IT- und Medienrecht

21 O 19277/18

Aktenzeichen  21 O 19277/18

Datum:
29.1.2021
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
LSK – 2021, 12410
Gerichtsart:
LG
Gerichtsort:
München I
Rechtsweg:
Ordentliche Gerichtsbarkeit
Normen:

 

Leitsatz

Tenor

1. Die Beklagte wird verurteilt, der Klägerin im Hinblick auf die Nutzungen der Folgen 1 bis 91 (Staffeln 1 bis 7) der Comedyserie „Se3.“ sowie 2 Folgen „Bestof Se3.“ gemäß der Anlage „Fernsehformat Se3. (7 Staffeln, Folgen 1-91 + Bestof)“ seit 19.09.2003 Auskunft zu erteilen und Rechnung zu legen durch
a. eine Auflistung sämtlicher Ausstrahlungen einschließlich der Wiederholungen nach Episoden mit Datum und Uhrzeit, auch durch Lizenz- und/oder Unterlizenznehmer;
b. Mitteilung sämtlicher Arten der Nutzung und Auswertungen, wie Ausstrahlung, öffentliche Zugänglichmachung, Streaming, DVD und sonstige Vertriebswege und -kanäle nach Datum und Höhe bzw. Auflage bzw. Reichweite der jeweiligen Nutzung/Auswertung.
2. Die Beklagte wird verurteilt, der Klägerin Auskunft zu erteilen und Rechnung zu legen über den Umfang sämtlicher bildlicher Verwertungshandlungen und der damit im Zusammenhang stehenden Bruttoeinnahmen, die die Beklagte mit den Folgen 1 bis 91 (Staffeln 1 bis 7) der Comedyserie „Se3.“ sowie 2 Folgen „Bestof Se3.“ gemäß der Anlage „Fernsehformat Se3. (7 Staffeln, Folgen 1-91 + Bestof)“ seit 19.09.2003 erlangt hat, und zwar durch
a. die Vergabe von Lizenzen, Unterlizenzen oder Gestattungen zur fernsehmäßigen Ausstrahlung im In- und/oder Ausland (unter Angabe von vollständigen Namen und Anschriften);
b. vereinbarte und/oder erhaltene Finanzierungshilfen (Provisionen, Vorauszahlungen, Gebühren, Fördergelder, Fondsgelder, Werbeentgelte und Sponsorenentgelte);
c. die mit der Fernsehserie „Se3.“ betriebene Werbung unter Angabe der Werbeträger, Erscheinungs- und Sendezeiten und Verbreitungsgebiete;
d. sämtliche Einnahmen, die durch Werbung unmittelbar vor, während und nach der Ausstrahlung einer einzelnen Episode einschließlich der Angabe des jeweiligen Auftraggebers der Werbespotschaltung, der Länge des Werbespots, der Bruttoeinnahmen durch die Buchung des Werbespots und die Gesamtbruttoeinnahmen eines jeweiligen Werbeblocks/Splitscreens vereinnahmt wurden;
e. die Angaben sämtlicher Kosten der Produktionen unter Aufschlüsselung der jeweiligen Vergütungen sämtlicher Urheberrechts-/Leistungsschutzberechtigten und sonstiger Mitarbeiter und Dienstleister der jeweiligen Episode;
f. die Angabe über Art, Umfang (Bezeichnung der Internet-Seiten unter Angabe der Internetadressen sowie der jeweiligen visits und pageviews) und Zeitraum einer Nutzung über das Internet, mit der Einschränkung, dass Auskunft über Unterlizenzverträge (und Unterlizenznehmer) nur dann zu erteilen ist, wenn die Beklagte diese Verträge kennt oder sie eine rechtliche Handhabe hat, um gegen ihre Lizenznehmer oder deren Unterlizenznehmer auf eine Vorlage solcher Unterlizenzverträge hinzuwirken (Auskunftsanspruch);
g. Angabe sonstiger Vorteile, die die Beklagte unmittelbar und/oder mittelbar erlangt hat.
3. Der Beklagten wird nachgelassen, die Auskunftserteilung und Rechnungslegung gemäß Ziff. 2 lit. d. (Werbeeinnahmen) gegenüber einem von der Klägerin auszuwählenden und von der Beklagten zu bezahlenden, zur Berufsverschwiegenheit verpflichteten und vereidigten Wirtschaftsprüfer, der berechtigt und verpflichtet ist, der Klägerin sämtliche Einnahmen, die durch Werbung unmittelbar vor, während und nach der Ausstrahlung einer einzelnen Folge der Comedyserie „Se3.“ einschließlich der Angabe des jeweiligen Auftraggebers der Werbespotschaltung, der Länge des Werbespots, der Bruttoeinnahmen durch die Buchung des Werbespots und die Gesamtbruttoeinnahmen eines jeweiligen Werbeblocks/Splitscreens vereinnahmt wurden, mitzuteilen und Fragen zu deren Ermittlung und Überprüfung zu beantworten.
4. Im Übrigen wird die Klage – soweit in erster Stufe hierüber zu entscheiden war – abgewiesen.
5. Die Kostenentscheidung bleibt dem Schlussurteil vorbehalten.
6. Das Urteil ist gegen Zahlung einer Sicherheitsleistung in Höhe von … € vorläufig vollstreckbar.

Gründe

Die Klage ist im Umfang der auf der ersten Stufe gestellten Anträge zulässig und weit überwiegend begründet. Der Klägerin stehen die für den Zeitraum ab 19.09.2003 geltend gemachten Auskunfts- und Rechnungslegungsansprüche im Wesentlichen zu.
I.
Die Klage ist zulässig. Insbesondere sind die Klageanträge hinreichend bestimmt gefasst; lediglich die in den Anträgen zu 1.b) und 1.c) enthaltene Auflistung war auf die von der Klägerin ausdrücklich benannten Informationen durch Streichung des Zusatzes „etc.“ zu beschränken.
II.
Die von dem Kläger geltend gemachten Auskunfts- und Rechnungslegungsansprüche finden, soweit sie durchgreifen, ihre Rechtsgrundlage in §§ 242, 259 Abs. 1 BGB i. V. m. §§ 79 Abs. 2a, 32a Abs. 2 Satz 1 UrhG.
1. Gemäß § 32a Abs. 2 Satz 1 UrhG haftet ein Dritter, dem der Vertragspartner des Urhebers das Nutzungsrecht übertragen oder weitere Nutzungsrechte eingeräumt hat, dem Urheber gem. § 32a Abs. 2 Satz 1 UrhG unmittelbar nach Maßgabe von § 32a Abs. 1 UrhG unter Berücksichtigung der vertraglichen Beziehungen in der Lizenzkette, wenn sich ein auffälliges Missverhältnis aus den von dem Dritten erzielten Erträgen oder Vorteilen ergibt. Über die Verweisungsnorm des § 79 Abs. 2a UrhG gilt der Anspruch auf weitere Beteiligung an den Vorteilen einer urheberrechtlichen Verwertung auch für ausübende Künstler (OLG München, GRUR-RR 2017, 376, 377 – Elvis Presley). Ein auffälliges Missverhältnis liegt vor, wenn die tatsächlich gewährte Gegenleistung bei objektiver Betrachtung von einer angemessenen Vergütung erheblich abweicht. Eine entsprechend erhebliche Abweichung ist jedenfalls dann anzunehmen, wenn die vereinbarte Vergütung um 100% von der angemessenen Beteiligung abweicht, wenn also der bezahlte Betrag nur die Hälfte dessen beträgt, was üblicher- und redlicherweise zu zahlen gewesen wäre (BT-Drs. 14/8058, 19; OLG München, GRUR-RR 2017, 376, 381 – Elvis Presley). Da die gesamten Beziehungen des Urhebers zum Nutzungsberechtigten zu berücksichtigen sind, können nach Maßgabe der Umstände aber auch bereits geringere Abweichungen ein auffälliges Missverhältnis begründen (BGH, GRUR 2012, 1248, 1252, Rn. 55 – Fluch der Karibik).
