IT- und Medienrecht

Ablehnung einer einstweiligen Verfügung auf Besitzübergabe eines Reihenhauses

Aktenzeichen  24 O 6425/19

Datum:
26.6.2019
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
BauR – 2020, 1516
Gerichtsart:
LG
Gerichtsort:
München I
Rechtsweg:
Ordentliche Gerichtsbarkeit
Normen:
BGB § 650u
ZPO § 940

 

Leitsatz

Der Antrag auf Erlass einer einstweiligen Verfügung ist bereits unzulässig, wenn die Verfügungskläger mit der beantragten Besitzübergabe einen Zustand anstreben, welcher der endgültigen Besitzverschaffung gleich kommt. (Rn. 26) (redaktioneller Leitsatz)

Tenor

1. Der Antrag auf Erlass einer einstweiligen Verfügung vom 13.05.2019 wird zurückgewiesen.
2. Die Verfügungskläger haben die Kosten des Rechtsstreits zu tragen.
3. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Die Verfügungskläger können die Vollstreckung gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 120 % des zu vollstreckenden Betrages abwenden, wenn nicht vor der Vollstreckung die Beklagte Sicherheit in selber Höhe leistet.
4. Der Streitwert wird auf 26.100,00 € festgesetzt.

Gründe

A)
Der Antrag auf Erlass einer einstweiligen Verfügung ist bereits unzulässig, da er auf eine unzulässigen Vorwegnahme der Hauptsache hinausläuft (vgl. Zöller, ZPO, 32. Aufl. § 938 Rn 3 m.w.N.). Denn mit der beantragten Besitzübergabe streben die Verfügungskläger einen Zustand an, welcher der endgültigen Besitzverschaffung gleich kommt. Dies ist bei streitigem Sachverhalt nicht durch eine einstweilige Verfügung möglich (ebenso Pause/Vogel in: ibr-Onlinekommentar Bauvertragsrecht, § 650 u D IV 4, Rn 125).
Auch nach anderer Auffassung ist dies zumindest nur bei einer hier nicht gegebenen eindeutigen Klärung der strittigen rechtlichen und vor allem tatsächlichen Fragen möglich (vgl. hierzu KG Berlin Urteil vom 04.10.2017 21 U 79/17).
Letztendlich scheitert eine endgültige Klärung dieser strittigen Fragen aus nachfolgend noch dazulegenden Gründen aufgrund der im einstweiligen Rechtsschutz beschränkten Erkenntnismöglichkeiten, mit der Folge, dass die Herbeiführung eines endgültigen Zustandes auch Wege einer Leistungsverfügung i.s. von § 940 ZPO nicht statthaft ist.
I.
Den Verfügungsklägern steht gegen die Verfügungsbeklagte kein Anspruch auf Besitzverschaffung aus dem zugrundeliegenden Bauträgervertrag zu.
1. Nach Ziff. VII. 2. und VI. 4. des Bauträgervertrages schuldet die Verfügungsbeklagte die Besitzverschaffung nach vollständiger Fertigstellung des Objektes Zug um Zug gegen den zu diesem Zeitpunkt fälligen Zahlungsstand.
2. Es kann offen bleiben, inwiefern der vertraglich vereinbarte Zahlungsplan, wonach 11,9 % nach vollständiger Fertigstellung Zug um Zug gegen Besitzübergabe gem. Ziff. VI. 4. fällig sind, wirksam ist.
Denn durch am 28.05.2019 erklärten Rücktritt der Verfügungsbeklagten ist der Anspruch auf eine Besitzverschaffung aufgrund Bauträgervertrages zumindest nicht nachweislich mehr gegeben.
a) Ob die Rücktrittserklärung im Hinblick auf das Vorhandensein eines Rücktrittsgrundes gem. § 323 Abs. 1 BGB wirksam ist, kann im Ergebnis hier nicht geklärt werden.
b) Die Verfügungsbeklagte stützt ihren Rücktritt auf die erfolglos abgelaufene Zahlungsfrist bis zum 22.05.2019 im Hinblick auf den noch ausstehenden Restbetrag aus dem Vertrag. Dieser Betrag wurde unstreitig nicht gezahlt. Die Verfügungskläger wären insoweit nach der Darstellung der Beklagten in Verzug geraten mit der unstreitig noch offenstehenden Schlusszahlung von 221.300,81 €.
c) Die Verfügungskläger halten gegen den Rücktrittsgrund des Zahlungsverzuges zwar ein Leistungsverweigerungsrecht nach 320 BGB entgegen, welches sie auf behauptete Mängel stützen.
