IT- und Medienrecht

Anspruch eines Unternehmens auf Unterlassen bzw. Widerruf einer Äußerung des Pressesprechers eines Landkreises

Aktenzeichen  2 O 506/21

Datum:
22.12.2021
Rechtsgebiet:
Gerichtsart:
LG Meiningen 2. Zivilkammer
Dokumenttyp:
Urteil
ECLI:
ECLI:DE:LGMEINI:2021:1222.2O506.21.00
Normen:
§ 31 BGB
§ 89 Abs 1 BGB
§ 823 Abs 1 BGB
§ 1004 Abs 1 S 2 BGB
Art 1 Abs 1 GG
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Spruchkörper:
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Tenor

1. Die Klage wird abgewiesen.
2. Die Klägerin hat die Kosten des Rechtsstreits zu tragen.
3. Das Urteil ist gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrags vorläufig vollstreckbar.

Tatbestand

Die Parteien streiten um Ansprüche auf Unterlassen bzw. Widerruf sowie Erstattung von Rechtsanwaltskosten im Zusammenhang mit einer Äußerung des Pressesprechers des Beklagten, in der dieser über die Klägerin gesagt hat, dass diese „in dringendem Verdacht“ stehe, „rechtsextremes Gedankengut zu verbreiten“.
Die Klägerin ist eine im Handelsregister des Amtsgericht Nürnberg unter HRB 36906 eingetragene GmbH, die gem. § 2 ihrer Satzung u.a. die Erschaffung, Kreation und Produktion von Medienwerken jeder Art im In- und Ausland zum Geschäftsgegenstand hat. Die Klägerin betreibt unter anderem unter ihrem Namen ein Internet-Portal. Dort haben Journalisten, Publizisten, Wissenschaftler und Bürger Gelegenheit, zu politischen und wirtschaftlichen Problemen und Entwicklungen Stellung zu nehmen. Auch ihr Geschäftsführer postet regelmäßig derartige Erklärungen.
Der beklagte Landkreis ist Gesellschafter der Firma T.. Weitere Gesellschafter sind der Landkreis Wartburgkreis und die Gemeinde D.. Die T. vermietet in dem Objekt xxx, Büro- und Seminarräume. Mit Vertrag vom 25.02.2020 mietete die Klägerin – die zum damaligen Zeitpunkt als gemeinnützige GmbH „xxx“ firmierte – von der T. in dem genannten Objekt Räumlichkeiten zur Durchführung von Besprechungen/Beratungen und Besucherverkehr (Nutzungsvereinbarung vom 21.02.2020, Anlage K2). Mit Schreiben vom 24.09.2020 (Anlage K3) kündigte die T. diese Nutzungsvereinbarung fristgerecht zum 31.10.2020. Über diesen Vorgang berichtete die Lokalzeitung „Freies Wort“, Regionalausgabe „InSüdthüringen“, in ihrer Ausgabe vom 26.09.2020 unter der Überschrift „Landkreise gehen gegen Corona-Leugner vor“ (Anlage K4) und führte aus diesem Anlass ein Interview mit einem Sprecher des Beklagten. Dieser wird in dem Beitrag mit der Aussage zitiert: „H. M. steht im dringenden Verdacht, rechtsextremes Gedankengut zu verbreiten.“
Der Aufforderung zur Stellungnahme durch die Klägerin (Anlage K5) kam der Beklagte nicht nach. Auf das Schreiben der Prozessbevollmächtigten der Klägerin vom 19.10.2020 (Anlage K6) meldete sich der kommunale Schadensausgleich der Länder Brandenburg, Mecklenburg-Vorpommern, Sachsen, Sachsen-Anhalt und Thüringen bei der Klägerin, jedoch ohne die geforderte Unterlassungserklärung abzugeben oder die Äußerung zu widerrufen (Schreiben des KSA vom 06.11.2020, Anlage K7).
Die Klägerin ist der Ansicht, dass die streitgegenständliche Äußerung des Sprechers des Beklagten rechtswidrig sei und die Klägerin in ihren Rechten verletze. Die Äußerung greife in den Schutzbereich des allgemeinen Persönlichkeitsrechts der Klägerin ein, auf das sie sich auch als juristische Person berufen könne (Art. 19 Abs. 3 GG). Dies sei insbesondere der Fall, wenn und soweit sie in ihrem sozialen Geltungsanspruch in ihrem Aufgabenbereich betroffen sei. Die streitgegenständliche Behauptung sei eine Tatsachenbehauptung, deren Wahrheitsgehalt der objektiven Prüfung zugänglich sei. Soweit die Formulierung „rechtsextrem“ als Rechtsbegriff anzusehen sei, liege darin eine Tatsachenbehauptung, weil diese Beurteilung nicht als bloße Rechtsauffassung kenntlich gemacht ist, sondern beim Adressaten zugleich die Vorstellung von konkreten, in die Wertung eingekleideten Vorgängen hervorrufe, die als solche einer Überprüfung mit den Mitteln des Beweises zugänglich seien. Dies umso mehr, als die Formulierung: „H. M. steht im dringenden Verdacht, rechtsextremes Gedankengut zu verbreiten“, einen tatsächlichen Vorgang beschreibe, nämlich dass behördlicherseits der Verdacht der Verbreitung eines Gedankenguts bestehe, das als rechtsextrem qualifiziert werde. Ebenso sei der Überprüfung zugänglich, ob es sich dabei um „rechtsextremes“ Gedankengut handele. Der Begriff des Rechtsextremismus sei politikwissenschaftlich und juristisch klar definiert. Was hinsichtlich des Rechtsextremismus gemeint sei, habe das Bundesverfassungsgericht zuletzt im NPD-Urteil vom 17.01.2017 definiert.
Die Klägerin behauptet, sie habe in der Vergangenheit weder derartige Bestrebungen gefördert, indem sie derartiges Gedankengut verbreitet habe, noch habe der Sprecher des beklagten Landkreises seine Behauptung, die Klägerin stehe im dringenden Verdacht, rechtsextremes Gedankengut zu verbreiten, mit irgendwelchen Tatsachen belegt. Woran dieser Verdacht festgemacht werde, habe er nicht mitgeteilt, sondern es bei der bloßen Behauptung belassen. Die Klägerin ist der Ansicht, dass die Behauptung eines Behördensprechers, es bestehe der Verdacht der Verbreitung rechtsextremen Gedankenguts, vom unbefangenen Zeitungsleser nur dahingehend verstanden werden könne, dass die zuständigen Polizei- oder Verfassungsschutzbehörden von dieser Verdachtssituation ausgingen und dies anderen Behörden, zum Beispiel den Landratsämtern, kommuniziert hätten. Dies sei vorliegend aber nicht der Fall.
