IT- und Medienrecht

Anspruch gegenüber dem Jobcenter auf Beantwortung von Fragen

Aktenzeichen  L 11 AS 544/16

Datum:
29.11.2017
Rechtsgebiet:
Gerichtsart:
LSG
Gerichtsort:
München
Rechtsweg:
Sozialgerichtsbarkeit
Normen:
IFG
SGB II SGB II § 50 Abs. 4 S. 2
SGB X SGB X § 25

 

Leitsatz

1. Zur Frage des Anspruches auf Beantwortung von Fragen und damit in Zusammenhang stehender Akteneinsicht (Rn. 29 – 32)
2. Zu den Voraussetzungen einer Zurückverweisung § 159 Abs. 1 Nr. 1 SGG. (Rn. 30) (redaktioneller Leitsatz)

Verfahrensgang

S 13 AS 193/16 2016-08-03 Urt SGNUERNBERG SG Nürnberg

Tenor

I. Auf die Berufung des Klägers wird das Urteil des Sozialgerichts Nürnberg vom 03.08.2016 aufgehoben und der Rechtsstreit zur erneuten Entscheidung an das Sozialgericht zurückverwiesen.
II. Die Kostenentscheidung bleibt der abschließenden Entscheidung des Sozialgerichts Nürnberg vorbehalten.
III. Die Revision wird nicht zugelassen.

