Handels- und Gesellschaftsrecht

Zum Umfang des Versicherungsschutzes einer D&O-Versicherung – Innenhaftungsfall

Aktenzeichen  7 U 4126/13

Datum:
13.9.2017
Fundstelle:
NWB – 2017, 3558
Gerichtsart:
OLG
Gerichtsort:
München
Rechtsweg:
Ordentliche Gerichtsbarkeit
Normen:
AVB-O § 1.5, § 2
BGB § 305c Abs. 2, § 831 Abs. 1 S. 1
GG Art. 34 S. 1
BetrVG § 5 Abs. 3, Abs. 4

 

Leitsatz

1. Versprechen die AVB einer D&O-Versicherung (hier: § 2 AVB-O) dem Versicherten Versicherungsschutz für den Fall seiner Inanspruchnahme wegen einer Pflichtverletzung “bei Ausübung der versicherten Tätigkeit”, besteht Versicherungsschutz nicht bereits dann, wenn der Schaden bei Gelegenheit der versicherten Tätigkeit verursacht worden ist. Es bedarf vielmehr eines unmittelbaren inneren und äußeren Zusammenhangs zwischen der vom Versicherten ausgeübten Tätigkeit und der pflichtwidrigen schadensverursachenden Handlung.  (Rn. 43 – 46) (redaktioneller Leitsatz)
2. Demgemäß besteht kein Versicherungsschutz für Pflichtverletzungen des Versicherten gegenüber der Versicherungsnehmerin anlässlich solcher Handlungen, die nur im wirtschaftlichen Eigeninteresse des Versicherten liegen und auf eine Schädigung der Versicherungsnehmerin gerichtet sind (hier: Abwerbung von Fachpersonal der Versicherungsnehmerin im Zusammenhang mit der Planung und Vorbereitung der Gründung eines Konkurrenzunternehmens). (Rn. 47 – 49) (redaktioneller Leitsatz)
3. Zur Auslegung der Begriffe “leitender Angestellter” und “leitende Tätigkeit” in den AVB einer D&O-Versicherung (hier: § 1.5 AVB-O) kann auf die arbeitsrechtlichen Regelungen in § 5 Abs. 3, Abs. 4 BetrVG zurückgegriffen werden. (Rn. 36) (redaktioneller Leitsatz)

Verfahrensgang

IV ZR 360/15 2017-04-05 Urt BGH BGH Karlsruhe

Tenor

1. Die Berufung des Klägers zu 1) gegen das Urteil des Landgerichts München I vom 18.09.2013, Aktenzeichen 8 HK O 27988/12, wird zurückgewiesen.
2. Der Kläger zu 1) trägt die Kosten des Revisionsverfahrens sowie des Berufungsverfahrens nach Zurückverweisung. Im Übrigen bleibt die Entscheidung über die Kosten des Berufungsverfahrens der Schlussentscheidung vorbehalten.
3. Dieses Urteil ist ohne Sicherheitsleistung vorläufig vollstreckbar.
Der Kläger zu 1) kann die Vollstreckung der Beklagten durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110 Prozent des vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht die Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 110 Prozent des jeweils vollstreckbaren Betrages leistet.
4. Die Revision gegen dieses Urteil wird nicht zugelassen.

Gründe

A.
Die Parteien streiten um Ansprüche des Klägers zu 1) aus einem D.Versicherungsvertrag.
Der Kläger zu 1), der auf Klägerseite allein noch am Rechtsstreit beteiligt ist, ist der Insolvenzverwalter der früheren Klägerin zu 1). Diese ist die Rechtsnachfolgerin der W.I. AG, die wiederum Versicherungsnehmerin einer bei der Beklagten abgeschlossenen D.-Versicherung (Versicherungsschein Nr. …/490, Anl. K 3) war.
In dieser D.-Versicherung wurde den versicherten Personen Versicherungsschutz für den Fall zugesagt, dass sie „wegen einer Pflichtverletzung bei der Ausübung der versicherten Tätigkeit aufgrund gesetzlicher Haftpflichtbestimmungen für einen Vermögensschaden haftpflichtig gemacht werden“ (§ 2 der Allgemeinen Versicherungsbedingungen zur Vermögensschaden-Haftpflichtversicherung für Organe juristischer Personen (AVB-O), die Bestandteil des streitgegenständlichen D.-Versicherungsvertrages wurden, Anl. K 3). Dieser Versicherungsschutz besteht nach Nr. 2 des Versicherungsscheines allerdings nur für Schadensersatzforderungen, die auf vor dem 01.04.2009, 0.00 Uhr begangene Pflichtverletzungen beruhen.
Versichert waren Mitglieder des Vorstandes der Versicherungsnehmerin (§ 1.1 Abs. 1 lit. a AVB-O) sowie deren leitende Angestellte, soweit sie eine umfassende Handlungs- und Vertretungsvollmacht für die Versicherungsnehmerin hatten und Tätigkeiten verrichteten, die als leitende Tätigkeiten angesehen werden (§ 1.5 AVB-O).
Mit Schreiben vom 31.08.2010 (Anl. K 27) zeigte die ehemalige Klägerin zu 1) der Beklagten den Versicherungsfall an und nahm zwei ehemalige Vorstände (Herrn Achim Q. und Herrn Alexander B.) sowie zwei ehemalige Prokuristen (Herrn Mark L. und Frau Anke R.) ihrer Rechtsvorgängerin, der W. I. AG, wegen der Planung eines konkurrierenden Emissionshauses unter dem Dach der B. Bank AG in Anspruch.
Nachdem die Beklagte eine Deckung mit Schreiben vom 09.09.2010 abgelehnt und die in Anspruch genommenen Vorstände und Prokuristen der Rechtsvorgängerin der ehemaligen Klägerin zu 1) keine Deckungsansprüche geltend gemacht hatten, erhob die ehemalige Klägerin zu 1) Klage zum Landgericht München I.