Die Behauptung über einen Dritten, er sei rechtsextrem, bzw. verbreite rechtsextremes Gedankengut, sei eine erhebliche Beeinträchtigung seines Persönlichkeitsrechts. Sie sei so schwerwiegend, dass sie selbst als bloße Meinungsäußerung im Falle der Nichterweislichkeit eine Verletzung des Persönlichkeitsrechts darstellen würde. Die Klägerin, die sich publizistisch gerade auf dem Gebiet der politischen Meinungsbildung betätige, sei insoweit besonders schutzwürdig. Die sachlich unzutreffende Zuschreibung treffe die Klägerin im Kern ihrer gesellschaftlichen und wirtschaftlichen Existenz. Die Stigmatisierung als Verbreiterin rechtsextremen Gedankenguts sei daher ungeachtet ihrer Einstufung als Tatsachenbehauptung, Tatsachenbehauptung mit Meinungskern, Meinungsäußerung oder Meinungsäußerung mit Tatsachenkern als gravierende Verletzung ihres Persönlichkeitsrechts zu werten. Die streitgegenständliche Äußerung sei auch nicht erforderlich gewesen, um dem journalistischen Interesse Rechnung zu tragen, das sich in einer Frage über den Grund der Kündigung der Nutzungsvereinbarung vom 24.02.2020 niedergeschlagen hätte. Die Kündigung hätte keiner Begründung bedurft. Soweit als Grund angegeben worden sei, dass die Tätigkeit der Klägerin außerhalb des Geschäftszwecks der T. GmbH liege, wäre das schon eine ausreichende Begründung gewesen. Die Äußerung des Sprechers des beklagten Landkreises könne nur dahingehend aufgefasst werden, dass man aus welchem politischen Interesse auch immer die Klägerin dem Rechtsextremismus zurechnen wollte. Zu berücksichtigen sei ferner, dass Vertragspartner der Klägerin zudem nicht der Beklagte war, sondern eine Gesellschaft, an der der Beklagte lediglich als Mitgesellschafter beteiligt ist. Abschluss und Kündigung der zu Grunde liegenden Vereinbarung ebenso wie Erläuterungen dazu hätten nicht zum Aufgabenbereich des Beklagten, sondern allein zum Aufgabenbereich der T. GmbH gehört.
Richtig sei zwar, dass nicht die Klägerin, sondern die Firma H. M. Interessenvertretung B.gGmbH Vertragspartner der T. gewesen sei. Die Klägerin sei jedoch rechtsidentisch mit dieser, denn sie habe lediglich umfirmiert und den Geschäftszweck geändert. Insofern sei sie im vorliegenden Rechtsstreit auch aktivlegitimiert.
Die streitgegenständliche Äußerung sei eindeutig einem Sprecher des Landratsamtes Schmalkalden-Meiningen, dem Beklagten, zuzuordnen und nicht etwa einem Mitarbeiter der Vermieterin (T.). Entsprechend sei er in dem Artikel auch bezeichnet worden. Der Umstand, dass der Landkreis Gesellschafter der T. ist, sei im vorliegenden Falle nicht entscheidend.
Die Klägerin beantragt,
1. den Beklagten zu verurteilen, es zu unterlassen, in für die Öffentlichkeit bestimmten Erklärungen zu behaupten: „H. M. steht im dringenden Verdacht, rechtsextremes Gedankengut zu verbreiten“,
2. den Beklagten zu verurteilen, die vorstehende Behauptung zu widerrufen.
Der Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.
Es sei schon fraglich, ob die Klägerin eine Persönlichkeitsrechtsverletzung geltend machen könne. Träger von Grundrechten könne nur eine natürliche Person sein. Auch sei die Klägerin nicht aktivlegitimiert. Vertragspartner der T. sei nicht die Klägerin gewesen, sondern die „H. M. Interessenvertretung B. gGmbH“. Bei der Klägerin handele es sich um eine Neugründung, nicht um eine Umfirmierung bzw. formwechselnde Umwandlung.
Auch sei der Beklagte nicht passivlegitimiert. Die streitgegenständliche Äußerung sei durch einen Mitarbeiter eines Gesellschafters der Vermieterin erfolgt und sei zwischen allen Gesellschaftern abgestimmt gewesen. Der Sprecher habe gerade nicht im Rahmen hoheitlicher Tätigkeit des Beklagten sondern als Vertreter im Rahmen der Mitgesellschafterstellung des Beklagten gehandelt. Die Äußerung stelle gerade keine Tatsachenbehauptung des Beklagten, sondern ein gemeinsam abgestimmtes Statement der Gesellschafter der T. dar. Ein politisches Statement sei als reines Werturteil nicht angreifbar. Es handele sich um eine Meinungsäußerung; diese werde durch Elemente des Meinens und Dafürhaltens geprägt und sei Ausdruck einer subjektiven Ansicht oder Überzeugung. Die Beklagte könne sich hierbei auf Art. 5 Abs. 1 GG berufen. Für das Werturteil gebe es zudem hinreichend Belege. Im Übrigen gebe es keine feste Definition des Begriffes „rechtsextrem/Rechtsextremismus‘“.
Ein Anspruch auf einen Widerruf, der den höchstmöglichen Eingriff im Äußerungsrecht darstelle, scheide deshalb aus, weil er nur gegenüber Tatsachenbehauptungen gegeben sei.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird ergänzend auf die zwischen den Parteien gewechselten Schriftsätze nebst deren jeweiliger Anlagen sowie das Protokoll der mündlichen Verhandlung vom 20.10. 2021 (Bl. 108ff. d.A.) Bezug genommen.

Entscheidungsgründe

Die Klage ist zulässig, aber unbegründet.
I. Die Klage ist zulässig, insbesondere ist das Landgericht Meiningen für die Entscheidung zuständig. Das zunächst von der Klägerin angerufene Verwaltungsgericht Meiningen hat den Rechtsstreit mit Beschluss vom 29.03.2021 an das Landgericht Meiningen verwiesen. Dieser Beschluss ist bindend, § 17a Abs. 2 Satz 3 GVG.
Es ist allgemein anerkannt, dass die Unterlassung und der Widerruf von Äußerungen, die von einem Amtsträger in dienstlicher Eigenschaft abgegeben werden, im Verwaltungsrechtsweg geltend zu machen sind. Durch Beziehungen bürgerlich-rechtlicher Gleichordnung geprägte Äußerungen oder persönliche Erklärungen des Amtsträgers können hingegen nur Gegenstand zivilgerichtlicher Streitigkeiten sein (vgl. BVerwG, Urteil vom 4. Februar 1988 – 5 C 88/85 – NJW 1988, 2399; Hess. VGH, Urteil vom 20. Oktober 1987 – 9 UE 24/83 – NJW 1988, 1683; VGH Mannheim, Urteile vom 18. November 1991 – 1 S 1088/90 – NVwZ 1993, 285, 9. Oktober 1989 – 1 S 5/88 – NJW 1990, 1808 f.; OVG Koblenz, Urteil vom 13. November 1986 – 5 U 79/86 – ZBR 1988, 390; BGH, Urteil vom 28. Februar 1978 – VI ZR 246/76 – NJW 1978, 1860 ff., Hess. VGH, Urteil vom 09. Dezember 1993 – 6 UE 571/93 –, Rn. 28, juris). Unabhängig davon, wer und in welcher dienstlichen Rolle der Sprecher des Beklagten konkret tätig wurde, ist die Äußerung vorliegend im Zusammenhang mit der Tätigkeit des Beklagten im Rahmen seiner privatrechtlichen Stellung als Gesellschafter der T. getätigt worden.
