil des Landgerichts München I vom 09.02.2015, Aktenzeichen 35 O 3496/14, aufzuheben und wie folgt zu entscheiden:
Es wird zur Insolvenztabelle festgestellt, dass der Klagepartei im Insolvenzverfahren über das Vermögen der SH. I. F. GmbH, … A., Aktenzeichen im Insolvenzverfahren 1501 IN 606/13, eine Insolvenzforderung in Höhe von 73.520,00 € Zug um Zug gegen die Abtretung aller Rechte aus den Kommanditbeteiligungen an der SH. I. F. GmbH & Co Objekte F. und M. Fonds KG, Anteilsnummer …210, …643 und …644 im Nennwert in Höhe von insgesamt 70.000,00 € zusteht.
Hilfsweise:
Es wird zur Insolvenztabelle festgestellt, dass der Klagepartei im Insolvenzverfahren über das Vermögen der SH. I. F. GmbH, … A., Aktenzeichen im Insolvenzverfahren 1501 IN 606/13, eine Insolvenzforderung in Höhe von 73.520,00 € zusteht.
Hilfsweise:
Es wird zur Insolvenztabelle festgestellt, dass der Klagepartei im Insolvenzverfahren über das Vermögen der SH. I. F. GmbH, … A., Aktenzeichen im Insolvenzverfahren 1501 IN 606/13, eine Insolvenzforderung in Höhe von 26.270,00 € zusteht.
Der Beklagte beantragt,
die Berufung kostenpflichtig zurückzuweisen.
Mit Beschluss vom 15.06.2015 verwarf der Senat die Berufung als unzulässig, weil der Streitwert für die Berufungsinstanz nur 500,- € betrage. Da keine Quote zu erwarten sei, sei der Streitwert auf 500,- € festzusetzen.
3.) Auf die dagegen gerichtete Rechtsbeschwerde der Kläger hob der Bundesgerichtshof mit Beschluss vom 14.01.2016, Az. IX ZB 57/15, den Beschluss des Senats vom 26.08.2015 auf und verwies die Sache zur erneuten Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsbeschwerdeverfahrens, an den Senat zurück.
4.) Die Kläger beantragen zuletzt,
das Urteil des Landgerichts München I vom 09.02.2015, Aktenzeichen 35 O 3496/14, aufzuheben und wie folgt zu entscheiden:
1. Es wird zur Insolvenztabelle festgestellt, dass der Klagepartei im Insolvenzverfahren über das Vermögen der SH. I. F. GmbH, … A., Aktenzeichen im Insolvenzverfahren 1501 IN 606/13, eine Insolvenzforderung in Höhe von 73.520,00 € zusteht.
Hilfsweise:
2. Es wird zur Insolvenztabelle festgestellt, dass der Klagepartei im Insolvenzverfahren über das Vermögen der SH. I.F. GmbH, … A., Aktenzeichen im Insolvenzverfahren 1501 IN 606/13, eine Insolvenzforderung in Höhe von 26.270,00 € zusteht.
Hilfsweise:
3. Es wird zur Insolvenztabelle festgestellt, dass der Klagepartei im Insolvenzverfahren über das Vermögen der SH. I. F. GmbH, … A., Aktenzeichen im Insolvenzverfahren 1501 IN 606/13, eine Insolvenzforderung in Höhe von 26.270,00 € und eine aufschiebend bedingte Insolvenzforderung von 41.500,- € zusteht.
Der Beklagte beantragt,
die Berufung kostenpflichtig zurückzuweisen.
Der Senat hat keinen Beweis erhoben.
II.
Die Berufung war als unbegründet zurückzuweisen, weil das Erstgericht ohne Rechtsfehler (§§ 513 Abs. 1, 546 ZPO) die Klage als unzulässig abgewiesen hat.