Ob tatsächlich ein auffälliges Missverhältnis zu bejahen ist und dementsprechend ein Anspruch auf weitere Beteiligung an den seitens des Dritten erzielten Erträgen oder Vorteilen gemäß § 32a Abs. 2 Satz 1 UrhG besteht, kann indes erst beurteilt werden, nachdem Auskunftserteilung und Rechnungslegung erfolgt sind (vgl. BGH, GRUR 2012, 1248, 1253, Rn. 57 – Fluch der Karibik). Die Auskunfts- und Rechnungslegungsansprüche gemäß §§ 242, 259 Abs. 1 BGB dienen vielmehr dazu, die Voraussetzungen des Anspruchs gemäß § 32a Abs. 2 Satz 1 UrhG zu ermitteln und die zu zahlende Vergütung berechnen zu können. Daher setzen Auskunfts- und Rechnungslegungsansprüche in der Sache lediglich voraus, dass auf Grund nachprüfbarer Tatsachen klare Anhaltspunkte für einen Anspruch nach § 32a Abs. 2 Satz 1 UrhG bestehen (BGH, GRUR 2020, 1191, 1192, Rn. 26 – Fotopool; BGH, GRUR 2012, 496, 499, Rn. 36 – Das Boot; OLG München, Urteil vom 21.03.2013, 29 U 3312/09, juris – Das Boot II; LG München I, GRUR-RS 2016, 382, Rn. 35).
In der Entscheidung „Fluch der Karibik“ hat der BGH solch klare Anhaltspunkte in der überdurchschnittlich erfolgreichen Auswertung des Films gesehen, die durch die lang andauernde Kinoauswertung in allen deutschen Großstädten, die breite Resonanz in der lokalen und überregionalen Presse sowie in anderen Medien und die Berichterstattung über die Oscar-Nominierungen in mehreren Kategorien zum Ausdruck kam (vgl. BGH, GRUR 2012, 1248, 1250, Rn. 25). Das OLG München hat in seiner Entscheidung „Das Boot II“ greifbare Anhaltspunkte mit der Feststellung einer außergewöhnlich intensiven fernsehmäßigen Auswertung in Form von 38 Fernsehausstrahlungen der Produktion „Das Boot“ angenommen (OLG München, a.a.O., Rn. 38). Die gegen dieses Urteil erhobene Nichtzulassungsbeschwerde hat der BGH zurückgewiesen (BGH, 19.03.2014, Az. I ZR 74/13).
2. Nach dieser Maßgabe stehen der Klägerin die geltend gemachten Auskunfts und Rechnungslegungsansprüche im tenorierten Umfang zu.
a. Die Klägerin ist als ausübende Künstlerin gemäß §§ 73, 79 Abs. 1, Abs. 2a UrhG, berechtigt, zur Vorbereitung eines Anspruchs auf weitere angemessene Beteiligung aus § 32a Abs. 2 Satz 1 UrhG einen Anspruch auf Auskunftserteilung und Rechnungslegung geltend zu machen und unabhängig von anderen Miturhebern und allein an sich selbst zu verlangen (vgl. BGH, GRUR 2012, 496, 499, Rn. 37 – Das Boot).
b. Die Beklagte ist auch verpflichtet, den der Vorbereitung eines Anspruchs gemäß § 32a Abs. 2 Satz 1 UrhG auf weitere Beteiligung an von ihr erzielten Erträgen und Vorteilen dienenden Anspruch auf Auskunftserteilung und Rechnungslegung zu erfüllen. Nach dem zwischen den Parteien nicht in Streit stehenden Vortrag hat die Klägerin der Firma Sx. Pictures die Rechte zur Nutzung ihrer urheberrechtlich geschützten Leistungen eingeräumt (vgl. Anlage K 1). Die Firma Sx. Pictures hat der Beklagten vertraglich die ihr von der Klägerin im Zusammenhang mit der Produktion der Comedyserie „Se3.“ eingeräumten Rechte zur Ausstrahlung im deutschen Sprachraum (Deutschland, Österreich, Schweiz, Liechtenstein, Luxemburg, Alto Adige) übertragen (vgl. Ziff. III.1 des Vertrages vom 25.02./02.03.2009, Anlage B 3 sowie Anlagen B 6 bis B 8). Auf die zwischen den Parteien streitig diskutierte Frage, ob es sich bei der Produktion der Comedyserie „Se3.“ um eine reine Auftragsproduktion handelt, kommt es dabei nicht an. Entscheidend ist allein, dass – was die Beklagte nicht in Abrede stellt – die Klägerin die ihr als ausübender Künstlerin gemäß § 73 UrhG zustehenden Rechte an die Firma Sx. Pictures übertragen hat, die ihrerseits die ihr im Zusammenhang mit der Produktion zustehenden Rechte für die streitgegenständlichen Ausstrahlungen der Serie „Se3.“ im deutschen Sprachraum der Beklagten weiter übertragen hat.
c. Die Klägerin hat zur Überzeugung der Kammer überdies nachprüfbare Tatsa chen vorgetragen, aus denen sich klare Anhaltspunkte ergeben, dass die gegenüber der Klägerin erfolgte Pauschalvergütung in Höhe von … EUR angesichts einer wie hier erfolgten überdurchschnittlich erfolgreichen Auswertung der Comedyserie „Se3.“ in einem auffälligen Missverhältnis zu den von der Beklagten hiermit erzielten Erträgen und Vorteilen stehen kann.
aa. Dabei kommt es mit Blick auf das Bestehen von Auskunfts- und Rechnungslegungsansprüchen entgegen der Ansicht der Beklagten für die Frage des Vorliegens klarer Anhaltspunkte eines auffälligen Missverhältnisses i. S. v. § 32a UrhG nicht auf das Verhältnis der einem ausübenden Künstler gezahlten Vergütung zum Durchschnittseinkommen in der Bundesrepublik Deutschland an. Sinn und Zweck der §§ 79 Abs. 2a, 32a UrhG ist es, eine angemessene Beteiligung von Urhebern und ausübenden Künstlern an besonders erfolgreichen Werknutzungen im Wege eines ex post zu ermittelnden Fairnessausgleichs zu gewährleisten (BT-Drs. 14/8058, S. 2). Die Regelung folgt damit dem Beteiligungsprinzip und stellt gerade auf die spezifische Situation einer besonders erfolgreichen Werknutzung ab. Damit verbietet sich aber ein Vergleich mit dem bundesdeutschen Durchschnittseinkommen grundlegend. Die dahingehenden Ausführungen der Beklagten sind daher in rechtlicher Hinsicht irrelevant.
bb. Ebenso wenig kann es für das Bestehen eines Auskunfts- und Rechnungslegungsanspruchs darauf ankommen, ob klare Anhaltspunkte dafür bestehen, dass ein Vergütungsanspruch in Höhe des Doppelten der erhaltenen Vergütung von … EUR, d. h. eines Betrages in Höhe von … EUR, an gemessen gewesen wäre. Die Beklagte geht insoweit von einem unzutreffenden rechtlichen Prüfungsmaßstab aus. Wie dargelegt, liegt nach Maßgabe der höchstrichterlichen Rechtsprechung ein auffälliges Missverhältnis i. S. v. § 32a UrhG gerade nicht nur dann vor, wenn sich die angemessene Vergütung auf das Doppelte der tatsächlich bezahlten Vergütung beläuft (BGH, GRUR 2012, 1248, 1252, Rn. 55 – Fluch der Karibik). Entscheidend sind vielmehr die Umstände des Einzelfalles, zu denen insbesondere das Verhältnis zwischen dem von der Klägerin erhaltenen Entgelt und dem von der Beklagten über die gesamte Werknutzungszeit hinweg erwirtschafteten Auswertungserfolg zählt.