Gründe

Die form- und fristgerecht eingelegte Berufung ist zulässig (§§ 143, 144, 151 Sozialgerichtsgesetz – SGG) und im Sinne einer Zurückverweisung des Rechtsstreits an das SG begründet. Das SG hat vorliegend in dem verbundenen Verfahren S 13 AS 608/16 nicht in der Sache entschieden, obwohl der Klage ein Rechtsschutzbedürfnis nicht abzusprechen war.
Das Landessozialgericht kann durch Urteil die angefochtene Entscheidung aufheben und die Sache an das Sozialgericht zurückverweisen, wenn dieses die Klage abgewiesen hat, ohne in der Sache selbst zu entscheiden (§ 159 Abs. 1 Nr. 1 SGG)
Es kann vorliegend dahinstehen, dass das SG sich bezogen auf das Verfahren S 13 AS 193/16 inhaltlich mit dem Anliegen des Klägers auseinandergesetzt hat, auch wenn nach den Gründen der Entscheidung unklar bleibt, ob es das Anliegen für unbegründet oder bereits für unzulässig hält. Eine Zurückverweisung an das SG mangels Sachentscheidung begründet sich bereits aus dem Umstand, dass es dem Akteneinsichtsbegehren, das der Kläger im hinzuverbundenen Verfahren S 13 AS 608/16 formuliert hatte, das Rechtsschutzbedürfnis, mithin die eine Sachentscheidungsvoraussetzung (vgl. hierzu eingehend: Keller in Meyer-Ladewig/ Keller/ Leitherer/ Schmidt, SGG, 12. Aufl., vor § 51 Rn. 15 bis 19), abgesprochen hat. Gegenstand dieses Verfahrens war der Antrag des Klägers auf umfassende Akteneinsicht, wie er ihn mit seiner EMail vom 26.02.2016 formuliert hatte. Dies beinhaltete nicht nur die Einsichtnahme in die Akten des Leistungsverfahrens, die an das SG übersandt worden sind, sondern vor allem die Akten des OWiG – Verfahrens, von denen sich der Kläger weitergehende Erkenntnisse über die Gründe für die Einleitung des Strafverfahrens erhofft. Vorliegend kann dahinstehen, dass bezüglich der Frage einer Akteneinsicht in die OWiG – Akten bereits ein Beschluss des Amtsgerichts W-Stadt (7 OWi …) vorliegt, denn der Beklagte hat sich im Rahmen seiner Entscheidung vom 03.03.2016 hierauf nicht berufen, sondern es (wiederholt) in der Sache abgelehnt, die beantragte Akteneinsicht, d.h. auch die in die OWiG – Akte, in den Räumlichkeiten des Beklagten zu gewähren. Entgegen seiner Darstellung im Widerspruchsbescheid vom 30.05.2016 hat der Beklagte den Kläger nicht nur auf sein Recht nach § 120 SGG hingewiesen, sondern er hat es damit zumindest auch inzident abgelehnt, die Akteneinsicht – nämlich wie beantragt in den Räumen des Beklagten – durchzuführen. Damit erweist sich die Entscheidung des Beklagten vom 03.03.2016 (idF des Widerspruchsbescheides vom 30.05.2016) als belastender Verwaltungsakt i.S.d. § 31 SGB X, weil die Regelung getroffen wird, vor allem die in den Räumen des Beklagten begehrte Akteneinsicht zu verweigern. Anlass, diesem Begehren insbesondere in Bezug auf die OWiGAkten das Rechtsschutzbedürfnis abzusprechen, bestand jedoch nicht, so dass eine Sachentscheidung veranlasst war. Allein der Hinweis des SG darauf, die Entscheidung des Beklagten, den Kläger auf die Akteneinsicht bei Gericht gemäß § 120 SGG zu verweisen, ist in diesem Zusammenhang nicht als Entscheidung in der Sache zu qualifizieren, denn nach den Gründen der Entscheidung ist nicht nachzuvollziehen, ob und an welchem Maßstab das SG das Begehren des Klägers überhaupt geprüft hat.
Das Urteil des SG vom 03.08.2016 war deshalb vollständig aufzuheben und der Rechtsstreit an das SG gemäß § 159 Abs. 1 Nr. 1 SGG zur erneuten Entscheidung zurückzuverweisen. Bei einer Zurückverweisung nach § 159 Abs. 1 Nr. 1 SGG hat der Senat sein Ermessen dahingehend auszuüben, ob er die Sache selbst entscheiden oder zurückverweisen will. Die Zurückverweisung soll die Ausnahme sein (Keller aaO § 159 Rn. 5a). In Abwägung zwischen den Interessen der Beteiligten an der Sachentscheidung sowie den Grundsätzen der Prozessökonomie hält es der Senat vorliegend für angezeigt, den Rechtsstreit insgesamt an das SG zurückzuverweisen, denn die Frage der Akteneinsicht ist in der vorliegenden Sache untrennbar mit dem Auskunftsbegehren des Klägers, das er im Verfahren S 13 AS 193/16 geltend gemacht hat, verbunden.
