Handels- und Gesellschaftsrecht

Zulässigkeit der Berufung bei teilweiser Unklarheit der Berufungsanträge

Aktenzeichen  23 U 2594/15

Datum:
2.6.2016
Fundstelle:
BeckRS – 2016, 10436
Gerichtsart:
OLG
Gerichtsort:
München
Rechtsweg:
Ordentliche Gerichtsbarkeit
Normen:
ZPO § 520 Abs. 3 S. 1, § 829
BGB § 133, § 157, § 433, § 812, § 1275

 

Leitsatz

1 Ist der Berufungsbegründung eindeutig zu entnehmen, dass der Berufungsführer seinen prozessualen Anspruch jedenfalls zu einem bestimmten Teil weiterverfolgen will, ist die Berufung in diesem Umfang zulässig, auch wenn wegen weitergehender Ansprüche die Berufungsanträge unklar sind (ebenso BGH NJW 2015, 1606). (Rn. 20) (redaktioneller Leitsatz)
2 Die fehlende Angabe der Rechtsform einer Gesellschaft führt nicht ohne Weiteres dazu führt, dass die Drittschuldnerbezeichnung unzureichend ist. (Rn. 25) (redaktioneller Leitsatz)
3 Ein vereinbarter Kaufpreis schließt grundsätzlich auch die hierauf zu entrichtende Umsatzsteuer mit ein, falls nicht etwas anderes vereinbart wurde oder sich ein abweichender Handelsbrauch entwickelt hat (ebenso BGH NJW-RR 2000, 1652). (Rn. 31) (redaktioneller Leitsatz)
4 Der Gläubiger erlangt durch den Pfändungs- und Überweisungsbeschluss die Stellung eines Pfandgläubigers iSd § 1275 BGB. (Rn. 34) (redaktioneller Leitsatz)
5 Mit einer Vertragsübernahme werden vorbehaltlich einer abweichenden Vereinbarung die gesamten Rechte und Pflichten aus einem Schuldverhältnis, nicht aber Bereicherungsansprüche übertragen. (Rn. 42) (redaktioneller Leitsatz)
6 Soweit sich die Pfändung auf eine künftige Forderung bezieht, wird ein Pfandrecht erst mit deren Entstehung begründet (ebenso BGH NJW 2004, 1444). (Rn. 53) (redaktioneller Leitsatz)

Verfahrensgang

22 O 26577/12 2015-06-24 Schlussurteil LGMUENCHENI LG München I

Tenor

1. Auf die Berufung des Klägers wird das Schlussurteil des Landgerichts München I vom 24.06.2015, Az. 22 O 26577/12, in Ziffer 1 dahingehend abgeändert, dass die Beklagte verurteilt wird, an den Kläger € 62.251,07 nebst Zinsen hieraus in Höhe von 5 Prozentpunkten über den Basiszinssatz seit 31.07.2013 zu bezahlen.
Im Übrigen wird die Berufung des Klägers zurückgewiesen und bleibt die Klage abgewiesen.
2. Die Berufung der Beklagten wird zurückgewiesen.
3. Von den Kosten des Rechtsstreits tragen der Kläger 55% und die Beklagte 45%.
4. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Der jeweilige Vollstreckungsschuldner kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110% des aus diesem Urteil vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht der jeweilige Vollstreckungsgläubiger vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 110% des zu vollstreckenden Betrages leistet.
5. Die Revision wird nicht zugelassen.

Gründe

II.
Die zulässige Berufung des Klägers führt zur teilweisen Abänderung des angegriffenen Schlussurteils. Die zulässige Berufung der Beklagen hat in der Sache keinen Erfolg.
1. Die Berufung des Klägers ist zulässig. Der in der Berufungsbegründung angekündigte Antrag, das Schlussurteil aufzuheben und die Beklagte zur Zahlung von € 84.785,94 zu verurteilen, ist unter Berücksichtigung der Ausführungen auf Seite 8 (Bl. 247 d. A.) dahingehend zu verstehen, dass der Kläger die Zahlung von weiteren € 84.785,94 begehrt und damit seine Klage um € 13.291,28 erweitert. Bei der Ermittlung des prozessualen Begehrens ist nach ständiger Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs auch die Berufungsbegründung zur Auslegung des Klagebegehrens heranziehen. Dabei ist das Vorbringen einer Partei so auszulegen, wie es nach den Maßstäben der Rechtsordnung vernünftig ist und ihrem Interesse entspricht (BGH, Urteil vom 20.07.2005 XII ZR 155/04, juris Tz. 6). Ist der Berufungsbegründung – wie hier – eindeutig zu entnehmen, dass der Berufungsführer seinen prozessualen Anspruch jedenfalls zu einem bestimmten Teil weiterverfolgen will, bleibt die Berufung im Übrigen in diesem Umfang nach Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs (BGH, Urteil vom 01.07.1975, VI ZR 251/74, juris Tz. 17; BGH, Beschluss vom 01.04.2015, XII ZB 503/14, juris Tz. 18) zulässig, auch wenn wegen weitergehender Ansprüche die Berufungsanträge unklar sind.