II. Die Klage ist jedoch unbegründet.
Die Klägerin hat keinen Anspruch gegen den Beklagten, es zu unterlassen in für die Öffentlichkeit bestimmten Erklärungen zu behaupten, die Klägerin stehe „im dringenden Verdacht, rechtsextremes Gedankengut zu verbreiten“ bzw. die vorstehende Behauptung zu widerrufen. Der Klägerin steht der geltend gemachte Anspruch gem. §§ 823 Abs. 1, 1004 Abs. 1 S. 2 BGB analog i.V.m. Art. 1 Abs. 1, Art. 2 Abs. 1 GG unter dem Gesichtspunkt des rechtswidrigen Eingriffs in das allgemeine Persönlichkeitsrecht bzw. i.V.m Art. 2 Abs. 1 GG wegen Verletzung des sog. Unternehmenspersönlichkeitsrechts gegenüber dem Beklagten nicht zu. Der Beklagte kann sich vorliegend zwar nicht auf das Grundrecht der Meinungsfreiheit aus Art. 5 Abs. 1 Satz 1 GG berufen. In den Äußerungen des Pressesprechers des Beklagten liegt jedoch gleichwohl kein rechtswidriger Eingriff in die Grundrechte der Klägerin. Sie halten sich vielmehr in dem für Äußerungen von Trägern staatlicher Hoheitsgewalt vorgegeben rechtlichen Rahmen und müssen deshalb von der Klägerin hingenommen werden.
1. Das Gericht geht davon aus, dass die Klägerin aktivlegitimiert ist. Der Beklagte behauptet zwar, dass es sich bei der Klägerin um eine neu gegründete Gesellschaft handeln würde und keine Umwandlung bzw. Umfirmierung und damit Rechtsidentität mit der Mieterin des T., der „H. M. Interessenvertretung B. gGmbH“, vorläge. Die Klägerin hat keinen Auszug aus dem Handelsregister vorgelegt. Von einer Beiziehung der Akten wurde aber abgesehen, da die Klägerin zum einen eine Bescheinigung nach § 54 GmbHG vorgelegt hat, zum anderen die Frage nicht abschließend geklärt werden muss, da ihr jedenfalls der eingeklagte Anspruch nicht zusteht.
2. Der Beklagte ist auch passivlegitimiert. Die streitgegenständliche Äußerung erfolgte durch den Pressesprecher des Beklagten, was sich der Beklagte zumindest nach § 31 BGB i.V.m. § 89 Abs. 1 BGB zurechnen lassen muss. § 31 BGB gilt für alle juristischen Personen, auch für die des öffentlichen Rechts, § 89 BGB. Den Begriff des verfassungsmäßig berufenen Vertreters i.S.v. § 31 BGB legt die Rechtsprechung weit aus (BGHZ 49, 19). Es ist nicht erforderlich, dass die Tätigkeit des Vertreters in der Satzung vorgesehen ist, er braucht keine rechtsgeschäftliche Vertretungsmacht zu besitzen. Es genügt vielmehr, dass ihm durch die allgemeinen Betriebsregelungen und Handhabung bedeutsame wesensmäßige Funktionen der juristischen Person zur selbständigen, eigenverantwortlichen Erfüllung zugewiesen sind und er die juristische Person insoweit repräsentiert (Palandt/Ellenberger, BGB, 80. Auflage 2021, § 31 Rn. 6 m.w.N.) .Der Sprecher des Beklagten ist gerade in seiner ihm zugewiesenen eigenverantwortlichen Tätigkeit als Vertreter des Beklagten gegenüber den Medien aufgetreten. Eine Weisungsgebundenheit im Innenverhältnis ist unschädlich, sofern der Vertreter nach außen selbständig auftritt (BGH NJW 1977, 2259).
Der Sprecher war hier in seiner besonderen Funktion als Sprecher des Beklagten tätig. Daran ändert sich auch nichts, dass der Sprecher des Beklagten sich mit einer Äußerung an die Öffentlichkeit gewandt hat, die zwischen dem Beklagten als Gesellschafter der T. und den weiteren Gesellschaftern, dem Landkreis Wartburgkreis und der Gemeinde D., abgestimmt war. Wie der Beklagte selbst vorträgt, handelte der Sprecher als Vertreter des Beklagten im Rahmen seiner Mitgesellschafterstellung der T. GmbH. In dem streitgegenständlichen Zeitungsartikel wird der sich äußernde Mitarbeiter als „Sprecher des Landratsamtes Schmalkalden-Meiningen“ bezeichnet. Diesem wird die Aussage zugeordnet. Dem ist der Beklagte – soweit vorgetragen – auch nicht entgegengetreten. Eine Korrektur des Zeitungsartikels ist nicht erfolgt. Selbst wenn man § 31 BGB hier nicht anwenden wollte, muss sich der Beklagte die Äußerung seines Sprechers zurechnen lassen. Wie der Beklagte selbst vorträgt, wurde die streitgegenständliche Äußerung auch mit seiner Billigung getätigt.
3. Der Anspruch auf Unterlassung der Wiederholung einer (amtlichen) Äußerung bzw. der Widerruf einer solchen Äußerung setzt voraus, dass diese rechtswidrig in subjektive Rechte des Betroffenen eingreift und eine konkrete Gefahr ihrer Wiederholung droht. Rechtsgrundlage für einen solchen Anspruch im Zivilrecht ist §§ 823 Abs. 1, 1004 Abs. 1 S. 2 BGB analog i.V.m. mit den entsprechenden Grundrechten. Die Grundrechte schützen grundsätzlich vor rechtswidrigen Beeinträchtigungen jeder Art, auch durch schlichtes Verwaltungshandeln oder – wie hier – Handeln eines Hoheitsträgers im privatrechtlichen Bereich.
Der Sprecher des Beklagten hat die streitgegenständliche Äußerung nicht als Privatperson getätigt, sondern in seiner Stellung als Sprecher des beklagten Landkreises. Es bleibt eine „amtliche Äußerung“. Zwar erfolgte die Äußerung nicht von einem Amtsträger in dienstlicher Eigenschaft, sondern im Rahmen von „Beziehungen bürgerlich-rechtlicher Gleichordnung“, also anlässlich der privatrechtlichen Betätigung des beklagten Landkreises als Gesellschafter der T.. Der beklagte Landkreis ist hier aber gleichwohl in Erfüllung seiner öffentlichen Aufgaben tätig und wird auch weiterhin als Träger von Hoheitsrechten angesehen. Ein Träger von Hoheitsgewalt ist grundsätzlich gemäß Art. 1 Abs. 3 GG ausschließlich grundrechtsverpflichtet und nicht grundrechtsberechtigt, und das grundsätzlich auch, wenn er sich privatrechtlich betätigt. Der Beklagte kann sich daher für die ihm zuzurechnenden Aussagen des Sprechers nicht auf das Grundrecht der Meinungsfreiheit aus Art. 5 Abs. 1 S. 1 GG berufen.