Insoweit wird das SG im Rahmen des neu zu eröffnenden Verfahrens zu beachten haben, dass der Beklagte mit seiner Auffassung fehl geht, § 120 SGG sperre grundsätzlich eine Anwendung des § 25 SGB X. Allein im Wortlaut der Regelung findet diese Auffassung keine Stütze. Ein Anspruch auf Akteneinsicht nach § 25 Abs. 1 SGB X besteht nach dem Zweck der Vorschrift zwar nur während eines Verwaltungsverfahrens; für dessen Ende ist jedoch auf die Unanfechtbarkeit des Verwaltungsaktes abzustellen (vgl. Rombach in: Hauck/Noftz, SGB, 12/13, § 25 SGB X mwN), womit auch während eines gerichtlichen Verfahrens, das sich an ein Verwaltungsverfahren anschließt, der Anspruch auf Akteneinsicht gegenüber der Behörde fortbesteht. Ob damit dem Kläger die Akteneinsicht in der von ihm geforderten Form zu gewähren ist, ist aber noch nicht geklärt. Vorab wird der Kläger zu konkretisieren haben, welchen EMail- Verkehr er einzusehen wünscht (Punkt 4 des Antrages), soweit er nicht als Absender und Empfänger betroffen ist, denn EMails, die ausschließlich Belange Dritter betreffen, dürften nicht Gegenstand seines Anliegens sein. Nachfolgend wird das SG zu klären haben, ob und in welcher Weise die vom Kläger geforderte Einsichtnahme in die elektronisch geführten Unterlagen ermöglicht werden kann (Punkte 1.1, 2. und 3. des Antrages), sofern es sich hierbei nicht um Entwürfe iSd § 25 Abs. 1 Satz 2 SGB X handelt. Erst nachdem geklärt ist, auf welche Unterlagen sich die Akteneinsicht bezieht und in welcher Form dem Kläger technisch Zugriff gewährt werden kann, ist eine Statthaftigkeit und Begründetheit des Akteneinsichtsgesuches zu prüfen. Hierbei wird zu differenzieren sein zwischen der Leistungsakte (Punkte 5 und 5.1 des Antrages) und der OWiGAkte (Punkte 1. und 1.2 des Antrages). In Bezug auf eine Einsichtnahme in die Leistungsakte wird das SG zu prüfen haben, ob einer derartigen Klage § 56a SGG entgegensteht, denn der Kläger hat geltend gemacht, die Akteneinsicht zu benötigen, um seine Rechte im Klageverfahren S 13 AS 193/16 in Bezug auf den Bescheid vom 13.11.2015 (idG des Widerspruchsbescheides vom 09.02.2016) wahrnehmen zu können. Hinsichtlich der OWiGAkte wird das SG zu klären haben, ob und in welcher Weise der Beschluss des Amtsgerichts W-Stadt (7 OWi …) einer Entscheidung einer Sachentscheidung entgegenstehen kann. Erst nach Klärung dieser Vorfragen wird das SG Anlass dazu haben in eine Sachprüfung einzutreten, wobei auch hier wohl zu differenzieren sein wird, denn bezogen auf die Leistungsakte ist das Verwaltungsverfahren im Hinblick auf das gerichtliche Verfahren (S 13 AS 193/16) noch nicht abgeschlossen (vgl. bereits oben), so dass § 25 SGB X einen Anspruch auf Akteneinsicht vermittelt, wohingegen bezüglich der OWiG Akte kein offenes Verfahren zu erkennen ist, so dass der Kläger allenfalls einen (beschränkten) Anspruch auf eine ermessensfehlerfreie Entscheidung des Beklagten haben dürfte (vgl. hierzu Rombach aaO mwN). Zuletzt wird in diesem Zusammenhang zu prüfen sein, ob der Kläger, soweit ein Anspruch nach § 25 SGB X auf Akteneinsicht besteht, aus der Regelung einen Anspruch auf eine bestimmte Art und Weise der Akteneinsicht – vorliegend den Ort – ableiten kann, oder ob die Entscheidung über die Art und Weise der Durchführung im pflichtgemäßen Ermessen des Beklagten als Verantwortlichem für die Durchführung des Verwaltungsverfahrens liegt.
