Handels- und Gesellschaftsrecht

Vollstreckung aus Kostenfestsetzungsbeschluss

Aktenzeichen  M 1 V 19.4181

Datum:
23.7.2020
Fundstelle:
BeckRS – 2020, 18766
Gerichtsart:
VG
Gerichtsort:
München
Rechtsweg:
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Normen:
VwGO § 169
VwVG § 3, § 5
AO § 309, § 314

 

Leitsatz

Tenor

I. Die Vollstreckung aus dem Kostenfestsetzungsbeschluss des Urkundsbeamten der Geschäftsstelle vom 8. Mai 2019 zu den Aktenzeichen M 1 K 14.4233 (1. Instanz) und 4 B 18.1386 (2. Instanz), mit dem die von den Antragsgegnern gesamtschuldnerisch an die Antragstellerin zu erstattenden notwendigen Aufwendungen auf insgesamt 10.224,96 EUR festgesetzt worden sind, wird angeordnet.
Ferner wird die Vollstreckung wegen Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz aus 10.224,96 EUR seit dem 13. November 2018 in Höhe von 713,78 EUR sowie wegen der für dieses Vollstreckungsverfahren angefallenen Anwalts- und Gerichtskosten in Höhe von 778,29 EUR angeordnet.
II. Wegen dieser Ansprüche werden die nachfolgend aufgeführten Forderungen der Antragsgegner zu 1 bis 3 gegenüber dem jeweiligen Drittschuldner – einschließlich der künftig fällig werdenden Beträge – solange gepfändet, bis der Gläubigeranspruch gedeckt ist:
1. Ansprüche gegen die Sparkasse …, … … … …, vertreten durch den Vorstand (Drittschuldnerin):
1.1 Auf Zahlung der zugunsten der Vollstreckungsschuldner zu 1 bis 3 bestehenden Guthaben von deren sämtlichen Girokonten (insbesondere des Girokontos Nr. … … … … … … und Nr. … … … … … **) einschließlich der Ansprüche auf Gutschrift der eingehenden Beträge. Mitgepfändet wird die angebliche (gegenwärtige und künftige) Forderung der Vollstreckungsschuldner an den Drittschuldner auf Auszahlung eines vereinbarten Dispositionskredits („offene Kreditlinie“), soweit die Vollstreckungsschuldner den Kredit in Anspruch nehmen;
1.2 Auf Auszahlung des Guthabens und der bis zum Tag der Auszahlung aufgelaufenen Zinsen sowie auf fristgerechte bzw. vorzeitige Kündigung der für sie geführten Sparguthaben und / oder Festgeldkonten;
1.3 Auf Auszahlung der bereitgestellten, noch nicht abgerufenen Darlehensvaluta aus einem Kreditgeschäft, wenn es sich nicht um zweckgebundene Ansprüche handelt;
1.4. Anspruch auf Zahlung aus zu Wertpapierkonten gehörenden Gegenkonten der Vollstreckungsschuldner zu 1 bis 3, insbesondere aus Konto Nr. …, auf dem die Zinsgutschriften für die festverzinslichen Wertpapiere gutgebracht sind.
Auf § 835 Abs. 3 Satz 2 ZPO (Zahlungsmoratorium von 4 Wochen) und § 835 Abs. 4 ZPO wird die Drittschuldnerin hingewiesen. Pfändungsschutz für Kontoguthaben und für Rechnungsschutz für Sozialleistungen und für Kindergeld werden seit 1. Januar 2012 nur für Pfändungsschutzkonten nach § 850 k ZPO gewährt.
2. Ansprüche der Antragsgegner zu 1 bis 3 auf Auszahlung gegen den Freistaat Bayern, Finanzamt München, Deroystraße 10, 80335 München (Drittschuldner) des als Überzahlung auszugleichenden Erstattungsbetrags bzw. des Überschusses, der sich als Erstattungsanspruch bei Abrechnung der auf die Einkommenssteuer (nebst Solidaritätszuschlag) und Kirchensteuer sowie Körperschaftssteuer anzurechnenden Leistungen für das Kalenderjahr 2018 und aller früheren Kalenderjahre ergibt.