Sie beantragte,
Es wird festgestellt, dass die Beklagte verpflichtet ist, den unter dem D.-Versicherungsvertrag mit der Versicherungsschein-Nummer: GHV …/490 vom 31.07.2009 versicherten Personen
– Achim Q., … Hamburg
– Alexander B., … Offenbach
– Mark L., … Hamburg und
– Anke R., … Hamburg Versicherungsschutz zu gewähren im Hinblick auf die Haftpflichtigmachung der versicherten Personen durch die Klägerin zu 1) wegen Pflichtverletzungen im Rahmen der Etablierung eines Emissionshauses unter dem Dach der B. Bank, der Beklagten als Versicherungsfall angezeigt mit Schreiben vom 31.08.2010.
Die Beklagte beantragte, die Klage abzuweisen.
Das Landgericht München I wies die Klage mit Endurteil vom 18.09.2013, Az. 8 HK O 27988/12, ab, da die Klage bereits unzulässig sei. Der ehemaligen Klägerin zu 1) fehle es nämlich an der erforderlichen Prozessführungsbefugnis. Denn §§ 44 Abs. 2 und 45 Abs. 1 VVG seien durch § 8.1 AVB-O wirksam abbedungen worden.
Auf den Tatbestand und die Gründe des Ersturteils wird gemäß § 540 Abs. 1 ZPO Bezug genommen.
Mit ihrer Berufung verfolgte die ehemalige Klägerin zu 1) ihren erstinstanzlich gestellten Antrag weiter.
Mit Beschluss des Amtsgerichts Hamburg vom 18.12.2013 (Az. 67c IN 421/13) wurde das Insolvenzverfahren über das Vermögen der ehemaligen Klägerin zu 1) eröffnet und der Kläger zu 1) zum vorläufigen Insolvenzverwalter bestellt. Der Kläger zu 1) hat mit Schriftsatz vom 27.10.2014 (Bl. 250/251) den Rechtsstreit wieder aufgenommen.
Er hat beantragt, das Urteil des Landgerichts München I vom 18.09.2013 (Az. 8 HK O 27988/12) abzuändern und die Beklagte wie folgt zu verurteilen:
Es wird festgestellt, dass die Beklagte verpflichtet ist, den unter dem D.-Versicherungsvertrag mit der Versicherungsschein-Nummer: GHV …/490 vom 31.07.2009 versicherten Personen
– Achim Q., … Hamburg
– Alexander B., … Offenbach
– Mark L., … Hamburg und
– Anke R., … Hamburg Versicherungsschutz zu gewähren im Hinblick auf die Haftpflichtigmachung der versicherten Personen durch die Klägerin zu 1) wegen Pflichtverletzungen im Rahmen der Etablierung eines Emissionshauses unter dem Dach der B. Bank, der Beklagten als Versicherungsfall angezeigt mit Schreiben vom 31.08.2010.
Die Beklagte hat beantragt, die Berufung zurückzuweisen.
Das Oberlandesgericht München hat die Berufung mit Beschluss vom 25.06.2015 nach § 522 Abs. 2 ZPO zurückgewiesen, da die Klage mangels Prozessführungsbefugnis des Klägers unzulässig gewesen sei. Durch § 8.1 AVB-O seien §§ 44 Abs. 2, 45 VVG wirksam abbedungen, sodass nur die versicherten Personen, nicht aber der Kläger zu 1) Ansprüche aus der Versicherung geltend machen könnten.
Auf die dagegen vom Kläger zu 1) eingelegte Nichtzulassungsbeschwerde hat der BGH mit Urteil vom 05.04.2017, Az. IV ZR 360/15 diesen Beschluss des Oberlandesgerichts München vom 25.06.2015 aufgehoben, soweit er den Kläger zu 1) betrifft, und die Sache insoweit zur neuen Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Revisionsverfahrens, an das Oberlandesgericht München zurückverwiesen, da der Kläger zu 1) prozessführungsbefugt sei. Der Beklagten sei es nämlich im Streitfall nach Treu und Glauben verwehrt, sich auf eine fehlende Prozessführungsbefugnis des Klägers gemäß § 8.1. AVB-O zu berufen. Denn die Geltendmachung dieses Einwands erscheine unter den gegebenen Umständen als Rechtsmissbrauch (Urteil vom 05.04.2017, Az. IV ZR 360/15, Rdnr. 17).
Der Kläger zu 1) argumentiert nach Zurückverweisung, dass die Klage begründet sei. Der Kläger zu 1) habe – was im Deckungsprozess ausreichend sei – schlüssig vorgetragen, dass die vier in Anspruch genommenen Personen während der Laufzeit des streitgegenständlichen D.-Versicherungsvertrages bis 31.03.2009, 24.00 Uhr nicht nur bei Gelegenheit, sondern bei Ausübung einer versicherten Tätigkeit eine Pflichtverletzung in Form der widerrechtlichen Mitwirkung an der Gründung eines Konkurrenzunternehmens begangen und dadurch der ehemaligen Klägerin zu 1) einen Vermögensschaden zugefügt hätten. In diesem Zusammenhang hätte das Landgericht auch den Sachvortrag des Klägers zu 1) im Schriftsatz des Klägervertreters vom 13.08.2013 zur Auslegung des Begriffes „in Ausführung der Verrichtung“ iSd. § 831 BGB berücksichtigen müssen und diesen Sachvortrag nicht als verspätet zurückweisen dürfen. Da die in Anspruch genommenen Personen die Pflichtverletzungen nicht wissentlich begangen hätten, lägen auch die Voraussetzungen für einen Haftungsausschluss nach § 4.1 AVB-O nicht vor. Insoweit hätte das Landgericht auch die in Anspruch genommenen Personen als Zeugen vernehmen müssen. Dann hätte sich ergeben, dass diese mangels Pflichtwidrigkeitsbewusstseins nicht wissentlich gehandelt hätten.
