IT- und Medienrecht

Anspruch auf Vertragsstrafe aus einer Unterlassungserklärung wegen “inhaltsgleicher” Klauselverwendung

Aktenzeichen  12 O 17879/15

Datum:
30.6.2016
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
VuR – 2016, 470
Gerichtsart:
LG
Gerichtsort:
München I
Rechtsweg:
Ordentliche Gerichtsbarkeit
Normen:
BGB § 133, § 157, § 187 Abs. 1, § 280 Abs. 1 S. 2, § 291

 

Leitsatz

1. Ein Verstoß gegen eine Unterlassungserklärung liegt nicht nur dann vor, wenn die beanstandete Klausel wortgleich verwendet wird, sondern auch dann, wenn eine inhaltsgleiche Verwendung vorliegt. Maßgebend für die Reichweite einer vertraglichen Unterlassungsverpflichtung ist der wirkliche Wille der Vertragsparteien, zu dessen Auslegung neben dem Inhalt der Vertragserklärungen auch die beiderseits bekannten Umstände, insbesondere die Art und Weise des Zustandekommens der Vereinbarung, ihr Zweck und die Interessenlage der Vertragsschließenden heranzuziehen sind. (Rn. 16) (redaktioneller Leitsatz)
2. Hintergrund entsprechender Formulierungen („wort- oder inhaltsgleich“) in Unterlassungserklärungen ist es zu verhindern, dass das Unterlassungsgebot umgangen wird, indem die beanstandete Klausel in lediglich äußerlich abgeänderter Form weiter verwendet oder empfohlen wird. Nach der für die Bewertung der Inhaltsgleichheit zweier Klauseln entwickelten „Kerntheorie“ ist eine Klausel jedenfalls dann inhaltsgleich, wenn „kein Zweifel bestehen“ kann, dass sie „den Kern“ der Verletzungshandlung „unberührt“ lässt und das Gericht sie „ebenso beurteilt hätte“. Unter „inhaltsgleich“ wird demnach also die Gleichartigkeit im „Kern“ verstanden, d.h. die Klausel muss im Wesentlichen denselben Inhalt haben wie die beanstandete Klausel. Diese Auslegung entspricht dem Zweck eines Unterlassungsvertrags, der regelmäßig darin liegt, nach einer Verletzungshandlung die Vermutung der Wiederholungsgefahr auszuräumen und die Durchführung eines gerichtlichen Verfahrens entbehrlich zu machen. (Rn. 17) (redaktioneller Leitsatz)

Tenor

1. Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger 5.000,00 € zzgl. Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit 09.09.2015 zu zahlen. Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.
2. Die Beklagte hat die Kosten des Rechtsstreits zu tragen.
3. Das Urteil ist gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des zu vollstreckenden Betrages vorläufig vollstreckbar.
Beschluss
Der Streitwert wird auf 5.000,00 € festgesetzt.