Der Staat ist Adressat (Art. 1 Abs. 3), nicht Berechtigter der Grundrechte (BVerfGE 21, 362 (369 f.) = NJW 1967, 1411; bestätigt durch BVerfG JZ 2009, 1069; BVerfGE 128, 226 (244 f.) = NJW 2011, 1201; BVerfGE 147, 50 Rn. 238 ff. = NJW 2018, 51). Von diesem feststehenden Grundsatz ausgehend hat das Bundesverfassungsgericht aber Ausnahmen zugunsten der Grundrechtsfähigkeit von juristischen Personen des öffentlichen Rechts zugelassen und anerkannt, dass ihre „Einbeziehung … in den Schutzbereich der Grundrechte [erg. gerechtfertigt ist], wenn ihre Bildung und Betätigung Ausdruck der freien Entfaltung der natürlichen Personen sind, besonders wenn der `Durchgriff´ auf die hinter den juristischen Personen stehenden Menschen dies als sinnvoll und erforderlich erscheinen lässt“ (BVerfGE 21, 362 (369) = NJW 1967, 1411; BVerfGE 68, 193 (205 f.) = NJW 1985, 1385; so BeckOK GG/Enders, 49. Ed. 15.11.2021, GG Art. 19 Rn. 45). Dass eine solche Ausnahme hier vorliegt, ist für das Gericht nicht erkennbar. Der Beklagte hat diesbezüglich nichts vorgetragen. Insbesondere soweit juristische Personen des öffentlichen Rechts öffentliche Aufgaben wahrnehmen, können sie sich nicht auf Grundrechte berufen (BVerfGE 45, 63 (78) = NJW 1977, 1960; BVerfGE 61, 82 (101) = NJW 1982, 2173; BVerfGE 68, 193 (206) = NJW 1985, 1385; BVerfG NVwZ 2007, 1176 f.; 2008, 778; JZ 2009, 1069).
Aus den grundrechtlichen Bindungen der vollziehenden Gewalt ergeben sich besondere Anforderungen an den Inhalt solcher, in die Rechte Dritter eingreifender Äußerungen. Öffentliche Äußerungen von Amtsträgern, auch anlässlich einer privatrechtlichen Betätigung, haben den hoheitlichen Kompetenzrahmen zu wahren und müssen dem Sachlichkeitsgebot als Ausfluss des Rechtsstaatsprinzips gerecht werden. Das Sachlichkeitsgebot gilt für jedes Staatshandeln (vgl. BVerfG, Beschl. v. 26.6.2002 – 1 BvR 558, 1428/91; BVerfGE 105, 252 [272] = NJW 2002, 2621 = NVwZ 2002, 1495 Ls.). Es verlangt, dass die jeweilige Äußerung in einem konkreten Bezug zur Erfüllung der hoheitlichen Aufgaben steht, Tatsachen zutreffend wiedergegeben werden und Werturteile auf einem im Wesentlichen zutreffenden oder zumindest sachgerecht und vertretbar gewürdigten Tatsachenkern fußen und weder auf sachfremden Erwägungen beruhen noch den sachlich gebotenen Rahmen überschreiten. Außerdem dürfen die Äußerungen im Hinblick auf das mit der Äußerung verfolgte sachliche Ziel im Verhältnis zu den Grundrechtspositionen, in die eingegriffen wird, nicht unverhältnismäßig sein (OVG Bremen, Beschl. v. 31.05.2021 – 1 B 150/21 = NVwZ-RR 2021, 886, m.w.N.).
4. Unter Zugrundelegung dieses rechtlichen Maßstabs bleibt die erhobene Klage jedenfalls im Ergebnis unbegründet. In der Äußerung des Sprechers des Beklagten liegt kein rechtswidriger Eingriff in die Grundrechte der Klägerin. Sie halten sich vielmehr in dem oben bereits skizzierten rechtlichen Rahmen.
a) Die beanstandete Äußerung stellt grundsätzlich einen Eingriff in das allgemeine Persönlichkeitsrecht der Klägerin dar, soweit ihr dieses in Form der „Berufs-“ oder „Geschäftsehre“ zusteht.
Als juristische Person kann sich die Klägerin, soweit sie aus ihrem Wesen als Zweckschöpfung des Rechts und ihren Funktionen dieses Rechtsschutzes bedarf, gemäß Art. 2 Abs. 1, 19 Abs. 3 GG grundsätzlich auf die ihr im einzelnen zustehenden Grundrechte berufen. Dazu zählt nach Ansicht der Kammer jedoch nicht das allgemeine Persönlichkeitsrecht nach Art. 1 Abs. 1, 2 Abs. 1 GG als Ausfluss der Menschenwürde. Die Klägerin kann sich nicht auf ein der Menschenwürde entspringenden Schutz etwa ihrer Ehre nach Art. 1 Abs. 1, Art. 2 Abs. 1 GG berufen. Die Erstreckung eines Grundrechts auf juristische Personen als bloße Zweckgebilde der Rechtsordnung scheidet dort aus, wo der Grundrechtsschutz an Eigenschaften, Äußerungsformen oder Beziehungen anknüpft, die nur natürlichen Personen wesenseigen sind“ (BVerfGE 106, 28 (42) = NJW 2002, 3619; bereits BVerfGE 95, 220 (242) = NJW 1997, 184; BeckOK GG/Enders, 49. Ed. 15.11.2021, GG Art. 19 Rn. 39). Folglich ist eine juristische Person insbesondere nicht Träger der Menschenwürde, weil diese nur Menschen als natürlichen Personen zukommt. Sie kann sich demgemäß auch nicht auf das allgemeine Persönlichkeitsrecht berufen, das als „unbenanntes Freiheitsrecht“ aus Art. 2 Abs. 1 i.V.m. Art. 1 Abs. 1 abgeleitet wird. Dessen Aufgabe ist es, im Sinne des obersten Konstitutionsprinzips der Menschenwürde den Schutz der engeren, „inneren“ Voraussetzungen der äußeren Persönlichkeitsentfaltung zu bewirken, indem es die in besonderem Maße persönlichkeitskonstituierenden Elemente der individuellen Entfaltung in seinen Tatbestand aufnimmt, dh „die engere persönliche Lebenssphäre und die Erhaltung ihrer Grundbedingungen“ gewährleistet (BVerfGE 54, 148 (153) = NJW 1980, 2070; zB auch BVerfGE 95, 220 (241) = NJW 1997, 1841; BVerfGE 101, 361 (380) = NJW 2000, 1021; BVerfGE 106, 28 (39) = NJW 2002, 3619). Da eine juristische Person nicht die mit der Würde des Menschen verknüpfte, im Prozess einer kommunikativen Identitätsbildung und -erhaltung sich konstituierende Persönlichkeit besitzt (so Enders, Die Menschenwürde in der Verfassungsordnung, 1997, 450 f.; BVerfGE 106, 28 (43) = NJW 2002, 3619), kann sie nicht in ihrer „persönlichen Ehre“ gekränkt werden (BVerfGE 93, 266 (291) = NJW 1995, 3303; NJW 2006, 3769 (3771); BeckOK GG/Enders, 49. Ed. 15.11.2021, GG Art. 19 Rn. 40).