Die Beklagte erwidert, dass die Klage unbegründet sei, da der Kläger zu 1) schon nicht schlüssig vorgetragen habe, dass die in Anspruch genommenen Personen vor dem 01.04.2009, 0.00 Uhr eine Pflichtwidrigkeit begangen hätten. Die in Anspruch genommenen Personen Mark L. und Anke R. seien darüber hinaus keine leitenden Angestellten iSd. § 1.5 AVB-O, so dass für deren Handlungen schon deshalb kein Versicherungsschutz bestehe. Im Übrigen könnten die beiden Prokuristen mangels Organstellung nur nach arbeitsrechtlichen Grundsätzen in Anspruch genommen werden. Darauf erstrecke sich die Versicherung nach § 1.5 Abs. 1 AVB-O aber gerade nicht. Bei den Wettbewerbsaktivitäten der in Anspruch genommenen Personen handle es sich auch nicht um „Pflichtverletzungen bei Ausübung der versicherten Tätigkeit“ iSd. § 2 AVB-O, sondern um Pflichtwidrigkeiten, die mangels Zusammenhang mit der den in Anspruch genommenen Personen obliegenden Aufgaben nur bei Gelegenheit der versicherten Tätigkeit begangen worden seien und damit vom Anwendungsbereich des Versicherungsvertrages nicht umfasst seien. Die Pflichtverletzungen seien von den in Anspruch genommenen Personen auch wissentlich begangen worden, so dass gemäß § 4.1 AVB-O eine etwaige Haftung der Beklagten ausgeschlossen sei. Schließlich seien etwaige Deckungsansprüche des Klägers zu 1) verjährt.
Das Gericht hat am 09.08.2017 mündlich verhandelt. Auf das Protokoll der mündlichen Verhandlung vom 09.08.2017, die zwischen den Prozessbevollmächtigten gewechselten Schriftsätze und den übrigen Akteninhalt wird Bezug genommen.
B.
I.
Die zulässige Berufung des Klägers zu 1) ist nicht begründet.
Die Klage ist – wie sich aus dem Urteil des BGH vom 05.04.2017, Az. IV ZR 360/15, ergibt – zulässig, da der Kläger zu 1) prozessführungsbefugt ist. Sie ist jedoch nicht begründet.
Zwar ist der Klägervortrag zu pflichtwidrigen Handlungen der beiden ehemaligen Vorstände Achim Q. und Alexander B. sowie der Prokuristen Mark L. und Anke R. während der Laufzeit des Versicherungsvertrages schlüssig. Jedoch fällt die Prokuristin Anke R. nach § 1.5 Abs. 2 AVB-O schon nicht in den persönlichen Geltungsbereich des Versicherungsvertrages und ist hinsichtlich der weiteren in Anspruch genommenen Personen Q., B. und L. der sachliche Anwendungsbereich mangels „einer Pflichtwidrigkeit bei Ausübung der versicherten Tätigkeit“ iSd. § 1.2 AVB-O nicht eröffnet.
1. Da es sich bei dem streitgegenständlichen Verfahren um einen vorweggenommenen Deckungsprozess handelt, ist aufgrund der voneinander zu trennenden Deckungs- und Haftpflichtprozesse grundsätzlich auf die Behauptungen des Klägers zu 1) als Geschädigtem abzustellen, sodass es für die Frage, ob eine Pflichtwidrigkeit iSd. § 1.2 AVB-O vorliegt, nur darauf ankommt, ob der Kläger zu 1) eine solche schlüssig behauptet, nicht aber, ob sie auch tatsächlich vorliegt. Letzteres zu prüfen, ist ausschließlich Aufgabe des Haftpflichtprozesses (vgl. BGH, Urteil vom 15.11.2000, Az. IV ZR 223/99, Rdnr. 9, BGH, Urteil vom 05.04.2017, Az. IV ZR 360/15, Rdnr. 38).
Schlüssig ist der klägerische Vortrag, wenn der Kläger Tatsachen vorträgt, die in Verbindung mit einem Rechtssatz geeignet und erforderlich sind, die geltend gemachten Rechte als in der Person des Klägers entstanden erscheinen zu lassen. Die Angabe näherer Einzelheiten ist nur dann nötig, wenn diese für die Rechtsfolgen von Bedeutung sind oder der Vortrag infolge der Einlassung des Beklagten unklar wird und nicht mehr den Schluss auf die Entstehung des geltend gemachten Rechts zulässt (BGH, Urteil vom 13.08.1997, Az. VIII ZR 246/96, Rdnrn. 8 und 11).
Da die Beklagte nach Ziffer 2 des Versicherungsvertrages (Versicherungsschein Nr. GHV …/490) Versicherungsschutz nur für Schadensersatzansprüche zu gewähren hat, „die auf Pflichtverletzungen beruhen, die vor dem Ausscheiden der Versicherungsnehmerin aus dem Vertrag (…) am 01.04.2009, 0.00 Uhr begangen wurden (…)“, gehört zum schlüssigen Vortrag zum einen die Angabe der behaupteten Pflichtverletzung und zum anderen der Handlungszeitpunkt. Denn nur dann kann geprüft werden, ob die Voraussetzungen für die Gewährung von Versicherungsschutz vorliegen und ob damit der vom Kläger zu 1) geltend gemachte Deckungsanspruch aus dem Versicherungsvertrag besteht.
aa. Hinsichtlich der ehemaligen Vorstände Q. und B. hat der Kläger zu 1) vorgetragen, dass diese spätestens in einem Gespräch am 26.03.2009 in den Räumlichkeiten der B. Bank mit den persönlich haftenden Gesellschaftern der B. Bank, Dr. P. und R., letzteren zugesagt hätten, das Personal für ein Emissionshaus unter dem Dach der B.Bank bei der W. Gruppe abzuwerben (Schriftsatz des Klägervertreters vom 27.12.2012, S. 16, Bl. 16 d.A.). Des Weiteren hat der Kläger zu 1) dargelegt, dass die beiden Vorstände im unmittelbaren Anschluss an den Gesprächstermin vom 26.03.2009 Frau P.-E., Herrn L., Frau R. und weitere Mitarbeiter der W.-Gruppe, nämlich u.a. Herrn Z., Herrn B. und Frau M. dafür gewonnen hätten, ohne Kenntnis der ehemaligen Klägerin zu 1) bis 3) ein zur W.-Gruppe konkurrierendes Emissionshaus aufzubauen und insbesondere das dafür benötigte Personal bei der W.-Gruppe trotz der jeweils noch dort bestehenden Anstellungsverhältnisse abzuwerben (Schriftsatz des Klägervertreters vom 27.12.2012, S. 17, Bl. 17 d.A.).