3. Ansprüche der Antragsgegner zu 1 bis 3 gegen die … … Bank … AG, … … … … (Drittschuldnerin), vertreten durch den Vorstand, Herrn Dr. … … (Vorsitzender), Herrn … … und Frau Dr. iur. … … auf Auskehrung des Übererlöses nach der Verwertung in der Zwangsversteigerung aus den Grundpfandrechten der Drittschuldnerin betreffend das Grundstück Blatt …, Flurstück …, …, … …, 1514 K 275/17, Amtsgericht München unter der laufenden Nr. 1 über … EUR nebst Zins und Nebenleistungen, Nr. 2 über … EUR nebst Zins und Nebenleistungen, Nr. 3 über … EUR nebst Zins und Nebenleistungen.
III. Dem jeweiligen Drittschuldner ist es, soweit die Forderung gepfändet ist, verboten, an den jeweiligen Vollstreckungsschuldner zu zahlen.
IV. Dem jeweiligen Antragsgegner und Vollstreckungsschuldner wird geboten, sich jeder Verfügung über die Forderung zu enthalten, sie insbesondere nicht einziehen.
V. Der Vollstreckungsgläubigerin werden die zuvor bezeichneten Forderungen in Höhe des gepfändeten Betrages zur Einziehung überwiesen. Die Zahlung ist auf folgendes Konto des Gläubigervertreters zu veranlassen:
Kontoinhaber: … … … …
IBAN: … … … … … …
BIC: …
VI. Die jeweiligen Drittschuldner werden aufgefordert, binnen zwei Wochen ab Zustellung dieses Beschlusses Erklärungen gemäß § 316 Abs. 1 AO abzugeben.
VII. Die Antragsgegner haben gesamtschuldnerisch die Kosten des Verfahrens zu tragen.
VIII. Der Gegenstandswert wird auf 10.938,74 EUR festgesetzt.

Gründe

I.
Die Antragstellerin und Vollstreckungsgläubigerin ist eine Gemeinde und begehrt die Zwangsvollstreckung aus einem Kostenfestsetzungsbeschluss gegen die Antragsgegner und Vollstreckungsschuldner.
In der Verwaltungsstreitsache M 1 K 14.4233, 4 B 18.1386 wurden die der Vollstreckungsgläubigerin zu erstattenden notwendigen Aufwendungen mit Kostenfestsetzungsbeschluss des Verwaltungsgerichts München vom 8. Mai 2019 auf 10.224,96 EUR festgesetzt (Nr. I. des Beschlusses). Dieser Betrag ist ab 13. November 2018 mit 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz zu verzinsen (Nr. III.). Nach Nr. II. des Urteils des Bayerischen Verwaltungsgerichtshofs (4 B 18.1386) und Nr. II des Kostenfestsetzungsbeschlusses tragen die Vollstreckungsschuldner die Kosten beider Instanzen als Gesamtschuldner. Der Kostenfestsetzungsbeschluss wurde den Antragsgegnern zugestellt und ist rechtskräftig.
Mit am 3. Juli 2019 bei Gericht eingegangenem Schreiben beantragt die Vollstreckungsgläubigerin den Erlass eines Pfändungs- und Überweisungsbeschlusses wegen dieser festgesetzten Kosten nebst Zinsen hieraus, außerdem wegen Gerichtskosten in Höhe von 60,00 EUR und wegen Anwaltskosten in Höhe von 718,29 EUR. Bestandteil des Antrags ist ein Beiblatt, auf dem unter den Nrn. 1 mit 8 die Ansprüche, die gepfändet werden sollen, benannt werden, ferner findet sich ein Verzeichnis der Drittschuldner. Der Vollstreckungsantrag wurde im Hinblick auf die Forderungen, in die vollstreckt werden soll, zuletzt mit Schriftsatz vom 15. Mai 2020 geändert; auf die gestellten Anträge wird Bezug genommen.
