Insolvenzrecht

Wegfall des Verschonungsabschlags bei mehrstöckigen Personengesellschaften

Aktenzeichen  II R 10/18

Datum:
16.3.2021
Rechtsgebiet:
Gerichtsart:
BFH
Dokumenttyp:
Urteil
ECLI:
ECLI:DE:BFH:2021:U.160321.IIR10.18.0
Normen:
§ 13a Abs 2 ErbStG 1997 vom 29.12.2003
§ 13a Abs 5 Nr 1 S 1 ErbStG 1997 vom 29.12.2003
§ 13a Abs 5 Nr 1 S 2 ErbStG 1997 vom 29.12.2003
R 63 Abs 2 S 2 ErbStH 2003
R E13a.13 Abs 2 S 4 ErbStR 2019
Spruchkörper:
2. Senat

Leitsatz

1. Die Eröffnung des Insolvenzverfahrens über das Vermögen einer (Unter-)Personengesellschaft, an der eine Oberpersonengesellschaft beteiligt ist, führt nicht zum nachträglichen Wegfall des verminderten Wertansatzes für das Betriebsvermögen der Oberpersonengesellschaft.
2. Der Verschonungsabschlag für den Erwerb eines Anteils an einer Oberpersonengesellschaft kann jedoch nachträglich wegfallen, wenn Wirtschaftsgüter der Unterpersonengesellschaft, die wesentliche Betriebsgrundlagen der Oberpersonengesellschaft darstellen, veräußert oder anderen betriebsfremden Zwecken zugeführt werden. Für die Beurteilung, ob Betriebsgrundlagen der Unterpersonengesellschaft funktional wesentlich für den Betrieb der Oberpersonengesellschaft sind, sind qualitative und quantitative Merkmale heranzuziehen.

Verfahrensgang

vorgehend FG Düsseldorf, 24. Januar 2018, Az: 4 K 1043/17 Erb, Urteil

Tenor

Auf die Revision des Beklagten wird das Urteil des Finanzgerichts Düsseldorf vom 24.01.2018 – 4 K 1043/17 Erb aufgehoben.
Die Sache wird an das Finanzgericht Düsseldorf zur anderweitigen Verhandlung und Entscheidung zurückverwiesen.
Diesem wird die Entscheidung über die Kosten des Verfahrens übertragen.

