Aktenzeichen M 7 K 15.4401
BGB § 1626a Abs. 3
NamÄndVwV Nr. 66
Leitsatz
1 Die öffentlich-rechtliche Namensänderung dient dazu, Unzuträglichkeiten im Einzelfall zu beseitigen, und hat Ausnahmecharakter. (redaktioneller Leitsatz)
2 Bei einer Vornamensänderung ist das öffentliche Interesse an der Beibehaltung im Rahmen der Interessenabwägung geringer zu bewerten als bei der Änderung des Familiennamens. (redaktioneller Leitsatz)
3 Ein wichtiger Grund für die Namensänderung kann nur die seelische Belastung des Namensträgers selbst sein. Wenn der Namensgebungsberechtigte die Namenswahl später bereut, kann das private Interesse das öffentliche an der Beibehaltung des bisherigen Namens nicht überwiegen. (redaktioneller Leitsatz)
Tenor
I. Die Klage wird abgewiesen.
II. Die Klägerin hat die Kosten des Verfahrens zu tragen.
III. Die Kostenentscheidung ist vorläufig vollstreckbar. Die Klägerin darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung oder Hinterlegung in Höhe des vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht die Beklagte vorher Sicherheit in gleicher Höhe leistet.
Gründe
Die zulässige Klage ist unbegründet.
Der angefochtene Bescheid der Beklagten vom 1. September 2015 ist rechtmäßig und verletzt die Klägerin damit nicht in ihren Rechten; sie hat keinen Anspruch auf die beantragte Vornamensänderung (§ 113 Abs. 5 Satz 1 VwGO).
Nach §§ 11, 3 Abs. 1 NamÄndG darf ein Vorname nur geändert werden, wenn ein wichtiger Grund die Änderung rechtfertigt. Ein wichtiger Grund ist anzunehmen, wenn das schutzwürdige Interesse des Namensträgers an der Namensänderung das öffentliche Interesse an der Beibehaltung des bisherigen Vornamens überwiegt (BVerwG, U. v. 26. März 2003 – 6 C 26/02 – juris Rn. 10; BayVGH, B. v. 26. Februar 2014 – 5 B 12.2541 – juris Rn. 18). Nach Abwägung aller für und gegen die Änderung sprechenden Interessen genügen bloß vernünftige und/oder nachvollziehbare Gründe nicht (BayVGH, B. v. 21. Januar 2009 – 5 C 08.3193 – juris Rn. 3). Die öffentlich-rechtliche Namensänderung dient dazu, Unzuträglichkeiten im Einzelfall zu beseitigen, und hat Ausnahmecharakter (BayVGH, a. a. O.). Zwar ist bei einer Vornamensänderung das öffentliche Interesse an der Beibehaltung des bisherigen Namens im Rahmen der Interessenabwägung geringer zu bewerten als bei der Änderung des Familiennamens, der in weitergehendem Umfang als Unterscheidungs- und Zuordnungsmerkmal dient (BVerwG, a. a. O., Rn. 12). Das öffentliche Interesse tritt noch weiter zurück, wenn es nicht darum geht, einen Vornamen zu ersetzen, sondern die Namensänderung nur einen weiteren Vornamen betrifft und ein bereits registrierter Vorname – hier der Rufname – und mit ihm seine Kennzeichnungsfunktion erhalten bleibt (vgl. OVG NW, B. v. 4. Juni 2013 – 16 E 343/12 – juris Rn. 21 f.; BVerwG, a. a. O., Rn. 19). Auch wenn es rechtlich seinen Niederschlag gefunden hat (vgl. § 21 Abs. 1 Nr. 4 PStG, § 111 OWiG), kann das öffentliche Interesse an der Beibehaltung des bisherigen Vornamens grundsätzlich nicht mit dem Vorrang bürgerlich-rechtlicher Namensvorschriften begründet werden (BVerwG, a. a. O., Rn. 13 f.). Dennoch hat auch die Änderung des Vornamens Ausnahmecharakter (OVG NW, B. v. 4. Juni 2013 – 16 E 343/12 – juris Rn. 23). Unter Berücksichtigung des – wenngleich als geringer einzustufenden – öffentlichen Interesses an der Vornamenskontinuität sowie der gesetzgeberischen Grundentscheidung, die Führung des Vornamens der freien Disposition zu entziehen, bedarf es eines schutzwürdigen Interesses an der Namensänderung, das so wesentlich ist, dass die in der Regel für die Beibehaltung des bisherigen Namens sprechenden Belange der Allgemeinheit zurücktreten müssen (OVG NW, a. a. O., m. w. N.).
