IT- und Medienrecht

Allgemeine und besondere Voraussetzungen der Verwaltungsvollstreckung, Nichtigkeit bzw. Bestimmtheit der Zwangsgeldandrohung, Fälligkeit eines angedrohten Zwangsgeldes

Aktenzeichen  AN 1 S 20.02597

Datum:
30.11.2021
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
BeckRS – 2021, 39912
Gerichtsart:
VG
Gerichtsort:
Ansbach
Rechtsweg:
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Normen:
VwGO § 123
VwZVG Art. 31 Abs. 3
VwZVG Art. 37 Abs. 1
VwZVG Art. 38
VwZVG Art. 36 Abs. 1
BayVwVfG Art. 44 Abs. 1

 

Leitsatz

Tenor

1. Der Antrag wird abgelehnt.
2. Die Antragstellerin trägt die Kosten des Verfahrens.
3. Der Streitwert beträgt 2.500,00 EUR.

Gründe

I.
Die Antragstellerin betreibt im Stadtgebiet der Antragsgegnerin zwei Werke für die Herstellung von Kunststofffolien (Werk 1:* …; Werk 2:* …*).
Da in der Vergangenheit wiederholt durch die Antragsgegnerin die Einleitung von Kunststoffgranulat in die öffentliche Entwässerungseinrichtung festgestellt worden war, wurde die Antragstellerin mit Bescheid vom 3. August 2020 verpflichtet, die Einleitung von Kunststoffgranulaten bzw. mit Kunststoffgranulaten versetztem Abwasser an den Einleitungsstellen ihres Betriebsgeländes „…“ und „…“ in die städtische Entwässerungseinrichtung zu unterlassen. Sollte die Antragstellerin der Verpflichtung aus Ziff. 1 dieses Bescheides nicht binnen zwei Wochen nach Zustellung des Bescheides nachkommen, werde ein Zwangsgeld in Höhe von 10.000,00 EUR zur Zahlung fällig. Die Antragstellerin legte gegen diesen Bescheid kein Rechtsmittel ein.
Da nach Vortrag der Antragsgegnerin Anfang September 2020 in der Kläranlage … erneut Kunststoffgranulat angespült worden sei, stellte die Antragsgegnerin mit Bescheid vom 5. November 2020 wegen Nichterfüllung der Verpflichtung aus Ziff. 1 des Bescheides vom 3. August 2020 das Zwangsgeld fällig und wies darauf hin, dass entgegen der Zwangsgeldandrohung unter Ziff. 2 des Bescheides vom 3. August 2020 auf Grund eines erstmaligen Verstoßes gegen die Unterlassungsverpflichtung unter Ziff. 1 an lediglich einem Betriebsstandort ein Zwangsgeld in Höhe von nur 5.000,00 EUR beigetrieben werde. Gleichzeitig erließ die Antragsgegnerin folgenden Bescheid:
1. Sofern die Firma …, vertreten durch ihren Geschäftsführer, der Verpflichtung unter Ziff. 1 des Bescheides der Stadt … vom 3. August 2020, Az.: … nicht nachkommt, wird erneut ein Zwangsgeld in Höhe von 10.000,00 EUR zur Zahlung fällig.
2. Für diesen Bescheid werden Kosten in Höhe von 25,00 EUR erhoben.
Zur Begründung wurde ausgeführt, dass nach Art. 37 Abs. 1 Satz 2 VwZVG Zwangsmittel solange und so oft angewandt werden könnten, bis die Verpflichtung erfüllt sei. Es sei daher erneut ein Zwangsgeld für den Fall angedroht worden, dass erneut Kunststoffgranulat oder mit Kunststoffgranulat versetztes Abwasser in die städtische Entwässerungseinrichtung eingeleitet werde. Die neue Androhung eines Zwangsgeldes sei zulässig, weil die vorangegangene Zwangsgeldandrohung erfolglos geblieben sei. Ein Abwarten bis zur Beitreibung des bereits fällig gewordenen Zwangsgeldes sei nicht erforderlich.
Hiergegen ließ die Antragstellerin mit Schriftsatz ihres Bevollmächtigten vom 30. November 2020, eingegangen beim Bayerischen Verwaltungsgericht Ansbach über das besondere Anwaltspostfach am selben Tag, Klage erheben und „Antrag gemäß § 80 Abs. 5 VwGO“ stellen, mit den Anträgen:
1. Der Bescheid der Beklagten vom 5. November 2020 wird aufgehoben.
2. Es wird festgestellt, dass das mit Bescheid vom 3. August 2020 (Az.: …*) angedrohte Zwangsgeld in Höhe von 10.000,00 EUR nicht zur Zahlung fällig geworden ist.
3. Die aufschiebende Wirkung des Klageantrags zu 1) wird angeordnet.
4. Die Beklagte trägt die Kosten des Rechtsstreits.
Zur Begründung wurde vorgetragen, dass die Antragstellerin gegen den Bescheid vom 3. August 2020 kein Rechtsmittel eingelegt habe, da die Antragstellerin der Auffassung sei, dass sie die Verpflichtung in dem Bescheid vom 3. August 2020 bereits erfüllt habe. Sie habe nämlich in den Sinkkasten in der …, einer öffentlichen Durchgangsstraße, bereits im März 2019 über dem Schlammeimer Lochbleche eingebaut, deren Öffnungen kleiner seien als das im Werk der Antragstellerin verwendete Kunststoffgranulat. In den Sinkkasten in der … seien entsprechende Lochbleche im Juni 2020 eingebaut worden. Trotzdem habe die Antragsgegnerin den streitgegenständlichen Bescheid vom 5. November 2020 erlassen.