Die Beklagte hat für ihre schauspielerischen Leistungen im Rahmen der insgesamt 91 Folgen der Comedyserie „Se3.“ einen Gesamtbetrag in Höhe von … EUR als Pauschalvergütung erhalten. Dabei handelte es sich um eine auf Tagessätzen in der Höhe zwischen … EUR bis … EUR basierende Pauschalvergütung bei insgesamt zwischen 47 und 55 Drehtagen für eine Staffel. Pauschalvergütungen sind zwar nicht grundsätzlich unangemessen und führen nicht per se dazu, dass zusätzliche Werknutzungen ein auffälliges Missverhältnis zwischen dem Verwertungserfolg und der dem Urheber bzw. ausübenden Künstler zugeflossenen Vergütung bedingen. Sie bergen allerdings die Gefahr, dass nur anfängliche Nutzungen abgegolten werden, so dass im Falle fortlaufender Nutzungen dem Beteiligungsgrundsatz an sich idealiter durch eine erfolgsabhängige Vergütung entsprochen wird. Dennoch kann eine Pauschalvergütung eine angemessene Vergütung darstellen, wenn diese so bemessen wird, dass sie – bei objektiver Betrachtung zur Zeit des Vertragsschlusses – eine angemessene Beteiligung am Gesamtertrag der Nutzung gewährleistet (vgl. BGH, GRUR 2009, 1148, 1150 – Talking to Addison; OLG München, GRUR-RR 2010, 416, 419 – Das Boot). Weiter kommen Pauschalvergütungen zur Abgeltung lediglich gänzlich untergeordneter Beiträge in Betracht, die in dem Gesamtwerk der jeweiligen Produktion aufgehen, ohne den dem Zuschauer vermittelten Eindruck entscheidend zu prägen (vgl. BT-Drs. 40/8058, S. 19; BGH, GRUR 2012, 1248, 1251 – Fluch der Karibik; BGH, GRUR 2002, 153, 155 – Kinderhörspiele).
cc. Bei dieser Sachlage hat die Kammer keinerlei begründete Zweifel am Vorliegen hinreichend klarer Anhaltspunkte dafür, dass die zwischen der Klägerin und der Produktionsfirma Sx. Pictures vereinbarte Pauschalvergütung keine angemessene Beteiligung an den während der gesamten Nutzungszeit von der Beklagten erwirtschafteten Erträgen gewährleistet. Vielmehr legen die von der Klägerin dargelegten Umstände nahe, dass ein dem urheberrechtlichen Beteiligungsprinzip zuwiderlaufendes, auffälliges Missverhältnis zwischen der vereinbarten Vergütung und den tatsächlich von der Beklagten erwirtschafteten Erträgen besteht:
(1) Bei der hier in Rede stehenden Leistung der Klägerin – Erbringung künstlerischer Leistungen als eine von sechs Hauptdarstellerinnen und Hauptdarstellern einer Comedyserie – stellt sich die Frage nach der Pauschalabgeltung der fraglichen Leistung als gänzlich untergeordneter Beitrag nicht. Dass die Vergütung der Klägerin von Anfang an dahingehend bemessen wurde, dass eine Beteiligung am Ertrag der gesamten, jedenfalls bis ins Jahr 2018 andauernden Nutzung erfolgt, trägt überdies nicht einmal die Beklagte selbst vor. Die Umstände des vorliegenden Falles zeigen vielmehr, dass die Vergütung der Klägerin gerade nicht auf eine Beteiligung an den Erträgen einer möglichen, langfristig erfolgreichen Werkauswertung gerichtet war. Bereits der von der Beklagten angestellte Vergleich mit dem in der Bundesrepublik Deutschland üblichen Durchschnittseinkommen zeigt, dass ihre Vergütungsbetrachtung nicht auf die Beteiligung der Klägerin als ausübender Künstlerin an dem Werknutzen gerichtet ist. Ein weiteres Indiz dafür, dass die Rechteeinräumung und dementsprechend die Vergütungspraxis auf jeweils kurze Zeiträume und gerade keine langfristige Auswertung der Fernsehserie „Se3.“ bezogen war, stellen die gemäß Anlagen B 3, B 6, B 7 und B 8 zwischen der Beklagten und der Produktionsfirma Sx. Productions erfolgten zeitlich begrenzten Lizenzierungen und Nachlizenzierungen dar. Dies gilt umso mehr, als die Klägerin ihrerseits ihrem eigenen, insoweit aber unwidersprochen gebliebenen Vortrag nach sämtliche Nutzungsrechte der Produktionsfirma Sx. Pictures unbeschränkt übertragen hat.
(2) Darüber hinaus ergibt sich aus Sicht der Kammer ein gewichtiger Anhaltspunkt dafür, dass die im vorliegenden Fall erfolgte Pauschalvergütung der Klägerin ein auffälliges Missverhältnis zwischen Vergütung und den Erträgen der Beklagten begründet, daraus, dass die unter Mitwirkung der Klägerin im Auftrag der Beklagten erstellte Fernsehserie im Vergleich zu ähnlichen Darbietungen auffällig häufig ausgestrahlt wurde:
(a) Im Vergleich zu anderen Serien des Genres „Sketch-Comedy“ wurden die Folgen der streitgegenständlichen Serie am häufigsten ausgestrahlt. Auf Basis der von der Klägerin vorgelegten Ausstrahlungsübersicht gemäß Anlage K 12, die dem Grunde nach von der Beklagten nicht bestritten wird und an deren Richtigkeit keine Zweifel bestehen, hat die Klägerin berechnet, dass unter Berücksichtigung sämtlicher Ausstrahlungen im Free-TV, über die Spartensender der Beklagten (Sat.1 Comedy, Sat.1 Emotions, Sat.1 Gold, Pro7 Fun) und den PayTV-Sender Sky sämtliche Folgen der Serie „Se3.“ insgesamt 8294mal ausgestrahlt wurden. Dabei ist im Rahmen der Frage des überdurchschnittlichen Erfolgs des Formats entgegen der Beklagten auf die Gesamtzahl der Wiederholungen abzustellen, unabhängig davon, ob es sich um selbständige oder unselbständige Wiederholungen handelt. Auf die Frage, ob die dagegen nach Ansicht der Beklagten maßgebliche Berechnung der Wiederholungsrate pro Jahr methodisch zutreffend erfolgte, kommt es damit nicht an, so dass die Erholung eines entsprechenden Sachverständigengutachtens nicht angezeigt war.
Vor dem Hintergrund der maßgeblichen absoluten Zahl an Wiederholungen ergibt sich folgendes quantitatives Bild: Bezogen auf die insgesamt 91 Folgen wurde jede Folge im Durchschnitt etwa 90mal wiederholt, während von den zehn Vergleichssendungen („Die dreisten Drei“, „Mensch Markus“, „Knallerfrauen“, „Weibsbilder“, „ZACK!“, „Ladykracher“, „4 Singles“, „Ich bin Boes“, „Switch“ und „Switch Reloaded“) nur in zwei Fällen („Die dreisten Drei“ und „Mensch Markus“) Werte von durchschnittlich über 70 Wiederholungen pro Folge erreicht wurden. Bei den übrigen acht zu Vergleichszwecken herangezogenen Comedyserien bewegen sich die Wiederholungsraten im Bereich zwischen 50,6 und 1,9.
Dabei hat die Klägerin die Wiederholungsraten nachvollziehbar auf glaubhafter Tatsachengrundlage berechnet, indem die jeweilige Gesamtzahl der Ausstrahlungen durch die Anzahl der jeweiligen Folgen einer Serie dividiert wurde. Die Ausstrahlungsdaten der Vergleichssendungen hat die Klägerin auf Basis von Daten der Unternehmen m3. control GmbH und der i3. GmbH & Co. KG ermittelt (Anlagen K 44 und K 45). Aus den Daten der m3. control GmbH ergeben sich über die Ausstrahlungstermine im Free-TV hinaus die jeweiligen Einschaltquoten (Anlage K 44). Aus der Datenbank fernsehserien.de der i3. GmbH & Co. KG ergeben sich die über Pay-TV-Angebote erfolgten Ausstrahlungen (Anlage K 45).
(b) Soweit die Klägerin den hiergegen gerichteten Sachvortrag der Beklagten aus deren Schriftsatz vom 04.06.2020 als gemäß § 296 ZPO verspätet rügt, ist ihr nicht zu folgen. Die Kammer geht angesichts der bereits im vergangen Jahr bestehenden erheblichen Einschränkungen in Folge der Corona-Pandemie davon aus, dass die verzögerte Abstimmung zwischen dem Beklagtenvertreter und seiner Mandantschaft hinreichend entschuldigt ist. In der Sache verfangen die Argumente der Beklagten indes nicht.
(c) Die über den Pay-TV-Sender Sky erfolgten Ausstrahlungen sind zumindest für die Zwecke der auf der aktuellen Stufe in Rede stehenden Auskunfts- und Rechnungslegungsansprüche zu berücksichtigen. Die Klägerin hat klare Anhaltspunkte dafür vorgetragen, dass die Pay-TV-Rechte bei der Beklagten lagen. Zwar hat die Beklagte bestritten, die notwendigen Pay-TV-Rechte von der Produktionsfirma Sx. Pictures lizenziert zu haben. Aus den von der Beklagten selbst vorgelegten Anlagen B 3, B 6, B 7 und B 8 ergibt sich indes ausdrücklich, dass auch Pay-TV-Rechte Gegenstand der vereinbarten Rechteeinräumung sind. So wurde in Ziff. III. („Rechteeinräumung“) unter der Überschrift „Anzahl der Runs“ jeweils ausdrücklich die Anzahl der Pay-TV-Ausstrahlungen auf zehn Zyklen mit jeweils drei Monaten beschränkt, innerhalb derer eine beliebig häufige Ausstrahlung erfolgen kann.
