Handels- und Gesellschaftsrecht

Zulässigkeit einer Verwaltungskostenpauschale bei gemeinsamen Vergütungsregeln für Schauspieler

Aktenzeichen  21 S 8405/19

Datum:
12.2.2020
Fundstelle:
ZUM-RD – 2020, 395
Gerichtsart:
LG
Gerichtsort:
München I
Rechtsweg:
Ordentliche Gerichtsbarkeit
Normen:
UrhG § 32a, § 36
BGB § 134, § 138, § 139

 

Leitsatz

1. Wenn sich eine Interessenvertretung (hier: Schauspieler/Synchronschauspieler) und ein Sender auf Gemeinsame Vergütungsregeln einigen und darin zumindest auch die Tragung der Verwaltungskosten durch die von der Interessenvertretung vertretenen Schauspieler regeln, erscheint dies nicht per se unzulässig. (Rn. 25) (redaktioneller Leitsatz)
2. Ein auffälliges Missverhältnis nach § 32a UrhG liegt jedenfalls dann vor, wenn die vereinbarte Vergütung um 100% von der angemessenen Beteiligung abweicht; eine Abweichung von 2,2% stellt kein auffälliges Missverhältnis dar.  (Rn. 28 – 29) (redaktioneller Leitsatz)

Verfahrensgang

142 C 4377/17 2019-05-15 Urt AGMUENCHEN AG München

Tenor

1. Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Amtsgerichts München vom 15.05.2019, Az. 142 C 4377/17, wird zurückgewiesen.
2. Der Kläger hat die Kosten des Berufungsverfahrens zu tragen.
3. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Das in Ziffer 1 genannte Urteil des Amtsgerichts München ist ohne Sicherheitsleistung vorläufig vollstreckbar.