Mit Schriftsatz vom 4. Dezember 2020 stellten die Bevollmächtigten des Antragsgegners folgende Anträge:
1. Die Klage wird abgewiesen.
2. Der Antrag wird abgewiesen.
3. Die Kosten der Verfahren trägt die Klägerin und Antragstellerin.
Es wurde mitgeteilt, dass die Antragsgegnerin ohne Anerkennung einer Rechtspflicht sich bereit erkläre, keine Zwangsmaßnahmen zu treffen, bis im Verfahren des vorläufigen Rechtsschutzes entschieden worden sei.
Auf die gerichtliche Aufforderung hin, insbesondere dazu Stellung zu nehmen, dass die Antragstellerin die Verpflichtung aus dem Bescheid vom 3. August 2020 durch den Einbau von Lochblechen bereits erfüllt habe, wies die Bevollmächtigte der Antragsgegnerin mit Schriftsatz vom 20. Januar 2021 darauf hin, dass Anfang September in der Kläranlage … erneut Kunststoffgranulat angespült worden sei. Vorgelegt würden diesbezüglich Fotografien des Klärbeckens vom 3. September und 4. September 2020. Auch wurde das Zeugnis des Herrn … …, Vorarbeiter des städtischen Bauhofs, und des Herrn … …, Mitarbeiter des städtischen Bauhofs, angeboten.
Am 23. September 2020 sei Kunststoffgranulat im Kontrollschacht im Straßenbereich der … vorgefunden worden. Diesbezüglich wurde auf Fotografien vom 23. September 2020 sowie das Zeugnis der beiden Mitarbeiter des städtischen Bauhofes verwiesen. Es werde mit Nichtwissen bestritten, dass die Antragstellerin im März 2019 bzw. Juni 2020 Lochbleche über dem Schlammeimer eingebaut habe, um den Eintrag von Kunststoffgranulat in die öffentliche Entwässerungseinrichtung zu unterbinden. Dies sei nachweislich nicht der Fall. Im Kanalschacht in der …, unmittelbar nördlich des Gebäudes Hausnr. …, sei kein Lochblech montiert. Diesbezüglich wurden Fotografien vom 14. Januar 2021 vorgelegt sowie das Zeugnis der beiden Mitarbeiter des städtischen Bauhofs angeboten.
Es wurde darauf hingewiesen, dass Kunststoffgranulat auch in dem Kanalschacht nördlich des Gebäudes Hausnr. … nachgewiesen worden sei, ob gleich dort ein Lochblech montiert gewesen sei. Es wurde auf Fotografien vom 14. Januar 2021 verwiesen und das Zeugnis der beiden städtischen Bauhofmitarbeiter angeboten.
Soweit in den Regeneinläufen und Kanalschächten in unmittelbarem Umfeld des Betriebsgeländes Lochbleche eingebaut worden sein sollten, seien die bestrittenen Maßnahmen offensichtlich nicht ausreichend, da nachweislich nach März 2019 wiederholt Kunststoffgranulat in der öffentlichen Entwässerungseinrichtung vorgefunden worden sei. Damit sei die Antragstellerin der bestandskräftig festgesetzten Verpflichtung, die Einleitung von Kunststoffgranulaten bzw. von mit Kunststoffgranulaten versetztem Abwasser zu unterlassen, nicht nachgekommen.
Die Klage sei unbegründet. Die erneute Androhung eines Zwangsgeldes durch Bescheid der Antragsgegnerin vom 5. November 2020 sei rechtmäßig und verletze nicht die Rechte der Antragstellerin. Die Pflicht zur Unterlassung von Fremdeintrag in die öffentliche Entwässerungseinrichtung stelle eine vollstreckbare Handlung dar, zu deren Erfüllung ein Zwangsgeld das richtige und auch das mildeste Zwangsmittel darstelle. Die Antragstellerin sei der mit bestandskräftig gewordenen Grundverfügung vom 3. August 2020 aufgegebenen Verpflichtung bislang nicht nachgekommen. Die vorangegangene Androhung des Zwangsmittels sei erfolglos geblieben. Die Antragstellerin sei jedoch verpflichtet, Fremdeintrag in die öffentliche Entwässerungseinrichtung zu unterlassen, § 15 EWS. Die festgestellten Fremdeinträge stellten insoweit Verstöße gegen die Entwässerungssatzung der Antragsgegnerin dar, die im Hinblick auf die weitreichenden Belastungen der städtischen Entwässerungseinrichtung und der Umwelt nicht tolerierbar seien.
Gemäß Art. 29 Abs. 2 Nr. 1, 31 und 36 i.V.m. Art. 37 BayVwZVG könnten Zwangsmittel so lange und so oft angewendet werden, bis die Verpflichtung erfüllt sei. Die Antragsgegnerin sei daher berechtigt, eine erneute Androhung eines Zwangsmittels festzusetzen. Die erneute und offensichtlich notwendige Zwangsgeldandrohung sei rechtmäßig. Auch die Höhe des Zwangsgeldes sei gemäß Art. 31 Abs. 2 VwZVG nicht zu beanstanden.
Die Fälligstellung des Zwangsgeldes sei rechtmäßig gewesen, da gegenüber der Antragstellerin ein vollziehbarer Grundverwaltungsakt vom 3. August 2020 vorliege. Die darin festgesetzte Verpflichtung sei bestandskräftig und damit vollstreckbar geworden. Die Antragstellerin sei der geforderten Handlungspflicht nachweislich nicht nachgekommen. Die Vollstreckung aus dem zugrundeliegenden Verwaltungsakt sei damit rechtswirksam. Etwaige Einwendungen gegen den zu vollstreckenden Anspruch könnten im Rahmen des vorliegenden Klageverfahrens jedenfalls nicht mehr geltend gemacht werden, Art. 21 VwZVG.