Die Klägerin hat aber ein grundrechtlich geschütztes Interesse an äußerlich ungehinderter, möglichst freier Entfaltung und Verfolgung eigener Zwecke, das Art. 2 Abs. 1 GG in Gestalt der allgemeinen Handlungsfreiheit anerkennt und auch juristischen Personen als Recht garantiert (BVerfGE 10, 89 (99) = NJW 1959, 1675; BVerfGE 19, 206 (215) = NJW 1966, 147). Insofern kommt dann ein Schutz der „Berufs-“ oder „Geschäftsehre“ oder ähnlicher Ausprägungen des im Grundsatz von der Person selbst definierten sozialen Geltungsanspruchs (BVerfGE 54, 148 (155) = NJW 1980, 2070; klarstellend BVerfGE 101, 361 (380) = NJW 2000, 1021) in Betracht (BVerfG NJW 2011, 3501; BeckOK GG/Enders, 49. Ed. 15.11.2021, GG Art. 19 Rn. 41).
Die in Rede stehende Äußerung ist als Eingriff in dieses Grundrecht zu bewerten, weil sie tatsächlich geeignet ist, sich abträglich auf das Bild der Klägerin in der Öffentlichkeit auszuwirken und ihr gegenüber eine „negative (staatliche) Sanktion“ bedeuten (vgl. BVerfG, Beschluss vom 24.05.2005 – 1 BvR 1072/01 –; VG Bremen, Beschluss vom 29.04.2015 – 4 V 358/15 –, Rn. 26; jeweils juris). Die durch die allgemeine Handlungsfreiheit nach Art. 2 Abs. 1 GG geschützte Berufs- und Geschäftsehre umfasst auch und gerade den Schutz vor Äußerungen, die geeignet sind, sich abträglich auf das Bild der betroffenen Person in der Öffentlichkeit auszuwirken. Hierzu zählen auch das Verfügungsrecht und das Selbstbestimmungsrecht über die eigene Außendarstellung sowie der Schutz des sozialen Geltungsanspruchs, der sog. „äußeren Ehre“ als des Ansehens in den Augen anderer. Im „Verdacht“ zu stehen, „rechtsextremes Gedankengut zu verbreiten“ ist grundsätzlich geeignet, das Ansehen der Klägerin bei der Mehrheit der Gesellschaft nachteilig zu beeinflussen. Die Äußerung durch den Sprecher des Beklagten wurde gegenüber einem Reporter getätigt und dann in der Lokalpresse veröffentlicht, aus der eine Großzahl der Bewohner des Landkreises ihr Meinungsbild über die Klägerin ableiten, ohne dass sie u.U. die Veröffentlichungen der Klägerin selbst gelesen oder wahrgenommen zu haben, so dass möglicherweise ein einseitiges Meinungsbild geprägt wird, das nicht dem entspricht, das die Klägerin über sich selbst in der Öffentlichkeit publiziert haben will.
Ob darüber hinaus auch ein Eingriff in den eingerichteten und ausgeübten Gewerbetrieb der Antragstellerinnen als sonstiges Recht i. S. v. § 1004 i. V. m. § 823 BGB vorliegt, kann dahingestellt bleiben, denn ein solcher Eingriff wäre jedenfalls gerechtfertigt (s. u.).
b) Eine Rechtswidrigkeit des Eingriffs ist vorliegend jedoch nicht feststellbar. Die Äußerungen halten sich in dem für staatliche Äußerungen vorgegebenen rechtlichen Grenzen und müssen deshalb von der Klägerin hingenommen werden.
Amtliche Äußerungen eines Hoheitsträgers mit Eingriffsqualität sind gerechtfertigt, wenn sich der Hoheitsträger im Rahmen der ihm zugewiesenen Aufgaben bewegt und die rechtsstaatlichen Anforderungen an hoheitliche Äußerungen in Form des Sachlichkeitsgebotes gewahrt sind. Dies erfordert, dass mitgeteilte Tatsachen zutreffend wiedergegeben werden und Werturteile nicht auf sachfremden Erwägungen beruhen und den sachlich gebotenen Rahmen nicht überschreiten sowie auf einem im Wesentlichen zutreffend und zumindest sachgerecht und vertretbar gewürdigten Tatsachenkern beruhen. Außerdem dürfen die Äußerungen im Hinblick auf das mit der Äußerung verfolgte sachliche Ziel im Verhältnis zu den Grundrechtspositionen, in die eingegriffen wird, nicht unverhältnismäßig sein (OVG Münster, Beschluss vom 12.07.2005 – 15 B 1099/05 –, Rn. 15; VG Bremen, Beschluss vom 29.04.2015 – 4 V 358/15 –, Rn. 27; jeweils juris).
aa) Der Sprecher des Beklagten handelte innerhalb seines organisatorischen Aufgabebereichs.
Einer allgemeinen Befugnisnorm im Sinne einer speziellen Ermächtigungsgrundlage für die von ihm getätigte Äußerung bedurfte er nicht; vielmehr gehören das Recht, Öffentlichkeitsarbeit zu betreiben, und das Recht der politischen Meinungsäußerung und Teilnahme am politischen Meinungskampf zu den verfassungsmäßigen Rechten einer Regierung – auch auf lokaler Ebene-, lediglich begrenzt durch die (jeweils geltende) Kompetenzordnung (BVerfG, Beschluss vom 26.06.2002 – 1 BvR 670/91 –; VG Bremen, Beschluss vom 29.04.2015 – 4 V 358/15 –, Rn. 28; jeweils juris). Die Äußerungsbefugnis von Hoheitsträgern folgt aus dem einem Amt oder Organ zugewiesenen Aufgaben- und Zuständigkeitsbereich. Staatliches Informationshandeln setzt danach keine besondere Rechtsgrundlage voraus (BVerfGE 138, 102, 113 f.; BVerfG, Urteil vom 27. Februar 2018, Az. 2 BvE 1/16, Rn. 51 m.w.N.; Gusy, NVwZ 2015, 700, 701). Ein Bürgermeister etwa darf sich zu Angelegenheiten der örtlichen Gemeinschaft äußern (BVerwG NVwZ 2018, 433, 434; Barczak, NVwZ 2015, 1014, 1017). Unzulässig sind aber hoheitliche Äußerungen, mit denen ein Amtsträger seinen Zuständigkeitsbereich verlässt.
