Insolvenzrecht

Wirkungen eines ausländischen Insolvenzverfahrens

Aktenzeichen  23 U 2894/17

Datum:
4.2.2019
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
NWB – 2019, 862
Gerichtsart:
OLG
Gerichtsort:
München
Rechtsweg:
Ordentliche Gerichtsbarkeit
Normen:
InsO § 270, § 343, § 352
EUInsVO Art. 16

 

Leitsatz

1. Ein in Rumänien eröffnetes Insolvenzverfahren (Procedura insolvenței) fällt in den sachlichen Anwendungsbereich der Verordnung der EuInsVO (2000).
2. Für die Wirkungen des Insolvenzverfahrens auf einen anhängigen Rechtsstreit über einen Gegenstand oder ein Recht der Masse gilt nach Art. 15 EuInsVO (2000) ausschließlich das Recht des Mitgliedsstaats, in dem der Rechtsstreit anhängig ist.

Tenor

Das Verfahren ist nach Art. 15 der Verordnung (EG) Nr. 1346/2000 des Rates vom 29. Mai 2000 über Insolvenzverfahren [(EuInsVO (2000) ] i.V.m. § 240 ZPO unterbrochen.

Gründe

Die Voraussetzungen für den Eintritt der Unterbrechungswirkung infolge eines im Ausland eröffneten Insolvenzverfahrens bestimmen sich hier nach Art. 15 EuInsVO (2000) i.V.m. § 240 ZPO. Diese Regelungen sind gegenüber §§ 352 und 343 InsO vorrangig (Thole in Münchener Kommentar zur InsO, 3. Aufl., InsO § 352 Rn. 2).
Der zeitliche Anwendungsbereich der Verordnung (EU) 2015/848 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 20. Mai 2015 über Insolvenzverfahren ist nach deren Art. 84 Abs. 1 nicht eröffnet; nach Art. 84 Abs. 2 gilt die Verordnung (EG) Nr. 1346/2000 weiterhin für Verfahren, die in den Geltungsbereich jener Verordnung fallen und vor dem 26. Juni 2017 eröffnet wurden.
Das vom Tribunal Bacău mit Beschluss vom 28. November 2014, Az. … über das Vermögen der Schuldnerin eröffnete Insolvenzverfahren (Procedura insolvenței) fällt in den sachlichen Anwendungsbereich der Verordnung der EuInsVO (2000).
Art. 2 lit. a) i. V. m. Anhang A) der EUInsO (2000) benennt für jeden Mitgliedsstaat aus Gründen der Rechtssicherheit die Verfahren, die als Insolvenzverfahren im Sinne der Verordnung anzusehen sind. Es handelt sich nicht um eine Vermutungsregelung, sondern um eine abschließende Bestimmung: die in Anhang A) aufgeführten Verfahren sind Insolvenzverfahren im Sinne der EUInsVO (Reinhart in Münchener Kommentar zur InsO, 3. Aufl., EuInsVO 2000 Art. 1 Rn. 2).
Im Anhang A sind insbesondere genannt
„ROMÂNIA
– Procedura insolvenței
– Reorganizarea judiciară
– Procedura falimentului“
Für die Wirkungen des Insolvenzverfahrens auf einen anhängigen Rechtsstreit über einen Gegenstand oder ein Recht der Masse gilt nach Art. 15 EuInsVO (2000) ausschließlich das Recht des Mitgliedsstaats, in dem der Rechtsstreit anhängig ist. Die Norm gilt auch für Aktivprozesse (Reinhart, a. a. O. Rn. 10). Hier macht die Klägerin Vergütungsansprüche geltend, es handelt sich daher um einen massebezogenen Rechtsstreit.
Die Wirkungen sind somit nach § 240 ZPO und nicht nach Art. 75 des rumänischen Gesetzes 85/2014 zu bestimmen. Eine Verfahrensunterbrechung tritt danach ein, wenn das Insolvenzverfahren durch einen formellen Eröffnungsbeschluss eröffnet wurde oder (im Insolvenzeröffnungsverfahren) bereits die Verwaltungs- und Verfügungsbefugnis auf den vorläufigen Insolvenzverwalter übergegangen ist (Reinhart, a. a. O. Rn. 16). Hier hat das Gericht dem Antrag der Klägerin, das allgemeine Insolvenzverfahren einzuleiten mit Beschluss vom 28. November 2014 stattgegeben. Darin ist ein formeller Eröffnungsbeschluss zu sehen, der nach Art. 16 EUInsVO (2000) in allen übrigen Mitgliedstaaten automatisch anerkannt wird. Auf den Übergang der Verwaltungs- und Verfügungsbefugnis auf den vorläufigen Insolvenzverwalter kommt es daher entgegen der von der Klägerin vertretenen Ansicht nicht an. Dass sich die Klägerin unter Beibehaltung des Verwaltungsrechts in einem Umorganisierungsverfahren in Eigenverwaltung befindet, ist ebenfalls ohne Belang. Eine Unterbrechung nach § 240 ZPO setzt nicht zwingend einen Wechsel der Verfügungs- und Prozessführungsbefugnis voraus. So wird ein Prozess auch im Fall der Eigenverwaltung gemäß § 270 InsO unterbrochen (BGH, Beschluss vom 7. Dezember 2006 – V ZB 93/06, ZIP 2007, 249 Rn. 6 ff.; Greger in Zöller, ZPO, 32. Aufl., § 240 Rn. 5). Der Bundesgerichtshof hat zwar für die Gewährung einer Nachlassstundung nach Schweizer Recht eine Unterbrechung nach § 240 ZPO mit der Begründung verneint, dass dieses ausländische Insolvenzverfahren nach dem Recht des Insolvenzeröffnungsstaats weder einen Übergang der Prozessführungsbefugnis vorsieht noch eine Unterbrechungswirkung beansprucht oder sich in sonstiger Weise auf den Fortgang anhängiger Prozesse auswirkt (BGH, Versäumnisurteil vom 20. Dezember 2011 – VI ZR 14/11 -, Rn. 43, juris). Damit ist die vorliegende Fallkonstellation jedoch nicht vergleichbar. Die Klägerin führt vielmehr im Schriftsatz vom 31. Januar 2019 aus, in welchen Fallkonstellationen eine Unterbrechung aufgrund Art. 75 des Gesetzes 85/2014 eintritt.


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