Da die Klage offensichtlich keinen Erfolg habe, sei auch der Eilantrag abzulehnen. Bei der im summarischen Verfahren zu treffenden Ermessensentscheidung habe das Gericht die Interessen der Parteien unter Berücksichtigung der Erfolgsaussichten des Rechtsbehelfs in der Hauptsache gegeneinander abzuwägen. Dabei sei vorliegend maßgeblich zu berücksichtigen, dass das Vollzugsinteresse vorliegend das Suspensivinteresse überwiege, da ein öffentliches Interesse an der Vollziehung eines rechtmäßigen Bescheides bestehe.
Der Bevollmächtigte der Antragstellerin trug zur Begründung der Klage und des Antrages im vorläufigen Rechtsschutz mit Schriftsatz vom 26. Januar 2021 vor, dass der den Akten zu entnehmende Sachverhalt weder den Grundverwaltungsakt vom 3. August 2020 noch den Bescheid vom 5. November 2020 trage. Auslöser für die streitgegenständliche Anordnung seien Hinweise aus der Bürgerversammlung im Herbst 2018 gewesen. Die Antragsgegnerin habe die Antragstellerin erstmals am 3. Dezember 2018 angeschrieben, dass im Vorklärbecken Rückstände von Kunststoffgranulat vorgefunden worden seien, die mutmaßlich vom Betriebsgelände der Antragstellerin in die Kanalisation gelangt sein sollten. In der Folge sei es zu Schriftverkehr zwischen den von den Beteiligten beauftragten Rechtsanwaltskanzleien gekommen, wobei die Antragsgegnerin einen Nachweis verlangt habe, dass von dem Unternehmen keinerlei Abwasser oder Kunststoffgranulat in das öffentliche Entwässerungsnetz eingeleitet werde, welches Stoffe im Sinne von § 15 EWS enthalte. Die Antragstellerin habe daraufhin die Firma … mit einer Befahrung der Grundstücksentwässerungsanlagen der Antragstellerin beauftragt. Diese Untersuchung sei im Mai 2019 durchgeführt worden und mit anwaltlichem Schreiben vom 3. Juni 2019 der Antragsgegnerin übermittelt worden. Im Zuge dieser Untersuchung seien Ablagerungen in den Rohrleitungen der Antragstellerin auf dem Betriebsgelände ausgespült, entnommen und entsorgt worden, was in dem Bericht der Firma … dokumentiert sei. Der Stadtrat der Antragsgegnerin habe in einer nicht öffentlichen Sitzung am 24. Juli 2019 abgelehnt, dem Vorschlag der Verwaltung zuzustimmen, ein sachverständiges Ingenieurbüro zu beauftragen, welches hätte prüfen sollen, inwieweit in Zukunft die Gefahr eines Eintrags von Kunststoffgranulat aus den Betriebsgrundstücken der Antragstellerin in die öffentliche Kanalisation verhütet hätte werde können. Der Mitarbeiter der städtischen Stabstelle, Herr …, habe die zuständigen Mitarbeiter per E-Mail am 20. September 2019 angewiesen, regelmäßig vom Leiter der Kläranlage berichten zu lassen, ob Kunststoffgranulate im Vorklärbecken und der Entwässerungseinrichtung vorgefunden worden seien. Am 1. Oktober 2019 habe eine Ortseinsicht des Wasserwirtschaftsamtes … zusammen mit dem Klärwerkspersonal auf der kommunalen Kläranlage … stattgefunden. Einträge von Kunststoffgranulat in das Gewässer hätten zum Zeitpunkt der Ortseinsicht nicht festgestellt werden können. Nach Angaben des Klärwerkpersonals komme es vornehmlich bei Niederschlagsereignissen zu gelegentlichen Einträgen des Materials in die Kläranlage. Im Rahmen der Ortseinsicht sei jedoch auch festgestellt worden, dass eine Tauchwand am Nachklärbecken der Kläranlage, die einen effektiven Rückhalt von Schwimmstoffen gewährleiste, nicht vorhanden sei. Es werde auf eine E-Mail vom 7. Juli 2019 verwiesen.
Am 31. Oktober 2019 habe der Klärwärter der Antragsgegnerin berichtet, dass in der KW 42 und 44 keine nennenswerten Granulateinträge festzustellen gewesen seien (vgl. E-Mail v. 31.10.2019). Bestätigt worden sei auch durch den Kontrollbericht des Klärwerks für die Kalenderwochen 42, 44, 46, 48, 50 und 52 des Jahres 2019, dass keine Auffälligkeiten festgestellt worden seien. Hinsichtlich der Kanalschächte in der … enthalte die Akte eine tabellarische Übersicht, wonach nur am 8. Oktober 2019, am 18. Februar 2020 und am 15. Juni 2020 Kunststoffgranulat im Schacht festgestellt worden sei. Allerdings gehe aus der Tabelle nicht hervor, in welchem Schacht entsprechendes Kunststoffgranulat gefunden worden sei. Mit Schreiben vom 1. Juli 2020 habe die Antragsgegnerin die Antragstellerin zu der Absicht angehört, eine Anordnung zur Unterlassung des Eintrags von Kunststoffgranulat in die öffentliche Entwässerungseinrichtung zu erlassen. Beigefügt sei Bildmaterial, das Einlaufschächte in der … bei einer Kontrolle vom 18. Juni 2020 zeige. Diese Kontrolle sei jedoch in den Akten nicht dokumentiert. Ein Eintrag im Bereich der … werde im Anhang nicht erwähnt.
Die Antragstellerin habe daraufhin das Ingenieurbüro … aus … beauftragt, sie dabei zu unterstützen, einen möglichen Eintrag von Kunststoffgranulat aus ihrer Grundstücksentwässerungsanlage in das öffentliche Entwässerungssystem zu verhindern. Die Mitarbeiter der Stadtverwaltung hätten sich aber wenig kooperativ gegenüber dem Ingenieurbüro gezeigt.