Insofern ist jedoch zu berücksichtigen, dass im einstweiligen Rechtsschutz nur eine Glaubhaftmachung nach § 294 ZPO und keine Beweisaufnahme durch gerichtliche Sachverständige zulässig ist. Aufgrund der sich widerstreitenden Privatgutachten beider Parteien ist es den für ihr Leistungsverweigerungsrecht beweisbelasteten Verfügungsklägern nicht gelungen, die von ihnen behaupteten Mängel glaubhaft zu machen. Denn in diesem Punkt stehen sich die von den Parteien eingeholten Privatgutachten diametral gegenüber, ohne dass Anhaltspunkte dafür ersichtlich sind, dass die Ausführungen des Privatgutachters der Verfügungskläger richtiger wären als diejenigen der beiden Privatgutachter der Gegenseite (§ 286 ZPO).
II.
Selbst wenn man aber zugunsten der Verfügungskläger von einem Fortbestehen des Vertrages wegen einer Unwirksamkeit der ausgesprochenen Kündigung ausginge, so wäre eine Besitzverschaffung nur nach den vertraglichen Regelungen gemäß Ziff. VII. 2. und VI. 4. denkbar. In dem Fall wäre jedoch zu prüfen, ob die unter Ziff. VI. 4. enthaltene Abweichung zu den Regelungen der MaBV wirksam vereinbart worden ist. Dies wird von den Verfügungsklägern bestritten. Jedoch muss auch diese Frage letztendlich im vorliegenden Verfahren nicht geklärt werden, da im Falle der Unwirksamkeit der Klausel eine Besitzübergabe in Übereinstimmung mit den BGB-Regelungen stattzufinden hätte ist.
Gem. §§ 650 u Abs. 1 Satz 3, 433 Abs. 1 Satz 1, 631 Abs. 1, 641 BGB wäre die Besitzverschaffung geknüpft an die vollständige Fertigstellung des Objektes, die aber von den Verfügungsklägern selbst bestritten und im Übrigen auch von den Verfügungsbeklagten nicht hinreichend glaubhaft gemacht worden ist. Aufgrund der insofern widerstreitenden Privatgutachten gilt das Vorstehende entsprechend. Auch hier kann im einstweiligen Rechtsschutz letztendlich nicht eindeutig geklärt werden, ob die Mangelbehauptungen der Verfügungskläger richtig und falsch sind.
IV.
Auch besteht kein Verfügungsgrund im Sinne von § 940 ZPO.
Zwar ist die geltend gemachte Eilbedürftigkeit verbunden mit der Sorge um die Wohnsituation der Familie wegen des bereits gekündigten Mietvertrages der Verfügungskläger nachvollziehbar und auch überaus verständlich. Jedoch muss hier berücksichtigt werden, dass die Verfügungskläger ihre derzeitige Mietwohnung mit Schreiben vom 11.01.2019 zum 30.04.2019 gekündigt haben.
Die Kündigung der Mietwohnung erfolgte zu einem Zeitpunkt, als sich die Verfügungsbeklagte bereits mit der vereinbarten Fertigstellung bis zum 31.12.2018 in Verzug befunden hatte. Der Fertigstellungstermin wurde von der Verfügungsbeklagten einseitig mit Schreiben vom 26.09.2018 auf den 31.03.2019 verschoben.
In Anbetracht der bei Ausspruch der Kündigung der Mietwohnung bereits erkennbaren Bauzeitverzögerungen sowie der sich aus dem Sachvortrag der Verfügungskläger abzeichnenden Mängel am Objekt hätte den Verfügungsklägern bewusst sein müssen, dass es erneut zu einer Terminverschiebung im Hinblick auf den angedachten, und nicht explizit garantierten Übergabetermin kommen kann.
Ebenfalls hätte klar sein müssen, dass die am 17.01.2019 im Hinblick auf den angedachten Fertigstellungstermin ausgesprochene Kündigung durchaus zur Folge haben kann, dass eine kritische Wohnsituation entsteht.
Dieser aus dem Risikobereich der Kläger stammende Umstand der Kündigung der bisherigen Mietwohnung ist vor diesem Hintergrund hier nicht der Bauträgerin anzulasten, da es den Verfügungsklägern oblag, sich hier für den Fall einer sich abzeichnenden nicht rechtzeitigen Bezugsfertigkeit abzusichern.
V)
Bei dieser Sachlage hatte die vom Klägervertreter in der mündlichen Verhandlung beantragte Einvernahme des Zeugen … zu den benannten Beweisthemen zu unterbleiben, da sie hier nicht entscheidungsrelevant sind.
B)
I. Die Kostenentscheidung beruht auf § 91 ZPO.
II. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf §§ 708 Nr. 6, 711 Satz 1 und 2 ZPO.
III. Die Streitwertfestsetzung beruht auf § 3 ZPO und folgt den angaben der Verfügungskläger.


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