1. Hauptantrag
a) Wie sich aus § 181 InsO ergibt, fehlt einer Klage, mit der die Feststellung einer Forderung zur Insolvenztabelle begehrt wird, das erforderliche Feststellungsinteresse, wenn die Forderung nicht zuvor beim Insolvenzverwalter angemeldet und gem. § 176 InsO geprüft worden ist. Eine ohne vorherige Anmeldung und Prüfung der Forderung erhobene Klage ist als unzulässig abzuweisen (BGH, Urteil vom 23.10.2003 – IX ZR 165/02, WM 2003, 2429; Urteil vom 05.07.2007 – IX ZR 221/05, BGHZ 173, 103; Urteil vom 22.01.2009 – IX ZR 3/08, WM 2009, 468; Münchener Kommentar zur InsO/Schumacher, 3. Aufl. 2013, § 181 Rn. 3; Uhlenbruck/Sinz, InsO, 14. Aufl. 2015, § 181 Rn. 1, beck-online). Der Grund für das vorrangig zu betreibende Anmeldungs- und Prüfungsverfahren liegt darin, dass das Feststellungsurteil gegenüber dem Insolvenzverwalter und allen Gläubigern wirkt (§ 183 Abs. 1 InsO); diese müssen zunächst selbst Gelegenheit erhalten, die angemeldete Forderung zu prüfen und gegebenenfalls zu bestreiten (BGH, Urteil vom 23.10.2003 – IX ZR 165/02 = WM 2003, 2429; BGH, Urteil vom 05.07.2007 – IX ZR 221/05 = BGHZ 173, 103; Uhlenbruck/Sinz, 14. Aufl., § 181 Rn. 1; zitiert nach beck-online).
Bei der Anmeldung sind gem. § 174 Abs. 2 InsO der Grund und der Betrag der Forderung anzugeben. Da die Anmeldung eine Form der Rechtsverfolgung darstellt und der Gläubiger aus der Eintragung als Titel die Zwangsvollstreckung betreiben kann (§ 178 Abs. 3 InsO), muss die Forderung zur Bestimmung der Reichweite der Rechtskraft eindeutig konkretisiert werden. Daneben dient die Individualisierung der Forderung dem Zweck, den Verwalter und die übrigen Insolvenzgläubiger in den Stand zu versetzen, den geltend gemachten Schuldgrund einer Prüfung zu unterziehen. Der Gläubiger hat deshalb bei der Anmeldung den Lebenssachverhalt schlüssig darzulegen, der in Verbindung mit einem – nicht notwendig ebenfalls vorzutragenden – Rechtssatz die geltend gemachte Forderung als begründet erscheinen lässt (BGH, Urteil vom 22.01.2009 – IX ZR 3/08 = NJWRR 2009, 772; BGH, Urteil vom 21.02.2013 – IX ZR 92/12 = NJWRR 2013, 251; zitiert nach beck-online). Bei mehreren geltend gemachten Forderungen ist der angemeldete Betrag für jede einzelne Forderung gesondert anzugeben; die Anmeldung eines Gesamtbetrags genügt nicht. Auch wenn im Falle objektiver Klagehäufung mehrere Ansprüche in einem Urteil zuerkannt worden sind, genügt die Angabe der Gesamtsumme nicht (Jäger/Gerhardt, InsO, 2010, § 174 Rn. 20; Uhlenbruck/Sinz, 14. Aufl., § 174 Rn. 32). Nicht auf Geld gerichtete Forderungen wie z.B. Freistellungsansprüche oder Zug-um-ZugAnträge müssen in Geld umgerechnet werden (Jäger/Gerhardt, § 174 Rn. 21; Uhlenbruck/Sinz, § 174 Rn. 32).
Eine Forderungsanmeldung, die diesen Anforderungen nicht genügt, ist unwirksam. Sie kann insbesondere nicht die Sachurteilsvoraussetzung für eine Feststellungsklage nach § 179 InsO bilden. Die Unwirksamkeit wird auch nicht dadurch geheilt, dass der Verwalter die Forderung gleichwohl in die Tabelle aufnimmt. Der Mangel kann regelmäßig nur durch eine Neuanmeldung behoben werden (BGH, Urteil vom 22.01.2009 – IX ZR 3/08, Jäger/Gerhardt, § 174 Rn. 92, 94; Münchener Kommentar zur InsO/Riedel, § 174 Rn. 26; Uhlenbruck/Sinz, 14. Aufl, § 174 Rn. 45; beck-online).
b) Den zuvor dargelegten Maßstäben genügt die streitgegenständliche Forderungsanmeldung (Anlagenkonvolute K 4 und K 5) nicht.
Angemeldet wurde jeweils ein „Schadensersatzanspruch wegen vorsätzlich begangener unerlaubter Handlung wegen der Verletzung von Aufklärungspflichten und wegen der nicht anleger- und nicht anlagegerechten Beratung im Zusammenhang mit dem Beitritt zum geschlossenen Immobilienfonds SH. I. F. GmbH & Co. Objekte . und M.KG“.