Darüber hinaus sieht der Senat von einer Entscheidung im hinzuverbundenen Rechtsstreits S 13 AS 193/16 ab, denn vorliegend erscheint eine Zurückverweisung des Rechtsstreites insgesamt geboten, auch wenn sich das SG – zumindest in Teilen – mit der Problematik der vom Kläger aufgeworfenen Fragestellungen auseinandergesetzt hat. Insoweit ließe sich eine Zurückverweisung zwar nicht allein aufgrund einer fehlenden Sachentscheidung begründen, jedoch legt der Umfang der erstinstanzlichen Begründung einen Verfahrensfehler (iSd § 123 SGG) dergestalt nahe, dass nicht über alle geltend gemachten Ansprüche des Klägers entschieden wurde, nachdem das SG letztlich nur auf die Frage der Zuständigkeit des Beklagten als Auskunftsstelle iSd § 15 SGB I eingegangen ist, die auch der Beklagte in seinem Widerspruchsbescheid allein thematisiert und damit das Anliegen des Klägers im Ergebnis vollständig ignoriert hat. Auch erscheint das Auskunftsanliegen des Klägers untrennbar mit dem Antrag auf Akteneinsicht verbunden, denn beide Klageverfahren zielten im Wesentlichen darauf ab, Informationen zu den Vorgängen um die Strafanzeige aus dem Jahr 2013 zu erhalten. Soweit sowohl der Beklagte als auch das SG im Kern thematisiert haben, ein Jobcenter sei keine Auskunftsstelle i.S.d. § 15 SGB I, ist dies im Ergebnis zwar zutreffend, jedoch verfehlt diese Begründung die vorliegende Problematik im Wesentlichen. Sowohl der Beklagte als auch das SG verkennen, dass das Auskunftsbegehren des Klägers unter allen denkbaren Aspekten zu prüfen war, die den Beklagten nicht nur als Auskunftsstelle i.S.d. § 15 SGB I, sondern auch als Sozialleistungsträger (i.S.d. § 12 SGB I) bzw. als Behörde (i.S.d. § 1 IFG) die amtliche Informationen vermitteln kann, in die Pflicht nimmt, auf Anfragen des Klägers zu reagieren. In diesem Zusammenhang ist zudem darauf hinzuweisen, dass für einen (allein) auf das IFG gestützten Auskunftsanspruch i.d.R. der Rechtsweg zu den Verwaltungsgerichten eröffnet ist (vgl. BVerwG, Vorlagebeschluss vom 15. Oktober 2012 – 7 B 2/12 – juris). Das SG wird nunmehr zu prüfen (und darzulegen) haben, ob die vom Kläger geforderten Informationen unter den Begriff Sozialdaten (i.S.d. § 67 SGB X) fallen, denn dies ist bislang lediglich behauptet worden, ohne aber darzulegen, aus welchen Gründen eine eventuell vorhandene Aufzeichnung des Beklagten zu den Vorgängen in den Jahren 2012 und 2013 nicht unter diesen Begriff fallen sollten. Gleiches hat zu gelten, soweit der Kläger sein Begehren auf das IFG stützen will. Dieses findet nämlich auf den Beklagten als gemeinsame Einrichtungen iSd § 50 Abs. 4 Satz 2 SGB II Anwendung. In diesem Zusammenhang wird das SG zu beachten haben, dass die Geltendmachung eines Auskunftsanspruches nach dem IFG lediglich dann unstatthaft ist, soweit die geforderte Auskunft bereits erteilt ist, wofür bezüglich der Frage 3 gewisse Anhaltspunkte sprechen, nachdem der Beklagte dem Kläger am 04.07.2016 auf eine Anfrage mitgeteilt hat, es gebe keine statistischen Daten bezüglich der Laufzeiten der OWiGVerfahren. Darüber hinaus wird zu klären sein, ob Aufzeichnungen der Beklagten zu den vom Kläger aufgeworfenen Fragen 1, 2 und 4 vorliegen, die gegebenenfalls als amtliche Informationen i.S.d. § 1 IFG zu qualifizieren wären, wobei ein Auskunftsanspruch allenfalls denkbar erscheint, soweit die vom Kläger geforderte Information auf einem Informationsträger elektronisch, optisch, akustisch oder anderweitig gespeichert ist, nicht jedoch sofern diese Informationen erst noch, z.B. in Form eines noch fertigenden Aktenvermerkes, zu beschaffen wären. Bislang findet sich hierzu nach Lage der Akten aber nichts. Insbesondere lässt sich die Behauptung des Beklagten, er habe die vom Kläger aufgeworfenen Fragen bereits beantwortet, nicht nachvollziehen, denn nach Lage der Akten ist nicht ersichtlich wann, in welcher Form und mit welchem Inhalt der Kläger Informationen zu seinem Auskunftsbegehren erhalten hat, so dass das SG im Ergebnis zu klären haben wird, ob der Beklagte schriftliche (oder sonstige) Aufzeichnungen zu den vom Kläger aufgeworfenen Fragestellungen hat.
Das SG wird im Rahmen der erneuten Entscheidung über die Kosten insgesamt zu befinden haben (vgl. dazu Leitherer in Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer/Schmidt, SGG, 12. Aufl., § 193 Rn. 2a).
Gründe, die Revision gemäß § 160 Abs. 2 Nr. 1 und 2 SGG zuzulassen, liegen nicht vor.


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