Die Äußerungen des Sprechers für den beklagten Landkreis erfolgten im Rahmen der sich aus Art. 28 Abs. 2 S. 1 und 2 GG folgenden Zuständigkeit für Angelegenheiten der örtlichen Gemeinschaft. Gemeindeverbände sind insbesondere die – auch in Art. 28 Abs. 1 S. 2 und 3 explizit aufgenommenen – (Land-)Kreise (BeckOK GG/Hellermann, 48. Ed. 15.8.2021, GG Art. 28 Rn. 23, m.w.N.). Art. 28 Abs. 1 S. 1 GG gewährleistet das Recht, alle Angelegenheiten der örtlichen Gemeinschaft im Rahmen der Gesetze in eigener Verantwortung zu regeln. Daraus erwächst den Gemeinden und Gemeindeverbänden die Befugnis, sich aller Angelegenheiten der örtlichen Gemeinschaft, die nicht durch Gesetz bereits anderen Trägern öffentlicher Gewalt überantwortet sind, ohne besonderen Kompetenztitel anzunehmen. Angelegenheiten der örtlichen Gemeinschaft i.S.v. Art. 28 Abs. 1 GG sind diejenigen Bedürfnisse und Interessen, die in der örtlichen Gemeinschaft wurzeln oder auf sie einen spezifischen Bezug haben, die also den Gemeindeeinwohnern gerade als solchen gemeinsam sind, indem sie das Zusammenleben und -wohnen der Menschen in der Gemeinde betreffen. Die Stellungnahme eines kommunalen Amtsträgers muss hierfür auch in spezifischer Weise ortsbezogen sein (vgl. BVerwGE 87, 228 [229 f.] = NVwZ 1991, 682) (NVwZ 2018, 433 Rn. 17, beck-online). Dies ist vorliegend der Fall.
Es ist anerkannt, dass staatliche Informations- und Öffentlichkeitsarbeit notwendig ist, um den Grundkonsens im demokratischen Gemeinwesen lebendig zu erhalten. Darunter fällt auch die Darlegung und Erläuterung der Politik der Regierungs- und Verwaltungsorgane hinsichtlich getroffener Maßnahmen und künftiger Vorhaben angesichts bestehender oder sich abzeichnender Probleme sowie die sachgerechte, objektiv gehaltene Information über den Bürger unmittelbar betreffende Fragen und wichtige Vorgänge auch außerhalb oder im Vorfeld der eigenen gestaltenden politischen Tätigkeit (zu Äußerungen der Bundesregierung vgl. BVerfGE 138, 102 = NVwZ 2015, 209 Rn. 40 mwN). Die T. ist ein überregional bekanntes und erfolgreiches Gründer- und Förderzentrum mit Sitz in S., über dessen Arbeit sowie die Arbeit des zum streitgegenständlichen Zeitpunkt tätigen Geschäftsführers in der Lokalpresse regelmäßig berichtet wurde; so auch über die Gründe, die zur Kündigung des Mietvertrages zwischen der T. und der Klägerin geführt haben. Diesbezüglich war der Beklagte als Gesellschafter des T. – ob allein oder in Abstimmung mit den anderen Gesellschaftern – nicht darauf beschränkt, auf Nachfrage des Reporters allein die unmittelbaren Kündigungsgründe darzulegen, sondern durfte im Rahmen des dem Beklagten zustehenden Rechts auf Darlegung und Erläuterung der Politik hinsichtlich der getroffenen Maßnahmen und der Information der für die Bürger wichtigen Vorgänge auch außerhalb der politischen Tätigkeit die Hintergründe der Entscheidung, den Mietvertrag zu kündigen, erläutern.
b) Die Äußerung genügt auch dem Sachlichkeitsgebot als Ausfluss des Rechtsstaatsprinzip.
Auch innerhalb ihres Zuständigkeitsbereichs dürfen sich Hoheitsträger nicht beliebig äußern. Denn auch bei sogenanntem schlichten, also nicht rechtsförmigem hoheitlichen Handeln, sind staatliche Akteure nach Art. 20 Abs. 3 GG an Gesetz und Recht sowie nach Art. 1 Abs. 3 GG an die Grundrechte gebunden. Insbesondere kollidierendes Verfassungsrecht setzt ihren Äußerungen Grenzen. Gilt ein staatliches Neutralitätsgebot, haben sich Hoheitsträger sachlich und korrekt zu äußern. Auch die Grundrechte der Betroffenen setzen der staatlichen Öffentlichkeitsarbeit Grenzen.
Das Neutralitätsgebot war vorliegend vom Beklagten nicht zu beachten, da dieses v.a. dem Schutz der Chancengleichheit politischer Parteien dient. Die Klägerin beteiligt sich zwar am politischen Meinungskampf, ist aber keine Partei. Die Äußerungsbefugnis des Sprechers des Beklagten im politischen Meinungskampf findet ihre Grenzen vorliegend nur in den Anforderungen des Sachlichkeitsgebots, das für jedes Staatshandeln gilt (vgl. BVerfG, Beschl. v. 26.6.2002 – 1 BvR 558, 1428/91; BVerfGE 105, 252 = NJW 2002, 2621).
Die Anforderungen an die Rechtmäßigkeit einer behördlichen Äußerung unterscheiden sich maßgeblich danach, ob eine Äußerung als Tatsachenbehauptung oder als Werturteil einzustufen ist. Tatsachenbehauptungen setzen voraus, dass sie einer objektiven Klärung zugänglich sind und sich die Richtigkeit der Gesamtbehauptung durch eine Beweiserhebung klären lässt. Tatsachenbehauptungen von Amtsträgern können daher nur aufrechterhalten werden, wenn sie sich als wahr erweisen. Sie sind rechtswidrig, wenn sie unwahr sind (vgl. OVG NRW, NVwZ-RR 2004, 283, 285). Demgegenüber sind Werturteile durch das Element der wertenden Stellungnahme geprägt (zur Unterscheidung vgl. BVerfG, Beschl. v. 16.3.2017 – 1 BvR 3085/15, juris Rn. 13). Wegen ihres subjektiven Einschlags entziehen sie sich der Überprüfung als wahr oder unwahr. Sie sind in ihrer subjektiven Färbung erkennbar und erheben keinen Anspruch auf Allgemeingültigkeit, sondern stellen sich nur als eine von vielen möglichen Meinungen dar, die man teilen oder ablehnen kann. Das bedeutet indes nicht, dass Aussagen dieser Art von betroffenen Bürgerinnen und Bürgern in jedem Fall hingenommen werden müssen. Wenn der Staat durch seine Amtsträger abträgliche Werturteile über einen Bürger abgibt, bedarf er hierzu stets der Legitimation. Diese kann sich zwar aus der Aufgabe der Verwaltung zur Öffentlichkeitsarbeit ergeben und bedarf keiner gesonderten Ermächtigungsgrundlage. Amtsträger sind aber anders als Grundrechtsberechtigte bei ihren Äußerungen dem Sachlichkeitsgebot verpflichtet und insbesondere auch bei ihren Werturteilen an den Verhältnismäßigkeitsgrundsatz gebunden. Andererseits ist es aber im Unterschied zu Tatsachenbehauptungen ausreichend, wenn die Werturteile auf einem im Wesentlichen zutreffend oder zumindest vertretbar gewürdigten Tatsachenkern beruhen (so OVG Bremen, Urt. v. 31.05.2021 – 1 B 150/21 = NVwZ-RR 2021, 440).