Gegen die Zulässigkeit der Berufung der Beklagten bestehen keine Bedenken.
2. Die Klage ist zulässig. Die internationale Zuständigkeit deutscher Gerichte ergibt sich aus Art. 7 Nr. 1 lit b) EUGVVO, jedenfalls aufgrund rügeloser Einlassung der Beklagten (Art. 26 EuGVVO).
3. Die Klage ist in Höhe von insgesamt € 62.251,07 begründet.
3.1. Zutreffend geht das Landgericht davon aus, dass die Beklagte im Pfändungs- und Überweisungsbeschluss hinreichend bestimmt bezeichnet wurde. Dies hat die Beklagte mit ihrer Berufung nicht angegriffen.
Soweit die Beklagte im Schriftsatz vom 02.05.2016 (Seite 1 f., Bl. 386 f. d. A.) weiterhin die Auffassung vertritt, sie sei nicht als Drittschuldnerin bezeichnet, wird auf den Beschluss des Senats vom 06.11.2014, 23 U 2365/14 (Bl. 194/196 d. A.) Bezug genommen. Der Pfändungsbeschluss muss die zu pfändende Forderung so bestimmt bezeichnen, dass bei verständiger Auslegung des Beschlusses – nicht nur für die unmittelbar Beteiligten, sondern ebenso für andere Personen, insbesondere für weitere Gläubiger, die möglicherweise pfänden wollen – unzweifelhaft feststeht, welche Forderung Gegenstand der Zwangsvollstreckung sein soll. Hierbei muss der Drittschuldner so bezeichnet sein, dass über seine Identität auch für Dritte keine Zweifel bestehen (BGH, Urteil vom 09.07.1987, IX ZR 165/86). Dies ist hier der Fall, obwohl die Beklagte im Pfändungs- und Überweisungsbeschluss vom 05.05.2011 (Anlage K 1) als „F. GmbH“ bezeichnet wurde. Es bestünden auch für Dritte keine Zweifel an der Identität der Drittschuldnerin, wenn sie im Pfändungs- und Überweisungsbeschluss lediglich als „F.“ bezeichnet worden wäre. Dies entspricht der Rechtsprechung des BAG (Urteil vom 06.05.2009, 10 AZR 834/08), nach der die fehlende Angabe der Rechtsform nicht ohne weiteres dazu führt, dass die Drittschuldnerbezeichnung unzureichend ist. In dem vom BAG entschiedenen Fall (Urteil vom 06.05.2009, 10 AZR 834/08, juris Tz. 12 f.) bestand aufgrund der Geschäftsbezeichnung „Bäckerei R“ und der angegebenen Adresse kein Zweifel über die Identität der Drittschuldnerin, da an dem angegebenen Ort nur eine Gesellschaft die Bezeichnung „Bäckerei R“ in ihrem Firmennamen trug. Auch im vorliegenden Fall gab es außer der Beklagten keine andere Gesellschaft, die die Bezeichnung „F.“ in ihrer Firma hatte und die in München ihren Sitz oder eine Zweigniederlassung hatte. Allein der Zusatz „GmbH“ führt nicht zu Zweifeln über die Identität der Drittschuldnerin, zumal es sich bei der Beklagten um eine Kft. handelt, die der deutschen GmbH entspricht (Krafka in Münchener Kommentar zum HGB, 4. Aufl., § 13 e Rn. 5).
3.2. Aus § 6 des Vertrages vom 21.02.2001 ergibt sich ein Provisionsanspruch des Zeugen M. für das 4. Quartal 2010 und für das Jahr 2011. In § 9 dieses Vertrages ist die Anwendbarkeit deutschen Rechts vereinbart (Art. 27 EGBGB a. F.).