Als „Hauptforderung im Rang des § 38 InsO“ wurden zweimal ein Betrag von je 26.250,- € sowie einmal Betrag von 21.000,00 € angemeldet, außerdem jeweils „Kosten für die Forderungsanmeldung“ in Höhe von jeweils 20,00 €, insgesamt somit 73.560,00 € (vgl. Anlage K 5). Den Anmeldungen beigefügt waren jeweils ein Begründungsschreiben, eine Kopie der Beitrittserklärung und eine Kopie des Fonds-Zertifikats.
Unschädlich ist, dass der im zuletzt gestellten Hauptantrag genannte Betrag um 40,- € von dem angemeldeten Gesamtbetrag abweicht; insoweit scheint es sich um ein Schreibversehen zu halten.
In den Begründungsschreiben wurde jedoch nicht näher erläutert, wie sich der jeweils geltend gemachte Betrag zusammensetzt. Dies erschließt sich auch nicht aus den weiteren beigefügten Anlagen. Insbesondere wird nicht deutlich, welche Beträge die Kläger bis jetzt tatsächlich eingezahlt haben. Zwar ist aus den Zeichnungsscheinen und dem jeweiligen Zertifikat die Höhe der Beteiligungssumme ersichtlich. Ebenso kann daraus die Höhe der jeweiligen Ersteinlage sowie die Anzahl und Höhe der von den Anlegern zu zahlenden Raten entnommen werden. Nicht ersichtlich ist aber, wann mit der Zahlung begonnen wurde, ob die Zahlungen kontinuierlich geleistet wurden und ob bzw. in welcher Höhe die Kläger Sonderzahlungen geleistet haben. Das bedeutet, der tatsächlich eingezahlte Betrag lässt sich aus den vorgelegten Anlagen nicht ohne Weiteres errechnen. Ebenso wird an keiner Stelle erwähnt, dass in dem Gesamtbetrag (nach § 45 InsO umgerechnete ?) Freistellungsansprüche und Zugum- Zug – Forderungen enthalten sind. Dass auch Zugum- ZugForderungen enthalten sein sollten, ergibt sich aus den von den Klägern im hiesigen Rechtsstreit zunächst gestellten Anträgen. Erst zuletzt wurden keine Zugum- Zug -Anträge, sondern nur noch die zuvor gestellten Hilfsanträge gestellt.
Darüber hinaus kann den Begründungsschreiben nicht mit der erforderlichen Substantiiertheit entnommen werden, worauf sich die geltend gemachten Ansprüche im Einzelnen stützen. Es fehlt insbesondere an der konkreten Beschreibung des Beratungshergangs. Vielmehr handelt es sich um standardisierte Begründungsschreiben, die – das ist dem Senat aus einer Reihe von Parallelverfahren bekannt – in einer Vielzahl von Fällen ohne jegliche Individualisierung verwendet wurden (vgl. neben diesem Rechtsstreit z.B. die Verfahren 13 U 989/15, 13 U 1908/15, 13 U 1785/15). In allen genannten Fällen wurde in der Forderungsanmeldung – jeweils auf S. 3 unter Ziffer 2 – als Grund der Forderung angegeben, der Zeichnung des Beitritts sei eine Beratung vorausgegangen. Der Gläubiger habe dem Kundenbetreuer bereits beim ersten Gespräch mitgeteilt, dass er nur an sicheren Anlagen interessiert sei, weil seine Gelder hauptsächlich seiner Altersvorsorge dienen sollten. Deshalb sei dem Anleger der Erhalt des eingesetzten Kapitals wichtig gewesen. Dies sei mit dem Kundenbetreuer besprochen worden. Im Beratungsgespräch habe der Kundenbetreuer aufgrund der mitgeteilten Anlageziele des Gläubigers und seiner Risikobereitschaft die streitgegenständliche Beteiligung empfohlen. Es werden dabei weder der Beratungszeitraum noch der Name des Kundenbetreuers genannt. Die Namen des Kundenberaters findet sich erst in der Klageschrift (dort Seite 4 unten). Angaben zum Beratungszeitraum finden sich auch in den der Anmeldung beigefügten Beitrittserklärungen (Anlage 3 zur Anmeldung) nicht. Außerdem betreffen die von Prozessbevollmächtigten der SH.-Anleger verwendeten Schreiben auch unterschiedliche Fonds und sind – soweit dem Senat bekannt – dennoch gleichlautend.
