Aktenzeichen IX ZB 43/17
Leitsatz
Hat ein Gläubiger in dem gemäß § 300 Abs. 1 InsO in der Fassung vom 26. Oktober 2001 zur Anhörung anberaumten Termin oder innerhalb der stattdessen gesetzten Erklärungsfrist einen zulässigen Versagungsantrag gestellt, kann der Schuldner seinen Antrag auf Restschuldbefreiung auch dann nur noch mit Zustimmung dieses Gläubigers zurücknehmen, wenn die Sache entscheidungsreif ist, keine weiteren Erklärungen der Beteiligten ausstehen und lediglich noch eine Entscheidung des Insolvenzgerichts zu treffen ist.
Verfahrensgang
vorgehend LG Landshut, 9. August 2017, Az: 33 T 334/16vorgehend AG Landshut, 21. Januar 2016, Az: IK 275/09
Tenor
Die Rechtsbeschwerde gegen den Beschluss der 3. Zivilkammer des Landgerichts Landshut vom 9. August 2017 wird auf Kosten des Schuldners zurückgewiesen.
Der Wert des Rechtsbeschwerdeverfahrens wird auf 1.500 € festgesetzt.
Gründe
I.
1
Am 27. März 2009 beantragte der Schuldner die Eröffnung eines Verbraucherinsolvenzverfahrens über sein Vermögen und die Erteilung der Restschuldbefreiung. Das Insolvenzverfahren wurde am 31. März 2009 eröffnet und am 24. Februar 2011 aufgehoben. Innerhalb der mit Beschluss vom 17. Mai 2015 gesetzten Frist, Anträge auf Versagung der Restschuldbefreiung im schriftlichen Verfahren zu stellen, beantragten zwei Gläubiger unter Vorlage schriftlicher Unterlagen, dem Schuldner die Restschuldbefreiung zu versagen, weil er einen am 12. Dezember 2014 erhaltenen Gehaltszufluss in Höhe von 12.500 € verheimlicht habe. Der nunmehr anwaltlich vertretene Schuldner bat zunächst um Verlängerung der ihm gesetzten Frist zur Stellungnahme. Am 3. Juni 2015 nahm er seinen Antrag auf Erteilung der Restschuldbefreiung zurück, ohne sich zum geltend gemachten Versagungsgrund zu äußern. Die den Versagungsantrag stellenden Gläubiger stimmten der Rücknahme nicht zu. Mit Beschluss vom 21. Januar 2016 versagte das Insolvenzgericht die Erteilung der Restschuldbefreiung.
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Das Beschwerdegericht wies die hiergegen gerichtete sofortige Beschwerde des Schuldners mit Beschluss vom 9. August 2017 unter der ergänzenden Feststellung zurück, dass die Rücknahme des Antrags auf Erteilung der Restschuldbefreiung unzulässig sei. Mit der vom Beschwerdegericht zugelassenen Rechtsbeschwerde verfolgt der Schuldner sein Ziel weiter, die Aufhebung des Beschlusses vom 21. Januar 2016 und die Zurückweisung der Versagungsanträge zu erreichen.
II.
3
Auf den Streitfall finden die Vorschriften der Insolvenzordnung in der bis zum 1. Juli 2014 geltenden Fassung Anwendung, weil das Insolvenzverfahren vor diesem Zeitpunkt beantragt worden ist (Art. 103h Satz 1 EGInsO).
III.
4
Die Rechtsbeschwerde ist aufgrund ihrer unbeschränkten Zulassung durch das Beschwerdegericht gemäß § 574 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 ZPO, §§ 4, 6, 300 Abs. 3 Satz 2 InsO statthaft und auch im Übrigen zulässig (§ 575 ZPO). In der Sache hat sie keinen Erfolg.
