Insolvenzrecht

Beschwerde, Gerichtsvollzieher, Erinnerung, Aufhebung, Vollstreckungsauftrag, Vollstreckung, Forderung, Erforderlichkeit, Schuldanerkenntnis, Erinnerungsverfahren, Kostenentscheidung, Drittauskunft, Daten, Zulassung, sofortige Beschwerde, sofortigen Beschwerde, Zulassung der Rechtsbeschwerde

Aktenzeichen  16 T 5272/21

Datum:
27.4.2021
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
BeckRS – 2021, 33679
Gerichtsart:
LG
Gerichtsort:
München I
Rechtsweg:
Ordentliche Gerichtsbarkeit
Normen:

 

Leitsatz

Verfahrensgang

1504 M 4511/20 2020-10-26 Bes AGMUENCHEN AG München

Tenor

1. Auf die sofortige Beschwerde der Gläubigerin wird der Beschluss des Amtsgerichts München vom 26.10.2020, Az. 1504 M 4511/20. aufgehoben.
2. Auf die Vollstreckungserinnerung der Gläubigerin vom 25.05.2020 wird die Gerichtsvollzieherin Brandt angewiesen, der Gläubigerin das Ergebnis der vom Bundeszentralamt für Steuern erhaltenen Auskunft über den Schuldner mit der Auskunft über die Namen der Inhaber der Konten, an denen der Schuldner lediglich verfügungsberechtigt ist, mitzuteilen.
3. Eine Kostenentscheidung ist nicht veranlasst.