Gründe

I.
Der Kläger macht gegen die Beklagten ergänzende Vergütungsansprüche aufgrund seiner Mitwirkung in zwei Folgen der Serie „Der Bulle von Tölz“ geltend.
Mit Urteil vom 15.05.2019 hat das Amtsgericht München (Gz. 142 C 4377/17) die Klage abgewiesen. Zur Begründung ist im Ersturteil, auf dessen tatsächliche Feststellungen Bezug genommen wird, insbesondere Folgendes ausgeführt:
Der Kläger habe gegen die Beklagte zu 2) keinen Anspruch aus §§ 32a, 79 Abs. 2 S. 2, 73 UrhG. (…)
§ 32a UrhG räume dem Urheber bzw. über §§ 79 Abs. 2 S. 2, 73 UrhG dem ausübenden Künstler, wie im vorliegenden Fall, einen ergänzenden Vergütungsanspruch ein, wenn sich aufgrund der faktischen Entwicklung nach Vertragsschluss ein auffälliges Missverhältnis zwischen der vereinbarten Vergütung und den Erträgen und Vorteilen des Werkverwerters aus der Nutzung des Werks ergebe. (…)
Der Kläger habe ein solches auffälliges Missverhältnis nicht dargelegt und unter Beweis gestellt. (…)
Vielmehr sei der Kläger durch den vorliegenden Streitgegenstand der Auffassung, dass die Beklagte zu 3) ihm für die Folge „Bauernhochzeit“ noch EUR 38,57 und für die Folge „Bei Zuschlag Mord“ noch EUR 23,63 als Vergütung schulde. Der Kläger gehe also davon aus, dass die tatsächlich angemessene Vergütung für die erste Folge um EUR 38,57 und für die zweite Folge um EUR 23,63 höher liege als das, was er jeweils tatsächlich bekommen habe. Jedenfalls sei der Kläger offensichtlich der Meinung, dass zwischen seiner tatsächlichen Vergütung und der angemessenen Vergütung pro Folge ein Unterschied im unteren zweistelligen Eurobereich liege.
Da der Kläger nach seinem eigenen Vortrag für die eine Folge ein Honorar von DM 2.700,00 und für die andere Folge ein Honorar von DM 2.800,00 erhalten habe, sei bereits nach dem Vortrag des Klägers hier nicht von einem auffälligen Missverhältnis auszugehen. (…)
Eine vertragliche Vereinbarung auf Ausschüttung zwischen der Beklagten zu 1) und dem Kläger oder ein Schuldversprechen der Beklagten zu 1) nach § 780 BGB liege ebenso nicht vor. (…)
Der Kläger habe gegen die Beklagte zu 1) im Übrigen keinen Anspruch auf Schadensersatz (…) Ein Anspruch des Klägers gegen die Beklagte zu 1) gemäß §§ 812 ff. BGB bestehe nicht.
Gegen dieses Urteil wendet sich der Kläger mit seiner Berufung, mit der er die Änderung des erstinstanzlichen Urteils und Zusprechung der Klage begehrt und die er insbesondere wie folgt begründet: Das Amtsgericht habe die Klage zu Unrecht abgewiesen. Der Kläger müsse vorliegend ein auffälliges Missverhältnis nach § 32 a Abs. 1 UrhG weder darlegen noch beweisen. Vielmehr sei eine abgeschlossene gemeinsame Vergütungsregelung (nachfolgend: GVR) vorrangig. Ein auffälliges Missverhältnis hätten die Beklagten insbesondere durch die GVR und weitere nachfolgende Schreiben selbst anerkannt. So dienten die GVR etwa ausdrücklich dazu, Ansprüche aus § 32a UrhG abzugelten.
Der Kläger und Berufungskläger beantragt,
unter Abänderung des am 150.05.2019 verkündeten Urteils des Amtsgerichts München
1. die Beklagten als Gesamtschuldner, hilfsweise als Teilschuldner, zu verurteilen, an den Kläger 62,20 Euro zuzüglich Zinsen in Höhe von 5 Prozent über dem Basiszinssatz seit dem 07.12.2017 zu bezahlen;
2. festzustellen, dass die Beklagten verpflichtet sind, dem Kläger auch für den Zeitraum ab dem 01.01.2015 die ihm gemäß der Gemeinsamen Vergütungsregelung zwischen dem Bundesverband der Film- und Fernsehschauspieler e. V. (BFFS) und ProSiebenSat.1 TV Deutschland GmbH, der Beklagten zu 2) zustehenden Vergütungen (Beteiligungen) in voller Höhe und ohne Abzug einer Verwaltungspauschale, insbesondere einer solchen zu Gunsten der Beklagten zu 1) auszuzahlen.
Die Beklagten und Berufungsbeklagten beantragen,
die Berufung kostenpflichtig zurückzuweisen.
Die Beklagte zu 1) ist bereits der Auffassung, dass die Berufung gegen sie nicht statthaft sei, da das Amtsgericht die Berufung nur in Bezug auf Ansprüche nach § 32a UrhG zugelassen habe. Gegen die Beklagte zu 1) mache der Kläger jedoch keine derartigen Ansprüche geltend.