In einer E-Mail vom 14. August 2020 habe der Mitarbeiter … … dem ersten Bürgermeister berichtet, dass weder in der … noch in der … in den Kanalschächten Ablagerungen von Kunststoffgranulat zu finden gewesen seien. In einer E-Mail vom 23. September 2020 sei dem Bürgermeister berichtet worden, dass bei einer Kontrolle der Kanäle in der … und … am gleichen Tag in der … kleinere Rückstände von Kunststoffgranulat festgestellt worden seien, in der … das Kanalnetz jedoch sauber gewesen sei. Auch sei dem Bürgermeister berichtet worden, dass in der Kläranlage am 3. September 2020 und 4. September 2020 Kunststoffgranulat angespült worden sei. Aus den Unterlagen gehe jedoch nicht hervor, woher dieses Kunststoffgranulat stamme. Dies sei offenkundig nicht näher untersucht worden.
Daraus ergebe sich, dass die Sachverhaltsermittlung der Antragsgegnerin äußerst lückenhaft, ungenau und unregelmäßig gewesen sei. Aufgrund der vorliegenden Dokumente sei es nicht hinreichend wahrscheinlich, dass Kunststoffgranulat, das von den Betriebsgrundstücken der Antragstellerin stamme, in das öffentliche Entwässerungsnetz und insbesondere in die Kläranlage gelange. Die Antragstellerin habe in den Einlaufschächten in der … und der … 3 mm-Lochbleche installieren lassen. Die kleinste Korngröße an Granulat, die in den Betrieben der Antragstellerin anfalle, sei 4 mm groß. Die Siebe in den Einlaufschächten sollten gerade dazu dienen, etwaige kleine Mengen von Granulat, das über die befestigten Flächen auf die öffentliche Straße gelange, zurückzuhalten. Deshalb sei bereits der Bescheid vom 3. August 2020 rechtswidrig, denn er beruhe auf einer unzureichenden Sachverhaltsermittlung gem. Art. 24 BayVwVfG.
Die Anordnung sei zudem unverhältnismäßig, da sie nicht erforderlich sei. Zu einem nachweislichen Eintrag von Kunststoffgranulat aus dem Bereich der Grundstücke der Antragstellerin in die städtische Kläranlage sei es spätestens seit der zweiten Jahreshälfte 2019 bis heute nicht mehr gekommen. Eine Gefährdung der öffentlichen Entwässerungsanlage könne somit nicht festgestellt werden, zumal die Kläranlage offenbar nicht einmal über dem Stand der Technik entsprechende Einrichtung zum Rückhalt von Schwimmstoffen verfüge. In die Kläranlage würden mutmaßlich in großem Umfang Feststoffe eingetragen, die ohnehin ausgesiebt werden müssten. Sollten, wie nicht, gelegentlich in geringem Umfang Kunststoffgranulat in die Kläranlage gelangen, spiele dies mengenmäßig eine vernachlässigbare Rolle. Ein rechtswidriger Grundverwaltungsakt führe zur Rechtswidrigkeit der darin angedrohten Verwaltungsvollstreckung. Jedenfalls sei aber der Bescheid vom 5. November 2020 rechtswidrig, denn die Antragstellerin habe nicht gegen die bestandkräftige (rechtswidrige) Anordnung vom 3. August 2020 verstoßen. Der angegriffene Bescheid stütze sich auf eine Kontrolle vom 23. November 2020 am Kontrollschacht im Straßenbereich der … Durch das dort angebrachte Sieb werde das Granulat wirksam zurückgehalten, wobei die Antragstellerin bestreite, dass dieses Granulat von ihrem Betriebsgrundstück in den Schacht eingetragen worden sei.
Die Bevollmächtigten der Antragsgegnerin stellten mit Schriftsatz vom 17. Februar 2021 fest, dass unstreitig sei, dass die Antragstellerin einziges kunststoffverarbeitendes Gewerbe im Stadtgebiet der Antragsgegnerin sei, im Rahmen der Betriebsabläufe Kunststoffgranulat verarbeitet werde und Kunststoffgranulat in der öffentlichen Entwässerungseinrichtung der Antragsgegnerin festgestellt worden sei. Unstreitig dürfte des Weiteren auch sein, dass gemäß § 15 EWS die Einleitung von umweltschädlichen Stoffen verboten sei.
Es sei entgegen der Darstellung der Antragstellerin nachgewiesen, dass Kunststoffgranulat des Betriebs der Antragstellerin in das öffentliche Entwässerungsnetz eingeleitet worden sei. Insoweit werde bestritten, dass der Einbau von 3 mm-Lochblechen erfolgt sei und dass ein eingebautes Lochblech geeignet sei, Granulat aus den Betriebsgelände der Antragstellerin zurückzuhalten. Mit Nichtwissen werde bestritten, dass die Antragstellerin nur Kunststoffgranulat mit einem Durchmesser von 4 mm verarbeitet. Es sei nachgewiesen, dass es unverändert zu Eintrag von Kunststoffgranulat in die städtische Kläranlage komme. Zur Glaubhaftmachung würden Bestätigungen verschiedener Mitarbeiter der Antragsgegnerin jeweils vom 9. Februar 2021 vorgelegt.
Da u.a. am 3. September 2020 und 4. September 2020 Kunststoffgranulat in der Kläranlage … festgestellt worden sei, sei es nachweislich unzutreffend, dass spätestens seit der zweiten Jahreshälfte 2019 kein Eintrag von Kunststoffgranulat mehr festgestellt worden sei. Nicht maßgeblich sei, an welchem der Einleitungsschächte des Betriebsgeländes Kunststoffgranulat gefunden worden sei und wann dieses Kunststoffgranulat gefunden worden sei. Allein maßgeblich sei vielmehr, dass unstreitig in den Einlaufschächten des Betriebsgeländes der Antragstellerin und in der Kläranlage tatsächlich Fremdeintrag festgestellt worden sei.