Ob die Äußerungen sich als Tatsachenbehauptung oder als Werturteil darstellen, ist nach dem Gesamtkontext zu beurteilen, in dem sie gefallen sind, und darf nicht aus ihrem Zusammenhang herausgelöst einer rein isolierten Betrachtung zugeführt werden. Die Abgrenzung von Werturteilen und Tatsachenbehauptungen kann zwar schwierig sein, weil häufig erst beide gemeinsam den Sinn einer Äußerung ausmachen. Eine Trennung der tatsächlichen und wertenden Bestandteile ist aber nur zulässig, wenn dadurch der Sinn der Äußerung nicht verfälscht wird. Wo das nicht möglich ist, muss die Äußerung, jedenfalls wenn der tatsächliche Gehalt gegenüber der Wertung in den Hintergrund tritt, insgesamt als Werturteil angesehen werden, mit der Folge, dass an den Nachweis der tatsächlichen Grundlagen geringere Anforderungen zu stellen sind (vgl. BayVGH, Beschl. v. 24.9.2019 – 4 CE 19337, juris Rn. 14 und 15 m. w. N.).
Die Äußerung des Sprechers des Beklagten, die Klägerin „steht in dringendem Verdacht rechtsextremes Gedankengut zu verbreiten“ ist insgesamt als Werturteil anzusehen. Eine Aufspaltung der Äußerung in die Bestandteile „dringender Verdacht“ und „rechtsextremes Gedankengut verbreiten“ verbietet sich bereits nach dem oben gesagten. Eine Trennung ist auch nicht möglich, da sonst der Sinn der Äußerung verfälscht würde. Zudem ist nach Ansicht der Kammer der Tatsachenbestandteil, soweit man einen solchen im Hinblick auf den „dringenden Verdacht“ überhaupt annehmen wollte, inhaltsleer. Es wurde gerade nicht konkretisiert, wer genau diesen Verdacht hat. Da der Sprecher des Beklagten in Ausübung seiner Tätigkeit die Äußerung gegenüber der Presse abgegeben hat, liegt es nahe, dass er auch nur für die Behörde sprechen wollte, für die er tätig ist bzw. für die Gesellschafter des T., die dieses Statement untereinander abgestimmt hatte. Andere Behörden, wie der Verfassungsschutz o.ä. fanden in der Äußerung gerade keine Erwähnung. Eine entsprechende Interpretation gebietet auch nicht die „Stolpe-Doktrin“ des Bundesverfassungsgerichts (BVerfG, Beschl. V. 25.10.2005 – 1 BvR 1696/98 = NJW 2006, 207). Der Begriff des „dringenden Verdachts“ mag bei juristisch einschlägig vorgebildeten Personen eine gewisse Kategorisierung hervorrufen bzw. den Schluss provozieren, dass eine Behörde, die hierzu eingerichtet wurde, unter Umständen entsprechende Ermittlungen aufgenommen oder Einschätzungen getätigt hat. Der gemeine Bürger hingegen, verbindet mit dem Begriff in der Regel nichts weiter, als dass ein Amt oder eine Behörde eine gewisse Vermutung hat. Welche Behörde das ist, lässt eine Auslegung des Begriffs grundsätzlich nicht erahnen. Da der Sprecher einer Behörde das Bestehen des dringenden Verdachts geäußert hat, ist es für den Bürger naheliegend, dass es sich um eben diese Behörde handelt, bei der auch ein entsprechender Verdacht besteht. Nach der als „Stolpe-Doktrin“ bekannt gewordenen Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts (BVerfG a.a.O.) ist zwar der Äußerung die Deutungsvariante zugrunde zu legen, die das Persönlichkeitsrecht der Klägerin am schwersten beeinträchtigt. Dies erfordert aber nur eine Deutung, nicht eine Ergänzung der Aussage um Elemente, die der Sprecher des Beklagten gerade nicht gesagt hat, wie, dass etwa Verfassungsschutzbehörden den dringenden Verdacht hätten. Die Äußerung war gerade nicht mehrdeutig.
Ob es sich bei den von der Klägerin in den von ihr betriebenen Medien und Plattformen publizierten und verbreiteten Artikel, Videos u.a. um „rechtsextremes Gedankengut“ handelt oder diese Artikel, Videos u.a. solches enthalten ist, wie dies der Sprecher der Beklagten geäußert hat, ist eine Wertungsfrage. Dabei ist sowohl die Beantwortung der Frage, was „rechtsextremes Gedankengut“ ist, stark von Wertungen geprägt als auch ob die von der Klägerin publizierten Artikel, Videos u.ä. als solches zu kategorisieren sind.
Der Begriff „rechtsextrem“ ist ein viel verwendeter Begriff, der keiner einheitlichen Definition zugänglich ist und auch dem Beweis nicht zugängliche Wertungen enthält. Insbesondere ist der Begriff des „rechtsextremen“ nicht mit „verfassungsfeindlich“ gleichzusetzen, wie dies die Klägerin vorträgt. Vielmehr enthält der Begriff des „rechtsextremen“ verschiedene Ausprägungen, die nicht notwendigerweise den Grad des Verfassungsfeindlichen erreichen. Die unterschiedlichsten Meinungen und Gedankenbilder werden unter dem Begriff des Rechtsextremismus zusammengefasst. Nur beispielhaft sei hier die Forderung nach der Abschaffung eines unabhängigen, gebührenfinanzierten Rundfunks angeführt. Diesbezügliche Überlegungen werden ebenso unter dem Begriff des Rechtsextremen zusammengefasst, wie rassistische oder demokratiegefährdende Inhalte. „Rechtsextrem“ ist im Ergebnis eine Sammelbezeichnung für verschiedene (verschwörungs)ideologische Gesinnungen und kein einheitliches Phänomen. Wie auch das Bundesministerium des Inneren anerkennt, kann der Begriff nur anhand von Merkmalen umschrieben werden.
Beinhaltet die angegriffene Äußerung des Sprechers des Beklagten somit ein Werturteil, genügt sie den rechtsstaatlichen Anforderungen an die Einhaltung des Sachlichkeitsgebots. In diesem Fall kommt es nicht darauf an, ob sich die vom Sprecher des Beklagten vertreten Ansicht als richtig erweist, sondern lediglich auf die sachliche Vertretbarkeit der in dieser Äußerung zum Ausdruck kommenden Auffassung an.