Damit hat der Kläger zu 1) schlüssig ein pflichtwidriges Verhalten der beiden Vorstände vorgetragen. Denn selbst wenn davon ausgegangen werden sollte, dass die vorgetragenen Abwerbebemühungen nicht dem Wettberwerbsverbot des § 88 Abs. 1 S. 1 AktG unterfallen, da sie lediglich der Vorbereitung einer wettbewerblichen Tätigkeit der beiden Vorstände nach Beendigung ihrer Vorstandstätigkeit dienen sollten, § 88 Abs. 1 S. 1 AktG aber nur das Geschäftemachen selbst untersagt (vgl. Spindler in Münchener Kommentar zum Aktiengesetz, 4. Auflage, München 2014, Rdnr. 22), so läge jedenfalls ein Verstoß der beiden Vorstände gegen ihre Treuepflicht aus § 93 Abs. 1 S. 1 AktG vor. Denn demnach sind einem Vorstand auch vorbereitende Handlungen untersagt, wenn sie schutzwürdige Interessen der Gesellschaft beeinträchtigen. Dies ist beim Abwerben von Personal der Fall, da dadurch die Arbeits- und Konkurrenzfähigkeit der Gesellschaft reduziert wird (vgl. Spindler, aaO, Rdnr. 23). Darüber hinaus begründet der Vortrag einen Verstoß gegen die Verpflichtung der Vorstände aus § 4 Nr. 1 S. 2 ihrer Anstellungsverträge (Anl. K 5 und K 8), wonach es ihnen untersagt ist, während der Dauer des Anstellungsvertrages ein mit der ehemaligen Klägerin zu 1) konkurrierendes Unternehmen zu errichten.
Da der Kläger zu 1) darüber hinaus dargelegt hat, dass die Abwerbemühungen der beiden Vorstände bereits im März 2009 eingesetzt hätten, ist der klägerische Vortrag hinsichtlich einer Pflichtverletzung der beiden Vorstände noch während der Vertragslaufzeit schlüssig.
bb. Bezüglich des bei der ehemaligen Klägerin zu 1) angestellten Mark L. hat der Kläger zu 1) vorgetragen, dass dieser seit März 2009 in die Planung zum Aufbau eines konkurrierenden Emissionshauses eingebunden gewesen sei und sich damit grob wettbewerbswidrig verhalten habe (Schriftsatz des Klägervertreters vom 27.12.2012, S. 14, Bl. 14 d.A.). Des Weiteren behauptet der Kläger zu 1), Herr L., dessen Aufgabe bei der ehemaligen Klägerin zu 1) es gewesen sei, neue Immobilien für geschlossene Fonds zu akquirieren, habe ab Jahresbeginn 2009 die ihm obliegende Akquisitionstätigkeit für die ehemalige Klägerin zu 1) „praktisch“ eingestellt, um sich parallel zu seiner Tätigkeit bei der ehemaligen Klägerin zu 1) in den Aufbau des Konkurrenzunternehmens bei der B. Bank einzubringen und an der dortigen Akquisition von Immobilien mitzuwirken (Schriftsatz des Klägervertreters vom 27.12.2012, S. 26, Bl. 26 d.A., Schriftsatz des Klägervertreters vom 04.06.2013, S. 11, 12, Bl. 96, 97 d.A.).
Dieser Vortrag zu einer pflichtwidrigen Handlung des Herrn L. ist schlüssig, da Aufgabe von Herr L. gemäß § 2 Nr. 1 seines Anstellungsvertrages mit der ehemaligen Klägerin zu 1) (Anl. K 16) u.a. die Akquisition von Immobilien für die ehemalige Klägerin zu 1) war und er durch die behauptete Einstellung dieser Akquisitionstätigkeit im Hinblick auf den Aufbau eines Emissionshauses unter dem Dach der B. Bank seine arbeitsvertraglichen Pflichten verletzt hätte. Zwar handelt es sich dabei dem Grunde nach um die Vorbereitung einer nachvertraglichen anderweitigen Tätigkeit, die jedoch arbeitsrechtlich nur dann zulässig ist, wenn dadurch nicht unmittelbar in die Interessen des bisherigen Arbeitgebers eingegriffen wird (vgl. BAG, Urteil vom 26.06.2008, Az. 2 AZR 190/07, Rdnr. 15 m.w.N.). Genau dies ist hier aber der Fall, da Herr L. nach dem klägerischen Vortrag die Akquisitionstätigkeit für die ehemalige Klägerin zu 1) eingestellt haben soll, diese für die Auflage von Immobilienfonds, das heißt für die unternehmerische Tätigkeit der ehemaligen Klägerin zu 1) aber unerlässlich ist.
Der klägerische Vortrag ist auch zeitlich schlüssig, da behauptet wird, dass Herr L. die arbeitsvertragliche Pflichtverletzung seit Jahresbeginn 2009 und damit noch während der Laufzeit des Versicherungsvertrages begangen habe.
cc. Hinsichtlich der bei der ehemaligen Klägerin zu 1) angestellten Frau Roßmann hat der Kläger zu 1) vorgetragen, dass diese seit März 2009 in die Planungen zum Aufbau eines konkurrierenden Emissionshauses eingebunden gewesen sei (Schriftsatz des Klägervertreters vom 27.12.2012, S. 14, Bl. 14 d.A.). Spätestens im unmittelbaren Anschluss an den Termin vom 26.03.2009 hätten die Herrn Q. und B. Frau R. dafür gewonnen, das für den Aufbau eines konkurrierenden Emissionshauses benötigte Personal bei der W.-Gruppe trotz der jeweils dort noch bestehenden Anstellungsverhältnisses abzuwerben (Schriftsatz des Klägervertreters vom 27.12.2012, S. 16, Bl. 16 d.A.). Frau R. habe am 28.04.2009 an der Präsentation zum „Aufbau eines geschlossenen Emissionshauses für geschlossene Immobilienfonds“ laut Anl. K 28 in der B. Bank teilgenommen und dabei zusammen mit Herrn L. den Teil des Vortrags übernommen, der sich auf die „Akquisition und Konzeption“ bezogen habe. Diese Präsentation habe umfangreiche Informationen enthalten, die spätestens ab März 2009 u.a. von Frau R. zusammengestellt und in die Präsentation eingefügt worden seien (Schriftsatz des Klägervertreters vom 04.06.2013, S. 10, Bl. 95 d.A.).