Selbst wenn man aber die über Sky erfolgten Ausstrahlungen nicht berücksichtigt, ergeben sich im Vergleich zu den entsprechenden Comedyserien auffallend hohe Wiederholungsquoten. In diesem Falle wäre von insgesamt ausgestrahlten 5.332 Folgen auszugehen, woraus sich im Durchschnitt eine Wiederholungszahl von 58,6 pro Folge ergäbe. Damit wäre die Sendung „Se3.“ immer noch die am vierthäufigsten wiederholte Serie. Ließe man aus Vergleichsgründen bei der Sendung „Ladykracher“ die Wiederholungen über den Pay-TV-Sender Sky außen vor, würden nur die Sendungen „Die dreisten Drei“ und „Mensch Markus“ höhere Wiederholungsraten aufweisen. In jedem Falle zeigt sich daher, dass die streitgegenständliche Serie im Bereich vergleichbarer Comedyserien überdurchschnittlich erfolgreich war.
(d) Der Einwand der Beklagten, dass es sich bei den zu Vergleichszwecken von der Klägerin herangezogenen Serien „Switch“, „Switch Reloaded“, „4 Singles“, „Ich bin Boes“ und „Ladykracher“ um keine vergleichbaren Formate handelt, trifft nicht zu. Sämtliche Serien sind dem Genre „Sketch-Comedy“ zuzuordnen und wurden von deutschen Produktionsfirmen für deutsche Fernsehsender (Sat1, RTL bzw. ProSieben) produziert. Überdies wurden sämtliche Serien von deutschen Fernsehsendern im Sendegebiet der Bundesrepublik Deutschland erstausgestrahlt. Schließlich haben die einzelnen Folgen bei sämtlichen Serien eine Länge von etwa 25 Minuten. Auch in inhaltlicher Hinsicht richten sich die einzelnen Sendungen an eine im Wesentlichen gleiche Zielgruppe. Ob der Humor dabei bei einzelnen Serien (wie etwa „Switch“ oder „Switch Reloaded“) in besonderem Maße derb erscheint, so dass die Ausstrahlung auf bestimmte Tageszeiten beschränkt sein könnte, ist für die Vergleichbarkeit im vorliegenden Sinne ohne Belang. Entsprechend inhaltliche Unterschiede mögen den Erfolg beim Publikum beeinflussen, ändern jedoch nichts daran, dass es sich bei den genannten Sendungen jeweils dem Grunde nach um Sendungen des gleichen Genres „Sketch-Comedy“ handelt, die sich zudem in etwa gleicher Länge in das Programm des jeweiligen Senders einbeziehen lassen. Die Zuordnung zu dem Genre „Sketch-Comedy“ steht dabei aus Sicht der Kammer außer Zweifel und ergibt sich aus den von der Klägerin vorgelegten Wikipedia-Beschreibungen der einzelnen Sendungen (Anlagen K 32 bis K 42) sowie den zu der Sendung „Ladykracher“ vorgelegten Screenshots, denen zufolge die Beklagte selbst die Sendung als dem Genre „Sketch-Comedy“ zugehörig beschreibt (Anlagen K 51 und K 52).
Weiter kommt es für die Vergleichbarkeit nicht auf eine ähnliche Staffelzahl und Auswertungsdauer an. Die Staffelanzahl und Auswertungsdauer ist gerade Folge des Verwertungserfolges, den es zur Ermittlung eines auffälligen Missverhältnisses i. S. v. § 32a UrhG zu vergleichen gilt. Daher sind die – in besonderem Maße wenig erfolgreichen, weil nur kurzfristig ausgewerteten – Comedyserien wie „4 Singles“ und „Ich bin Boes“ des Senders RTL nicht wegen deren offensichtlich geringer Auswertungsintensität aus dem Vergleich herauszunehmen.
Ebenso wenig kommt es entgegen der Beklagten für die Vergleichbarkeit auf die mit den jeweiligen Künstlern vereinbarten wirtschaftlichen Konditionen an. Die Bekanntheit der Darstellerin mag die wirtschaftlichen Kondi tionen zum Nachteil der Beklagten beeinflussen. Zugleich erhofft sich die Beklagte von der Kooperation mit einer entsprechend bekannten Künstlerin höheren Zuspruch beim Publikum und damit höhere Einnahmen aus dem Kreis ihrer Werbekunden. An der Genre-Zugehörigkeit und der damit gegebenen grundsätzlichen Vergleichbarkeit mit der streitgegenständlichen Sendung ändert dies indes nichts.
(e) Ist damit die Vergleichbarkeit der von der Klägerin im Rahmen ihrer Auswertung berücksichtigten Comedy-Serien belegt, fehlt es für die weiteren Entgegenhaltungen der Beklagten bereits im Ausgangspunkt an einer hinreichend tragfähigen Grundlage. Die Entgegenhaltungen der Beklagten erweisen sich ungeachtet dessen aber auch inhaltlich als nicht durchgreifend.
Nicht überzeugend ist insbesondere der Einwand, dass die Klägerin ihren Vergleich nicht auf die richtigen Parameter gestützt habe. Der von der Beklagten vertretene Ansatz, wonach die jeweils durchschnittliche Anzahl an Wiederholungen einer Folge pro Jahr maßgeblich sei, läuft dem nach dem Beteiligungsprinzip vorzunehmenden Fairnessausgleich des § 32a UrhG zuwider. Rechtlich entscheidend ist der Auswertungserfolg über die gesamte Auswertungszeit. Daher muss ein wirtschaftlicher Vergleich auf den jeweils absoluten Auswertungserfolg bezogen werden. Anderenfalls bliebe unberücksichtigt, dass gerade die Anzahl der Staffeln und Folgen einen entscheidenden Anhaltspunkt für den Erfolg der Auswertung einer Fernsehserie darstellen.
Der vergleichsweise überdurchschnittlich erfolgreichen Verwertung der Serie „Se3.“ kann die Beklagte nicht mit Erfolg entgegenhalten, dass sie die Wiederholungen nahezu ausschließlich zu Randzeiten ausgestrahlt hat. Die von der Klägerin gemäß Anlage K 46 vorgelegte Übersicht über die Ausstrahlungszeiten im Free-TV-Angebot der Beklagten zeigt, dass mit einer Summe von insgesamt 1.229 zwar eine überwiegende Anzahl an Folgen zwischen 01:00 Uhr und 07:00 Uhr (Late Night) ausgestrahlt wurde. Ausstrahlungen erfolgten aber in signifikanter Anzahl auch zu den übrigen Tageszeiten. So wurden 294 Folgen in der Primetime zwischen 20:00 Uhr und 23:00 Uhr, 19 Folgen in der Access Primetime (Early Fringe) zwischen 17:00 Uhr und 20:00 Uhr, 530 Folgen im Zeitbereich Late Fringe zwischen 23:00 Uhr und 01:00 Uhr, 77 Folgen im Morgenprogramm zwischen 07:00 Uhr und 09:00 Uhr und 704 Folgen während der Tageszeit zwischen 09:00 Uhr und 17:00 Uhr ausgestrahlt. Eine ähnlich zeitliche Streuung der Sendezeiten ergibt sich aus der Übersicht gemäß Anlage K 46 im Hinblick auf die Vergleichssendungen. Einzige Ausnahme ist insoweit die Comedyserie „Ladykracher“, die 208mal und damit häufiger während der Primetime als im Zeitbereich Late Night (68mal) ausgestrahlt wurde.
Dazu kommt, dass die Beklagte für die außerhalb der Primetime erfolgten Ausstrahlungen ganz erhebliche Werbeeinnahmen erzielt hat. So wurden sämtliche Folgen im Jahr 2017 außerhalb der Primetime ausgestrahlt. Dennoch erhielt die Beklagte für die Werbung vor und nach den im Jahr 2017 ausgestrahlten Folgen der Serie „Se3.“ einen Betrag von insgesamt … EUR (An lage K 30). Es trifft insofern nach Ansicht der Kammer nicht zu, dass bei der Serie „Se3.“ vergleichsweise überdurchschnittlich viele Ausstrahlungen auf Sendezeiten entfielen, in denen die Beklagte mehr oder weniger keine Werbeerlöse erzielt hat.