Somit fehlt es in den Begründungsschreiben an einer hinreichenden Darlegung des Lebenssachverhalts, die dem Insolvenzverwalter und den Gläubigern eine zutreffende rechtliche Beurteilung der angemeldeten Forderung ermöglichen würde, weil mit Ausnahme der beanspruchten Auslagenpauschale von 20 € für die Korrespondenz der Klägervertreter mit dem Insolvenzverwalter im Zusammenhang mit der Anmeldung nicht erläutert wird, wie sich der geltend gemachte Betrag zusammensetzt; dies erschließt sich auch nicht aus den beigefügten Anlagen.
Es fehlt daher insoweit schon an der nötigen Individualisierung des Klagegrunds (vgl. BGH, Urteil vom 18.6.2015 – III ZR 198/14 und vom 3.9.2015 – III ZR 347/14, juris Tz. 18 zur Individualisierung des dem Anspruchsbegehren zugrundeliegenden Sachverhalts in einem Güteantrag).
Hinzu kommt, dass ein Schadensersatzanspruch auf Rückzahlung der geleisteten Einlage und ein Schadensersatzanspruch auf Freistellung von befürchteten künftigen Inanspruchnahmen Dritter nicht nur hinsichtlich des Rechtsschutzziels unterschiedlich sind, sondern auch unterschiedliche tatsächliche und rechtliche Voraussetzungen haben. Damit liegt kein Fall bloß unselbständiger Rechnungsposten eines einheitlichen Anspruchs vor, in dem jedenfalls im Mahnverfahren unter Berücksichtigung der konkreten Umstände des jeweiligen Einzelfalls geringere Anforderungen an eine Individualisierung der Forderung gestellt werden können (vgl. BGH, Urteil vom 13.5.2011 – V ZR 49/10, zitiert nach beck-online).
c) Die Klagepartei irrt, wenn sie annimmt, sie hätte, wenn sie die jetzige Insolvenzschuldnerin vor der Eröffnung des Insolvenzverfahrens über ihr Vermögen auf Schadensersatz in Anspruch genommen hätte, zwischen Zahlungs- und Freistellungsansprüchen nicht unterscheiden müssen. Die Belastung mit einer Verbindlichkeit kann zwar einen zu ersetzenden Schaden darstellen (PalandtGrüneberg BGB 75. Aufl. § 249 Rnr. 4 m.w.N.). Es wird aber kein Lebenssachverhalt vorgetragen, aus dem sich ergäbe, ob – und gegebenenfalls in welcher Höhe – die Kläger aktuell von einem Dritten im Zusammenhang mit der von ihr gezeichneten Kommanditbeteiligung in Anspruch genommen würden, oder eine derartige Inanspruchnahme jedenfalls zu befürchten sei. Ebenso wenig finden sich Angaben dazu, dass und in welcher Höhe die Befreiungsansprüche nach § 45 Satz 1 InsO für die Anmeldung mit einem Schätzwert angesetzt wurden oder sich in einen Zahlungsanspruch umgewandelt haben. Anders als die Kläger meinen, geschieht das keineswegs automatisch mit Insolvenz des Ersatzpflichtigen (PalandtGrüneberg, BGB, 77. Auflage 2018, § 257 Rn. 1 m.w.N.). Die Anmeldung erlaubt es dem Insolvenzverwalter und den Gläubigern daher nicht, ein eindeutiges Bild von der geltend gemachten Forderung zu gewinnen und den Anspruch rechtlich in allen wesentlichen Aspekten zutreffend zu beurteilen (vgl. BGH, Urteil vom 5.7.2007 – IX ZR 221/05; BGH, Urteil vom 3.9.2015 – III ZR 347/14 zum Güteantrag, in dem zur Individualisierung das angestrebte Verfahrensziel anzugeben ist, etwa ob ein Zeichnungs- oder ein Differenzschaden geltend gemacht wird; zitiert nach beck-online).
Der Senat verkennt nicht, dass der Übergang von einem Befreiungsauf einen Zahlungsanspruch, die beide auf derselben Verpflichtung des Schuldners zum Schadensersatz beruhen, keine Klageänderung darstellt (BGH, Urteil vom 25.11.1993 – IX ZR 51/93, beck-online). Darauf kommt es aber im vorliegenden Fall nicht an. Denn von einer Unzulässigkeit der Klage mangels Forderungsanmeldung kann nicht nur dann ausgegangen werden, wenn der Schuldgrund zwischen Anmeldung und Klage geändert wurde, sondern auch wenn es schon an einer hinreichenden Individualisierung des Schuldgrunds in der Forderungsanmeldung und somit von vornherein an einer wirksamen Anmeldung fehlt (vgl. BGH, Urteil vom 5.7.2007 – IX ZR 221/05, Rn.12; beck-online).