Gründe

I.
Die Erinnerung der Gläubigerin vom 25.05.2020 betrifft den Inhalt der Übermittlung eines Kontenauskunftsersuchens.
Im Vollstreckungsauftrag vom 09.07.2019 hinsichtlich einer Forderung über 20.000 € als Teilforderung aus einem Schuldanerkenntnis über einen Betrag von 200.000 DM gemäß Urkunde des Notars … in Würzburg vom 23.12.1991 (UR Nr. 2496/91) war auch die Drittauskunft beim Bundeszentralamt für Steuern beauftragt worden.
Die Gerichtsvollzieherin hatte die Drittauskunft des Bundeszentralamts für Steuern hinsichtlich eines Kontos, über welches der Schuldner verfügungsbefugt ist, vor Übermittlung an die Gläubigerin so geschwärzt, dass der Kontoinhaber nicht erkennbar war.
Mit Beschluss vom 26.10.2020 wies das Amtsgericht München die Erinnerung kostenpflichtig zurück. Der Beschluss wurde der Gläubigerin am 02.11.2020 zugestellt, gegen diese Entscheidung wendet sich die Gläubigerin mit ihrer am 10.11.2020 eingegangenen sofortigen Beschwerde vom 04.11.2020, welcher das Amtsgericht nicht abhalf.
II.
Die zulässig eingelegte sofortige Beschwerde erweist sich als begründet, was zur Aufhebung des angefochtenen Beschlusses und der tenonerten Anweisung an die Gerichtsvollzieherin führte.
Die Beschwerdeentscheidung ergeht wie bereits die Entscheidung über die Erinnerung ohne rechtliches Gehör der Schuldnerin, da andernfalls ein durch § 802 I ZPO bezweckter Vollstreckungserfolg der Gläubigerin gefährdet wäre Gemäß § 802 I Abs. 3 ZPO wird der Schuldner erst 4 Wochen nach dem Gläubiger über das Ergebnis des Auskunftsersuchens nach § 802 I Abs. 1 ZPO in Kenntnis gesetzt. Dadurch soll erreicht werden. dass der Schuldner nicht noch schnell Kontoverfügungen vornehmen und den Vollstreckungserfolg des Gläubigers gefährden kann. Würde der Schuldnerin über das Erinnerungs- und Beschwerdeverfahren informiert, könnte er eventuell mögliche Vollstreckungsversuche der Gläubigerin vereiteln, bevor diese von der erteilten Auskunft des Bundeszentralamtes Kenntnis und damit die Möglichkeit hat, Vollstreckungsversuche einzuleiten (LG Ravensburg, Beschluss vom 04. Juli 2013 – 6 T 33/13 -, Rn. 6. juris).
Das Auskunftsersuchen des Gerichtvollziehers nach § 802 I Abs. 1 S. 1 Nr. 2 ZPO bezieht sich auf die in § 93 b Abs. 1 AO bezeichneten Daten. Diese Daten sind jene, welche in § 24 c Abs. 1 KWG geführt werden. § 24 c Abs. 1 S. 1 Nr. 2 AO wiederum schließt den Namen eines Verfügungsberechtigten ein, so dass diese Daten zunächst zu erheben sind. Nach § 802 I Abs. 2 ZPO wiederum sind jene Daten vom Gerichtsvollzieher unverzüglich zu löschen oder die Verarbeitung einzuschränken, welche zum Zwecke der Vollstreckung nicht erförderlich sind. Dieses so kodifizierte Kriterium der Erforderlichkeit entspricht dem datenschutzrechtlichen Verhältnismäßigkeitsgrundsatz, wonach zur Erreichung des Ziels, hier also des Vollstreckungserfolgs, die Datenübermittlung notwendig sein muss.
Dies ist aber bei Namen des Kontoinhabers der Fall. Die Informationen über die Verfügungsberechtigung hinsichtlich des Kontos ermöglichen es dem Gläubiger Informationen darüber zu erhalten, ob der Schuldner egebenenfalls eigene Vermögenswerte mithilfe anderer Personen, die als Kontoinhaber dem Schuldner eine Verfügungsbefugnis über ein Konto eingeräumt haben, der Zwangsvollstreckung entziehen wollen (LG Rostock, Beschluss vom 7.5.2019 – 3 T 66/19 – DGVZ 2019, 184, beck-online). Diese Konten Dritter können zwar nicht selbst Gegenstand einer Pfändung der Gläubigerin sein. Pfändbar ist aber ein Herausgabeanspruch des Schuldners gegen den Dritten nach § 667 BGB auf Herausgabe der auf dem Konto zu Gunsten des Schuldners eingegangenen Gutschriften; Drittschuldner ist der Kontoinhaber, nicht dessen Bank (LG Ravensburg, Beschluss vom 04. Juli 2013 – 6 T 33/13 -, Rn. 8, juris; LG Wiesbaden Beschl. v. 9.11.2006 – 4 T 578/06, BeckRS 2007, 1013, beck-online; AG Wiesbaden, Beschluss vom 14.5.2018 – 65 M 2231/18 – DGVZ 2018, 217, mit Anm. Martens, beck-online).
Darauf, ob auch die Übermittlung der Kontonummer für die Vollstreckung im Sinne des Paragrafen 802 I Abs. 2 ZPO erforderlich ist, kommt es vorliegend nicht an, da sich die Vollstreckungserinnerung nur auf die Übermittlung des Names bezieht (kritisch hinsichtlich der Bekanntgabe der Kontonummer des Dritten, Martens, Anm. zu AG Wiesbaden, DGVZ 2018, 218).
Ein schützenswertes Interesse der Kontoinhaber, die dem Schuldner eine Verfügungsbefugnis über ein Konto einräumen, an der Nichtweitergabe ihrer Daten, ist nicht ersichtlich. Die beim Bundeszentralamt für Steuern nach § 93 Abs. 1 AO über sie verfügbaren Daten, können nach dieser Vorschrift ohnehin an die dort genannten Verwaltungen und Behörden weiter gegeben werden. Für die Vollstreckung von privaten Gläubigern kann kein anderer Maßstab gelten, denn insoweit besteht kein Unterschied in der Wertigkeit der dort genannten Behörden und sonstigen Gläubigerin. Die Kontoinhaber tragen ferner ebenso wie sonstige Drittschuldner grundsätzlich das allgemeine Risiko, von Vollstreckungsmaßnahmen gegen einen Schuldner, mit dem sie in Rechtsbeziehung stehen, mittelbar betroffenen zu werden (LG Rostock, a.a.O.).
Anlass für eine Kostenentscheidung bestand nicht, da sich die Parteien im Erinnerungsverfahren nicht kontradiktatorisch gegenüberstehen. Es bestand aus den vorgenannten Gründen auch kein Anlass für die Zulassung der Rechtsbeschwerde, zudem ist entgegenstehende Rechtsprechung nicht ersichtlich. Die Rechtsfrage ist vielfach im hier entschiedenen Sinne geklärt.


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