Ob die Beklagte – wie die Klägerin schätzt – tatsächlich insgesamt einen Betrag von über Euro an Werbeerlösen mit der Serie „Se3.“ ver dient hat, bedarf darüber hinausgehend keiner Entscheidung. Die Beklagte räumt letztlich dem Grunde nach selbst ein, mit der Auswertung der streitgegenständlichen Folgen Geld über Werbeeinnahmen verdient zu haben. Der Vortrag, die Höhe sei fehlerhaft berechnet, kann dem Auskunftsbegehren nicht dessen tatsächlich und rechtliche Grundlage entziehen. Im Gegenteil belegt dies gerade die Erforderlichkeit des Auskunftsbegehrens, da nur so die zutreffende Höhe letztlich bestimmt werden kann. Ohnehin setzen die auf der aktuellen Klagestufe allein geltend gemachten Auskunfts- und Rechnungslegungsansprüche einen klägerseitigen Vortrag zur konkreten Höhe der von der Beklagten erzielten Einnahmen nicht voraus. Entscheidend ist allein, dass klare Anhaltspunkte für ein auffälliges Missverhältnis vorgetragen sind, wie sie sich eben insbesondere aus einer überdurchschnittlich erfolgreichen Auswertung einer urheberrechtlich geschützten Leistung ergeben können.
Unterstellt man überdies, dass die Beklagte während der gesamten Nutzungsdauer jährlich zumindest den von der Klägerin für das Jahr 2017 genannten und von der Beklagten nicht substantiiert bestrittenen Betrag von … EUR verdient hat, ergibt sich für den 15jährigen Zeitraum der Jahre 2003 bis 2018 ein Gesamtbetrag von … EUR. Auch dies belegt letztlich den er heblichen wirtschaftlichen Erfolg, den die Beklagte mit der Auswertung der Fernsehserie „Se3.“ erzielt hat.
(3) Darüber hinaus wird eine überdurchschnittlich erfolgreiche Auswertung durch die mit der streitgegenständlichen Serie insgesamt erreichte Quote von 1.193.200.000 Zuschauern belegt. Die von der Klägerin hierzu vorgelegten und von der Beklagten dem Grunde nach nicht in Frage gestellten Zahlen, wonach in der Zielgruppe der 14- bis 49-Jährigen insgesamt 1.193.200.000 Zuschauer erreicht wurden, beruhen auf einer Auswertung von Daten der Firma m3. control GmbH (Anlagen K 48, K 27 und K 27a).
Damit erzielte die Serie „Se3.“ im Bereich des Genres „Sketch-Comedy“ im Vergleich zu den Serien „Die dreisten Drei“, „Mensch Markus“, „Knallerfrauen“, „Weibsbilder“, „ZACK!“, „Ladykracher“, „4 Singles“, „Ich bin Boes“, „Switch“ und „Switch Reloaded“ die in absoluter Hinsicht höchste Einschaltquote. Vergleichbar erfolgreich waren nur die Serien „Die dreisten Drei“ und „Mensch Markus“, die jeweils eine absolute Einschaltquote von 1.110.100.000 und 822.200.000 Personen erzielten. Im Übrigen bewegten sich die Einschaltquoten zwischen 42.500.000 („4 Singles“) und 458.900.000 („Ladykracher“).
(4) Ein weiterer klarer Anhaltspunkt für das Bestehen eines Nachvergütungsanspruchs gemäß § 32a Abs. 2 UrhG ergibt sich über die quantitativ im Vergleich zu anderen Serien des Genres „Sketch-Comedy“ überdurchschnittlich häufig wiederholte Ausstrahlung der Folgen der Serie „Se3.“ hinaus daraus, dass die Serie im Rahmen zweier „Bestof“-Produktionen verwertet wurde.
(5) Bei dieser Sachlage kann offenbleiben, ob sich darüber hinaus – wie die Klägerin meint – auch bei vergleichsweiser Anwendung der Regelungen der von der Beklagten mit dem Bundesverband der Film- und Fernsehschauspieler abgeschlossenen Gemeinsamen Vergütungsregeln im Fernsehbereich bei fiktionalen Produktionen (GVR Fiktion, Anlagen K 5 und B 4) und/oder des ZDFProduktionsvertrages (Anlage K 28) ein Anspruch auf Nachvergütung ergeben kann. Die auf der aktuellen Klagestufe allein relevanten Auskunfts- und Rechnungslegungsansprüche sind bereits mit Blick auf die im Übrigen gegebenen, klaren Anhaltspunkte für ein i. S. d. § 32a UrhG bestehendes auffälliges Missverhältnis dem Grunde nach zu bejahen.
(6) Wie hoch der sich infolge der überdurchschnittlich erfolgten Auswertung der künstlerischen Leistungen der Klägerin ergebende Nachvergütungsanspruch ausfällt, kann und muss auf der vorliegenden Klagestufe noch offen gelassen werden. Entscheidend ist allein, dass – wie zuvor bereits ausgeführt – auf Grund der überdurchschnittlich häufigen Ausstrahlungen der einzelnen Folge der Serie „Se3.“ und der überdurchschnittlich hohen Zuschauerreichweite klare Anhaltspunkte für ein gemäß § 32a UrhG anspruchsgemäß vorausgesetztes auffälliges Missverhältnis zwischen der der Klägerin tatsächlich bezahlten Vergütung und den von der Beklagten erlangten Erträgen gegeben sind.
3. Die Klägerin kann Auskunft und Rechnungslegung im tenorierten Umfang ver langen.
a. Inhaltlich erstrecken sich Auskunfts- und Rechnungslegungsansprüche gemäß §§ 242, 259 Abs. 1 BGB i.V. m. § 32a UrhG auf die Umstände, auf deren Grundlage beurteilt werden kann, ob und gegebenenfalls in welchem Umfang ein Anspruch auf weitere Beteiligung gemäß § 32a UrhG gegeben ist (OLG München, Urt. v. 20.12.2007 – Az. 29 U 5512/06, juris, Rn. 222 – Pumuckl-Illustrationen II). Grenzen ergeben sich vor dem Hintergrund der Natur des Auskunftsbegehrens als aus Treu und Glauben abgeleiteter Anspruch, soweit auf Seiten des Gläubigers die geforderten Angaben zur Erreichung des Vertragszwecks nicht unbedingt erforderlich sind. Zudem muss der Auskunftspflichtige dem Auskunftsbegehren ohne unzumutbaren Aufwand und ohne Beeinträchtigung berechtigter Interessen nachkommen können (BGH, GRUR 2012, 1248, 1253, Rn. 59 – Fluch der Karibik; BGH, GRUR 2012, 496, 503, Rn. 75 – Das Boot).
b. Die von der Klägerin verlangten Informationen sind im tenorierten Umfang zur Prüfung des Vorliegens der Voraussetzungen des § 32a Abs. 2 UrhG und für die Beantwortung der Frage, ob tatsächlich ein auffälliges Missverhältnis in diesem Sinne vorliegt, sowie zur Berechnung der Höhe der gegebenenfalls tatsächlich geschuldeten Nachvergütung unbedingt erforderlich. Die Beklagte kann der Klägerin die verlangten Informationen ganz überwiegend mit zumutbarem Aufwand zukommen lassen.
aa. Die gemäß Klageantrag 1 verlangten Informationen hinsichtlich der tatsächlich durch die Beklagte und ihre Lizenznehmer erfolgten Ausstrahlungen und sonstigen Verwertungsarten betreffen die wesentlichen Grundlagen, um das Ausmaß der Nutzung der geschützten Leistungen der Klägerin durch die Beklagte und ihre Lizenz- und Unterlizenznehmer beurteilen zu können. Dazu zählen auch mögliche konzernintern erteilte Lizenzen und Unterlizenzen. Das Argument der Klägerin, die Serie „Se3.“ nicht zu lizenzieren, verfängt daher nicht. Denn wie die Beklagte selbst einräumt, erfolgen etwa Ausstrahlungen über zu ihrer Unternehmensgruppe gehörende Spartenkanäle wie den Kanal P4. Welt, so dass jedenfalls greifbare Anhaltspunkte für eine Lizenzierung vorliegen. Dazu kommt, dass dem gleichfalls eigenen Vortrag der Beklagten zufolge die mit ihr konzernmäßig verbundene P4. L. GmbH die Staffel 2 der Serie „Se3.“ an die E. G. GmbH als DVD lizenziert hat.