Weshalb ein Insolvenzgläubiger, auch wenn er – anders als die Klägerin – nicht anwaltlich vertreten ist, damit überfordert wäre, die tatsächlich geleisteten Zahlungen und die Höhe des Freistellungsanspruchs darzulegen, erschließt sich nicht.
Entgegen der Ansicht der Klägerin kommt es nicht darauf an, ob der Beklagte als Insolvenzverwalter durch Einblick in die Geschäftsunterlagen die Höhe der geleisteten Einlagen selbst hätte feststellen können. Mit der Anmeldung soll, wie oben ausgeführt, nicht nur dem Insolvenzverwalter, sondern auch den anderen Gläubigern ermöglicht werden, die angemeldete Forderung zu prüfen und gegebenenfalls zu bestreiten (BGH, Urteil vom 5.7.2007 – IX ZR 221/05, Rn. 12, zitiert nach beck-online).
d) Dass der Insolvenzverwalter die Klägerin nicht auf die Mängel der Anmeldung hingewiesen hat und auf eine Ergänzung hingewirkt hat, rechtfertigt keine andere Beurteilung.
In Literatur und Rechtsprechung ist umstritten, ob einem Insolvenzverwalter bei fehlerhaften Anmeldungen überhaupt ein Vorprüfungs- und Zurückweisungsrecht zusteht (vgl. zum Meinungsstand Uhlenbruck/Sinz a.a.O., § 175 Rz. 9 m.w.N.). Jedenfalls aber soll sich ein solches Recht nur auf rein formale Mängel erstrecken, nämlich darauf, ob die Mindestvoraussetzungen für eine ordnungsgemäße Anmeldung gewahrt sind, und die Forderung überhaupt in die Tabelle eingetragen werden kann (Uhlenbruck/Sinz, a.a.O., § 174 Rn. 44, § 175 Rn. 10). Bevor er die Eintragung in die Tabelle ablehnt, soll der Insolvenzverwalter beim Vorliegen offensichtlicher Mängel darauf hinweisen und Gelegenheit zur Nachbesserung geben (Uhlenbruck/Sinz, a.a.O., § 174 Rn. 44 m.w.N.). Dass die Unwirksamkeit der Anmeldung durch das Unterlassen dieses Hinweises berührt würde oder dass eine weitergehende Pflicht eines Insolvenzverwalters besteht, dass die Insolvenzgläubiger eine feststellungsfähige Anmeldung erstellen, wird, soweit ersichtlich, in Literatur und Rechtsprechung nicht vertreten. Nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs ist der Verwalter vielmehr grundsätzlich nicht gehalten, den Anspruch zu ermitteln (BGH, Urteil vom 22.01.2009 – IX ZR 3/08, Juris Rn. 31 m.w.N.).
Damit war der Insolvenzverwalter im vorliegenden Fall schon nicht verpflichtet, auf die fehlende Individualisierung des angemeldeten Anspruchs hinzuweisen. Jedenfalls aber änderte ein insoweit etwa anzunehmende Versäumnis des Verwalters nichts an der Unwirksamkeit der Forderungsanmeldung (vgl. Uhlenbruck/Sinz, a.a.O., § 174 Rn. 45, § 175 Rn. 13).
Die im hiesigen Verfahren geltend gemachten Forderungen sind aus den dargelegten Gründen nicht ordnungsgemäß zur Insolvenztabelle angemeldet worden. Eine Heilung von wesentlichen Mängeln der Anmeldung ist ohne die Durchführung eines Prüfungstermins nicht möglich (BGH, Urteil vom 22.01.2009 – IX ZR 3/08, Rn. 17).
e) Dahinstehen kann, ob die in der Klageschrift vom 19.02.2014 vorgenommene nähere Aufschlüsselung ausreichend war oder nicht. Denn eine Klarstellung im Rahmen des Rechtsstreits kann den zur Unzulässigkeit der erhobenen Feststellungsklage führenden Mangel nicht heilen, da es jedenfalls an der Sachurteilsvoraussetzung der Durchführung eines förmlichen Prüfungstermins fehlen würde, in dem die Forderung einen Widerspruch erfahren hat (BGH, Urteil vom 22.01.2009 – IX ZR 3/08 = WM 2009, 468, Rn. 17, zitiert nach beck-online).