Der Bescheid vom 3. August 2020 sei rechtmäßig, da der zugrundeliegende Sachverhalt umfassend und erschöpfend ermittelt worden sei. Überdies sei der Bescheid bestandskräftig und nicht Gegenstand des Verfahrens.
Auch der Bescheid vom 5. November 2020 sei rechtmäßig, insbesondere verhältnismäßig, da gerade die mehrfach festgestellten Kunststoffeinträge eine entsprechende Anordnung erforderlich gemacht hätten. Ob und inwieweit die Kläranlage der Antragsgegnerin einen Rückhalt von Schwimmstoffen aufweise, sei nicht maßgeblich. Bei der von der Antragstellerin zitierten Ortseinsicht des Wasserwirtschaftsamtes … am 1. Oktober 2019 habe es sich um eine reine Routineuntersuchung ohne Beteiligung der Antragstellerin und ohne Auswirkung auf das streitgegenständliche Verfahren gehandelt. Darüber hinaus habe die Antragsgegnerin sichergestellt, dass keine Schwimmstoffe aus der Kläranlage in öffentliche Gewässer gelangten.
Auf gerichtlichen Hinweis vom 17. Februar 2021 hin beantragte der Bevollmächtigte der Antragstellerin:
1. Der Bescheid der Beklagten vom 5. November 2020 wird aufgehoben, soweit der Klägerin ein weiteres Zwangsgeld in Höhe von 10.000 EUR angedroht wird.
2. Es wird festgestellt, dass das mit Bescheid vom 3. August 2020 (Az. …*) angedrohte Zwangsgeld in Höhe von 10.000 EUR nicht zur Zahlung fällig geworden ist.
3. Der Beklagten wird vorläufig untersagt, dass mit Bescheid vom 5. November 2020 fällig gestellte Zwangsgeld aus dem Bescheid vom 3. August 2020 in Höhe von 10.000 EUR zu vollstrecken.
4. Die Beklagte trägt die Kosten des Rechtsstreits.
Des Weiteren wurde ausgeführt, dass der Standort an der … hinsichtlich eines möglichen Eindringens von Kunststoffgranulat in die Kanalisation weniger problematisch sei, weil dort zum einen kaum Material im Freien gelagert werde, zum anderen das Gelände eben sei. Trotzdem habe die Antragstellerin dort seit dem Jahr 2019 nach und nach in den Gullis an der Straße Lochbleche installiert. Lochbleche seien ebenfalls in den Schächten entlang der … (Standort … Straße) eingesetzt worden: in den Metallkörben und zusätzlich noch unterhalb des Einlaufs. Diese Maßnahmen seien teilweise bereits vor Erlass des Bescheides vom 3. August 2020, teilweise im unmittelbaren Anschluss daran umgesetzt worden. Ein weiterer Gulli, bei dem die Gefahr eines Eintrages von Kunststoffgranulat am größten sei, sei mit zwei feinen Netzen über den Lochflächen besonders gesichert. Diese Netze könnten einfach entnommen und gelehrt werden.
Die kunststoffverarbeitenden Betriebe der Antragstellerin existierten bereits seit Jahrzehnten, wobei es bis zum Jahr 2019 keine Vorkehrungen gegen den Eintrag von Kunststoffgranulat in die Kanalisation gegeben habe. Insoweit stelle sich die Frage, weshalb die Antragsgegnerin jahrzehntelang untätig geblieben sei. Die Antragsgegnerin sei umgehend tätig geworden und habe Maßnahmen getroffen, um den Eintrag von Kunststoffgranulat in die Kanalisation zu verhindern. Das Granulat, das nach Bescheidserlass vom 3. August 2020 in der Kläranlage sichtbar geworden sei, sei vermutlich bereits in früheren Jahren in das Rohrleitungssystem der Beklagten gelangt, habe sich in den Rohrleitungen abgelagert und werde nun nach und nach in die Kläranlage eingetragen.
Die wegen des gleichlautenden Wortlauts offensichtlich vorgefertigten Erklärungen der Klärwärter vom 9. Februar 2021 seien ohne Aussagekraft, weil sich diesen Erklärungen nicht entnehmen lasse, ob die Beobachtungen vor oder nach Erlass des Bescheides vom 3. August 2020 gemacht worden seien.
Die Bevollmächtigten der Antragsgegnerin beantworteten die gerichtliche Anfrage vom 17. Februar 2021 mit Schriftsätzen vom 29. März 2021 und führten aus, dass die laufende Begutachtung durch das städtische Personal sowie die Fotodokumentation eindrucksvoll belegten, dass es unverändert zu Kunststoffgranulateinträgen komme. Das Granulat sei nicht nur in der Kläranlage, sondern auch in Regeneinläufen und Kanalschächten im unmittelbaren Umfeld des Betriebsgeländes der Antragstellerin aufgefunden worden und werde dort auch noch immer aufgefunden.
Mengenangaben hinsichtlich des aufgefundenen Granulat seien nicht möglich, insbesondere da Granulat auch an Steigbügel der Kanalschächte festhänge und im Wesentlichen durch Regenwasserzulauf auch in das städtische Kanalnetz weggeschwemmt würde. Im Übrigen sei die Menge des aufgefundenen Granulats nicht ausschlaggebend. Maßgeblich sei allein, dass die regelmäßige Einbringung von Kunststoffgranulat die städtische Kanalisation rechtswidrig sei.
Mit weiteren Schriftsätzen vom 11. August 2021 und 18. August übermittelten die Bevollmächtigten der Antragsgegnerin Lichtbilder vom 9., 10. und 17. August 2021 von festgestellten Kunststoffgranulat in der öffentlichen Entwässerungseinrichtung und dem Regenüberlaufbecken der öffentlichen Entwässerungseinrichtung.
Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf den Inhalt der Gerichtsakte sowie der beigezogenen Behördenakte verwiesen.
II.
1. Streitgegenstand des vorliegenden Eilverfahrens ist die Fälligstellung eines Betrages von 5.000,00 EUR aus dem mit Bescheid vom 3. August 2020 angedrohten Zwangsgeld in Höhe von 10.000,00 EUR mit Schreiben vom 5. November 2020.
Dies hat der Bevollmächtigte der Antragstellerin auf richterlichen Hinweis mit Schriftsatz vom 24. Februar 2021 klargestellt, indem er den ursprünglich gestellten Antrag gemäß § 80 Abs. 5 VwGO umgestellt hat in einen Antrag nach § 123 VwGO gerichtet auf die vorläufige Untersagung der Vollstreckung des „mit Bescheid vom 5. November 2020 fällig gestellten Zwangsgeldes in Höhe von 10.000,00 EUR“.
Die Antragsgegnerin hat einer Antragsänderung – soweit es sich überhaupt um eine derartige im Sinne des § 91 VwGO analog handelt – zugestimmt, indem sie sich rügelos zu dem umgestellten Antrag eingelassen hat, § 91 Abs. 1 Alt. 1, Abs. 2 VwGO analog (NK-VwGO/Wilfried Peters/Johanna Kujath, VwGO § 91 Rn. 6). Im Übrigen ist eine Antragsumstellung sachdienlich, § 91 Abs. 1 Alt. 2 VwGO analog.
2. Der Antrag gemäß § 123 VwGO ist zulässig, insbesondere statthaft.
Statthafter Rechtsbehelf gegen die Fälligkeitsmitteilung in der Hauptsache ist die Feststellungsklage nach § 43 VwGO (vgl. BayVerfGH, B.v. 24.1.2007 – Vf. 50-VI-05 – juris), da die Fälligkeitsmitteilung mangels Regelungswirkung keinen Verwaltungsakt im Sinne des Art. 35 Satz 1 BayVwVfG darstellt (BayVGH, B.v. 16.10.2014 – 2 ZB 13.2466 – juris Rn. 3). Entsprechend ist im Verfahren des Eilrechtsschutzes ein Antrag nach § 123 VwGO statthaft (BayVGH, B.v. 12.1.2009 – 10 CS 08.2566 – juris Rn. 18).
3. Der Antrag nach § 123 VwGO ist jedoch nicht begründet.
a) Eine einstweilige Anordnung nach § 123 Abs. 1 Satz 1 VwGO kann das Gericht in Bezug auf den Streitgegenstand treffen, wenn die Gefahr besteht, dass durch eine Veränderung des bestehenden Zustandes die Verwirklichung eines Rechts des Antragstellers vereitelt oder wesentlich erschwert werden könnte (Sicherungsanordnung). Dabei müssen Anordnungsgrund und Anordnungsanspruch und die zur Begründung notwendigen Tatsachen glaubhaft gemacht werden (§ 123 Abs. 3 VwGO, § 920 Abs. 2 ZPO). Ein Anordnungsanspruch ist glaubhaft gemacht, wenn das Gericht nach einer summarischen Prüfung überwiegende Erfolgsaussichten in der Hauptsache sieht. Ein Anordnungsgrund liegt dann vor, wenn es der Antragstellerin unter Berücksichtigung seiner Interessen, aber auch der öffentlichen Interessen und der Interessen anderer Personen nicht zumutbar ist, die Hauptsacheentscheidung abzuwarten.
b) Vorliegend konnte die Antragstellerin weder einen Anordnungsanspruch noch einen Anordnungsgrund glaubhaft machen.
aa) Die Antragstellerin konnte einen Anordnungsanspruch nicht glaubhaftmachen, da die Fälligkeitsmitteilung zu recht ergangen ist.
Die Fälligkeitsmitteilung stellt eine Maßnahme der Vollstreckungsbehörde zur Anwendung eines Zwangsmittels dar (Art. 31 Abs. 3 Satz 3, Art. 37 Abs. 1 Satz 1 VwZVG). Art. 38 Abs. 3 VwZVG bestimmt, dass förmliche Rechtsbehelfe gegen Maßnahmen der Vollstreckungsbehörde bei der Anwendung eines Zwangsmittels insoweit zulässig sind, als geltend gemacht werden kann, dass die Maßnahmen eine selbstständige Rechtsverletzung darstellen. Als selbstständige Rechtsverletzung im Sinn des Art. 38 Abs. 3 VwZVG kommen nur Umstände im Zusammenhang mit dem Bedingungseintritt nach Art. 31 Abs. 3 Satz 3 VwZVG in Betracht. Von Bedeutung ist namentlich die Frage, ob der Betroffene die Unterlassungspflicht rechtzeitig und vollständig oder genügend erfüllt hat. Einwendungen zur materiellen Rechtslage als Vorfrage der Fälligkeitsmitteilung sind demgegenüber wegen der Unanfechtbarkeit der Unterlassungsanordnung ausgeschlossen (BayVGH, B.v. 16.10.2014 – 2 ZB 13.2466 – juris Rn. 3, 4). Zusätzlich zu diesen im zweiten (Art. 23 ff. VwZVG) und dritten (Art. 29 ff. VwZVG) Abschnitt des VwZVG normierten besonderen Vollstreckungsvoraussetzungen müssen jedoch die allgemeinen Vollstreckungsvoraussetzungen gegeben sein (vgl. BayVGH, B.v. 4.7.2012 – 22 ZB 12.204 – juris Rn. 12; VG Ansbach, U.v. 16.7.2020 – AN 17 K 20.00541 – juris Rn 23).