Gründe

Die zulässige Klage ist – bis auf einen geringen Teil der Zinsforderung – begründet. Die Beklage hat die vereinbarte Vertragsstrafe verwirkt.
I. Dem Kläger steht der geltend gemachte Anspruch auf Vertragsstrafenzahlung dem Grunde nach zu, da die Beklagte mit der angegriffenen neuen Klausel eine von der Unterlassungserklärung erfasste „inhaltsgleiche“ Klausel verwendet hat und damit eine Zuwiderhandlung vorliegt.
1. Ein Verstoß gegen die Unterlassungserklärung liegt nicht nur dann vor, wenn die beanstandete Klausel wortgleich verwendet wird, sondern auch dann, wenn eine inhaltsgleiche Verwendung vorliegt (vgl. hier Anlage K 3: „wort- oder inhaltsgleich“). Der Begriff der Inhaltsgleichheit und das darausfolgende Strafversprechen bedürfen der Konkretisierung. Sowohl der unbestimmte Rechtsbegriff als auch das Vertragsstrafeversprechen sind der Auslegung nach §§ 133, 157 BGB zugänglich. Es gibt keinen allgemeinen Grundsatz, dass das Versprechen im Zweifel eng auszulegen ist. Maßgebend für die Reichweite einer vertraglichen Unterlassungsverpflichtung ist der wirkliche Wille der Vertragsparteien, zu dessen Auslegung neben dem Inhalt der Vertragserklärungen auch die beiderseits bekannten Umstände, insbesondere die Art und Weise des Zustandekommens der Vereinbarung, ihr Zweck und die Interessenlage der Vertragsschließenden heranzuziehen sind (vgl. Schleswig-Holsteinisches Oberlandesgericht, Beschluss vom 09.02.2010 – 5 U 156/09 m.w.N.).
Hintergrund entsprechender Formulierungen („wort- oder inhaltsgleich“) in Unterlassungserklärungen ist es zu verhindern, dass das Unterlassungsgebot umgangen wird, indem die beanstandete Klausel in lediglich äußerlich abgeänderter Form weiter verwendet oder empfohlen wird. Nach der für die Bewertung der Inhaltsgleichheit zweier Klauseln entwickelten „Kerntheorie“ ist eine Klausel jedenfalls dann inhaltsgleich, wenn „kein Zweifel bestehen“ kann, dass sie „den Kern“ der Verletzungshandlung „unberührt“ lässt und das Gericht sie „ebenso beurteilt hätte“ (vgl. LG Köln, Urteil vom 13.06.2012 – 26 O 410/11 m.w.N.). Unter „inhaltsgleich“ wird demnach also die Gleichartigkeit im „Kern“ verstanden, d.h. die Klausel muss im Wesentlichen denselben Inhalt haben wie die beanstandete Klausel (vgl. OLG München, Urteil vom 13.03.2003 – 29 U 2509/02; Köhler, in: Köhler/Bornkamm, UWG, 34. Auflage 2016, § 9 UKIaG Rn. 3). Diese Auslegung entspricht dem Zweck eines Unterlassungsvertrags, der regelmäßig darin liegt, nach einer Verletzungshandlung die Vermutung der Wiederholungsgefahr auszuräumen und die Durchführung eines gerichtlichen Verfahrens entbehrlich zu machen (vgl. BGH, Urteil vom 03.07.2003 – I ZR 297/00).
2. Nach vorstehenden Maßstäben liegt hier ein Verstoß gegen die abgegebene Unterlassungserklärung vor, da die neu verwendete Klausel den Kern der Verletzungshandlung unberührt lässt und damit inhaltsgleich ist.
Die ursprüngliche und von der Unterlassungserklärung wörtlich gedeckte Klausel betraf den Ersatz der bei der Beklagten entstandenen Bearbeitungsgebühren für den vom Abonnenten zu vertretenden unberechtigten Rückruf von Banklastschriften. Auch die neue Klausel – davon geht die Kammer in Übereinstimmung mit dem klägerischen Vorbringen aus – knüpft im Ergebnis daran an, die Beklagte von Gebühren freizuhalten, die anfallen, wenn das Entgelt nicht erbracht wird und ein Schaden aufgrund der Rücklastschrift entsteht. Hierbei soll pauschal eine Gebühr von 10 € fällig werden, wobei nicht differenziert wird zwischen Fremdkosten und eigenen Bearbeitungsgebühren. Es ist davon auszugehen, dass die Klausel – entgegen ihres Wortlauts – keine Vertragsstrafe, sondern einen pauschalierten Schadenersatzanspruch regelt. Aus dem Vortrag der Beklagten ist nicht ersichtlich, dass die Informationspflicht als solche – an welche sie vordergründig und unmittelbar die „Vertragsstrafe“ anknüpft – für diese ein eigenständiges über die rechtzeitige Entgeltfortzahlung hinausgehendes Interesse birgt (vgl. zur konkret streitgegenständlichen Klausel der Beklagten OLG München, Urteil vom 12.11.2015 – 29 U 2092/15 und LG München I, Urteil vom 28.05.2015 – 12 O 2205/15). Dass die ursprüngliche Klausel eine unbezifferte Zahlungsverpflichtung vorsah, während die neue Klausel eine konkrete Summe von pauschal 10 € bezeichnet, ändert ebenfalls daran nichts, dass im Kern beide Klauseln auf den Ersatz eines Schadens dem Grunde nach abstellen, der durch die Nichteinlösung der Lastschrift in der Sphäre der Beklagten (Fremd- und/oder eigene Kosten) entsteht. Vorliegend hatte der Kläger – ausweislich des Abmahnschreibens vom 08.05.2013 – die ursprüngliche Klausel im Hinblick auf die geforderte eigene Bearbeitungsgebühr der Beklagten, insbesondere der Personalkosten, verlangt, die neben den Fremdkosten geltend gemacht wurde(n). Auch vor dem Hintergrund des Zwecks und der Interessenlage bei Vertragsschluss ist das Vertragsstrafeversprechen dahingehend auszulegen, dass die Abgeltung des eigenen (Personal-)Aufwands der Beklagten unterlassen werden sollte. Vor diesem Hintergrund wurde auch die Unterlassungserklärung der Beklagten vom 29.05.2013 abgegeben.
Dass es hierin im „Vorspann“ heißt „ohne Anerkennung einer Rechtspflicht und ohne Präjudiz für die Sach- und Rechtslage, gleichwohl rechtsverbindlich“ ändert an dieser Einschätzung nichts. Aus dieser Formulierung mag zwar ersichtlich sein, dass die Beklagte die Rechtswidrigkeit der Klausel nicht „anerkennen“ wollte. Allerdings verpflichtete sich die Beklagte „rechtsverbindlich“ vor dem Hintergrund der von Klageseite dargelegten Rechtsauffassung zur Unterlassung der Geltendmachung von „Bearbeitungsgebühren“. Ob sie diese Rechtsauffassung teilt, ist insoweit unbeachtlich. Jedenfalls begründete die Rechtsaufassung des Klägers die Art und Weise des Zustandekommens der Vereinbarung. Auch die neue Klausel ist im Ergebnis auf den Ersatz von Schaden gerichtet, welcher der Beklagten aufgrund Rücklastschriften entsteht (s.o. und OLG München, Urteil vom 12.11.2015 – 29 U 2092/15; LG München I, Urteil vom 28.05.2015 – 12 O 2205/15). Auch wenn der Anwendungsbereich der neuen Klausel weiter sein kann (Bearbeitungsgebühren und Fremdkosten) als der der alten Klausel, verstößt sie damit jedenfalls im Teil „eigene Kosten“ gegen die Unterlassungsvereinbarung.
Auch ist vorliegend von einem schuldhaften Handeln der Beklagten auszugehen. Nach dem Verschuldensprinzip wird das Verschulden des Schuldners vermutet, § 280 Abs. 1 S. 2 BGB (vgl. Volker Schmitz-Fohrmann/Florian Schwab, in: Götting/Nordemann, UWG, 2. Auflage 2013, § 12 Rn. 112). Der Beklagten obliegt also der Nachweis des mangelnden Verschuldens. Ein solcher Nachweis wurde hier nicht erbracht. Vielmehr legt die neue Konstruktion der Vertragsstrafe für eine Nebenpflichtverletzung nahe, die Vertragsvereinbarung (oder etwaige andere gesetzliche Verpflichtungen) bewusst umgehen zu wollen.
II. Auch der Höhe nach ist der Anspruch gerechtfertigt. Eine Vertragsstrafenzahlung in Höhe von 5.000 € erscheint im konkreten Einzelfall angemessen. Für die Bestimmung der angemessenen Höhe der Vertragsstrafe sind u.a. Kriterien entscheidend, wie die Art, Größe und der Umsatz des Unternehmens, Schwere und Ausmaß der Zuwiderhandlung sowie der Sanktionszweck der Vertragsstrafe (vgl. Volker Schmitz-Fohrmann/Florian Schwab, in: Götting/Nordemann, UWG, 2. Auflage 2013, § 12 Rn. 103 ff.). Vorliegend handelt es sich bei der Beklagten – unbestritten – um ein großes Unternehmen mit einem Jahresumsatz in Millionenhöhe. Die angegriffene neue Regelung trifft nicht nur am Rande, sondern teils letztlich im Kern eine von der Unterlassungserklärung erfasste inhaltsgleiche Klausel. Auch um den Sanktionszweck des Verstoßes und eine ausreichend abschreckende Wirkung (vgl. OLG Frankfurt a.M., Beschluss vom 09.12.2013 – 11 W 27/13) bei einem Unternehmen der Größe der Beklagten zu erreichen, erscheint eine Zahlung von 5.000 € angemessen.
III. Der Zinszahlungsanspruch ergibt sich aus §§ 291 BGB, 696 Abs. 3 ZPO. Die Zustellung des Mahnbescheids erfolgte vorliegend am 08.09.2015. Damit ist Rechtshängigkeit an diesem Tag eingetreten. Die Zinspflicht beginnt gemäß § 187 Abs. 1 BGB mit dem Folgetag der Rechtshängigkeit, mithin erst dem 09.09.2015. Die Zinsforderung ist damit erst ab dem 09.09.2015 begründet.
IV. Die Kostenentscheidung ergibt sich aus §§ 91 Abs. 1, 92 Abs. 2 Nr. 1 ZPO, die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf § 709 ZPO. Der Streitwert war gemäß § 3 ZPO festzusetzen.
Verkündet am 30.06.2016

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