Die Antragsgegner haben sich zu dem zugestellten Antrag inhaltlich nicht geäußert.
Das Gericht hat die Antragsgegner mit Schreiben vom 16. April 2020 aufgefordert, den Zahlungsrückstand bis spätestens 27. April 2020 an die Bevollmächtigten der Vollstreckungsgläubigerin zu begleichen und dem Gericht hiervon Mitteilung zu machen. Nach fristlosen Ablauf werde eine Entscheidung im Zwangsvollstreckungsverfahren ergehen. Eine Mitteilung über geleistete Zahlungen erfolgte nicht.
Zu den weiteren Einzelheiten wird auf den Inhalt der Gerichtsakte, auch in den Verfahren M 1 K 14.4233 und 4 B 18.1386, Bezug genommen.
II.
Der Antrag auf Anordnung der Zwangsvollstreckung zugunsten der Antragstellerin für den Betrag von 10.224,96 Euro zuzüglich Zinsen und Verfahrenskosten hat Erfolg (Ziffer I. des Tenors). Bei der Anordnung der Pfändungsmaßnahmen folgt das Gericht dem Vollstreckungsantrag nur beschränkt (Ziffer II. des Tenors).
1. Soll zugunsten der öffentlichen Hand, hier einer Gemeinde, vollstreckt werden, richtet sich die Vollstreckung nach dem Verwaltungsvollstreckungsgesetz des Bundes (VwVG), vgl. § 169 Abs. 1 Satz 1 VwGO. Über den Vollstreckungsantrag entscheidet der Vorsitzende des Gerichts des ersten Rechtszugs; dabei kann er für die Ausführung der Vollstreckung eine andere Vollstreckungsbehörde oder einen Gerichtsvollzieher in Anspruch nehmen (§ 169 Abs. 1 Satz 2 VwGO).
2. Für die Vollstreckung von Geldforderungen – wie hier aufgrund des Kostenfestsetzungsbeschlusses – findet gemäß § 169 Abs. 1 Satz 1 VwGO grundsätzlich die Vorschrift des § 3 VwVG Anwendung. Einer Vollstreckungsanordnung nach § 3 Abs. 1, 4 VwVG seitens der Behörde, die den Anspruch geltend macht, bedarf es jedoch nicht (BayVGH, B.v. 19.11.1984 – 8 C 84 A.2557 – NVwZ 1985, 352; Kraft in Eyermann, VwGO, 15. Aufl. 2019, VwGO § 169 Rn. 5; a.A. hingegen Pietzner/Möller in Schoch/Schneider/Bier, VwGO, 37. EL Juli 2019, § 169 Rn. 35). Diese wird nur für erforderlich gehalten, wenn die Behörde kraft der ihr zustehenden Verwaltungsbefugnis selbst die Vollstreckung durchführt. Hier hingegen handelt es sich um die Vollstreckung aus einer mit der besonderen Rechtsgarantie des gerichtlichen Verfahrens von der dritten Gewalt ausdrücklich titulierten Forderung. Der Erlass einer Vollstreckungsanordnung würde ferner einen zusätzlichen Verwaltungsaufwand bedeuten, der in der besonderen Situation der Vollstreckung aus gerichtlichen Titeln rechtstaatlich nicht geboten ist (BayVGH, B.v. 19.11.1984 – 8 C 84 A.2557 – NVwZ 1985, 352). Ausreichend ist daher der hier vorliegende Antrag der Vollstreckungsgläubigerin an das Verwaltungsgericht auf Durchführung der Zwangsvollstreckung, mit dem das Ob, der Umfang und die Art der Vollstreckung bestimmt werden muss und hier auch bestimmt ist.
Die Vollstreckungsvoraussetzungen liegen vor; insbesondere handelt es sich bei dem Kostenfestsetzungsbeschluss, der nicht mit einem Rechtsbehelf angegriffen worden ist, um einen geeigneten Titel im Sinne des § 168 Abs. 1 Nr. 4 VwGO, der den Antragsgegnern zugestellt wurde. Die Antragsgegner wurden gerichtlicherseits gemahnt im Sinne des § 3 Abs. 3 VwVG, was angesichts des Verfahrensgangs zum Schutz der Betroffenen vor einer Überraschungsentscheidung geboten war.