Dieser Vortrag erfüllt die oben dargelegten Schlüssigkeitsvoraussetzungen, da sich ihm entnehmen lässt, dass es sich bei den behaupteten Handlungen von Frau R. nicht nur um die nach der Rechtsprechung des BAG grundsätzlich zulässige bloße Vorbereitung einer späteren anderweitigen Erwerbstätigkeit, sondern schon um die werbenden Tätigkeit eines Konkurrenzunternehmens handelt, mit der auch unmittelbar in die Interessen der ehemaligen Klägerin zu 1) als Arbeitgeberin eingegriffen wird (vgl. BAG, Urteil vom 26.06.2008, Az. 2 AZR 190/07, Rdnr. 15 m.w.N. und Wagner in Röhricht/Graf von Westphalen/Haas, HGB, 4. Auflage 2014, Rdnr. 10-12 zu § 60 HGB). Denn dem Arbeitnehmer ist es zwar grundsätzlich gestattet, seinen Weggang von seinem bisherigen Arbeitgeber und den Übertritt zu einem im Aufbau befindlichen Konkurrenzunternehmen vorzubereiten. Er darf jedoch nicht andere Kollegen für eine Tätigkeit bei seinem zukünftigen Arbeitgeber abwerben (Wagner, aaO, Rdnr. 18 zu § 60 HGB). Genau dies hat der Kläger zu 1) aber behauptet, da er vorträgt, Frau Roßmann sei unmittelbar nach dem 26.03.2009, also noch im Vertragszeitraum, dafür gewonnen worden, andere Mitarbeiter der W.-Gruppe abzuwerben (Schriftsatz des Klägervertreters vom 27.12.2012, S. 16, Bl. 16 d.A.). Auf die Mitwirkung an der Präsentation vom 28.04.2009 kommt es daher nicht mehr an.
2. a. Frau Anke R. fällt jedoch nach § 1.5 Abs. 2 der AVB-O nicht in den persönlichen Geltungsbereich des Versicherungsvertrages. Demnach bezieht sich der Versicherungsschutz auf leitende Angestellte, wobei nach der in § 1.5 Abs. 2 AVB-O enthaltenen Definition dieses Begriffes davon nur Personen erfasst werden, die eine umfassende Handlungs- und Vertretungsvollmacht für die Gesellschaft haben und Tätigkeiten verrichten, die als leitende Tätigkeiten angesehen werden. Die umfassende „Handlungs- und Vertretungsvollmacht“ allein ist damit schon nach dem Wortlaut dieser Klausel nicht ausreichend, da die beiden tatbestandlichen Voraussetzungen (“umfassende Handlungs- und Vertretungsmacht“ sowie Ausübung leitender Tätigkeiten) durch ein „und“ verbunden sind und deshalb kumulativ vorliegen müssen. Deshalb kann allein aus der Tatsache, dass Frau R. „Gesamtprokura mit einem Vorstandsmitglied oder einem anderen Prokuristen“ hat, noch nicht abgeleitet werden, dass sie „leitende Tätigkeiten“ ausübt.
Gegen die Ausübung einer leitenden Tätigkeit spricht zunächst schon die arbeitsvertragliche Tätigkeitsbeschreibung, wonach Frau R. als „Sachbearbeiterin Konzeption“ eingestellt wurde (§ 1 Abs. 1 des Anstellungsvertrages vom 04.05.2005, Anl. K 15). Da zur Auslegung des Begriffes „leitender Angestellter“ und „leitende Tätigkeit“ iSd. § 1.5 AVB-O aufgrund der Sachnähe auf die arbeitsrechtliche Regelung in § 5 Abs. 3 und 4 BetrVG zurückgegriffen werden kann (vgl. Beckmann in Beckmann/Matusche-Beckmann, Versicherungsrechtshandbuch, 3. Auflage, München 2015, Rdnr. 60 zu § 28 (D& O), S. 1650), spricht des weiteren gegen eine Einordnung von Frau Roßmann als leitende Angestellte auch, dass sie nach § 1.2 ihres Anstellungsvertrages nicht – wie von § 5 Abs. 3 S. 2 Nr. 3 BetrVG gefordert – ihre „Entscheidungen im Wesentlichen frei von Weisungen trifft“, sondern nach den von der Geschäftsleitung „gegebenen Weisungen genereller und individueller Art.“ Zur Frage, ob Frau Roßmann gemäß § 5 Abs. 3 S. 2 Nr. 3 BetrVG zur selbständigen Einstellung von im Betrieb oder in der Betriebsabteilung beschäftigten Arbeitnehmern berechtigt ist, fehlt es an Vortrag des insoweit darlegungspflichtigen Klägers zu 1).