3.2.1. Die Beklagte ist nach den Feststellungen des landgerichtlichen Urteils unstreitig in die Vereinbarung vom 21.02.2001 eingetreten. Im Einverständnis aller Beteiligten können im Wege der Vertragsübernahme die gesamten Rechte und Pflichten aus einem Schuldverhältnis übertragen werden (BGH, Urteil vom 26.02.2015, IX ZR 174/13 Tz. 19 m. w. N.). Unerheblich ist deshalb, dass der Kläger in der Berufungsbegründung (Seite 3, Bl. 242 d. A.) die Ansicht vertritt, die Beklagte sei nicht Vertragspartei.
Diese Vereinbarung wurde nicht zum 31.12.2009 aufgehoben. Die Beklagte hat vor dem Landgericht in der Sitzung vom 02.04.2014 (Bl. 83 d. A.) klargestellt, dass eine Aufhebungsvereinbarung erst mit der Anlage B 5 geschlossen wurde. Eine vorherige mögliche Aufhebungsvereinbarung mit dem Zeugen M. habe es nicht gegeben.
Zutreffend geht das Erstgericht (Seite 12 des angegriffenen Urteils) davon aus, dass die in der Aufhebungsvereinbarung vom 29.12.2011 (s.u. Ziffer 3.4) enthaltene Abgeltungsklausel hinsichtlich der bis zum 31.12.2010 entstanden Provisionsansprüche wegen der Pfändung im Verhältnis zur Klagepartei relativ unwirksam ist .
3.2.2. Für das 4. Quartal 2010 und für das Jahr 2011 beträgt die Provision unstreitig € 52.311,82. Die Berufung des Klägers hat Erfolg, soweit er für diesen Betrag 19% Umsatzsteuer in Höhe von € 9.939, 25 verlangt (Seite 8 der Berufungsbegründung, Bl. 247 d. A.).
Zu Recht geht das Erstgericht davon aus, dass ein vereinbarter Kaufpreis grundsätzlich auch die hierauf zu entrichtende Umsatzsteuer mit einschließt, falls nicht etwas anderes vereinbart wurde oder sich ein abweichender Handelsbrauch entwickelt hat (BGH Urteil vom 14.01.2000, V ZR 416/97, juris Tz. 6, m. w. N.). In der Vereinbarung vom 21.02.2001 ist zwar nicht explizit geregelt, dass die Provision zuzüglich Umsatzsteuer zu zahlen ist, die Vertragsparteien sind jedoch übereinstimmend davon ausgegangen, dass Provisionen in Höhe eines in § 6 Abs. 1 bestimmten Prozentsatzes aus dem Nettoauftragsvolumen zuzüglich Umsatzsteuer zu zahlen sind. Denn die A. 96 Kft. hat unstreitig ihrerseits die Provisionen zuzüglich Umsatzsteuer abgerechnet. Dass es sich bei den vom Kläger vorgelegten Rechnungen vom 16.11.2004 und 03.02.2005 um Einzelfälle oder ein Versehen gehandelt hätte, hat die Beklagte nicht behauptet. Sie hat nur eingewandt, die Schreiben seien nur an die Abrechnungsverantwortliche, die … D. Treuhand und Vermögensverwaltung GmbH gegangen, so dass mit dem Zeugen M. keine konkludente Einigung habe getroffen werden können (Seite 13 f. des Schriftsatzes vom, Bl. 184 f. der Zweitakte). Dabei übersieht sie jedoch, dass die finanzielle Abwicklung zwar nach § 8 über die … D. Treuhand und Vermögensverwaltung GmbH erfolgte, die A. 96 Kft. jedoch nach § 6 Abs. 2 zur Abrechnung „gegenüber M.“ verpflichtet war. Ohne Erfolg wendet die Beklagte schließlich ein, der von ihr vorgenommene Aufschlag der Umsatzsteuer ändere nichts am Vertragsinhalt (Seite 5 des Schriftsatzes vom 18.12.2015, Bl. 325 d. A.). Das nachträgliche Verhalten der Parteien im Prozess kann zwar den objektiven Vertragsinhalt nicht mehr beeinflussen, hat aber Bedeutung für die Ermittlung des tatsächlichen Willens und das tatsächliche Verständnis der an dem Rechtsgeschäft Beteiligten (BGH, Urteil vom 06.07.2005, VIII ZR 136/04, juris Tz. 29 m. w. N.).
