Insolvenzrecht

Vollstreckungsschutz bei Wohnungsräumung in der Corona-Pandemie

Aktenzeichen  1539 M 42463/20

Datum:
10.6.2020
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
ZMR – 2020, 665
Gerichtsart:
AG
Gerichtsort:
München
Rechtsweg:
Ordentliche Gerichtsbarkeit
Normen:
ZPO § 765a

 

Leitsatz

Fallen der Zeitpunkt der Verkündung eines Räumungsurteils und die angekündigte Wohnungsräumung in eine Zeitspanne, in der anzunehmen ist, dass der Schuldner bei der Wohnungssuche durch infolge der Corona-Pandemie getroffenen Maßnahmen eingeschränkt war, bzw. dass sich die Wohnungssuche schwieriger gestaltet hat, als unter sonstigen Bedingungen, kann einem Vollstreckungsschutzantrag gemäß § 765a ZPO stattgegeben werden. (Rn. 9) (redaktioneller Leitsatz)

Tenor

1. Die Zwangsvollstreckung aus dem Urteil des Amtsgericht München vom 11.03.2020 (Aktenzeichen 452 C 19275/19) wird bis einschließlich 17.08.2020 in vollem Umfang einstweilen eingestellt.
2. Die Kosten des Verfahrens trägt die Schuldnerin.

Gründe

Die Schuldnerin hat mit Schreiben vom 27.05.2020 und vom 09.06.2020 Antrag auf Vollstreckungsschutz gemäß § 765a ZPO gestellt.
Nach der Räumungsmitteilung 16 DR II 378/20 des Gerichtsvollziehers findet die Räumung am 17.06.2020 statt.
Der Antrag auf Räumungsschutz wurde rechtzeitig im Sinne von § 765 a Abs. 3 ZPO gestellt und ist damit zulässig.
Der Vollstreckungsschutzantrag ist begründet, soweit ihm mit diesem Beschluss stattgegeben wurde.
Eine konkrete Frist wurde für die Einstellung nicht angegeben. Das Gericht hat die Einstellung nach eigenem Ermessen entschieden. Eine dauerhafte Einstellung der Räumungsvollstreckung kommt nicht in Betracht.
Der Gläubiger vollstreckt aus einem Urteil, das am 11.03.2020 erlassen wurde.
Zu diesem Zeitpunkt haben die ersten Einschränkungen bezüglich der Corona – Pandemie begonnen.
Um Ansteckungen zu unterbinden, hat die Staatsregierung seit dem 16.03.2020 kontinuierlich Maßnahmen wie Schul- und Landenschließungen angeordnet, so dass der normale Geschäftsbetrieb und das öffentliche Leben massiv eingeschränkt waren.
Der Zeitpunkt der Urteilsverkündung und die angekündigte Räumung, fällt in eine Zeitspanne in der anzunehmen ist, dass die Schuldnerin bei der Wohnungssuche durch die getroffenen Maßnahmen eingeschränkt war, bzw. dass sich die Wohnungssuche schwieriger gestaltet hat, als unter sonstigen Bedingungen. Die sonstigen vorgebrachten Gründe stellen keine sittenwidrige Härte dar.
Im Schreiben vom 09.06.2020 gibt die Schuldnerin an, auf Wohnungssuche und gewillt zu sein, die Wohnung zu verlassen.
Die sonstigen vorgebrachten Grunde stellen keine sittenwidrige Härte dar.
Das Vollstreckungsgericht kann auf Antrag eine Maßnahme der Zwangsvollstreckung ganz oder teilweise aufheben, untersagen oder einstellen. Die Anwendung des § 765 a ZPO setzt aber voraus, dass die Vollstreckungsmaßnahme wegen ganz besonderer Umstände eine Härte bedeutet, die mit den guten Sitten nicht zu vereinbaren und deshalb moralisch zu beanstanden wäre. § 765a ZPO ist eine absolute Ausnahmevorschrift und als solche trotz des scheinbaren Ermessensspielraums des Gerichts eng auszulegen. Für die Anwendung genügen weder allgemeine wirtschaftliche Erwägungen noch soziale Gesichtspunkte. Mit Härten, die jede Zwangsvollstreckung mit sich bringt, muss sich die Schuldnerin grundsätzlich abfinden.
Im Rahmen des § 765a ZPO st das Schutzbedürfnis der Gläubigerpartei, die aufgrund ihres Titels ein erhebliches Vollstreckungsinteresse hat, in vollem Umfang zu würdigen. Demgegenüber dürfen die Schwierigkeiten und sozialen Nöte der Schuldnerin nicht einseitig berücksichtigt werden.
Die Gläubigerpartei wurde zu dem Antrag gehört.
Die Gläubigerpartei hat mit Schriftsatz vom 04.06.2020 Einwände gegen den Antrag der Schuldnerin erhoben. Der dortige Sachvortrag, auf den ausdrücklich Bezug genommen wird, wurde vor Beschlussfassung vollumfänglich gewürdigt.


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