Mit der Fälligkeitsmitteilung im Schreiben vom 5. November 2020 stellte die Antragsgegnerin ein Zwangsgeld, das mit Bescheid vom 3. August 2020 für den Fall angedroht worden ist, dass die Antragsgegnerin das Einleitung von Kunststoffgranulat in die Entwässerungseinrichtung der Antragsgegnerin nicht unterlässt, fällig. Gegen den Bescheid vom 3. August 2020 hat die Antragstellerin keinen Rechtsbehelf erhoben, sodass der Bescheid bestandskräftig geworden ist.
Bei dem Bescheid vom 3. August 2020 handelt es sich um einen wirksamen Grundverwaltungsakt, der bestandskräftig und damit vollstreckbar geworden ist. Für die Nichtigkeit oder die Unbestimmtheit der zwangsmittelbewehrten Verpflichtungsanordnung sprechende Einwendungen, die sich gegen die Unanfechtbarkeit einer zwangsmittelbewehrten Verpflichtung weiterhin durchsetzen würden, sind weder vorgetragen noch ersichtlich. Einwände hinsichtlich einer Rechtswidrigkeit des Grundverwaltungsaktes genügen insoweit nicht.
Der Bescheid leidet insbesondere nicht unter einem besonders schwerwiegenden offensichtlichen Fehler (Art. 44 Abs. 1 BayVwVfG). Soweit die Antragsgegnerin eine unzureichende Sachverhaltsermittlung rügt, stellt dies keinen offensichtlichen besonders schwerwiegenden Fehler dar (VG München, B.v. 20.4.2020 – M 9 E 19.381 – juris Rn. 24). Insbesondere ist keine unzureichende Sachverhaltsermittlung erkennbar. Soweit die Antragstellerin rügt, dass nicht ausreichend ermittelt worden sei, woher das Kunststoffgranulat stamme, so wurde der Einwand, dass das Granulat gerade nicht von der Antragstellerin stamme, wohl überhaupt erstmals im gerichtlichen Verfahren, also nach Erlass des Bescheides vom 3. August 2020, geltend gemacht. Darüber hinaus lässt sich die Behauptung, das Granulat stamme nicht von der Antragstellerin, nicht in Einklang bringen mit dem Verhalten der Antragstellerin, gerade weil diese rügelos Maßnahmen zur Verhinderung eines Eintrags von Kunststoffgranulat in die Entwässerungseinrichtung der Antragsgegnerin getroffen hat.
Auch begründet die wohl fehlerhafte Frist, innerhalb derer die erforderlichen Maßnahmen ergriffen werden mussten, um die Unterlassungsverpflichtung einhalten zu können, keinen offensichtlichen, besonders schwerwiegenden Fehler. Der Bescheid vom 3. August 2020 legt insoweit fest, dass das Zwangsgeld in Höhe von 10.000,00 EUR fällig wird, wenn der Verpflichtung, die Einleitung von Kunststoffgranulat zu unterlassen, nicht binnen zwei Wochen nach Zustellung des Bescheides nachgekommen wird. Die Zwangsmittelandrohung mit einer Frist in einem nicht vollziehbaren Ausgangsbescheid, die nicht an den Zeitpunkt der Bestandskraft anknüpft, wird als rechtswidrig angesehen (OVG Berlin-Brandenburg, U.v. 22.4.2010 – OVG 11 B 9.09 – juris Rn. 16; Sadler/Tillmanns in: Sadler/Tillmanns, VwVG/VwZG, § 13 Rn. 47). Bei der Rechtswidrigkeit der Zwangsmittelandrohung handelt es sich aber gerade um eine Einwendung zur materiellen Rechtslage als Vorfrage der Fälligkeitsmitteilung, die wegen der Unanfechtbarkeit der Unterlassungsanordnung ausgeschlossen ist (BayVGH, B.v. 16.10.2014 a.a.O., s.o.). Aus der fehlerhaften Frist ergibt sich aber auch keine Unbestimmtheit der zwangsmittelbewehrten Verpflichtungsanordnung, da die Antragstellerin den Fristlauf ausreichend genau und eindeutig bestimmen konnte (Engelhardt/App/Schlatmann/Troidl, VwVG, § 13 Rn. 3c).
Dass die Antragsgegnerin ein niedrigeres Zwangsgeld als ursprünglich angedroht fällig gestellt hat, führt weder zur Nichtigkeit des Bescheides vom 3. August noch zu dessen Unbestimmtheit. Die Zwangsgeldandrohung erfolgt für den Fall, dass nach Fristablauf die Einleitung von Kunststoffgranulat in die Entwässerungseinrichtung erfolgt, unabhängig davon, aus welchem Werk das Kunststoffgranulat stammt. Unabhängig davon, dass die Zuordnung von z.B. in der Kläranlage angeschwemmten Kunststoffgranulat zu einem der beiden Werke auch nur schwer möglich sein dürfte, genügt daher für die Fälligstellung bereits das Auffinden entsprechenden Granulats nach Fristablauf unabhängig von dessen Herkunft. Wenn die Antragsgegnerin im Rahmen der Fälligstellung nun einen niedrigeren Betrag fällig setzt, so führt dies nicht rückwirkend zur Nichtigkeit oder Unbestimmtheit des Grundverwaltungsaktes bzw. der Zwangsgeldandrohung.
Die Zwangsgeldforderung ist fällig geworden, weil die Pflicht zur Unterlassung des Einleitens von Kunststoffgranulat in die Entwässerungseinrichtung nicht bis zum Ablauf der Frist des Art. 36 Abs. 1 Satz 2 VwZVG erfüllt wurde (Art. 31 Abs. 3 Satz 3 VwZVG).