2. Hilfsanträge
Für die Hilfsanträge gilt zunächst sinngemäß das, was vorstehend unter Ziffer 1 zum Hauptantrag ausgeführt wurde.
Hinzu kommt, dass beide Anträge schon der Höhe nach nicht den angemeldeten Forderungen entsprechen, sondern dahinter zurückbleiben. Sie sind aber auch nicht gleichsam als „Minus“ in den angemeldeten Forderungen enthalten, weil bei den angemeldeten Forderungen eben schon nicht erkennbar ist, wie sich diese errechnen bzw. zusammensetzen.
Zudem ist die Errechnung der in den Hilfsanträgen genannten Beträge nicht ganz klar; zumindest sind die dort genannten Zahlen nicht identisch mit den in der Klageschrift (dort S. 33) genannten (eingezahlte Beträge 26.718,04 € und „Differenz zwischen den eingezahlten Beträgen und der Beteiligungssumme … in Höhe von 43.281,96 €“). Auf diese rechnerische Unklarheit kommt es den dargelegten Gründen jedoch nicht mehr entscheidend an.
Der Hilfsantrag zu 3. wurde erstmals in der Berufungsinstanz gestellt. Hinsichtlich der Formulierung „und eine aufschiebend bedingte Insolvenzforderung von 41.500,00 €“ liegt eine Klageerweiterung vor. Insoweit war die Klage abzuweisen.
3. Soweit die Kläger (zuletzt im Schriftsatz vom 30.10.2017, Bl. 273/280 d.A.) argumentieren, aus dem im Rechtsbeschwerdeverfahren ergangenen Beschluss des Bundesgerichtshofs ergebe sich, dass der Senat die Klage nicht als unzulässig ansehen dürfe, verkennen sie, dass die vom Bundesgerichtshof geforderte „Entscheidung in der Sache“ nunmehr tatsächlich ergeht, weil über die Begründetheit der Berufung entschieden wird. Der Senat versteht die Formulierung des Bundesgerichtshofs nämlich so, dass über die Berufung in der Sache zu entscheiden sei, weil sie – anders als der Senat entschieden hatte – zulässig sei. Eine Aussage über die Zulässigkeit der Klage lässt sich daraus nicht entnehmen.
III.
Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 97 Abs. 1, 100 Abs. 1 ZPO. Zwar war das Rechtsbeschwerdeverfahren für die Kläger insoweit erfolgreich, als dass die Verwerfung der Berufung als unzulässig aufgehoben wurde. Maßgeblich für die Kostenentscheidung ist aber, dass das Rechtsmittel der Berufung im Ergebnis keinen Erfolg hatte, weil die Berufung nunmehr als unbegründet zurückgewiesen wurde.
IV.
Die Entscheidung zur vorläufigen Vollstreckbarkeit beruht auf §§ 708 Nr.10, 713 ZPO. Gemäß § 26 Nr.8 EGZPO ist das Urteil nicht mit der Nichtzulassungsbeschwerde anfechtbar, da der Wert des Beschwerdegegenstands 20.000,- € nicht übersteigt.
V.
Die Revision war nicht gem. § 543 Abs. 1 Nr.1 ZPO zuzulassen, denn die Voraussetzungen des § 543 Abs. 2 S.1 ZPO liegen nicht vor. Weder hat die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung, noch erfordert die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Revisionsgerichts. Die entscheidungserheblichen Rechtsfragen, insbesondere die Frage der hinreichenden Bestimmtheit der Forderungsanmeldung zur Insolvenztabelle, sind höchstrichterlich geklärt. Es handelt sich nur um eine Einzelfallentscheidung.
VI.
Die Festsetzung des Streitwerts beruht auf §§ 48 Abs. 1 GKG, 3 ZPO.
Der Senat knüpft an den Beschluss des BGH vom 14.01.2016 an (dort Rn.15). Danach war am zum gem. § 4 ZPO für die Wertfestsetzung maßgeblichen Zeitpunkt jedenfalls mit einer Quote von 1,91 v.H. zu rechnen, was einen Betrag von 1.403,85 € ergibt.


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