3.3. Der Provisionsanspruch ist nicht durch Aufrechnung erloschen. Die Berufung der Beklagten hat somit keinen Erfolg.
3.3.1. Die Beklagte hat auf den Hinweis in der Ladung vom 19.11.2015 (Bl. 298 d. A.) im Schriftsatz vom 14.12.2015 die Reihenfolge der Forderungen festgelegt, gegen die sie und mit denen sie aufrechnet. Gegen die Zulässigkeit der Aufrechnung bestehen keine Bedenken mehr.
3.3.2. Entgegen der vom Landgericht vertretenen Ansicht, könnte die Beklagte mit Rückzahlungsansprüchen gegen Herrn M. wegen bis zum Jahr 2010 erfolgten Überzahlungen aufrechnen. Denn durch den Pfändungs- und Überweisungsbeschluss hat der Kläger die Stellung eines Pfandgläubigers im Sinne des § 1275 BGB erlangt. Nach dieser Vorschrift finden auf das Rechtsverhältnis zwischen Pfandgläubiger und dem Verpflichteten die für die Übertragung des Rechtes maßgebenden Vorschriften des Bürgerlichen Rechtes, also die §§ 398 ff. BGB Anwendung. Nach § 406 BGB kann ein Schuldner mit Forderungen, die ihm gegen den bisherigen Gläubiger bereits vor der Abtretung zugestanden haben, auch gegenüber dem neuen Gläubiger aufrechnen (BGH, 09.10.2000, II ZR 75/99, juris Tz. 12 m. w. N.).
3.3.3. Der Beklagten stehen jedoch keine Gegenansprüche mehr zu, mit denen sie aufrechnen könnte. Sie hat in der mit dem Zeuge M. getroffenen Aufhebungsvereinbarung vom 29.12.2011 (Anlage B 5) auf alle Ansprüche, gleich aus welchem Rechtsgrund, verzichtet.
Rückzahlungsansprüche wegen zu viel gezahlter Provisionen, die nach Art. 32 Abs. 1 Nr. 5 EGBGB a. F. bzw. Art. 12 Abs. 1 lit. e) Rom-I-VO (Thorn in Palandt, BGB, 75. Aufl., Art. 10 Rom-II-VO Rn. 4) deutschem Recht unterliegen, standen der Beklagten nach § 812 Abs. 1 Satz 1 BGB ohnehin nur hinsichtlich der ab 01.01.2010 geleisteten Überzahlungen „netto“ zu, die die Beklagte in Höhe von € 41.676,47 geltend macht (vgl. Seite 14 der Berufungsbegründung der Beklagten, Bl. 270 d. A.).
3.3.3.1. Die Aufhebungsvereinbarung unterliegt – wie der Hauptvertrag, in den die Beklagte zum 01.01.2010 eingetreten ist, – nach Art. 12 Abs. 1 lit. d) Rom-I-VO deutschem Recht.
3.3.3.2. Der Senat ist nach der Vernehmung des Zeugen M1. davon überzeugt, dass die Vereinbarung von ihm und – für die Beklagte – von Herrn J. unterzeichnet wurde. Die Beklagte geht selbst davon aus, dass die Vereinbarung wirksam zustande kam. Hinsichtlich der Einwände des Klägers gegen die Wirksamkeit der Aufhebungsvereinbarung wird auf die Ausführung unter Ziffer 3.4 Bezug genommen.
3.3.3.3. Nicht gefolgt werden kann der Argumentation der Beklagten, die Vereinbarung sei dahingehend auszulegen, dass die Beklagte ihre Ansprüche wegen Überzahlung trotz der Pfändung im Wege der Aufrechnung geltend machen kann (Seite 4 des Schriftsatzes vom 21.03.2016, Bl. 359 d. A.) bzw. dass mit der Vereinbarung die Aufrechnung erfolgt sei (Seite 5 des Schriftsatzes vom 02.05.2016, Bl. 390 d. A.).