Tatbestand

I.
1
Die Mutter des Klägers und Revisionsbeklagten (Kläger) war Kommanditistin der X-KG. Die X-KG war alleinige Kommanditistin der grundbesitzenden A-KG.
2
Mit notariell beurkundetem Vertrag vom …2008 übertrug die Mutter einen Teilanteil ihres Kommanditanteils an der X-KG aufschiebend bedingt auf den …2008 auf den Kläger. Die Übertragung geschah teilweise entgeltlich und teilweise unentgeltlich im Rahmen der vorweggenommenen Erbfolge.
3
Am …08.2012 wurde das Insolvenzverfahren über das Vermögen der A-KG eröffnet. Am …09.2012 veräußerte der Insolvenzverwalter die Maschinen, Betriebsvorrichtungen und Vorräte, soweit hieran keine Rechte Dritter bestanden, sowie das Recht, die Firma der A-KG fortführen zu dürfen, sämtliche Pläne und Konstruktionen, das Know-how, Fertigungsverfahren, Betriebsgeheimnisse, Kunden- und Lieferantendaten, Patente und Markenrechte an die Käuferin (K). Die Betriebsgrundstücke der A-KG wurden nicht veräußert, sondern an die K vermietet.
4
Der Beklagte und Revisionskläger (das Finanzamt –FA–) legte im geänderten Schenkungsteuerbescheid vom …2013 zunächst einen –im Verhältnis zu den vorangegangenen Bescheiden niedrigeren– verminderten Wertansatz nach § 13a Abs. 2 des Erbschaftsteuer- und Schenkungsteuergesetzes i.d.F. bis 31.12.2008 (ErbStG a.F.) der Besteuerung zugrunde und setzte schließlich nach Verböserungshinweis mit Einspruchsentscheidung vom …2017 die Schenkungsteuer in Höhe von … € ohne verminderten Wertansatz nach § 13a Abs. 2 ErbStG a.F. fest. Bei der Beteiligung der X-KG an der A-KG handelte es sich nach Auffassung des FA um ein wesentliches “Standbein” der X-KG. Diese Beteiligung habe eine wesentliche Betriebsgrundlage für die X-KG dargestellt; sie sei für die X-KG im Vergleich zu ihren anderen Beteiligungen nicht nur von untergeordneter Bedeutung gewesen. Die Eröffnung des Insolvenzverfahrens über das Vermögen der A-KG habe deshalb dazu geführt, dass der Bewertungsabschlag vollständig weggefallen sei.
5
Die Klage hatte Erfolg. Das Finanzgericht (FG) führte zur Begründung im Wesentlichen aus, die Eröffnung des Insolvenzverfahrens über das Vermögen der A-KG habe nicht zur Folge, dass die X-KG ihren Gewerbebetrieb aufgegeben habe. Außerdem seien auch keine wesentlichen Betriebsgrundlagen der X-KG i.S. des § 13a Abs. 5 Nr. 1 Satz 2 ErbStG a.F. innerhalb der Frist des § 13a Abs. 5 ErbStG a.F. veräußert worden. Es müsse sich dabei um funktional wesentliche Betriebsgrundlagen handeln. Die Veräußerung von einzelnen nicht betriebswesentlichen Vermögensgegenständen reiche nicht aus. Zwar könne man annehmen, dass durch Vertrag vom …09.2012 wesentliche Betriebsgrundlagen der A-KG veräußert worden seien, dies stelle aber noch keine Veräußerung von wesentlichen Betriebsgrundlagen der X-KG dar. Die Beteiligung der X-KG an der A-KG mache ca. 37 % sämtlicher Beteiligungen der X-KG aus. Wesentliche Betriebsgrundlage der X-KG sei sie nicht gewesen. Die A-KG habe keine nachhaltig positive Ertragskraft gehabt, was sich auch an ihrer Insolvenz zeige. Im Übrigen habe der Insolvenzverwalter die Betriebsgrundstücke der A-KG nicht veräußert, sondern nur vermietet. Das Urteil ist in Entscheidungen der Finanzgerichte (EFG) 2018, 688 veröffentlicht.
6
Mit seiner Revision macht das FA eine Verletzung von § 13a Abs. 5 Nr. 1 Sätze 1 und 2 i.V.m. Abs. 2 ErbStG a.F. geltend.
7
Die Beteiligung an der A-KG sei eine wesentliche Betriebsgrundlage der X-KG. Die Insolvenz der A-KG innerhalb der Frist des § 13a Abs. 5 ErbStG a.F. komme einer Aufgabe des Gewerbebetriebs der A-KG gleich und gelte insoweit als steuerschädliche Veräußerung nach § 13a Abs. 5 Nr. 1 Sätze 1 und 2 ErbStG a.F. Sinn und Zweck der Nachsteuerregelung des § 13a Abs. 5 ErbStG a.F. sei, dass die volle Rechtsposition des bisherigen Betriebsinhabers in Bezug auf das übergegangene Betriebsvermögen mindestens fünf Jahre in der Person des Erwerbers erhalten bleibe. Nur in diesem Fall gingen auch die Risiken aus der Sozialgebundenheit auf den Bedachten über. Durch den Verkauf der Wirtschaftsgüter der A-KG seien wesentliche Betriebsgrundlagen der X-KG veräußert worden, da wesentliche Betriebsgrundlagen der A-KG auch wesentliche Betriebsgrundlagen der X-KG sein könnten. Ausschlaggebend für die Frage, ob es sich bei den wesentlichen Betriebsgrundlagen einer Unterpersonengesellschaft auch um solche einer Oberpersonengesellschaft handle, sei eine funktionale, keine quantitative Betrachtungsweise. § 13a Abs. 5 Nr. 1 ErbStG a.F. knüpfe mit den Begriffen “ganzer Gewerbebetrieb” und “wesentliche Betriebsgrundlage” an das Ertragsteuerrecht an. Es sei daher entscheidend, ob ein Wirtschaftsgut nach Art des Betriebs und seiner Funktion im Betrieb für diesen wesentlich sei. Im Ertragsteuerrecht kämen als wesentliche Betriebsgrundlagen auch immaterielle Werte in Betracht. Der Insolvenzverwalter habe u.a. immaterielle Werte, u.a. Pläne und Konstruktionen, Know-how, Fertigungsverfahren, Patente und Markenrechte veräußert. Diese Vermögensgegenstände seien wesentlich für den Betrieb der A-KG gewesen. Allein der Umstand, dass die A-KG eine 100 %ige Beteiligung der X-KG gewesen sei, rechtfertige es, die wesentlichen Betriebsgrundlagen der A-KG auch als solche der X-KG anzusehen.
8
Das FA beantragt,die Vorentscheidung aufzuheben und die Klage abzuweisen.
9
Der Kläger beantragt,die Revision als unbegründet zurückzuweisen.
10
Zur Begründung führt er im Wesentlichen aus, über das Vorliegen einer wesentlichen Betriebsgrundlage entscheide eine funktionale und quantitative Betrachtungsweise. Diese sei normspezifisch anhand eines jeden Einzelfalls zu bestimmen. Wirtschaftsgüter der Unterpersonengesellschaft, die nicht im Betrieb der Oberpersonengesellschaft eingesetzt seien, sondern nur der Beteiligung dienten, seien keine wesentlichen Betriebsgrundlagen der Oberpersonengesellschaft. Wirtschaftsgüter eines Mitunternehmers befänden sich nicht im Gesamthandsvermögen der Oberpersonengesellschaft. Anteile an Personengesellschaften könnten mangels Wirtschaftsguteigenschaft nicht als funktional wesentliche Betriebsgrundlagen angesehen werden.
11
Die Beteiligten haben auf die Durchführung einer mündlichen Verhandlung verzichtet.


Ähnliche Artikel

Bankrecht

Schadensersatz, Schadensersatzanspruch, Sittenwidrigkeit, KapMuG, Anlageentscheidung, Aktien, Versicherung, Kenntnis, Schadensberechnung, Feststellungsziele, Verfahren, Aussetzung, Schutzgesetz, Berufungsverfahren, von Amts wegen
Mehr lesen

IT- und Medienrecht

Abtretung, Mietobjekt, Vertragsschluss, Kaufpreis, Beendigung, Vermieter, Zeitpunkt, Frist, Glaubhaftmachung, betrug, Auskunftsanspruch, Vertragsurkunde, Auskunft, Anlage, Sinn und Zweck, Vorwegnahme der Hauptsache, kein Anspruch
Mehr lesen


Nach oben