3. Antragsgemäß ist die Vollstreckung hinsichtlich der Forderung aus dem Kostenfestsetzungsbeschluss nebst Zinsen und Vollstreckungsverfahrenskosten gegen die Antragsgegner anzuordnen (Nr. I des Tenors).
a) Die Höhe des zu vollstreckenden Betrags ergibt sich aus Nr. I des Kostenfestsetzungsbeschlusses vom 8. Mai 2019 hinsichtlich der Hauptsache (10.224,96 EUR), den die Antragsgegner als Gesamtschuldner zu tragen haben (Nr. II des Beschlusses sowie Nr. II des Urteils 4 B 18.1386). Hinzu kommen Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz ab 13. November 2018 hieraus (Nr. III des Kostenfestsetzungsbeschlusses), die sich auf 713,78 EUR summieren:
Ergebnis der Zinsberechnung
Ausgangsdaten:
– Betrag: 10.224,96 €
– Von: Di., 13.11.2018 – Bis: Do., 23.07.2020 – Verzugszinssatz:
– Verbrauchergeschäft (5 Prozentpunkte über Basiszinssatz)
Zeitraum
Tage
Zinssatz
Zinsertrag
13.11.2018 – 31.12.2018:
49
4.12%
56,5538 €
01.01.2019 – 30.06.2019:
181
4.12%
208,9029 €
01.07.2019 – 31.12.2019:
184
4.12%
212,3654 €
01.01.2020 – 30.06.2020:
182
4.12%
209,4832 €
1.07.2020 – 23.07.2020:
23
4.12%
26,4731 €
Total:
13.11.2018 – 23.07.2020:
619
Zinsen:
713,7785 €
Ausgangsforderung:
+ 10.224,9600 €
Gesamtforderung:
= 10.938,7385 €
jeder Tag ab 24.07.2020:
1
4.12%
1,1510 €
nach: https://basiszinssatz.de/zinsrechner/index.php
b) Zu den vollstreckbaren Kosten gehören ferner die von der Gläubigerin geltend gemachten und mit der Beitreibung verbundenen Aufwendungen, hier in Höhe von 718,29 EUR.
Die Beitreibung der Verfahrenskosten zusammen mit der titulierten Forderung folgt aus dem in § 281 Abs. 2 und 3 AO für zulässig erachteten Pfändungsumfang (vgl. Wettlaufer, Die Vollstreckung aus verwaltungs-, sozial- und finanzgerichtlichen Titeln zugunsten der öffentlichen Hand, 1989, S. 91). Dies entspricht auch der Regelung des § 788 Abs. 1 Satz 1 ZPO, wenngleich letztgenannte Vorschrift trotz § 167 Abs. 1 Satz 1 VwGO angesichts des Verweises auf die Kostenbestimmungen der AO durch § 169 Abs. 1 Satz 1 VwGO i.V.m. § 19 Abs. 1 VwVG kein Raum sein soll.
Zu diesen Kosten gehören die Rechtsanwaltsvergütung nach § 13 RVG, die Auslagen und die Umsatzsteuer in Höhe von insgesamt 718,29 EUR. Grundlage für die Berechnung der Verfahrensgebühr ist der Gegenstandswert, der sich nach dem Betrag der zu vollstreckenden Forderung einschließlich der Nebenforderungen bemisst (§ 25 Abs. 1 Nr. 1 RVG), demnach ist zu der Hauptforderung der Zinsanspruch hinzuzurechnen. Zum Zeitpunkt des Antragseingangs betrug der Gegenstandswert 10.448,11 EUR, durch den fortlaufenden Zinsanspruch mittlerweile 10.938,74 EUR. Aus beiden Beträgen ergibt sich eine einfache Gebühr von 604,00 EUR (vgl. Anlage 2 zu § 13 Abs. 1 RVG). Die Verfahrensgebühr beträgt für Zwangsvollstreckungsverfahren 0,3 (vgl. Ziffer 3309 der Anlage 1 zu § 2 Abs. 2 RVG). Da es sich hier um drei Vollstreckungsschuldner handelt und damit drei sog. besondere Angelegenheiten im Sinne des § 18 Abs. 1 Nr. 1 RVG vorliegen, rechtfertigt dies den dreifachen Ansatz von 0,3 aus einer Gebühr von 604,00 EUR, demnach 543,60 EUR. Hierzu sind eine Auslagenpauschale und die Umsatzsteuer zurechnen, insgesamt 718,29 EUR.