Die Vernehmung der vom Kläger zu 1) zum Beweis der Behauptung, Frau R. habe die Abteilung Konzeption R.E. geleitet, angebotenen Zeugin S. S.(Schriftsatz des Klägervertreters vom 04.06.2013, S. 30, Bl. 115) war nicht erforderlich, da auf die Merkmale des § 5 Abs. 3 Nrn. 1 und 3, 4 BetrVG abzustellen ist und damit nicht auf die – im Übrigen unstreitige – Abteilungsleitereigenschaft.
b. Der Prokurist L. fällt dagegen nach der Definition des § 1.5 Abs. 2 AVB-O in den persönlichen Anwendungsbereich des Versicherungsvertrages, da es sich bei ihm um einen leitenden Angestellten iSd. § 1.5 Abs. 1 AVB-O handelt. Wie bereits bei der Prokuristin R. oben unter 2.a. dargelegt reicht allein die Prokuristeneigenschaft aufgrund der Formulierung des § 1.5 Abs. 2 AVB-O nicht aus. Im Falle des Herrn L. tritt allerdings hinzu, dass sich letzterer und die ehemalige Klägerin zu 1 als seine Arbeitgeberin im Anstellungsvertrag vom 27.06./08.07.2008 (Anl. K 16) ausweislich § 2 Nr. 3 darüber einig waren, dass Herr L. „leitender Angestellter im Sinne von § 5 Abs. 3 BetrVG“ sein solle. Dies bindet zwar die am Anstellungsvertrag nicht beteiligte Beklagte nicht, macht aber – vor allem aufgrund der ausdrücklichen Bezugnahme auf die Vorschrift des § 5 Abs. 3 BetrVG – deutlich, dass die nach dieser Vorschrift erforderlichen Merkmale nach dem Arbeitsvertrag in der Person des Herrn L. erfüllt sein sollen. Dementsprechend enthält der Arbeitsvertrag des Herrn L. im Unterschied zum Anstellungsvertrag der Frau R. (Anl. K 15) in § 2 auch keine der Geschäftsleitung zustehende Weisungsbefugnis „genereller und individueller Art“.
c. Die ehemaligen Vorstände der früheren Klägerin zu 1), v. Quistorp und B. fallen gemäß § 1.1 lit. A AVB-O ohne weiteres aufgrund ihrer Vorstandseigenschaft in den persönlichen Anwendungsbereich des Versicherungsvertrages.
3. Für die in Anspruch genommenen Personen Q., B. und L. besteht jedoch kein Versicherungsschutz, da deren vom Kläger zu 1) vorgetragene Pflichtverletzungen nicht – wie von § 2 AVB-O gefordert – „bei Ausübung der versicherten Tätigkeit“ geschahen. Welche Pflichtverletzungen dieses Tatbestandsmerkmal erfüllen, ist durch Auslegung festzustellen.
a. Der Kläger zu 1) vertritt hierzu die Auffassung, dass eine Pflichtverletzung bereits dann „bei Ausübung der versicherten Tätigkeit“ iSd. § 2 AVB-O begangen sei, wenn irgendein Zusammenhang zwischen der vorgeworfenen Pflichtverletzung und der versicherten Tätigkeit bestehe. Es könne deshalb nicht – wie es die Beklagte tue – auf die zum Tatbestandsmerkmal „in Ausführung der Verrichtung“ iSd. § 831 Abs. 1 S. 1 BGB entwickelten Grundsätze, wonach ein unmittelbarer Zusammenhang zwischen der Schadenszufügung und der übertragenen Tätigkeit erforderlich sei, zurückgegriffen werden. § 2 AVB-O sei nämlich infolge der Benutzung des Begriffes „bei Ausübung“ weiter formuliert als § 831 Abs. 1 S. 1 BGB, der das Tatbestandsmerkmal „in Ausführung der Verrichtung“ verwende. Im Übrigen könnten die zu § 831 Abs. 1 S. 1 BGB entwickelten Grundsätze schon deshalb nicht zur Auslegung von § 2 AVB-O herangezogen werden, da die Interessenlagen, die den beiden Regelungen zu Grunde lägen, grundlegend verschieden seien (Schriftsatz des Klägervertreters vom 06.07.2017, dort S. 5-8, Bl. 145-148). In der mündlichen Verhandlung vom 09.08.2017 präzisierte der Klägervertreter die klägerische Auslegung dahingehend, dass eine Tätigkeit „bei Ausübung der versicherten Tätigkeit“ iSd. § 2 AVB-O stets schon dann anzunehmen sei, wenn ein äquivalent kausaler Zusammenhang zwischen der Tätigkeit für die Versicherungsnehmerin einerseits und der pflichtwidrigen Handlung andererseits bestehe.
b. Diese Auslegung ist nicht zutreffend.
Da es sich bei den AVB-O um AGB handelt, gilt der Grundsatz der objektiven Auslegung, wonach AGB ausgehend von den Verständnismöglichkeiten eines Durchschnittskunden einheitlich so auszulegen sind, wie ihr Wortlaut von verständigen und redlichen Vertragsparteien unter Abwägung der Interessen der normalerweise beteiligten Kreisen verstanden wird (st. Rspr. vgl. BGH, Urteil vom 19.03.2003, Az. VIII ZR 135/02, Rdnr. 11). Da bei AVB zu Versicherungen für fremde Rechnung und damit auch bei den AVB zu einer D& O-Versicherung (zur D& O-Versicherung als Versicherung für fremde Rechnung iSd. §§ 43 ff. VVG vgl. BGH, Urteil vom 05.04.2017, Az. IV ZR 360/15, Rdnr. 13) entscheidend ist, wie neben dem durchschnittlichen Versicherungsnehmer ein durchschnittlicher Versicherter ohne versicherungsrechtliche Spezialkenntnisse bei verständiger Würdigung, aufmerksamer Durchsicht und Berücksichtigung des erkennbaren Sinnzusammenhanges die AVB verstehen muss (BGH, Urteil vom 11.09.2013, Az. IV ZR 303/12, Rdnr. 13), ist entsprechend dem Adressaten- und Versichertenkreis einer D& O-Versicherung auf den Erkenntnishorizont von Organen von Kapitalgesellschaften und deren leitender Angestellter abzustellen. Auslegungsmittel, die sich diesen Durchschnittskunden verschließen, dürfen nicht herangezogen werden. Außer Betracht bleiben dabei solche Verständnismöglichkeiten, die theoretisch denkbar, praktisch aber fernliegend und nicht ernstlich in Betracht kommen (Grüneberg in Palandt, BGB, 76. Auflage, München 2017, Rdnr. 16 zu § 305c BGB). In AGB verwendete Rechtsbegriffe sind jedoch in der Regel entsprechend ihrer juristischen Fachbedeutung zu verstehen, insbesondere wenn sie erkennbar auf eine gesetzliche Regelung Bezug nehmen (BGH, Urteil vom 19.03.2003, Az. VIII ZR 135/02, Rdnr. 11, BGH, Urteil vom 29.04.2014, Az. II ZR 395/12, Rdnr. 24).