Dem Werturteil des Beklagten bzw. dessen Sprechers liegen auch keine sachfremden Erwägungen zugrunde, etwa weil die entsprechende Wertung völlig aus der Luft gegriffen wäre. Das Werturteil des Beklagten beruht auf einem im Wesentlichen zumindest sachgerecht und vertretbar gewürdigten Tatsachenkern. So verweist der Beklagte auf verschiedene Presseberichte und Diskussionsbeiträge über die Klägerin, namentlich auf einen Bericht auf nordbayern.de vom 30.01.2020, der im Zusammenhang mit dem Entzug der Gemeinnützigkeit der Klägerin (vor deren Umwandlung und Umfirmierung) auch über deren „Verbreitung rechtsextremen Gedankenguts“ berichtet. Ebenso wird die Landeskoordinierungsstelle Bayern gegen Rechtsextremismus in einem Bericht des Bayerischen Rundfunks (BR) vom 22.02.2021 damit zitiert, dass „H. M. klassische rechte und verschwörungsideologische Themen bespielt“. Diese Berichte und Meinungsäußerungen hat der Beklagte nach eigenem Vortrag nicht übernommen, sondern einer eigenen Bewertung unter Hinzunahme eigener Beobachtungen wie der (zumindest auf den ersten Blick) bestehenden Verbindung der Klägerin zu dem Betreiber der Website „xxx.de“. Es erscheint zumindest vertretbar, dass der Beklagte diese Indizien in der Weise würdigen durfte, dass ein „dingender Verdacht besteht, dass die Klägerin rechtsextremes Gedankengut“ verbreitet.
Die Äußerung des Sprechers des Beklagten ist auch nicht als unverhältnismäßig anzusehen. Insbesondere sind mit der Äußerung keine bloßen Vermutungen ins Blaue hinein angestellt worden, sondern Wertungen auf der Grundlage hinreichender Indizien vorgenommen worden (s.o.). Die Äußerung ist auch weder in ihrer Form und ihrem Kontext noch nach ihrem Inhalt als unverhältnismäßig anzusehen. Sie diente dem legitimen Zweck, die Öffentlichkeit über eine bereits in den lokalen Medien diskutierten Frage zu informieren und gleichzeitig inhaltlich im Rahmen des Meinungsbildungsprozesses in der Öffentlichkeit Stellung zu beziehen. Die Äußerung ist auch als geeignet, erforderlich und angemessen anzusehen.
Die Meinungsfreiheit erlaubt auch polemische Zuspitzungen gerade im Rahmen der Auseinandersetzung über die Öffentlichkeit wesentlich berührende Fragen. Bürgerinnen und Bürger sind bei ihrer Kritik an staatlichen Institutionen, politischen Parteien oder Personen des öffentlichen Lebens nicht auf das Erforderliche beschränkt (vgl. BVerfGE 7, 198, 212; 54, 129, 139; 90, 241, 254; 93, 266, 294 f.; BVerfG, Beschl. v. 14.06.2019 – 1 BvR 2433/17, juris Rn. 17). Hoheitsträger haben als Grundrechtsverpflichtete demgegenüber bei ihren Äußerungen zu berücksichtigen, ob und in welcher Intensität ihre Äußerungen zu mittelbaren Grundrechtsbeeinträchtigungen führen. Wie bei anderen staatlichen Maßnahmen auch sind Hoheitsträger bei ihren Äußerungen dem Verhältnismäßigkeitsgrundsatz verpflichtet. Unnötige Übertreibungen und Zuspitzungen haben deshalb bei öffentlichen Äußerungen von Hoheitsträgern zu unterbleiben (OVG Bremen, Beschl. v. 31. Mai 2021 – 1 B 150/21 –, Rn. 37, juris).
Diesen Anforderungen wird die Äußerung des Sprechers des Beklagten gerecht. Sie ist geeignet gewesen, die Öffentlichkeit über die Bewertung der Klägerin durch die Beklagte und weitere Mitgesellschafter der T. sowie und die – neben den rein rechtlichen Kündigungsgründen – vorhandene Motivation der Gesellschafter bzw. des Beklagten für die Kündigung des Mietvertrages zu informieren. Die Äußerung ist in ihrer Wortwahl nicht polemisch oder diffamierend. Sie beschränkt sich auf die Mitteilung einer Bewertung des Beklagten und weiterer Gesellschafter, die diese u.a. aufgrund verschiedener Diskussionsbeiträge über die Klägerin getroffen haben. Die Äußerung ist auch in Anbetracht des damit verbundenen Eingriffs in das allgemeine Persönlichkeitsrecht der Klägerin angemessen. Diese ist vorliegend in Anbetracht ihrer Betätigung weniger schutzwürdig. Die Klägerin nimmt am politischen Meinungskampf teil. Wie die von ihr unterhaltende Website und auch der im früheren Namen zum Ausdruck gekommene Zweck zeigt, geht es ihr um politische Einflussnahme. Nur eingeschränkten Schutz genießt aber die Sozialsphäre bei der Betätigung im öffentlichen, politischen Leben (BGH, Urt. v. 27.09.2016 – VI ZR 250/13, Rn. 21; Palandt/Sprau, BGB, 80. Auflage, 2021, § 823 Rn. 96 m.w.N.). Da der Betroffene hierbei in Kommunikation mit Außenstehenden tritt, muss er sich auf Beobachtung und Bewertung seines Verhaltens einstellen. Wer in Fragen der politischen Haltung gezielt Einfluss nehmen will, muss das Risiko öffentlicher, auch scharfer, abwertender Kritik seiner Ziele auf sich nehmen und Polemik gegen seine eigene Person hinnehmen (Palandt aaO., Rn. 97). Wer im geistigen Meinungskampf schwerwiegende Vorwürfe erhebt oder sonst herausfordert, muss dulden, dass scharf und drastisch zurückgeschlagen wird (BGHZ 45, 296, 309). In einer streitbaren, wehrhaften Demokratie muss dies im Einzelfall auch einem Träger von Hoheitsrechten zugestanden werden. Gegen die Meinung des sich Äußernden kann sich der Betroffene im Meinungskampf seinerseits wieder öffentlich zur Wehr setzen (BVerfG, Beschl. v. 17.09.2012 – 1 BvR 2979/10, Rn. 35).
Die Klägerin hat demnach keinen Anspruch gegen den Beklagten, es zu unterlassen in für die Öffentlichkeit bestimmten Erklärungen zu behaupten, die Klägerin stehe „im dringenden Verdacht, rechtsextremes Gedankengut zu verbreiten“ bzw. die vorstehende Behauptung zu widerrufen.
III. Die Kostenentscheidung beruht auf § 91 ZPO. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit ergeht gemäß § 709 ZPO.


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