Die Parteien kamen am 29.12.2011 überein, die zur Zeit gültige Provisionsvereinbarung zum 31.12 2011 aufzuheben und erklärten, gegeneinander keinerlei Ansprüche, gleich viel aus welchem Rechtsgrund, aufgrund der aufgehobenen Provisionsvereinbarung zu haben. Dass etwaige Ansprüche der Beklagten wegen der ab Ende des Jahres 2010 im Raume stehenden Überzahlungen seitens der A. 96 Kft. bzw. der Beklagten, davon ausgenommen sein sollten, lässt sich der Vereinbarung nicht entnehmen. Der Senat verkennt nicht, dass der Kläger und Herr J. Anfang 2011 unstreitig darüber sprachen, dass der zu viel gezahlte Betrag mit künftigen Provisionsforderungen verrechnet werden sollte, was sich auch aus der an den Zeugen M. gerichteten handschriftlichen Notiz des Klägers auf Anlage B 3 und dem Schreiben des Klägers vom 04.07.2011 (Anlage B 4) ergibt. Unklar bleibt insoweit, auf welche geplante Vereinbarung sich der handschriftliche Zusatz des Klägers auf der Anlage B 4 beziehen soll, da die Beteiligten zu diesem Zeitpunkt noch davon ausgingen, mit der Beklagte solle eine Vereinbarung, ähnlich wie der mit der A. 96 Kft. geschlossene Vertrag getroffen werden. Selbst wenn – wie die Beklagte meint – alle Beteiligten bis zum Abschluss der Vereinbarung vom 29.12.2011 davon ausgegangen sind, dass die Beklagte aufrechnen kann, ist nicht ersichtlich, dass sich die Beklagte dies vorbehalten wollte bzw. ihre etwaigen Gegenforderungen nicht von der Abgeltungsklausel umfasst sein sollten. Aus der glaubhaften Aussage des Zeugen M. vor dem Senat ergibt sich vielmehr, dass es ihm wichtig war, von Ansprüchen der Beklagten wegen Überzahlungen in der Vergangenheit befreit zu werden. Der Senat erachtet den Zeugen M1. als glaubwürdig. Nicht gefolgt kann der Ansicht der Beklagten, die vom Senat vorgenommene Auslegung (vgl. Hinweis des Senats in der Sitzung vom 25.02.2016, Bl. 336 d. A.) sei widersinnig, da die Beklagte an den Kläger zahlen müsse und dann den Zeugen M. in Regress nehmen müsste (Seite 5 des Schriftsatzes vom 02.05.2016, Bl. 390 d. A.). Die Beklagte verkennt, dass sich die streitgegenständliche Forderung gegen sie richtet und sie aufgrund der Pfändung und Überweisung, nicht an den Zeugen M. sondern an den Kläger zu leisten hat. Sie zahlt also nicht auf einen „fremden Titel“ und hat deshalb auch keinen Bereicherungsanspruch gegen den Zeugen M.
3.3.4. Für die bis zum 31.12.2009 seitens der A. 96 Kft. geleisteten Überzahlungen hat die Beklagte im Übrigen nicht dargetan, Inhaberin der Bereicherungsansprüche zu sein.
Mit der Vertragsübernahme werden vorbehaltlich einer abweichenden Vereinbarung die gesamten Rechte und Pflichten aus einem Schuldverhältnis übertragen (BGH, Urteil vom 26.02.2015, IX ZR 174/13 Tz. 19 m. w. N.). Die Beklagte ist somit aufgrund Vertragsübernahme zwar in die Rechte und Pflichten aus der Vereinbarung vom 21.02.2001 eingetreten, soweit diese Rechte und Pflichten noch offenstanden (vgl. BGH, Urteil vom 15.08.2002, IX ZR 217/99 juris Tz. 31 m. w. N.). Bei den Bereicherungsansprüchen, mit denen die Beklagte aufrechnet, handelt es sich jedoch nicht um vertragliche Ansprüche. Dass ihr Bereicherungsansprüche der Aventa 96 Kft. im Rahmen der Vertragsübernahme oder später abgetreten wurden, hat die Beklagte nicht behauptet.
Ansprüche wegen zu Unrecht gezahlter Umsatzsteuer stehen ihr aus den unter Ziffer 3.2.2 genannten Gründen ohnehin nicht zu.
3.4. Provisionsansprüche für den Zeitraum ab 01.01.2012 bestehen wegen der Aufhebungsvereinbarung zum 31.12.2011 nicht. Soweit der Kläger für die Jahre 2012 und 2013 Provisionen in Höhe von € 62.898,06 zuzüglich Umsatzsteuer in Höhe von € 11.950,63 verlangt (Seite 8 der Berufungsbegründung, Bl. 247 d. A.), hat seine Berufung somit keinen Erfolg.
3.4.1. Der Zeuge M. hat vor dem Senat glaubhaft bekundet, die als Anlage B 5 vorgelegte Vereinbarung am 29.12.2011 unterschrieben zu haben. Er legte im Termin vom 28.04.2016 u. a. das Original der Aufhebungsvereinbarung vom 29.12.2011 vor und bekundete, er habe die Vereinbarung unterschrieben; es wisse nicht mehr genau wann, aber es werde schon der 29.12.2011 gewesen sein. Die andere Unterschrift stamme von Herrn J.