Nach diesem Maßstab wird der durchschnittliche Versicherungsnehmer/Versicherte zunächst nach Lektüre des § 2 AVB-O die dazu in engem systematischen Zusammenhang stehende Vertragsklausel des § 1.6 Abs. 1 AVB-O in den Blick nehmen. Dabei wird er letzterer Vorschrift entnehmen, dass sich der Versicherungsschutz neben seiner Tätigkeit für die Versicherungsnehmerin ausdrücklich auch auf Tätigkeiten erstreckt, die die versicherte Person als Mitglied eines Organs einer Non-Profit-Organisation (NPO) entfaltet, soweit dieses Mandat im Interesse der Versicherungsnehmerin wahrgenommen wird (sog, Outside Directorship Liability). Dies wiederum wird den durchschnittlichen Versicherungsnehmer/Versicherten erkennen lassen, dass Versicherungsschutz nicht schon immer dann besteht, wenn eine Handlung der versicherten Person äquivalent kausal durch die Tätigkeit für die Versicherungsnehmerin verursacht ist. Denn dann wäre die Regelung in § 1.6 AVB-O überflüssig, da die Mitgliedschaft der versicherten Person in dem Organ der jeweiligen NPO ohnehin stets nur aufgrund der Tätigkeit der versicherten Person für die Versicherungsnehmerin erfolgt und damit auch ohne § 1.6 AVB-O immer ein – nach Auffassung des Klägers – hinreichender Kausalbezug vorläge, um für etwaiges pflichtwidriges Handeln Versicherungsschutz nach § 2 AVB-O zu begründen.
Auch für den Durchschnittskunden erkennbar genügt damit entgegen der klägerischen Auffassung bei einer Zusammenschau von § 1.6 AVB-O und 2 AVB-O „irgendein Zusammenhang“ nicht. Vielmehr soll durch die Verwendung des Begriffes „bei Ausübung der versicherten Tätigkeit“ der Versicherungsschutz auf bestimmte schadensauslösende Handlungen der versicherten Person eingeschränkt werden. Der Begriff „bei Ausführung“ iSd. § 2 AVB-O nimmt dabei aufgrund seiner semantischen Ähnlichkeit erkennbar Bezug auf die juristischen Fachbegriffe „in Ausübung“ iSd. Art. 34 S. 1 GG und „in Verrichtung“ iSd. § 831 Abs. 1 S. 1 BGB, deren Sinn und Zweck es ebenfalls ist, aus einer grundsätzlich unbeschränkten Menge pflichtwidriger schadensverursachender Handlungen einer Person (Amtsträger im Fall des Art. 34 S. 1 GG bzw. Verrichtungsgehilfe im Fall des § 831 Abs. 1 S. 1 BGB) eine bestimmte Anzahl die Haftung eines Dritten (Staat bzw. Geschäftsherr), zu dem die Person in Beziehung steht, auslösender Handlungen abzusondern. Da insoweit die Zielrichtung dieser Vorschriften der des § 2 AVB-O entspricht, da es im Rahmen des § 2 AVB-O um die Abgrenzung derjenigen pflichtwidrigen schadensverursachenden Handlungen der Versicherten geht, für die der Versicherer als Dritter haften soll, und aufgrund der für den durchschnittlichen Versicherungsnehmer/Versicherten erkennbaren Bezugnahme auf Art. 34 S. 1 GG und § 831 Abs. 1 S. 1 BGB infolge der semantischen Ähnlichkeit, sind die zu den Begriffen „in Ausübung“ (Art. 34 S.1 GG) und „in Verrichtung“ (§ 831 Abs. 1 S. 1 BGB) von der Rechtsprechung und Literatur entwickelten Grundsätze, wonach zwischen der Handlung und der Schadenszufügung ein innerer und äußerer Zusammenhang bestehen muss, zur Auslegung des § 2 AVB-O heranzuziehen (ebenso Lenz in van Bühren, Handbuch Versicherungsrecht, 6. Auflage, Köln 2014, § 25 Rdnr. 83, S. 2479).
Demzufolge darf aufgrund des zu fordernden unmittelbaren inneren und äußeren Zusammenhangs zwischen der ausgeübten Tätigkeit der versicherten Personen und der pflichtwidrigen schadensverursachenden Handlung der Schaden nicht nur bei Gelegenheit der versicherten Tätigkeit verursacht worden sein. Die pflichtwidrige Handlung der versicherten Person darf nicht aus dem Kreis oder dem allgemeinen Rahmen der ihr anvertrauten Aufgaben herausfallen (Lenz in van Bühren, Handbuch Versicherungsrecht, 6. Auflage, Köln 2014, § 25 Rdnr. 83, S. 2479). Es muss sich noch um eine im Leistungsbereich liegende Fehlleistung handeln. An dem notwendigen inneren Zusammenhang fehlt es dagegen, wenn sich die versicherte Person vollständig vom Auftrag bzw. ihrem Amt löst (Belling in Staudinger, BGB, Neubearbeitung 2012, Rdnr. 124 f. zu § 831 BGB und Gurlit in von Münch/Kunig, Grundgesetz, 6. Auflage, München 2012, Rdnr. 19 zu Art. 34 GG jeweils m.w.N. aus der Rspr.).