c) Soweit die Antragspartei ferner Gerichtskosten in Höhe von 60,00 EUR geltend macht, wird auch insoweit die Vollstreckung angeordnet. Gerichtskosten entstehen im Verfahren über Anträge auf gerichtliche Handlungen der Zwangsvollstreckung nach § 169 VwGO in Höhe von 20,00 EUR (vgl. Ziffer 5301 der Anlage 1 zu § 3 Abs. 2 GKG).
Die Antragspartei vermag hier auch die – wenngleich noch nicht verauslagten – Gerichtskosten vom Antragsgegner beizutreiben. Zwar ist auch im Vollstreckungsverfahren Kostenschuldner gegenüber der Staatskasse zunächst einmal der Antragsteller, § 22 Abs. 1 Satz 1 GKG. Schuldner ist aber auch derjenige, dem sie durch gerichtliche Entscheidung auferlegt werden, § 29 Nr. 1 GKG. Die antragstellende Gläubigerin und die Schuldner haften gem. § 31 Abs. 1 GKG als Gesamtschuldner für die Gerichtskosten. Primär ist nach § 31 Abs. 2 GKG zwar der unterliegende Teil in Anspruch zu nehmen; dies wären hier die Antragsgegner. Dies gilt aber nicht, wenn wie hier die Vollstreckung aussichtslos erscheint (vgl. hierzu das Vollstreckungsersuchen der Staatsoberkasse vom 27. Oktober 2016 und unbefristete Niederschlagung durch das Verwaltungsgericht am 21. Februar 2017, s. gerichtlicher Kostenakt M 1 K 14.4233). Danach wird gerichtlicherseits die Vollstreckungsgläubigerin als Gesamtschuldnerin auf die Kosten der Zwangsvollstreckung unmittelbar in Anspruch genommen werden, und diese wiederum kann die Kosten bei den Vollstreckungsschuldnern beitreiben. Im Übrigen erscheint eine gleichzeitige Beitreibung der Kosten in einem einzigen Vollstreckungsverfahren durch die Zwangsvollstreckungsgläubigerin zweckmäßig.
4. Die Pfändungs- und Einziehungsanordnung hinsichtlich der Ansprüche gegen die Sparkasse, hinsichtlich der Steuerrückerstattungsansprüche und der Ansprüche auf Auskehrung des Übererlöses aus der Zwangsversteigerung (Nr. II.1 bis II.3 des Tenors) findet ihre Rechtsgrundlage über § 5 Abs. 1 VwVG in §§ 281, 309, 314 AO.
Nach § 281 Abs. 1 AO erfolgt die Vollstreckung in das bewegliche Vermögen durch Pfändung. Nach § 309 Abs. 1 Satz 1 AO hat in dem Fall, dass eine Geldforderung gepfändet werden soll, die Vollstreckungsbehörde dem Drittschuldner schriftlich zu verbieten, an den Vollstreckungsschuldner zu zahlen (Nr. III des Tenors) und dem Vollstreckungsschuldner schriftlich zu gebieten, sich jeglicher Verfügung über die Forderung, insbesondere ihrer Einziehung zu enthalten (Nr. IV). Die Pfändung ist bewirkt, wenn die Pfändungsverfügung dem Drittschuldner zugestellt ist; die Zustellung ist dem Vollstreckungsschuldner mitzuteilen (§ 309 Abs. 2 Satz 1 und 3 AO). Die Verwertung erfolgt antragsgemäß durch Überweisung der Forderung zur Einziehung, § 314 AO (Nr. V). Die Einziehungsbefugnis ersetzt gemäß § 315 Abs. 1 Satz 1 AO die förmliche Erklärung des Vollstreckungsschuldners, von der nach bürgerlichem Recht die Berechtigung zur Einziehung abhängt.