3.4.2. Für die Beklagte wurde die Vereinbarung unstreitig von Herrn J. unterschrieben, der nach dem Vortrag der Beklagten im Schriftsatz vom 21.03.2016 keine organschaftliche Vertretungsmacht hatte. Die organschaftliche Vertretungsmacht richtet sich nach dem Recht des Sitzes der Gesellschaft. Eine ungarische Gesellschaft mit beschränkter Haftung (Kft.) wird durch ihren Geschäftsführer vertreten (Hausmann in Reithmann/Martiny, Internationales Vertragsrecht, 8. Aufl., Rn. 7.290). Ob die Geschäftsführerin der Beklagten Herrn J. eine uneingeschränkte Handlungsvollmacht erteilt hatte, wie die Beklagte im Schriftsatz vom 21.03.2016 behauptet (Seite 1, Bl. 356 d. A.), kann dahinstehen, da die organschaftliche Vertreterin der Beklagten das Rechtsgeschäft jedenfalls gemäß § 177 Abs. 1 BGB dadurch genehmigt hat, dass die Anlage B 5 von der Beklagten in den Prozess eingeführt wurde. Das deutsche Recht als Vertragsstatut entscheidet auch darüber, ob die ohne Vertretungsmacht für die Beklagte abgegebenen Erklärung genehmigungsfähig war und welche Anforderungen an eine Genehmigung zu stellen sind (vgl. BGH, Urteil vom 08.10.1991, XI ZR 64/90, juris Tz. 15 m. w. N.). Entgegen der vom Kläger vertretenen Ansicht (Seite 4 des Schriftsatzes vom 30.11.2015, Bl. 304 d. A.) scheitert eine konkludente Genehmigung schon mangels einer Aufforderung zur Erklärung über die Genehmigung nicht an § 177 Abs. 2 BGB. Aus den unten (Ziffer 3.4.6) dargestellten Gründen steht entgegen der Ansicht des Klägers (Seite 3 des Schriftsatzes vom 09.03.2016, Bl. 348 d. A.) auch die Pfändung der Provisionsansprüche der Genehmigung des Aufhebungsvertrages nicht entgegen.
3.4.3. Zum Inhalt der Vereinbarung bekundete der Zeuge M. glaubhaft, er habe Schluss machen wollen mit der Zusammenarbeit mit der Firma A., bzw. F. Es habe Unstimmigkeiten mit Herrn R. gegeben. Es sei im Raum gestanden, dass die Beklagte ca. € 60.000,00 zu viel bezahlt habe. Da bekomme man einen Schock, wenn auf einmal € 60.000,00 Schulden im Raum stünden. Herr R. habe vorgeschlagen, man könne mit den Herren von der Beklagten doch reden. Er habe dann aber keine Lust mehr gehabt, er habe ohnehin aus dem Geschäft kein Geld erhalten.
Unter Berücksichtigung dieser Aussage ist die Aufhebungsvereinbarung zum einen dahingehend auszulegen, dass dem Zeugen M. ab 01.01.2012 keine Provisionen mehr zustehen. Zum anderen verzichtete die Beklagte auf etwaige Ansprüche gegenüber dem Zeugen M.. (s.o. Ziffer 3.3.3.3). Der Kläger wendet im Schriftsatz vom 09.03.2016 (Seite 4, Bl. 349 d. A.) zu Recht ein, zum Zeitpunkt des Abschlusses der Aufhebungsvereinbarung, habe es zwischen Herrn M. und der Beklagten keine schriftliche Provisionsvereinbarung gegeben. Nicht gefolgt werden kann aber seiner Schlussfolgerung, die Beendigung des Vertrages habe nach § 7 der Vereinbarung vom 21.02.2001 keine Auswirkung auf die Verpflichtung zur Zahlung der vereinbarten Provision. Gingen Herr M. und die Beklagte Ende 2011 davon aus, dass zwischen ihnen eine Provisionsvereinbarung mit dem Inhalt der Anlage K 2 bestand, ist die Aufhebungsvereinbarung dahingehend zu verstehen, dass die Provisionsvereinbarung in §§ 1 bis 7 und § 9 der Anlage K 2 insgesamt aufgehoben wird, also insbesondere auch die in § 7 Satz 4 enthaltene Regelung, dass auch nach der Beendigung des Vertrages weiter Provisionen zu zahlen sind. Irgendwelche Einschränkungen dahingehend, dass einzelne Klauseln wie § 7 Satz 4 weiter gelten sollen, sind der Anlage B 5 nicht zu entnehmen.