Dies ist hier der Fall, da die vom Kläger zu 1) vorgetragenen Abwerbungsbemühungen der beiden ehemaligen Vorstände Q. und B. zum Zwecke des Aufbaus eines konkurrierenden Emissionshauses unter dem Dach der B. Bank nichts mehr mit dem ihnen kraft Gesetzes (§ 93 AktG) und kraft ihrer Anstellungsverträge (§ 3 Nr. 1 der Anstellungsverträge laut Anl. K 5 und 8) obliegenden Auftrag, ausschließlich im Interesse der Gesellschaft zu handeln und keine abweichenden Eigeninteressen zu berücksichtigen (vgl. Bürgers in Bürgers/Körber, AktG, 4. Auflage, Heidelberg 2017, Rdnr. 6 zu § 93 AktG), zu tun hatten, sondern vielmehr im Gegenteil nur im wirtschaftlichen Eigeninteresse der ehemaligen Vorstände lagen und auf die Schädigung der Gesellschaft durch die Abwerbung von Fachpersonal gerichtet waren. Dass es den beiden ehemaligen Vorständen dabei nur noch um die Verfolgung eigener Interessen ging, die notwendigerweise den Interessen der ehemaligen Klägerin zu 1) diametral entgegenstanden, ergibt sich schon aus dem Schreiben des Achim Q. vom 02.04.2009 an die persönlich haftenden Gesellschafter der B. Bank. Darin führt der ehemalige Vorstand der Klägerin Q., der dabei – wie sich aus der durchgehenden Verwendung des Pronomens „wir“ und der Bezugnahme auf weitere Führungskräfte ergibt – auch für den Mitvorstand B. spricht, aus, dass er, nachdem die B. Bank die ehemalige Klägerin zu 1) nicht habe übernehmen wollen, sehr gern ein Emissionshaus für die B. Bank aufbauen und vorantreiben wolle. Dazu kündigte er an, bis 01.07.2009 „ein arbeitsfähiges Team“ aus der ehemaligen Klägerin zu 1) „herausgelöst zu haben“. Dieses Vorhaben der ehemaligen Vorstände hat schon objektiv mit dem ihnen von der ehemaligen Klägerin zu 1) übertragenen Auftrag nichts mehr zu tun. Auf die Frage, ob die ehemaligen Vorstände dabei subjektiv mit Pflichtwidrigkeitsbewusstsein und damit vorsätzlich handelten, kommt es daher nicht an, sodass auch die im Rahmen des § 831 Abs. 1 S. 1 BGB in der Rechtsprechung und Literatur diskutierte Frage, ob und gegebenenfalls unter welchen Voraussetzungen eine vom Verrichtungsgehilfen begangene vorsätzliche Straftat eine Haftung des Geschäftsherrn begründet, keine Rolle spielt.
Da die beiden Vorstände damit nach alledem bei ihren gesetz- und vertragswidrigen Abwerbeaktivitäten nur „bei Gelegenheit“ der versicherten Tätigkeit handelten, bestand gemäß § 2 AVB-O insoweit kein Versicherungsschutz.
Entsprechendes gilt für die vom Kläger zu 1) vorgetragene arbeitsvertragswidrige Einstellung der Akquisitionstätigkeit durch Herrn Mark L. und – für den Fall, dass man die Prokuristin R. entgegen der hier vertretenen Ansicht als leitende Angestellte iSd. § 1.5 AVB-O ansehen sollte – auch für deren behauptete Abwerbetätigkeit (vgl. für den Fall der unerlaubten eigennützigen Konkurrenztätigkeit einer versicherten Person Lenz in van Bühren, Handbuch Versicherungsrecht, 6. Auflage, Köln 2014, § 25 Rdnr. 83, S. 2479).
Der Kläger kann sich im Hinblick auf das vom ihm angenommene Auslegungsergebnis auch nicht auf die Unklarheitenregel des § 305c Abs. 2 BGB berufen, da für deren Anwendbarkeit nicht schon genügt, dass Streit über die Auslegung einer AGB besteht. Vielmehr muss nach Ausschöpfung der in Betracht kommenden Auslegungsmethoden ein nicht behebbarer Zweifel bleiben und mindestens zwei Auslegungen rechtlich vertretbar sein (Grüneberg in Palandt, BGB, 76. Auflage, München 2017, Rdnr. 15 zu § 305c BGB m.w.N.). Daran fehlt es hier aber, da nach der vom Senat vorgenommenen Auslegung keine Zweifel über den Inhalt von § 2 AVB-O bestehen.
Da nach alledem hinsichtlich der in Anspruch genommenen Personen Q., B. und L. die Beklagte nach § 2 AVB-O keinen Versicherungsschutz zu gewähren hat und Frau R. schon nicht in den persönlichen Anwendungsbereich der streitgegenständlichen D.-Versicherung fällt, kommt es auf die Frage, ob die in Anspruch genommenen Personen die Pflichtwidrigkeit wissentlich begingen und deshalb ein Haftungsausschluss greift, eine Haftung von Herrn L. und Frau R. schon deshalb ausgeschlossen ist, weil sie mangels Organstellung nicht als Organ in Anspruch genommen werden können, der Versicherungsfall ordnungsgemäß iSd. § 6.1 AVB-O angezeigt wurde und/oder der Deckungsanspruch des Klägers verjährt ist, nicht mehr an. Aus diesem Grund geht auch die Verfahrensrüge des Klägers zu 1), die in Anspruch genommenen Personen Q., B., L. und R. hätten als Zeugen zur Behauptung des Klägers, sie hätten ohne Pflichtwidrigkeitsbewusstsein und damit nicht wissentlich gehandelt, vernommen werden müssen, ins Leere.
II.
Die Kostenentscheidung, soweit sie im Hinblick auf den vom Insolvenzverwalter nicht wiederaufgenommenen Rechtsstreit der Klägerin zu 3) überhaupt getroffen werden konnte, beruht auf § 97 Abs. 1 ZPO.
Die Feststellung zur vorläufigen Vollstreckbarkeit des angefochtenen Urteils erfolgte gemäß §§ 708 Nr. 10, 711 ZPO.
Die Revision war nicht zuzulassen, da die Voraussetzungen hierfür nicht vorliegen.


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