Im Übrigen erfülle die Berufungsschrift des Klägers nicht die Anforderungen des § 520 Abs. 3 S. 2 Nr. 2 ZPO; die Berufungsbegründung erschöpfe sich darin, das Urteil des Amtsgerichts als falsch zu bezeichnen und ursprüngliche Äußerungen in der Klageschrift zu wiederholen.
Weiterhin seien keine Ansprüche gegen die Beklagte zu 1) ersichtlich. Insbesondere würden die Gelder auf ein Treuhandkonto eingezahlt und blieben damit im Vermögen der Beklagten zu 2). Auch habe der Kläger etwa keinen Schaden.
Die Beklagte zu 2) weist darauf hin, dass der Kläger einen Anspruch auf Auszahlung ohne Abzug der Verwaltungspauschale geltend mache – im Ergebnis gehe es daher vorliegend um einen Anspruch auf Zahlung von 8,55 EUR. Dieser Anspruch stehe dem Kläger weder aus Gesetz noch aus der GVR zu.
Insbesondere enthalte die aktuelle GVR einen entsprechenden Passus, dass eine Verwaltungskostenpauschale in Höhe von 13,75% abzuziehen sei (vgl. Bl. 330 d.A. und Anlage B5). Dieser Abzug habe sich auch aus der vorherigen GVR in Verbindung mit der Dreiseitenvereinbarung ergeben. Der Kläger könne sich jedoch nicht einerseits auf die GVR berufen und andererseits den dort vorgesehen Abzug von Verwaltungskosten verneinen. Dies stelle ein „unzulässiges Rosinenpicken“ dar.
Im Übrigen wird auf die im Berufungsverfahren gewechselten Schriftsätze und auf das Protokoll der mündlichen Verhandlung vom 12.02.2020 und den übrigen Akteninhalt Bezug genommen.
II.
Die zulässige Berufung des Klägers erweist sich im Ergebnis als unbegründet.
1. Die Berufung ist zulässig.
1) Sie ist insbesondere in vollem Umfang statthaft. Das Amtsgericht hat die Berufung nicht nur beschränkt zugelassen, sondern erklärt, dass die Berufung „insbesondere“ im Hinblick auf § 32a UrhG zugelassen werde. Damit hat es zu erkennen gegeben, dass die Berufung unbeschränkt zugelassen hat.
1) Sie wurde auch form- und fristgerecht eingelegt und begründet. Die Begründung entspricht auch den Anforderungen an § 520 Abs. 3 S. 2 Nr. 2 ZPO, da der Kläger in der Berufungsbegründung zu erkennen gegeben hat, dass er die Berufung insbesondere auf eine fehlerhafte Anwendung von § 32a UrhG durch das Erstgericht stützen will.
2. Die Berufung ist jedoch unbegründet.
2) Ein Anspruch des Klägers auf Auszahlung einer nachträglichen Vergütung in Höhe von 62,20 EUR ohne Abzug einer Verwaltungspauschale in Höhe von 8,55 EUR ergibt sich nicht aus der GVR, wie vom Kläger behauptet.
Selbst wenn die GVR eine Anspruchsgrundlage darstellen würde, was von den Beklagten bestritten wird, so ist in dieser klar der Abzug einer Verwaltungskostenpauschale geregelt. Die aktuelle GVR bestimmt etwa ausdrücklich, dass die angemessene Beteiligung ein Betrag ist, der sich nach Abzug einer Verwaltungskostenpauschale ergibt (vgl. Ziff. IV.3.2.3 – Anlage B5):
„Die … wird von den berechtigten Schauspielerinnen und Synchronschauspielerinnen für ihren Verwaltungsaufwand ferner eine Verwaltungskostenpauschale in Höhe von 13,75% des von der … gegenüber der jeweiligen Schauspielerin bzw. Synchronschauspielerin jeweils abgerechneten Betrags erheben. Die der Schauspielerin bzw. Synchronschauspielerin nach diesen Gemeinsamen Vergütungsregeln zustehende Beteiligung beläuft sich mithin auf den um diese Verwaltungskostenpauschale in Höhe von 13,75% verminderten Betrag.“
Um einen entsprechenden Anspruch aus der GVR abzuleiten, müsste sich der Kläger folglich auf eine Teilnichtigkeit der GVR berufen. Diesbezüglich sind zumindest keine ausreichenden Gründe vorgetragen bzw. ersichtlich, um etwa von einer Nichtigkeit der Verwaltungskostenpauschale gem. § 134 oder § 138 BGB auszugehen. Die Kammer geht insbesondere auch davon aus, dass bei der Ausschüttung der Beteiligung tatsächlich Verwaltungskosten anfallen, über deren Verteilung sich die Parteien der GVR einigen wollten. Dies ergibt sich bereits daraus, dass die Beklagte zu 1) infolge der GVR geschaffen wurde, um die Auszahlung der Beteiligungen zu übernehmen. Dass dies ohne Anfall von Verwaltungskosten möglich sein soll, erscheint schwer vorstellbar. Wenn sich eine Interessenvertretung wie der BFFS und ein Sender wie vorliegend die Beklagte zu 2) auf eine GVR einigen und darin zumindest auch die Tragung der Verwaltungskosten durch die von der Interessenvertretung vertretenen Schauspieler regeln, erscheint dies nicht per se unzulässig.