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1. Das Beschwerdegericht hat ausgeführt: Ein Schuldner sei zwar grundsätzlich gemäß § 4 InsO, § 269 Abs. 1 ZPO befugt, vor einer endgültigen Entscheidung des Insolvenzgerichts über die Restschuldbefreiung seinen entsprechenden Antrag zurückzunehmen. Allerdings sei ihm die Rücknahme verwehrt, sobald ein begründeter Antrag zur Versagung der Restschuldbefreiung bei Gericht eingegangen sei. Es könne nichts anderes als in dem vom Bundesgerichtshof bereits entschiedenen Fall (Beschluss vom 22. September 2016 – IX ZB 50/15, WM 2016, 2315) gelten. Auf den Zeitpunkt der gerichtlichen Entscheidung selbst könne nicht abgestellt werden, wenn der Gläubiger einen nach Aktenlage berechtigten Versagungsantrag stelle, über den lediglich noch zu entscheiden sei. Denn es sei oft nicht klar, wann es nach Ablauf etwaiger Stellungnahmefristen zur Entscheidung komme. Auch hier sei entsprechend § 269 ZPO die Dispositionsfreiheit des Schuldners gegen das Interesse des den Versagungsantrag stellenden Gläubigers an einer Entscheidung über die Versagung abzuwägen. Gegen den Schuldner spreche im Streitfall, dass er offensichtlich treuwidrig die Zahlung der fünfstelligen Summe verschwiegen habe, um diese dem Gläubigerzugriff zu entziehen. Diesen vom Gläubiger geltend gemachten Versagungsgrund habe der Schuldner nicht angegriffen. Deshalb könne die Rücknahme seines Antrags nur dem Zweck dienen, die negativen Folgen einer Versagung der Restschuldbefreiung nicht eintreten zu lassen.
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2. Diese Beurteilung hält rechtlicher Nachprüfung stand. Das Insolvenzgericht hat zu Recht gemäß § 300 Abs. 2, § 296 Abs. 1, § 295 Abs. 1 Nr. 3 InsO die Restschuldbefreiung versagt. Die vom Schuldner ohne Einwilligung der beiden Versagungsantragsteller erklärte Rücknahme seines Antrags auf Restschuldbefreiung war unzulässig. Hierüber konnte das Beschwerdegericht durch Beschluss entscheiden.
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a) Nach der Rechtsprechung des Senats kann der Schuldner einen Antrag auf Restschuldbefreiung in entsprechender Anwendung des § 269 Abs. 1 ZPO jedenfalls dann nicht mehr ohne Einwilligung zurücknehmen, wenn er die Rücknahme erklärt, nachdem ein Insolvenzgläubiger gemäß § 289 Abs. 1, § 290 InsO im Schlusstermin oder innerhalb der vom Insolvenzgericht im schriftlichen Verfahren für die Versagungsantragstellung gesetzten Frist einen zulässigen Antrag auf Versagung der Restschuldbefreiung gestellt und das Insolvenzgericht dem Schuldner hierauf die Restschuldbefreiung versagt hat (BGH, Beschluss vom 22. September 2016 – IX ZB 50/15, WM 2016, 2315 Rn. 10 ff). Spätestens ab diesem Zeitpunkt haben die Gläubiger einen Anspruch darauf, dass sich der Schuldner, dessen Unredlichkeit mit der abschlägigen Entscheidung festgestellt ist, nicht dem Verfahren entzieht und die Ergebnisse der Anhörung zu seinem Restschuldbefreiungsantrag durch dessen Rücknahme zunichtemacht. Spätestens ab der Entscheidung über den Versagungsantrag überwiegt ihr Interesse an der Versagung das Interesse des Schuldners, über seinen Antrag frei disponieren zu können (BGH, aaO Rn. 12 aE). Anderenfalls erhielte der Schuldner die Möglichkeit, einer sachlich berechtigten Versagung nachträglich den Boden zu entziehen (BGH, aaO Rn. 13 aE). Zudem besteht ein schutzwürdiger Anspruch der Gläubiger darauf, dass es bei einer sachlich berechtigten Versagung der Restschuldbefreiung bleibt, weil diese eine Antragssperre nach sich zieht (vgl. BGH, aaO Rn. 14). Steht die Wirksamkeit der Rücknahme im Streit, kann hierüber durch Beschluss entschieden werden (BGH, aaO Rn. 6 mwN).