Die Vollstreckungsgläubigerin hat durch Vorlage u.a. von Drittschuldnererklärungen aus anderen Verfahren hinreichend glaubhaft gemacht, dass die Rechtsbeziehungen zwischen den Vollstreckungsschuldnern und den jeweiligen Drittschuldnern, aus denen sich die hier gepfändeten Forderungen ableiten, bestehen.
a) Bei der Pfändung des Guthabens der Konten der Vollstreckungsschuldner zu 1 bis 3 bei einem Kreditinstitut (Nr. II.1.1 bis Nr. II.1.4 des Tenors) nach § 309 Abs. 1 AO gelten die §§ 833a, 850l ZPO entsprechend, § 309 Abs. 3 Satz 1 AO. Gemäß § 833a ZPO umfasst die Pfändung des Guthabens eines Kontos bei einem Kreditinstitut das am Tag der Zustellung des Pfändungsbeschlusses bei dem Kreditinstitut bestehende Guthaben sowie die Tagesguthaben der auf die Pfändung folgenden Tage.
Der Hinweis auf § 835 Abs. 3 Satz 2, Abs. 4 ZPO ergeht auf der Grundlage von § 314 Abs. 3 AO.
b) Die Ansprüche auf Steuerrückerstattung der Vollstreckungsschuldner gegenüber dem Finanzamt (Nr. II.2) sind pfändbare Geldforderungen, vgl. § 46 Abs. 1 AO. Dem Vollstreckungsantrag ist insoweit nur nachzukommen, als es um Pfändung von Erstattungsansprüchen aus den vergangenen und bereits abgeschlossenen Veranlagungszeiträumen geht. Denn nach § 46 Abs. 6 Satz 1 AO darf ein Pfändungs- und Überweisungsbeschluss nicht erlassen werden, bevor der Anspruch entstanden ist; dies ist für die benannten Steuerarten mit Ablauf des jeweiligen Kalenderjahres der Fall (Einkommenssteuer: § 2 Abs. 7, § 25 Abs. 1 EStG; Körperschaftssteuer: § 7, § 31 Abs. 1 Satz 1 KStG, § 25 Abs. 1 EStG).
Antragsgemäß sind daher die Ansprüche im Hinblick auf das Kalenderjahr 2018 und der vorhergehenden Kalenderjahre zu pfänden. Eine Pfändung künftig entstehender Erstattungsansprüche ist im Hinblick auf § 46 Abs. 6 Satz 1 AO nicht zugelassen. Zwar ist zwischenzeitlich auch der Steuererstattungsanspruch bezogen auf den Veranlagungszeitraum 2019 entstanden, der grundsätzlich pfändbar wäre. Doch angesichts des Umstands, dass die Antragspartei auch nach Entstehen des Erstattungsanspruchs 2019 am 1. Januar 2020 den Anspruch auf das Kalenderjahr 2018 beschränkte (vgl. Antragsformular S. 4, bei Gericht eingegangen am 22. Januar 2020), ist eine entsprechende erweiternde Auslegung des Antrags nicht möglich.
c) Der Anspruch auf Auskehrung des Übererlöses aus der Zwangsversteigerung der Grundschulden wird ebenfalls nach den Vorschriften über die Pfändung in Forderungen (§ 309 AO) gepfändet.