In der obergerichtlichen Rechtsprechung ist anerkannt, dass eine seelische Belastung als wichtiger Grund für eine Namensänderung angesehen werden kann, allerdings nur dann, wenn sie unter Berücksichtigung der gegebenen Umstände nach allgemeiner Verkehrsauffassung verständlich und begründet ist (BVerwG, B. v. 11. januar 2011 – 6 B 65/10, 6 B 65/10, 6 PKH 21/10 – juris Rn. 5 m. w. N. und B. v. 17. März 1987 – 7 B 42.87 – juris Rn. 9). Ist die seelische Belastung hingegen nur als übertriebene Empfindlichkeit zu werten, liegt kein wichtiger Grund für eine Namensänderung vor (BVerwG, a. a. O.).
Die Mutter der Klägerin hat die Namensänderung beantragt, weil sie davon überzeugt ist, dass die derzeitigen Vornamen der Klägerin aufgrund der Namensgleichheit mit einer Verwandten Unglück bringen. Abgesehen davon, dass diese durch Tatsachen nicht belegbare Befürchtung nach allgemeiner Verkehrsauffassung kaum verständlich und begründet erscheint, belastet sie nicht die erst zwei Jahre alte Klägerin selbst, sondern allenfalls ihre Mutter. Wichtiger Grund für eine Namensänderung kann jedoch nur die seelische Belastung des betroffenen Namensträgers selbst sein. Zudem handelt es sich bei der Zuschreibung einer unheilbringenden Wirkung von Vornamen um einen Umstand, dem bereits bei der ursprünglichen Namenswahl hätte Rechnung getragen werden können. Dasselbe gilt für etwaige Schwierigkeiten bei der Schreibweise und Aussprache der ausländischen Vornamen bei einem Leben in Deutschland. § 11 i. V. m. § 3 Abs. 1 NamÄndG hat nicht die Funktion, etwaige Versäumnisse in der Vergangenheit aufzufangen (vgl. BayVGH, B. v. 26. Februar 2014 – 5 B 12.2541 – juris Rn. 18; OVG BB, B. v. 18. Februar 2015 – 5 M 61.14 – juris Rn. 5). Die behördliche Namensänderung dient dazu, Unbilligkeiten auszugleichen, nicht aber dazu, vermeidbar Versäumtes nachzubessern (BayVGH, a. a. O.). Dass der Namensgebungsberechtigte die Namenswahl später bereut oder für unvollständig hält, vermag als bloß „vernünftiger“, also einsehbarer Grund für eine Namensänderung aus privatem Interesse das öffentliche Interesse an der Beibehaltung des bisherigen Namens nicht zu überwiegen (BayVGH, a. a. O., m. w. N.). Im Übrigen ist auch nicht nachvollziehbar, inwiefern Aussprache und Schreibweise ihrer nicht besonders komplizierten Vornamen die Klägerin behindern sollen. Ausländische Namen aus vielen unterschiedlichen Kulturen kommen in Deutschland mittlerweile häufig vor. Es ist üblich und zumutbar, etwaigen Schwierigkeiten durch einen Hinweis auf die richtige Schreibweise und Aussprache zu begegnen (vgl. OVG BB, a. a. O., Rn. 4). Vor dem Hintergrund der Gewöhnung an ausländische Namen sind auch die befürchteten Hänseleien im Hinblick auf den Vornamen …, der auf die vietnamesischen Wurzeln der Klägerin hinweist, reine Spekulation. Insoweit würden vereinzelte Anspielungen auch nicht genügen (vgl. OVG NW, B. v. 18. November 2014 – 16 A 863/13 – juris Rn. 4).
Die Klage war daher mit der Kostenfolge des § 154 Abs. 1 VwGO abzuweisen.
Der Ausspruch über die vorläufige Vollstreckbarkeit der Kostenentscheidung beruht auf § 167 VwGO i. V. m. §§ 708 ff. ZPO.