Greifbare Anhaltspunkte hat die Klägerin überdies hinsichtlich einer möglichen Verwertung über Streamingdienste wie www.joyn.de dargelegt. Die Einlassung der Beklagten, insoweit keine Lizenz erteilt zu haben, ist nicht nachvollziehbar. Nach dem insoweit unwidersprochenen Vortrag der Klägerin handelt es sich bei der J. GmbH um ein Joint Venture der Medienunternehmen P4. Media und Discovery, über das zunächst vor allem Fernsehsendungen, Filme und Serien der TV-Sender der P4.-Gruppe angeboten wurden. Dazu zählte gemäß dem von der Klägerin gemäß Anlage K 23 vorgelegten Screenshot auch die Comedyserie „Se3.“.
Weiter hat die Klägerin hinsichtlich der über den Pay-TV-Anbieter Sky erfolgten Ausstrahlungen der streitgegenständlichen Serie greifbare Anhaltspunkte für eine entsprechend erfolgte Verwertung dargelegt. Wie bereits ausgeführt, liegen zumindest greifbare Anhaltspunkte dafür vor, dass die Pay-TV-Rechte bei der Beklagten lagen und somit eine entsprechende Verwertung nur auf Basis einer entsprechenden Lizenzvereinbarung oder zumindest mit ihrer Gestattung erfolgen konnte.
bb. Die Beklagte hat zudem im tenorierten Umfang über Informationen gemäß Klageantrag 2 betreffend den Umfang der bildlichen Verwertungshandlungen und der damit in Zusammenhang stehenden Bruttoeinnahmen, die die Beklagte mit den insgesamt 91 Folgen der Serie „Se3.“ sowie den beiden „Bestof“- Folgen erzielt hat, Auskunft zu erteilen und Rechnung zu legen. Dass sich der Auskunfts- und Rechnungslegungsanspruch auf mit der Verwertung erzielte Bruttovergütungen erstreckt, ist in der Rechtsprechung anerkannt (BGH, GRUR 2012, 496, 504, Rn. 89 – Das Boot).
(1) Die durch Vergabe von Lizenzen, Unterlizenzen oder Gestattungen erzielten Einnahmen stellen typische im Zusammenhang mit der Verwertung einer Fernsehsendung erzielten Vorteile i. S. d. § 32a UrhG dar. Dabei sind die Namen und Anschriften der jeweiligen Vertragspartner offenzulegen. Anerkannt ist, dass diese Angaben verlangt werden können, weil sie dazu dienen, die Auskünfte der Beklagten auf ihre Richtigkeit zu überprüfen (vgl. BGH, GRUR 2012, 496, 504, Rn. 82 – Das Boot).
(2) Die Pflicht zur Mitteilung der vereinbarten und/oder erhaltenen Finanzierungshilfen wie Provisionen, Vorauszahlungen, Gebühren, Fördergelder, Fondsgelder, Werbeentgelte und Sponsorenentgelte ergibt sich daraus, dass auch diese Informationen im Rahmen der Frage, ob unter Berücksichtigung der gesamten Beziehungen des Urhebers zum Verwerter ein auffälliges Missverhältnis besteht, zu berücksichtigen sind (BGH, GRUR 2012, 496, 505, Rn. 91 – Das Boot).
(3) Weiter ist die Beklagte zur Auskunftserteilung über die mit der streitgegenständlichen Comedyserie betriebene Werbung verpflichtet. Zu den Vorteilen i. S. d. § 32a UrhG gehören auch solche, die durch den Einsatz eines Werkes in der Werbung erzielt werden (BGH, GRUR 2012, 496, 505, Rn. 92; BT-Drs. 14/8058, S. 19). Nach dem Vortrag der Klägerin steht aus Sicht der Kammer zudem mit hinreichender Gewissheit fest, dass die Beklagte noch 10 Jahre nach der Produktion der letzten Staffel der Serie „Se3.“ mit dieser auf ihrer InternetSeite sowie auf www.youtube.com Werbung für ihren Sender betrieben hat. Den von der Klägerin gemäß Anlagen K 24 und K 25 vorgelegten Screenshots zufolge besteht kein vernünftiger Zweifel, dass die Beklagte gezielt mit der Serie „Se3.“ Werbung für ihren Sender machte.
(4) Angaben über Art, Umfang und Zeitraum einer Nutzung über das Internet sind geschuldet, weil die Klägerin zumindest hinsichtlich des Streaming-Anbieters www.joyn.de – wie ausgeführt – greifbare Anhaltspunkte dafür dargelegt hat, dass dort Folgen der Comedyserie „Se3.“ zum Download angeboten wurden (vgl. Anlage K 23).
(5) Die Verpflichtung zur Auskunfts- und Rechnungslegung über die Kosten der Produktionen war zu bejahen, da entsprechende Informationen für die Berechnung der Höhe eines gegebenenfalls bestehenden Nachvergütungsanspruchs gemäß § 32a Abs. 2 UrhG zwingend erforderlich sind.
cc. Eine Auskunftspflicht besteht dem Grunde nach überdies mit Blick auf die von der Klägerin beantragten Werbeeinnahmen (nachfolgend Ziff. (1)). Allerdings ist dabei eine Einschränkung mit Blick auf die insoweit berechtigten Geheimhaltungsinteressen der Beklagten geboten (nachfolgend Ziff. (2)).
(1) Bei den von der Beklagten vor, während und nach den einzelnen Folgen jeweils erzielten Werbeerlösen handelt es sich um ihr aus der Nutzung der jeweiligen urheberrechtlich geschützten Leistungen zugeflossene Vorteile. Die entsprechenden Werbeeinnahmen sind damit das unmittelbare Bezugsdatum zur Beurteilung der Frage, ob ein auffälliges Missverhältnis im Vergleich zu der der Klägerin bezahlten Vergütung vorliegt.
Mit „Vorteil“ i.S.v. § 32a Abs. 1 Satz 1 UrhG werden auch Verwertungshandlungen wie Werbung erfasst, die nicht unmittelbar auf Umsatzgeschäfte mit der Nutzung selbst zielen (BT-Drs. 14/8058, S. 19). Eine Beschränkung auf die unmittelbar aus einer Verwertungshandlung erwirtschafteten Vorteile würde dagegen insbesondere im Bereich werbefinanzierter Medienanbieter zu erheblichen Schutzlücken führen und den Regelungszweck eines zu Gunsten der Urheber und ausübenden Künstler verbesserten Fairnessausgleichs in Fällen nachträglich auffälliger Missverhältnisse bei urheberrechtlich relevanten Verwertungshandlungen gerade in diesem zunehmend bedeutsamer werdenden Wirtschaftsbereich, der neben Pay-TV-Angeboten auch weite Bereiche der InternetÖkonomie erfassen würde, letztlich konterkarieren. Medienanbieter wie die Beklagte finanzieren sich jedenfalls weit überwiegend durch Werbeeinnahmen. Wesentliche andere Einnahmen, wie im Fall des öffentlichrechtlichen Rundfunks in Form der Teilnehmergebühren, stehen nicht zur Verfügung. Werden aber die wesentlichen Einnahmen aus Werbeaufträgen generiert, stellen gerade die entsprechenden Werbeeinnahmen den Kernparameter zur Bemessung des wirtschaftlichen Wertes der im Umfeld der fraglichen Werbung dargebotenen urheberrechtlichen Leistungen dar.
Dem steht nicht entgegen, dass – wie die Beklagte vorträgt – Werbekunden nicht Werbezeit für die Sendepausen einer bestimmten Sendung einkaufen, sondern Zeitvolumen für bestimmte Zeiträume und Zeitschienen. In rechtlicher Hinsicht setzt § 32a UrhG ein Kausalitätserfordernis nämlich gerade nicht voraus (BT-Drs. 14/8058, S. 19). Aber auch in der Sache steht die Buchungspraxis einer Berücksichtigung der Werbeeinnahmen als Vorteile und Erträge i. S. v. § 32a UrhG nicht im Wege. Die Preisbildung für die von der Beklagten erzielten Werbeeinnahmen orientiert sich an den Einschaltquoten und einer Zuordnung zu tages- und tageszeitabhängigen Werbeslots. Um gerade während der besonders wertvollen Zeitslots möglichst hohe Einschaltquoten zu erreichen, liegt es im wirtschaftlichen Interesse eines Senders, während dieser Zeit möglichst beliebte, publikumswirksame Sendungen zu platzieren. Damit stellen aber die zeitliche Platzierung einer Sendung und die in diesem Zeit-Slot erlangten Werbeeinnahmen einen zusammengehörenden, zentralen Faktor für den wirtschaftlichen Wert der entsprechenden urheberrechtlichen Verwertungshandlungen dar. Das insoweit gegenteilige Urteil des Kammergerichts vom 24.02.2010 (GRUR-RR 2010, 276) ist in der Rechtsprechung vereinzelt geblieben und wurde zwischenzeitlich auch höchstrichterlich widerlegt. So geht der BGH in seiner grundlegenden Entscheidung Das Boot vom 22.09.2011 selbstverständlich davon aus, dass Werbeeinnahmen zu den auskunftspflichtigen Vorteilen und Erträgen i. S. v. § 32a UrhG zählen (GRUR 2012, 496, 504, Rn. 90).