Im Übrigen wäre – selbst wenn man von einer Teilnichtigkeit ausginge – der Rechtsgedanke des § 139 BGB zu beachten. Die Kammer hat keine Anhaltspunkte dafür, dass die Parteien der GVR die GVR auch ohne die Regelungen der Verwaltungspauschale gewollt hätten. Folglich könnte sich der Kläger für den Fall der Nichtigkeit der Verwaltungskostenpauschale nicht auf die GVR im Übrigen berufen, so dass ein Anspruch auch in diesem Falle ausscheiden würde, da die GVR dann gesamtnichtig wären.
2) Auch ein gesetzlicher Anspruch scheidet aus. Ein Anspruch aus § 32a Abs. 1 UrhG scheidet bereits gem. § 32a Abs. 4 UrhG aus, da eine GVR abgeschlossen ist, die eine nachträgliche Vergütung vorsieht.
Soweit man § 32a Abs. 1 UrhG trotzdem anwenden wollte, scheidet ein Anspruch aus, da ein auffälliges Missverhältnis im Sinne der Norm weder vorgetragen noch ersichtlich ist. Ein auffälliges Missverhältnis liegt jedenfalls dann vor, wenn die vereinbarte Vergütung um 100% von der angemessenen Beteiligung abweicht (vgl. etwa Dreier/Schulze, UrhG, § 32a, Rn. 37 m.w.N.).
Vorliegend hat der Kläger vorgetragen, dass sich die angemessene Beteiligung aus der GVR ergebe und eine Mehrvergütung von 62,20 EUR bedeuten würde. Erhalten hat der Kläger nach eigenem Vortrag 5.500 DM (bzw. 2.812,11 EUR). Daher ist davon auszugehen, dass die ursprüngliche Beteiligung bereits angemessen war bzw. zumindest nicht in einem auffälligen Missverhältnis steht. Denn die nach Klägervortrag angemessene Beteiligung weicht von der vereinbarten Vergütung gerade einmal um ca. 2,2% ab (62,20 EUR * 100 / 2.812,11 EUR = 2,219 Prozent). Eine Abweichung von 2,2% stellt kein auffälliges Missverhältnis dar.
3. Infolgedessen scheiden auch die vom Kläger behaupteten Folgeansprüche gegen die Beklagte zu 1) aus. Ebenso war die begehrte Feststellung nicht auszusprechen.
III.
1. Die Kostenregelung ergibt sich aus § 97 Abs. 1 ZPO.
2. Die vorläufige Vollstreckbarkeit ergibt sich aus § 708 Nr. 10 ZPO.
3. Die Revision war nicht zuzulassen, da die Rechtssache keine grundsätzliche Bedeutung hat und die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung keine Entscheidung des Revisionsgerichts erfordert (§ 543 Abs. 2 S. 1 Nr. 1 und 2 ZPO). Dies gilt trotz der Tatsache, dass eine Nichtzulassungsbeschwerde gemäß § 544 Abs. 2 ZPO vorliegend unzulässig wäre.
Grundsätzliche Bedeutung kann einer Rechtssache zukommen, wenn sie eine entscheidungserhebliche, klärungsbedürftige und klärungsfähige Rechtsfrage aufwirft, die sich in einer unbestimmten Vielzahl von Fällen stellen kann und deshalb das abstrakte Interesse der Allgemeinheit an der einheitlichen Entwicklung und Handhabung des Rechts berührt (BGH NJW 2013, 1943 m. w. N.). Die bloße Behauptung, die Streitsache habe grundsätzliche Bedeutung, genügt hierfür nicht. Es muss sich vielmehr konkret aus der Rechtsfrage und ihrer Entscheidungserheblichkeit die Klärungsbedürftigkeit und Klärungsfähigkeit sowie ihre über den Einzelfall hinausgehende Bedeutung ergeben (vgl. BGH aaO.). Insbesondere ist dazu erforderlich, aus welchen Gründen, in welchem Umfang und von welcher Seite die betreffende Rechtsfrage umstritten ist.
Die Kammer hat vorliegend diesbezüglich keine Anhaltspunkte. Zwar können sich theoretisch aus der streitgegenständlichen GVR angesichts der kollektivvertraglichen Natur eine Vielzahl von Rechtsproblemen stellen. Allerdings wirft das vorliegende Problem keine klärungsbedürftige Rechtsfrage auf. Insbesondere sind die GVR diesbezüglich klar formuliert – es ergeben sich etwa keine Auslegungsprobleme o.ä. Der Gesetzgeber hat den Parteien einer GVR – wie aus §§ 32 ff. UrhG ersichtlich – grundsätzlich einen weiten Gestaltungsspielraum gegeben, der grundsätzlich anzuerkennen ist.


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