IT- und Medienrecht

4 HK O 2033/22

Aktenzeichen  4 HK O 2033/22

Datum:
11.4.2022
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
EnWZ – 2022, 286
Gerichtsart:
LG
Gerichtsort:
München I
Rechtsweg:
Ordentliche Gerichtsbarkeit
Normen:

 

Leitsatz

Tenor

1. Der Antrag auf Erlass einer einstweiligen Verfügung vom 17.02.2022 wird zurückgewiesen.
2. Die Antragstellerin trägt die Kosten des Verfahrens.
3. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Die Antragstellerin kann die Vollstreckung hinsichtlich der Kosten durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des zu vollstreckenden Betrages abwenden, wenn nicht die Antragsgegnerin vor der Vollstreckung Sicherheit in gleicher Höhe leistet.
4. Der Streitwert des Verfahrens wird auf 200.000,- €.

Gründe

Der Antrag auf Erlass einer einstweiligen Verfügung, der innerhalb der Frist des § 47 Abs. 5 EnWG erhoben wurde, war mangels Verfügungsanspruchs zurückzuweisen.
Die Frage, mit welcher Tenorierung ein Verbotstenor erfolgen müsste, und ob eine unzulässige alternative Klagehäufung vorlag, konnte daher offenbleiben.
Der Ausschluss der Angebote der Antragstellerin und der angekündigte Abschluss der Konzessionsverträge mit der … verstößt nicht gegen die Anforderungen an ein transparentes und diskriminierungsfreies Auswahlverfahren.
Im Einzelnen gilt folgendes:
1. Die Kammer kann nicht erkennen, dass die Antragsgegnerin dadurch, dass sie die Antragstellerin nicht bereits vor der Aufforderung zur Abgabe des finalen Angebots ausgeschlossen, sondern ihr weiterhin die Möglichkeit gegeben hat, die Eignungsnachweise für die vorgesehene Pächterin der Netze vorzulegen, gegen das Diskriminierungsverbot des § 46 Abs. 1 EnWG und § 19 GWB in Verbindung mit § 33 GWB verstoßen hat.
Aus der Regelung in Abschnitt B und H des ersten Verfahrensbriefes, wonach die Eignungsnachweise mit dem indikativen Angebot abzugeben sind, folgt keine Verpflichtung der Antragsgegnerin, potenziell geeigneten Bewerbern auch noch nach Abgabe des indikativen Angebots die Möglichkeit zu eröffnen, noch nicht vorgelegte Eignungsnachweise nachzureichen. Dies gilt umso mehr, als die Parteien im vorliegenden Fall längere Zeit und sogar gerichtlich darum gerungen haben, welche die rechtlich zulässigen Auswahlkriterien für das Konzessionsverfahren sind und die Antragsgegnerin die Auswahlkriterien aufgrund der Nachfrage und Rügen der Antragstellerin mehrmals angepasst hat.
2. Die Voraussetzungen für den Ausschluss der Antragstellerin waren im vorliegenden Fall gegeben, weil die Antragstellerin entgegen den auf Seite 8 der Anlagen AST3 und AST4 (erste Verfahrensbriefe) niedergelegten Voraussetzungen, nämlich die form- und fristgerechte Einreichung von Nachweisen und Erklärungen, auch nicht innerhalb der von der Antragsgegnerin gesetzten Nachfrist vorgelegt hat. Die Antragsgegnerin musste daher davon ausgehen, dass die Antragstellerin, bzw. die von ihr vorgesehene Pächterin der Netze, jedenfalls zum Zeitpunkt der Vergabe nicht über die erforderliche Fachkunde, Leistungsfähigkeit und/oder Zuverlässigkeit verfügen würde, das Elektrizitätsversorgungsnetz bzw. das Gasversorgungsnetz gemäß den gesetzlichen Vorschriften zu betreiben. Aufgrund dieser, zum Zeitpunkt der Konzessionierung vorliegenden gesicherten Erkenntnisse durfte die Antragsgegnerin die Antragsstellerin aus dem Verfahren ausschließen:
a) Die Antragstellerin hatte die … als ausschließlich für das ausgeschriebene Konzessionsgebiet zuständigen Netzbetreiber vorgesehen. Bereits im Bietergespräch vom 18.06.2021 (Anlage AST40, 1. Seite) kommunizierte die Antragsgegnerin die Aspekte, die zu diesem Zeitpunkt Zweifel an der Eignung der … zum Betrieb der Netze aufkommen ließen. Der Antragstellerin wurde mitgeteilt, dass es sich bei der … um eine „leere Hülle“ handele, deren Organisationsstruktur noch unklar sei. Es wurde in diesem Zusammenhang um Klarstellung gebeten, wie die Ausstattung der … in Bezug auf eine Genehmigung nach § 4 EnWG aussehen solle. Darüber hinaus erging auch ein Hinweis darauf, dass die Unbundling-Vorschriften eingehalten werden müssten.