Dass sich der BGH in der Begründung seines Urteils Das Boot auf sein früheres, den Fall einer Urheberrechtsverletzung betreffendes Urteil vom 25.03.2010, Az. I ZR 122/08 (GRUR 2010, 1090 – Werbung eines Nachrichtensenders) und damit die Berechnung eines gemäß § 97 Abs. 2 UrhG geschuldeten Schadensersatzes nach den Grundsätzen über die Herausgabe des Verletzergewinns stützte, rechtfertigt keine hiervon abweichende Betrachtungsweise. Auch in dem von dem BGH in Bezug genommenen früheren Urteil wollte die dortige Beklagte die von ihr verlangte Auskunft über ihre Werbeeinnahmen mit dem Argument zurückweisen, dass die Nutzung der urheberrechtlich geschützten Leistung hierfür nicht kausal sei (BGH, a.a.O., Rn. 22 – Werbung eines Nachrichtensenders), weil die Werbekunden die Werbeaufträge bereits mehrere Wochen vor der Ausstrahlung des Videos gebucht hätten. Dieses Argument hatte der BGH ausdrücklich zurückgewiesen, den Zusammenhang zwischen Nutzung der geschützten Leistung und Werbeeinnahmen ausdrücklich bejaht und dem Rechteinhaber die beantragten Auskunftsansprüche zugesprochen. Im Falle einer erlaubten Nutzung kann insoweit nichts anderes gelten.
Die von der Beklagten insbesondere in der Hauptverhandlung vom 09.12.2020 aufgeworfene Frage, nach welchem Verteilungsschlüssel die Werbeeinnahmen einer bestimmten Sendung zugerechnet werden können, um die insoweit angemessene (Nach) Vergütung eines ausübenden Künstlers zu berechnen, bedarf zur Beurteilung des Auskunftsbegehrens noch keiner Antwort und wird derzeit daher ausdrücklich offengelassen. Ohnehin argumentiert die Beklagte insoweit widersprüchlich, wenn sie einerseits dazu mahnt, auf die branchenüblichen Vergütungsregelungen zu vertrauen, statt die Gebührenfestsetzung den Gerichten zu überlassen, andererseits aber die gleichfalls mit ausübenden Künstlern in Bezug auf fiktionale TV-Serien von ihr selbst abgeschlossene GVR Fiktion nicht als relevanten Vergleichsmaßstab anerkennen will. Bei dieser Argumentation ergäbe sich letztlich ein mittelbarer Zwang, Rechtsstreitigkeiten bis zum Abschluss relevanter Vergütungsregelungen auszusetzen, was der von § 32a UrhG verfolgten Zielsetzung einer fairen Beteiligung ausübender Künstler schon deswegen zuwiderliefe, weil diese allein von der Verhandlungstaktik der an den Verhandlungen der Vergütungsregelungen beteiligten Unternehmen und Verbände und dem entsprechend erzielten Ergebnis abhängig wären. Insoweit verkennt die Beklagte, dass es gerade die ureigenste Aufgabe von Gerichten ist, bestehende Branchenpraktiken unter dem Gesichtspunkt der maßgeblichen gesetzlichen und rechtlichen Vorgaben zu überprüfen und zu kontrollieren. Auch übliche und von etablierten Marktteilnehmern praktizierte Branchenregelungen können sich vor dem Hintergrund der relevanten gesetzlichen und rechtlichen Normen als unredlich und rechtswidrig erweisen.
(2) Hinsichtlich der von der Beklagten erwirtschafteten Werbeeinnahmen kommt jedoch auf Grund des von ihr insoweit nachvollziehbar dargelegten Geheimhaltungsinteresses eine Mitteilung und Rechnungslegung nur gegenüber einer zur Berufsverschwiegenheit verpflichteten Person wie insbesondere einem Wirtschaftsprüfer in Betracht. Dem von der Beklagten geltend gemachten Geheimhaltungsinteresse wird daher Rechnung getragen, indem ihr insofern nachgelassen wird, Auskunft und Rechnungslegung gegenüber einem von der Klägerin auszuwählenden, zur Berufsverschwiegenheit verpflichteten und vereidigten Wirtschaftsprüfer zu erbringen, der berechtigt und verpflichtet ist, der Klägerin ihre mit den vorbezeichneten Folgen erzielten Einnahmen mitzuteilen und Fragen zu ihrer Ermittlung und Überprüfung zu beantworten. Die Kammer folgt insoweit dem in der mündlichen Verhandlung vom 17.06.2020 gestellten Antrag der Beklagten. Das von ihr geltend gemachte Geheimhaltungsinteresse ist dem Grunde nach gerechtfertigt, da die Geschäftsbeziehungen mit den Werbepartnern der Beklagten Geschäftsgeheimnisse beinhalten, deren Offenbarung wesentliche wirtschaftliche Nachteile für die Beklagte bei der Verhandlung künftiger Vertragskonditionen mit Werbepartnern mit sich bringen kann. Die mit der Beauftragung des Wirtschaftsprüfers verbundenen Kosten sind von der Beklagten als zur Auskunftserteilung und Rechnungslegung verurteilten Partei zu tragen.
Die dem Grunde nach berechtigten Geheimhaltungsinteressen können indes nicht dazu führen, dass Informationen über Werbeeinnahmen gar nicht offenzulegen sind. Der Sinn und Zweck des § 32a UrhG, eine angemessene Teilhabe an aus einer urheberrechtlichen Verwertungshandlungen entstehenden Erfolgen durch einen nachträglichen Fairnessausgleich herzustellen (vgl. BT-Drs. 14/8058, S. 19), kann gerade nur dadurch erreicht werden, dass dem Anspruchsteller Zugang zu den einnahmespezifischen Informationen des Werknutzers gewährt wird, wozu – wie ausgeführt – insbesondere auch die von der Beklagten erzielten Werbeeinnahmen zählen.
dd. Als zu weitgehend erwiesen sich dagegen die von der Klägerin geltend gemachten Auskunfts- und Rechnungslegungsansprüche insoweit, als sie Angaben zu den Kosten für Lizenzen verlangt, welche die Beklagte für vergleichbare Ausstrahlungen von Drittproduktionen zur gleichen Sendezeit hätte bezahlen müssen. Entsprechende Angaben sind nicht erforderlich, um den von der Klägerin behaupteten Vergütungsanspruch berechnen zu können. Eine Berechnung nach dem Lizenzkostenmodell ist im vorliegenden Fall auch nicht sachgerecht (vgl. BGH, GRUR 2020, 611, 622 Rn. 100 – Das Boot II). Auf Grundlage der von der Beklagten mitzuteilenden Werbeeinnahmen ist eine konkrete, sendungsspezifische Berechnung der Höhe des der Klägerin gegebenenfalls zustehenden Beteiligungsanspruchs möglich und entspricht damit letztlich der Zielsetzung des auch für ausübende Künstler geltenden, urheberrechtlichen Beteiligungsgrundsatzes, während eine Berechnung auf Basis der Lizenzkosten auf rein hypothetischen Angaben gestützt werden müsste.
4. In zeitlicher Hinsicht besteht die Auskunfts- und Rechnungslegungspflicht im tenorierten Umfang ab dem Datum der Erstausstrahlung der ersten Folge der Comedyserie „Se3.“. Da die Auskunft vorliegend der Bestimmung einer angemessenen Vergütung für eine der Beklagten vertraglich eingeräumte Möglichkeit zur Nutzung der urheberrechtlich geschützten Leistungen der Klägerin dient, setzt die Auskunfts- und Rechnungslegungspflicht – anders als in Verletzungsfällen – nicht erst nach Ablauf eines angemessenen Prüfungszeitraumes ein. Die Überprüfung der Angemessenheit der vertraglich vereinbarten Vergütung setzt vielmehr der Natur der Sache nach voraus, dass der gesamte Zeitraum der fraglichen Verwertungshandlungen erfasst wird. Dieser beginnt mit der Erstausstrahlung vom 19.09.2003 als erster Verwertungshandlung der streitgegenständlichen Fernsehserie.