3.4.4. Eine Zustimmung der … D. Treuhand und Vermögensverwaltung GmbH zu der Aufhebung der Provisionsvereinbarung (§§ 1 bis 7 und § 9 der Anlage K 2) war nicht erforderlich. Die Vereinbarung in Anlage K 2 ist so auszulegen, dass Vertragspartner dieser Regelungen nur der Zeuge M. und die Beklagte waren. Der Senat verkennt nicht, dass auch der Kläger als Vertreter der … D. Treuhand und Vermögensverwaltung GmbH die Anlage K 2 auf der letzten Seite mitunterschrieben hat. Diese Unterschrift bezieht sich aber nur auf die dreiseitige Treuhandvereinbarung in § 8 der Anlage K 2, die der Zeuge M. und die Beklagte ohne Zustimmung der … D. Treuhand und Vermögensverwaltung GmbH nicht aufheben konnten und zur Erreichung ihres Ziels (Ende der Provisionszahlungen) auch nicht aufheben mussten, denn nach § 8 Nr. 3 von Anlage K 2 soll die … D. Treuhand und Vermögensverwaltung GmbH eine Provision „für ihre Bemühungen“ erhalten, die sie im Rahmen der finanziellen Abwicklung entfaltet.
3.4.5. Ohne Erfolg beruft sich der Kläger darauf, die Aufhebungsvereinbarung sei sittenwidrig (§ 138 BGB).
Ein Rechtsgeschäft ist sittenwidrig im Sinne des § 138 Abs. 1 BGB und damit nichtig, wenn es nach seinem aus der Zusammenfassung von Inhalt, Beweggrund und Zweck zu entnehmenden Gesamtcharakter mit den grundlegenden Wertungen der Rechts- und Sittenordnung nicht zu vereinbaren ist (BGH, Urteil vom 12.04.2016, XI ZR 305/14, juris Tz. 37 m. w. N.).
Rechtsgeschäfte, die ein Schuldner in der dem anderen Teil bekannten Absicht, seine Gläubiger zu benachteiligen, vorgenommen hat, verstoßen zwar in der Regel gegen die guten Sitten. Jedoch gehen die besonderen Bestimmungen der Insolvenz- bzw. Gläubigeranfechtung den allgemeinen Regeln der §§ 134, 138 Abs. 1 BGB vor, es sei denn, das Rechtsgeschäft weist besondere, über die Gläubigerbenachteiligung hinausgehende Umstände auf (BGH, Urteil vom 12.04.2016, XI ZR 305/14, juris Tz. 43; BGH Urteil vom 23.04.2002, XI ZR 136/01, juris Tz. 33). Dazu gehören insbesondere Täuschungsabsicht oder Schädigungsvorsatz (BGH, Urteil vom 19.03.1998, IX ZR 22/97, juris Tz. 36).