Die Antragstellerin nahm zu keinem Zeitpunkt die Zweifel der Antragsgegnerin zum Anlass, ihr Angebot – solange es noch zulässig möglich gewesen wäre – entsprechend anzupassen oder nachzubessern.
Daran ändert auch die Tatsache nichts, dass die Antragstellerin sowohl für sich selbst als auch für die Pächterin sämtliche formellen Eignungserklärungen vorgelegt hat. Wie die Antragsgegnerin bereits in dem als Anlagenkonvolut AG2 vorgelegten Bescheiden vom 18.08.2021 ausgeführt hat, hat gerade auch im Hinblick auf eine unbillige Behinderung der anderen Bewerber, wenn Angebote ungeeigneter Bieter berücksichtigt werden (vgl. BGH, Urteil vom 28.01.2020, EnZR 116/18) nicht nur eine formelle Eignungsprüfung, sondern auch eine materielle Eignungsprüfung erfolgen; im Rahmen dieser Prüfung ist zu ermitteln, ob der betreffende Bieter, bzw. der vorgesehene Pächter für den konkreten Auftrag geeignet ist. Ausgehend von den eingereichten Nachweisen ist zu untersuchen, ob er tatsächlich die erforderliche Fachkunde und Leistungsfähigkeit aufweist, um die ausgeschriebene Leistung einwandfrei zu erbringen.
Zwar kann für die Eignungsprüfung eines „Newcomers“, wie die zum Zeitpunkt der Konzessionierung noch nicht im Netzbetrieb tätigen …, nicht der Nachweis einer bereits erfolgten Tätigkeit verlangt werden, da dies jeden Newcomer grundsätzlich vom Wettbewerb ausschließen würde.
Die Antragstellerin hat jedoch für ihre Tochtergesellschaft immer nur behauptet, diese könne die Aufgaben der Gas- und Stromversorgung erfüllen, hat hierfür aber trotz mehrmaliger Nachfrage durch die Antragsgegnerin keine geeigneten, vergleichbaren Nachweise vorgelegt. Sie hat insbesondere auch nicht dargelegt, wie sie die Pächterin in Zukunft über das eingezahlte Stammkapital in Höhe von 25.000 € finanziell und personell ausstatten wird, sondern lediglich versichert, dass sie im Falle der Konzessionierung sämtliche Anforderungen der Behörde erfüllen wird. Dies ist eine Behauptung, aber kein Eignungsnachweis, der es der Antragsgegnerin ermöglicht hätte, die Geeignetheit der Pächterin zu überprüfen.
b) Etwas anderes ergibt sich auch nicht aus der Entscheidung des Schleswig-Holsteinischen Oberlandesgerichts vom 18.05.2020 (Az: 16 U 66/19 Kart.), die sich u.a. auch mit der von der Antragstellerin in Anspruch genommenen sogenannten umgekehrten Eignungsleihe befasst. In dieser Entscheidung ging es um die Frage, ob die Ausgründung einer separaten Netzgesellschaft zulässig ist. Die Frage, wie eine solche ausgegründete Gesellschaft auszustatten ist, wurde dort weder vom Gericht, noch von der im Urteil erwähnten Stellungnahme der Bundesnetzagentur thematisiert.
Auch im Fall der sogenannten umgekehrten Eignungsleihe kann nicht davon abgesehen werden, den zukünftigen Netzbetreiber entsprechend personell und finanziell auszustatten. Die Antragstellerin hat jedoch immer nur versichert, dies in Zukunft zu tun, nicht jedoch – obwohl sie hierzu mehrfach von der Antragsgegnerin aufgefordert worden ist – dargelegt, wie sie die Tochtergesellschaft in Zukunft finanziell und personell ausstatten wird.
Da hierzu keinerlei Erklärungen erfolgten und Nachweise vorgelegt wurden, musste die Antragsgegnerin daher zum Zeitpunkt der angegriffenen Entscheidung davon ausgehen, dass die zukünftige Pächterin nicht über die erforderliche Leistungsfähigkeit verfügt, das Elektrizitätsversorgungsnetz, bzw. das Gasversorgungsnetz der Stadt Ingolstadt gemäß den gesetzlichen Vorschriften zu betreiben. Der Ausschluss der Antragstellerin war daher rechtmäßig.
2. Der Antrag auf Erlass der einstweiligen Verfügung war daher mit der Kostenfolge des § 91 Abs. 1 ZPO zurückzuweisen.
Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit folgt aus §§ 708 Nr. 6, 711 ZPO.


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