Ein Enddatum war hinsichtlich der Auskunftspflicht nicht festzusetzen. Insbesondere erstreckt sich die Auskunfts- und Rechnungslegungspflicht nicht nur bis zum Ende der letzten mündlichen Verhandlung am 09.12.2020, sondern erfasst auch auf solche Handlungen, welche die Beklagte in Fortführung der bereits erfolgten Urheberrechtsverwertung nach Verhandlungsschluss vorgenommen hat und vornimmt. Die Kammer versteht den von der Klägerin auf der vorliegenden Stufe gestellten Klageantrag dahingehend, dass dieser auf eine in die Zukunft gerichtete Verurteilung gerichtet ist (vgl. BGH, GRUR 2004, 755, 756 f. – Taxameter). Dieser zum Patentrecht entwickelte Grundsatz ist nach dem Dafürhalten der Kammer auf urheberrechtlich begründete Auskunftsansprüche gleichermaßen anzuwenden.
III.
Die von der Klägerin geltend gemachten Auskunfts- und Rechnungslegungsansprüche sind nicht, auch nicht teilweise, in Folge Erfüllung gemäß § 362 Abs. 1 BGB erloschen.
Erfüllung tritt gemäß § 362 Abs. 1 BGB ein, wenn die geschuldete Leistung an den Gläubiger bewirkt wird. Mit vorprozessualem Schreiben vom 06.04.2018 hat die Beklagte zwar eine Ausstrahlungsübersicht an die Klägerin gesandt (Anlage K 3). Hierbei handelt es sich aber bereits deswegen nicht um eine Erfüllung der wie vorstehend ausgeführt bestehenden Auskunfts- und Rechnungslegungspflicht, weil diese offensichtlich unvollständig ist (vgl. BGH, GRUR 2001, 841, 844 – Entfernung der Herstellungsnummer II). So sind etwa Ausstrahlungen in Nordamerika über den Sender P4. Welt sowie im Bereich Pay-TV erfolgte Ausstrahlungen nicht erfasst.
IV.
Die von der Klägerin geltend gemachten Auskunfts- und Rechnungslegungsansprüche sind überdies hinsichtlich des gesamten von der Klägerin beanspruchten Zeitraums durchsetzbar. Die Einrede der Verjährung gemäß § 214 Abs. 1 BGB greift entgegen der Beklagten nicht, auch nicht für den vor dem 01.01.2008 liegenden Zeitraum, durch.
Gemäß § 102 Satz 1 UrhG finden – wovon die Beklagte zu Recht ausgeht – die allgemeinen Regelungen der §§ 194 ff. BGB Anwendung. Ansprüche aus § 32a Abs. 2 UrhG verjähren demzufolge gemäß §§ 195, 199 Abs. 1 BGB nach drei Jahren, wobei die Verjährung mit dem Schluss des Jahres beginnt, in dem der Anspruch entstanden ist und der Gläubiger von den den Anspruch begründenden Umständen und der Person des Schuldners Kenntnis erlangt oder ohne grobe Fahrlässigkeit hätte erlangen müssen (OLG München, GRUR-RR 2017, 376, 379 – Elvis Presley). Grob fahrlässige Unkenntnis im Sinne von § 199 Abs. 1 Nr. 2 BGB liegt nur vor, wenn dem Gläubiger die Kenntnis deshalb fehlt, weil er ganz nahe liegende Überlegungen nicht angestellt und nicht beachtet hat, was im gegebenen Fall jedem hätte einleuchten müssen. Ihm muss persönlich ein schwerer Obliegenheitsverstoß in seiner eigenen Angelegenheit der Anspruchsverfolgung („Verschulden gegen sich selbst“) vorgeworfen werden können, weil sich ihm die den Anspruch begründenden Umstände förmlich aufgedrängt haben, er davor aber letztlich die Augen verschlossen hat (st. Rspr.; statt vieler: BGH, NJW-RR 2016, 1187, 1189, Rn. 34). Dabei ist anerkannt, dass das bloße Unterlassen einer Marktbeobachtung diese Voraussetzungen nicht erfüllt (vgl. BGH, GRUR 1248, 1250 – Fluch der Karibik). Soweit eine Kenntnis oder grob fahrlässige Unkenntnis nicht gegeben ist, verjähren Ansprüche gemäß § 32a Abs. 2 UrhG gemäß § 199 Abs. 3 BGB in zehn Jahren von ihrer Entstehung an (Reber in Ahlberg/Götting, BeckOK Urheberrecht, 29. Edition, Stand: 20.04.2018, § 102 UrhG, Rn. 1 f.).
Vorliegend hat die Klägerin nicht widerleglich dargelegt, dass sie erst im Jahr 2017 von der fortdauernden Ausstrahlung der unter ihrer Mitwirkung produzierten Folgen der Serie „Se3.“ erfahren hat. Eine frühere Kenntnis oder grob fahrlässige Unkenntnis von der fortdauernden Ausstrahlung der Folgen kann der Klägerin nicht vorgeworfen werden. In Ermangelung der Kenntnis oder grob fahrlässigen Unkenntnis der anspruchsbegründenden Umstände ist die Verjährung folglich gemäß § 199 Abs. 3 BGB zu beurteilen. Dabei ist es nicht richtig, dass gemäß § 199 Abs. 3 BGB stets nur die Ansprüche im Zeitraum der letzten zehn Jahre vor Anspruchsgeltendmachung durchsetzbar sind. Vielmehr kommt es für den Verjährungsbeginn der nach § 199 Abs. 3 BGB maßgeblichen Zehnjahresfrist entscheidend auf die Entstehung des fraglichen Anspruchs an.
Der Anspruch aus § 32 a Abs. 2, Abs. 1 Satz 1 UrhG auf weitere Beteiligung entsteht, wenn die Verwertung urheberrechtlich geschützter Leistungen dazu führt, dass die vereinbarte Gegenleistung in einem auffälligen Missverhältnis zu den Erträgen und Vorteilen aus der Nutzung des Werkes steht. Bei einer laufenden Nutzung des Werkes begründet jede Nutzung des Werkes einen neuen Anspruch auf angemessene Beteiligung, wenn zur Zeit der Verwertungshandlung ein auffälliges Missverhältnis zwischen der Vergütung des Urhebers und den Erträgen und Vorteilen des Verwerters besteht (BGH, GRUR 2020, 1191, 1195 – Fotopool; BGH, GRUR 2016, 1291, 1293 – Geburtstagskarawane). Die Beklagte hat sämtliche Folgen der Serie „Se3.“ einschließlich der ersten Folge der ersten Staffel zumindest bis ins Jahr 2018 ausgestrahlt, so dass den Grundsätzen der Entscheidung des BGH in Sachen Fotopool und Geburtstagskarawane folgend der Beteiligungsanspruch im Jahr 2018 neu entstanden ist und ein Beginn der Verjährungsfrist frühestens im Jahr 2018 in Betracht kommt. Die von der Klägerin dargelegten greifbaren Anhaltspunkte eines auffälligen Missverhältnisses betreffen gerade die bis ins Jahr 2018 erfolgten Verwertungshandlungen. Im Zeitpunkt der Zustellung der Klageschrift vom 30.12.2018 am 22.02.2019 war daher weder die Regelverjährungsfrist von drei Jahren noch die kenntnisunabhängige Verjährungsfrist von zehn Jahren abgelaufen.
V.
Die Nebenentscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit folgt aus § 709 Satz 1 ZPO. Für die Bemessung der Höhe der vom Kläger hinsichtlich des Auskunftsanspruchs gemäß Ziff. 1 des Urteilstenors zu leistenden Sicherheit schätzt die Kammer im Rahmen der nach §§ 709 Satz 1, 108 Abs. 1 ZPO gebotenen Ermessensausübung den relevanten, potentiellen Vollstreckungsschaden auf einen Betrag in Höhe von € als den mit der Auskunftserstattung verbundenem Aufwand.
Die Kammer berücksichtigt dabei neben dem umfangreichen Gegenstand der tenorierten Auskunft und Rechnungslegung, dass diese einen langjährigen Zeitraum betrifft. Angesichts des folglich mit der Auskunftserteilung und Rechnungslegung verbundenen, ganz erheblichen Aufwandes, die entsprechenden Informationen ausfindig zu machen und zusammenzustellen und unter Berücksichtigung des berechtigten Interesses der Beklagten an einer möglichst umfassenden Erfassung potentieller Vollstreckungsschäden war die Sicherheitsleistung in der genannten Höhe festzusetzen Die Kostenentscheidung war der Schlussentscheidung vorzubehalten.
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