Solche Umstände hat der Kläger nicht dargetan. In erster Instanz argumentierte der Kläger, es sei unklar, warum der Zeuge M. auf künftige Provisionen verzichten sollte und es bestehe die dringliche Vermutung, dass ein „Schein- und Schwindelgeschäft“ vorliege oder dass die Beklagte mit dem Zeugen M. kollusiv zusammengewirkt habe, um den Kläger zu schädigen (Seite 4 des Schriftsatzes vom 05.08.2014, Bl. 126 d. A.). Allein aus dem Verzicht auf künftige Provisionszahlungen lässt sich jedoch nicht auf Schädigungsvorsatz des Zeugen M. schließen. Anlass der Aufhebungsvereinbarung waren – wie der Zeuge M. vor dem Senat glaubhaft bestätigt hat – Abrechnungsfehler in der Vergangenheit. Der Senat ist nach der Einvernahme des Zeugen M. davon überzeugt, dass es ihm wichtig war, von seinen „Schulden“ in Höhe von ca. € 60.000,00 wegen der Überzahlungen in der Vergangenheit befreit zu werden. Dies schließt Schädigungsvorsatz aus. Entgegen der von dem Kläger vertretenen Ansicht, setzt dies nicht voraus, dass der Forderungsverzicht der Beklagten im Verhältnis zur Vertragsbeendigung ausgewogen ist (Seite 1 des Schriftsatzes vom 03.03.2016, Bl. 339 d. A.). Nicht gefolgt werden kann im Übrigen der Ansicht des Klägers, es sei nur um Überzahlungen in Höhe von € 21.682,06 gegangen, denen – bei gleichbleibendem Umsatz – Provisionsforderungen bis zum 1. Quartal 2016 in Höhe von € 715.507,84 gegenüber standen. Unverständlich ist dem Senat schließlich der Einwand, aufgrund einer Vereinbarung mit der A. 96 Kft. habe keine Schuld mehr bestanden (Seite 1 des Schriftsatzes vom 02.05.2016, Bl. 384 d. A.). Maßgeblicher Zeitpunkt für die Beurteilung der Sittenwidrigkeit ist der Abschluss der Aufhebungsvereinbarung vom 29.12.2011 (vgl. BGH, Urteil vom 12.04.2016, XI ZR 305/14, juris Tz. 45). Zu diesem Zeitpunkt standen einerseits Überzahlungen in Höhe von € 56.986,27 (vgl. Anlagen B 1 und B 4) im Raum und andererseits bereits entstandene Provisionsansprüche für den Zeitraum 4. Quartal 2010 und 2011 sowie die Erwartung künftiger Provisionsansprüche, deren Höhe aber ungewiss war und die zudem davon abhingen, dass die Beklagte weiterhin für die W.GmbH tätig war. Soweit der Kläger weiter vorträgt, dem Zeugen M. sei eine Vereinbarung vorgelegt worden, deren Inhalt und Auswirkungen er nicht verstanden habe (Seite 4 des Schriftsatzes vom 09.03.2016, Bl. 349 d. A.), spricht auch dies gegen einen Schädigungsvorsatz des Zeugen M.
3.4.6. Die Aufhebungsvereinbarung ist bezüglich des Abrechnungszeitraums vom 01.01.2012 bis 31.12.2013 nicht aufgrund des Pfändungs- und Überweisungsbeschlusses vom 05.05.2011 relativ unwirksam. Auf die Ausführungen des Erstgerichts (Seiten 15 ff. des angegriffenen Urteils) wird Bezug genommen.
Soweit sich die Pfändung auf eine künftige Forderung bezieht, wird ein Pfandrecht erst mit deren Entstehung begründet (BGH Urteil vom 22.01.2004, IX ZR 39/03, juris Tz. 12). Zu Recht sieht das Landgericht die streitgegenständlichen Forderungen nicht als betagte Forderungen an, die bereits mit Vertragsschluss entstehen (BGH Urteil vom 28.03.1990, VIII ZR 17/89, juris Tz. 42). Ohne Erfolg wendet der Kläger dagegen ein, die Provision sei nach §§ 2 und 6 der Vereinbarung vom 21.02.2001 bei Abschluss des Werkvertrages mit der W. GmbH geschuldet und befristet (Seite 7 der Berufungsbegründung, Bl. 246 d. A.). Zutreffend hat das Landgericht darauf abgestellt, bei Erlass des Pfändungs- und Überweisungsbeschlusses sei nicht klar gewesen, ob in den Jahren 2012 und 213 von der Beklagten überhaupt Werkvertragsleistungen für die W. GmbH erbracht würden und wie hoch ggf. die daraus erzielten Nettoumsätze sind. Dies steht jedoch der Annahme einer betagten Forderung entgegen. Der Bundesgerichtshof hat in einem Fall, in dem die Mietraten wegen der Kündigungsmöglichkeit nicht in jeder Weise durch den Mietvertrag rechtlich von vornherein festgelegt waren, die Annahme einer betagten Forderung verneint (vgl. BGH, Urteil vom 25.04.2013, IX ZR 62/12, juris Tz. 35).
Die Vorschrift des § 832 ZPO macht zwar eine Ausnahme von dem Grundsatz, dass die Pfändung künftige Ansprüche nur erfasst, wenn dies ausdrücklich angeordnet wird (BGH, Urteil vom 26.06.2008 IX ZR 87/07, juris Tz. 16), das Pfandrecht entsteht freilich erst mit Entstehung des Anspruchs (Becker in Musielak, ZPO, 13. Aufl., § 832 Rn. 1).
4. Die prozessualen Nebenentscheidungen beruhen auf § 92 Abs. 1 Satz 1, § 708 Nr. 10, § 711 und § 543 Abs. 2 ZPO.


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