Das Bestehen der Grundschulden ergibt sich aus dem Grundbuchauszug, ebenso die Anordnung der Zwangsvollstreckung. Zu dem Anspruch auf Auskehrung des Übererlöses trägt die Zwangsvollstreckungsgläubigerin plausibel vor, dass die Grundschuldzinsen fast immer höher als die gesicherte Forderung seien. Die Banken meldeten meist die vollen Zinsen an, hätten dann aber den überschießenden Teil an den Schuldner zurückzugewähren.
5. Im tenorierten Umfang verstößt die Pfändung nicht gegen das Verbot der Überpfändung und wird andererseits dem Interesse der Gläubigerin gerecht, mit hinreichender Sicherheit zur Befriedigung ihrer Ansprüche zu gelangen.
a) § 281 Abs. 2 AO bestimmt, dass die Pfändung nicht weiter ausgedehnt werden darf, als es zur Deckung der beizutreibenden Geldbeträge und der Kosten der Vollstreckung erforderlich ist (sog. Verbot der Überpfändung). Die Vorschrift findet hier Anwendung, weil es sich um die Vollstreckung in das bewegliche Vermögen handelt. Dies wäre im übrigen auch bei der gleichfalls beantragten, aber nicht angeordneten Vollstreckung in die Briefgrundschulden der Fall.
Ob eine Überpfändung vorliegt, ist aufgrund wirtschaftlicher Betrachtungsweise zu entscheiden und ist nur dann anzunehmen, wenn die getroffenen Vollstreckungsmaßnahmen mit einiger Sicherheit zur Befriedigung des Vollstreckungsgläubigers ausreichen (Baldauf in BeckOK AO, 12. Ed. 15.4.2020, § 281 m.w.N.). Wenn der Vollstreckungsschuldner oder ein Dritter Einwendungen gegen die Pfändung bestimmter Sachen erheben und dadurch zweifelhaft wird, ob und welche Pfandstücke zur Deckung der Forderung verwendbar bleiben, ist die Überpfändung zulässig. Die Vollpfändung einer Forderung, deren Nennwert die Forderung des Vollstreckungsgläubigers übersteigt, wird auch im Hinblick auf das Verbot der Überpfändung grundsätzlich für zulässig erachtet. Das liegt an der Schwierigkeit, den Pfandwert und damit die Einbringlichkeit einer Forderung bzw. eines Rechts festzustellen (Baldauf in BeckOK AO, 12. Ed. 15.4.2020, § 281 Rn. 61 m.w.N.).
b) Das Gericht kommt mit Blick auf das Überpfändungsverbot dem Pfändungs- und Überweisungsbeschluss dem Vollstreckungsantrag nicht in vollem Umfang nach. Zwar ist die Vollstreckungsgläubigerin Herrin des Vollstreckungsverfahrens und bestimmt durch ihren Antrag das Ob sowie den Umfang und die Art der Vollstreckung (Pietzner/Möller in Schoch/Schneider/Bier, VwGO, 37. EL Juli 2019, § 169 Rn. 38). Es steht dem Vollstreckungsschuldner frei, welche Art der Vollstreckung er betreiben will (VGH Mannheim, B.v. 20.12.1991 – 9 S 2886/91 – juris). Andererseits genießt die öffentliche Hand bei der Auswahl der Vollstreckungsmaßnahme nicht das für den privaten Vollstreckungsgläubiger im Grundsatz geltende Vorrecht des freien Vollstreckungszugriffs, sondern ist an das Verhältnismäßigkeitsprinzip mit seinen Teilelementen der Eignung, der Erforderlichkeit (des mildesten Mittels) und der Proportionalität (Übermaßverbot oder Verhältnismäßigkeit im engeren Sinne) gebunden (Pietzner/Möller in Schoch/Schneider/Bier, VwGO, 37. EL Juli 2019, § 169 Rn. 44 ff.). Flankierend hierzu hat das Gericht – unbeschadet der Antragsbefugnis der Behörde als Vollstreckungsgläubigerin – die Verantwortung für die Auswahl der zu ergreifenden Vollstreckungsmaßnahmen zu übernehmen (Pietzner/Möller in Schoch/Schneider/Bier, VwGO, 37. EL Juli 2019, § 169 Rn. 37) und die im gestellten Antrag avisierten Maßnahmen am Übermaßverbot zu prüfen (Kraft in Eyermann, VwGO, 15. Aufl. 2019, § 169 Rn. 5).