Im Rahmen der nur möglichen, aber auch ausreichenden summarischen Prüfung aufgrund der Aktenlage ist das Gericht zur Auffassung gelangt, dass auch noch nach Ablauf der im Bescheid vom 3. August 2020 festgelegten Frist Kunststoffgranulat von den Grundstücken der Antragstellerin in die Entwässerungseinrichtung der Antragsgegnerin gelangt ist. Der Eintrag von Kunststoffgranulat in die Entwässerungseinrichtung ergibt sich mit ausreichender Sicherheit aufgrund der durch die Antragsgegnerin vorgelegten Lichtbilder vom 3. September 2020, 23. September 2020 und 14. Januar 2021 sowie der Bestätigungen der Mitarbeiter der Antragsgegnerin. Selbst wenn diese Bestätigungen der Mitarbeiter formelhaft wirken und keine Details hinsichtlich Zeitpunkt und Ort der Feststellungen enthalten, so wird hierdurch deren Aussagekraft hinsichtlich der Frage, ob ein Eintrag erfolgt ist, nicht geschmälert, insbesondere da im Hauptsacheverfahren eine Verifizierung dieser Bestätigungen z.B. durch eine Zeugeneinvernahme möglich wäre.
Feststeht für das Gericht auch, dass das Kunststoffgranulat der Antragstellerin zuzurechnen ist. Zum einen handelt es sich nach unwidersprochenem Vortrag der Antragsgegnerin bei der Antragstellerin um das einzige kunststoffverarbeitende Unternehmen im Stadtgebiet der Antragsgegnerin. Zum anderen geht wohl auch die Antragstellerin selbst davon aus, dass es sich bei den aufgefundenen Fremdstoffen um ihr zuzurechnendes Granulat handelt, da sie rügelos Abhilfemaßnahmen vorgenommen hat, um eine Einbringung in der Zukunft zu verhindern, und auch selbst festgestellt hat, dass dieses Granulat bereits vor den Abhilfemaßnahmen in die Entwässerungseinrichtung gelangt sein könnte.
Soweit die Antragstellerin vorträgt, der Unterlassungsverpflichtung ausreichend nachgekommen zu sein, indem zur Verhinderung eines Eintrages von Fremdstoffen in verschiedene Gullys Lochbleche und Feinsiebe eingebaut worden seien, so steht für das Gericht mit ausreichender Sicherheit fest, dass diese Annahme gerade nicht zutrifft. Denn entsprechend der Lichtbilder vom 9., 10. und 17. August 2021 wird noch immer Kunststoffgranulat in der Entwässerungseinrichtung der Antragsgegnerin aufgefunden. Dass es sich dabei um Granulat, das bereits vor Vornahme der Abhilfemaßnahmen in die Entwässerungseinrichtung eingetragen wurde, handelt, ist eine nicht näher belegte Vermutung der Antragstellerin. Insoweit ist für das Gericht nicht ersichtlich, dass es sich bei den durch die Antragstellerin vorgenommene Arbeiten um ausreichende Maßnahmen gehandelt hat, um der aus dem Bescheid vom 3. August 2020 stammenden Verpflichtung nachzukommen. Auch wenn die Lochbleche eine geringere Lochgröße aufweisen als die kleinste verarbeitete Korngröße, so ist im Hinblick auf eine mögliche herstellungs- bzw. verarbeitungsbedingte Verkleinerung des verwendeten Granulats nicht ausreichend gewährleistet, dass kein Kunststoffgranulat mehr in die Entwässerungseinrichtung eingetragen wird.
Soweit die Antragstellerin darauf hingewiesen hat, dass die Kläranlage der Antragsgegnerin nicht dem Stand der Technik entspreche, da keine Einrichtung zum Rückhalt von Schwimmstoffen vorhanden sein, so würde dies die Antragstellerin – selbst wenn dies zutreffen sollte – nicht dahingehend entlasten, dass die Verpflichtung des § 15 der Satzung für die öffentliche Entwässerungsanlage der Stadt … (Entwässerungssatzung – EWS) vom 11. Dezember 2008 durch die Antragstellerin nicht einzuhalten wäre oder dass geringer Anforderungen an die Abhilfemaßnahmen der Antragstellerin zu stellen seien.
bb) Im Übrigen ist auch ein Anordnungsgrund, d.h. die Dringlichkeit und Eilbedürftigkeit einer vorläufigen Regelung durch das Gericht, nicht ausreichend glaubhaft gemacht. Dieser fehlt regelmäßig, wenn eine Geldleistung gefordert wird. Dies beruht darauf, dass in der Regel ohne weitere Verfahrensschritte von staatlichen und kommunalen Stellen zu Unrecht geforderte Geldleistungen zurückgezahlt werden und nicht die Gefahr besteht, dass diese uneinbringlich sind (VG München, B.v. 28.1.2020 – M 9 E 19.6342 – juris Rn. 16). Selbst im Fall des Bestehens eines Anordnungsanspruches führt ein solcher nicht zwangsläufig oder regelmäßig zum Vorliegen der Voraussetzung der Gefahr eines schweren Nachteils und damit zur Dringlichkeit einer vorläufigen Regelung. Eine besondere Härte oder sonstige Umstände, aufgrund derer es der Antragstellerin nicht möglich wäre, die 5.000,00 EUR zu bezahlen, sind nicht erkennbar und wurden nicht geltend gemacht. Im Übrigen wäre es ihr im Falle einer finanziellen Notlage zumutbar, zunächst einen Antrag auf Ratenzahlung oder Stundung zu stellen.
4. Für die Streitwertfestsetzung war das mit Schreiben vom 5. November 2020 fällig gestellte Zwangsgeld in Höhe von 5.000,00 EUR in voller Höhe anzusetzen (Nr. 1.7.1 Satz des Streitwertkatalogs). Dieser Betrag war wegen Nr. 1.5 des Streitwertkatalogs im Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes nochmals zu halbieren und der Streitwert mithin auf 2.500,00 EUR festzusetzen.


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