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b) Im Streitfall hatte das Insolvenzgericht zwar noch nicht über den Versagungsantrag entschieden, als der Schuldner die Rücknahme seines Antrags auf Restschuldbefreiung erklärte. Das Beschwerdegericht hat aber mit Recht ausgeführt, dass die Gründe der Senatsentscheidung dann in gleicher Weise gelten, wenn die Restschuldbefreiung aufgrund des von einem Gläubiger in dem gemäß § 300 Abs. 1 InsO zur Anhörung anberaumten Termin oder innerhalb der stattdessen gesetzten Erklärungsfrist gestellten zulässigen Versagungsantrags nach § 296 Abs. 1, § 295 Abs. 1 InsO zu versagen ist und nur noch eine entsprechende Entscheidung des Insolvenzgerichts aussteht. Auch in diesem Fall überwiegt das Interesse des Gläubigers an einer gerichtlichen Entscheidung über seinen Versagungsantrag. Ist – wie im Streitfall – eine Restschuldbefreiung gemäß § 300 Abs. 2, § 296 Abs. 1, § 295 Abs. 1 Nr. 3 InsO zu versagen, ist der Schuldner nach § 290 Abs. 1 Nr. 3 InsO für eine Dauer von zehn Jahren und nach § 287a Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 InsO in der ab dem 1. Juli 2014 geltenden Fassung für die Dauer von drei Jahren an der erneuten Stellung eines Restschuldbefreiungsantrags gehindert. Dieses auf eine sachliche Entscheidung gerichtete Interesse des Gläubigers ist rechtlich geschützt, weil die Restschuldbefreiung nach dem Willen des Gesetzgebers nur dem sich redlich und gläubigerfreundlich verhaltenden Schuldner zuteilwerden und auf Antrag eines Gläubigers unter anderem dann ausgeschlossen sein soll, wenn dem Schuldner bis zum Ablauf der Wohlverhaltensperiode oder im Anhörungstermin zur Restschuldbefreiung ein illoyales Verhalten zur Last fällt (BT-Drucks. 12/2443, S. 100 f und 188). Demgegenüber ist das Interesse des Schuldners nachrangig, der zu erwartenden Sanktion durch eine Antragsrücknahme die Grundlage zu entziehen und das im ersten Durchgang für ihn absehbar negativ verlaufende Verfahren anschließend unmittelbar wiederholen zu können (vgl. BGH, Beschluss vom 22. September 2016, aaO Rn. 14 aE).
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Ob das Interesse der Gläubiger dasjenige des Schuldners überwiegt, hängt – wie die entsprechend anzuwendende Regelung des § 269 Abs. 1 ZPO zeigt – nicht davon ab, ob eine gerichtliche Entscheidung über den Versagungsantrag im Zeitpunkt der Erklärung der Antragsrücknahme bereits ergangen ist. Das Schuldnerinteresse kann auch vor diesem Zeitpunkt als nachrangig zu bewerten sein, wie der Senat in seiner Entscheidung vom 22. September 2016 (aaO Rn. 12) angedeutet hat. Es bedarf auch vorliegend keiner abschließenden Entscheidung darüber, welches prozessuale Verhalten im Restschuldbefreiungsverfahren einem Beginn der mündlichen Verhandlung im Sinne von § 269 Abs. 1 ZPO gleichgestellt werden kann. Denn dies ist jedenfalls zu bejahen, wenn über den Versagungsantrag – wie vorliegend – ohne weiteres entschieden werden kann. Im Streitfall waren weitere Ermittlungen über das tatsächliche Vorliegen des geltend gemachten Versagungsgrundes nicht veranlasst. Der Schuldner hatte die maßgeblichen Tatsachen nicht bestritten. Der Zeitpunkt der demnach zu erwartenden gerichtlichen Entscheidung ist von den Verfahrensbeteiligten hingegen nicht beeinflussbar und zufällig.
Kayser
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