c) Das Gericht ordnet die Pfändung mehrerer Forderungen aus unterschiedlichen Bereichen an und sieht jedenfalls derzeit hinreichende Sicherheit dafür, dass dies zur Befriedigung der Gläubigerin ausreicht. Unter Berücksichtigung des Grundsatzes der Verhältnismäßigkeit und des Verbots der Überpfändung wird es (derzeit) als nicht erforderlich erachtet, dem Vollstreckungsantrag in dem beantragten Umfang zu entsprechen und die Pfändung weiter auszudehnen.
Insbesondere hält das Gericht die Pfändungen der Ansprüche gegen die Sparkasse für erfolgversprechend angesichts der naheliegenden Annahme, dass die Antragsgegner zu 2 und 3 ihre beruflichen Einkünfte über die dort bestehenden Konten abwickeln. Zusätzlich werden die Steuererstattungsansprüche und die Ansprüche auf Auskehrung des Übererlöses gepfändet. Denn dem Interesse der Gläubigerin an der Pfändung nicht nur einzelner, sondern mehrerer Forderungen und Rechte ist Rechnung zu tragen, weil die jeweilige Forderungshöhe nicht absehbar ist. Ferner bestehen Unwägbarkeiten in Bezug auf die Einbringlichkeit der Forderungen. Es ist aktenkundig, dass bereits andere Gläubiger einige Vollstreckungsversuche unternommen haben und Vollstreckungsverfahren wie etwa die Zwangsversteigerung an einem der Grundstücke andauern. Speziell bei der Pfändung der Steuererstattungen 2018 ist eine Einbringlichkeit jedenfalls zweifelhaft angesichts der Mitteilung des Finanzamts im Hinblick auf den Veranlagungszeitraum 2017, dass eigene vorrangige Rückstände bestünden, sodass eine Erstattung nicht erfolgen könne.
d) Das Gericht hat sich bei der Auswahl der gepfändeten Forderungen von der Überlegung leiten lassen, dass die Gläubigerin möglichst rasch und sicher befriedigt werden soll. Eine Pfändung der Altersversorgungsansprüche wurde daher (noch) nicht angeordnet, weil das Entstehen des Vollrechts vom Erreichen des Renten- bzw. Pensionsalters abhängt und damit nicht zeitnah mit einer Befriedung der Ansprüche zu rechnen wäre. Die Pfändung der weiteren geltendgemachten Forderungen und Rechte, u.a. der Briefgrundschulden, erfolgt (derzeit) nicht, weil die Einschaltung weiterer Organe – etwa des Gerichtsvollziehers und des Grundbuchamtes – weiteren Aufwand und weitere zeitliche Verzögerung, auch mit Blick auf ein sich anschließendes Verwertungsverfahren mit sich brächte. Die Briefgrundschulden sind außerdem mit der Unwägbarkeit behaftet, dass man der Briefe möglicherweise nicht habhaft wird.
Dem Verbot der Überpfändung steht das Gebot der Nachpfändung gegenüber. Stellt sich heraus, dass die bislang gepfändeten Gegenstände nicht ausreichen, um den Vollstreckungsgläubiger zu befriedigen, wird das Gericht einen weitergehenden Pfändungsbeschluss erlassen.
6. Die Kostenentscheidung (Nr. VII. des Tenors) beruht auf §§ 154 Abs. 1, 159 Satz 1 VwGO i.V.m. § 100 Abs. 4 ZPO.
7. Der Gegenstandswert errechnet sich nach dem unter II.3.a) und b) Ausgeführten. Einer Streitwertfestsetzung bedarf es nicht, weil nach dem Kostenverzeichnis zum GKG (Anlage 1 zu § 3 Abs. 2 GKG) eine Festgebühr (Nr. 5301) vorgesehen ist.


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