IT- und Medienrecht

Auskunftsanspruch der Presse gegen eine Krankenkasse

Aktenzeichen  M 10 K 17.670

Datum:
18.1.2018
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
AfP – 2018, 182
Gerichtsart:
VG
Gerichtsort:
München
Rechtsweg:
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Normen:
BayPrG Art. 4
BayVwVfG Art. 25

 

Leitsatz

1 Das Auskunftsverlangen muss sich auf einen bestimmten Tatsachenkomplex beziehen. Anspruch besteht dann auf Mitteilung von Fakten. Nicht gefordert werden kann, bekannte Tatsachen zu kommentieren oder sonst zu bewerten.  (Rn. 23) (redaktioneller Leitsatz)
2 Die Behörde kann den auskunftsberechtigten Redakteur darauf verweisen, sich die Informationen aus allgemein zugänglichen Quellen (zB das Internet) zu beschaffen, soweit dies zumutbar ist. (Rn. 23) (redaktioneller Leitsatz)
3 Aus der in Art. 25 BayVwVfG geregelten Beratungspflicht folgt, dass – erscheint der Behörde eine Frage unpräzise – sie die Pflicht hat, beim Auskunftsberechtigten zunächst um Präzisierung zu bitten. (Rn. 23) (redaktioneller Leitsatz)
4 Der Verweis auf Paragraphenketten in verschiedenen Bundesgesetzen zur Beantwortung einer Frage ist auch für einen mit Krankenkassen-Themen vertrauten Redakteur unzumutbar. (Rn. 31) (redaktioneller Leitsatz)

Tenor

I. Soweit der Rechtsstreit für erledigt erklärt wurde, wird das Verfahren eingestellt.
II. Es wird festgestellt, dass die Beklagte verpflichtet war, dem Kläger zu 2) alle Fragen im Fragebogen (Anlage K 1) – mit Ausnahme der Fragen A 1, A 2, B 3, G 1 und G 2 – zu beantworten. Im Übrigen werden die Klagen abgewiesen
III. Von den Kosten des Verfahrens tragen die Klägerin zu 1) die Hälfte, der Kläger zu 2) und die Beklagte je ein Viertel.
IV. Die Kostenentscheidung ist vorläufig vollstreckbar. Der jeweilige Kostenschuldner darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung oder Hinterlegung in Höhe des vollstreckbaren Betrags abwenden, wenn nicht der jeweilige Kostengläubiger vorher Sicherheit in gleicher Höhe leistet.

Gründe

Das Gericht entscheidet mit Einverständnis der Beteiligten ohne weitere mündliche Verhandlung, § 101 Abs. 2 VwGO.
1. Die Beteiligten streiten über einen Auskunftsanspruch nach dem Bayerischen Pressegesetz (BayPrG). Gemäß Art. 4 Abs. 1 BayPrG hat die Presse gegenüber Behörden ein Recht auf Auskunft. Sie kann es nur durch Redakteure oder andere von ihnen genügend ausgewiesene Mitarbeiter von Zeitungen oder Zeitschriften ausüben. Es kann nur gegenüber dem Behördenleiter und den von ihm Beauftragten geltend gemacht werden (Art. 4 Abs. 2 Satz 1 BayPrG). Nach Art. 4 Abs. 2 Satz 2 BayPrG darf die Auskunft nur verweigert werden, soweit auf Grund beamtenrechtlicher oder sonstiger gesetzlicher Vorschriften eine Verschwiegenheitspflicht besteht. Über die in Art. 4 Abs. 2 Satz 1 BayPrG genannten Verschwiegenheitspflichten hinaus ist ein Auskunftsverweigerungsrecht im bayerischen Pressegesetz nicht vorgesehen (vgl. BayVGH, B.v. 13.8.2004 – 7 CE 04.1601 – juris Rn. 17).
Die Behörden haben grundsätzlich über sämtliche Angelegenheiten Auskunft zu erteilen (Burkhardt in Löffler, Presserecht, 6. Auflage, § 4 Rn. 12). Dass die Behörde Einwände gegen die Form der Berichterstattung in der Presse hat, ist kein berechtigter Grund, eine Auskunft zu verweigern. Gegen aus ihrer Sicht falsche Presseberichte kann sie gegebenenfalls im Rahmen einer Gegendarstellung (Art. 10 BayPrG) bzw. mittels zivilrechtlicher Ansprüche (z.B. auf Unterlassung) vorgehen.
Das Auskunftsverlangen muss sich auf einen bestimmten Tatsachenkomplex beziehen. Hinsichtlich eines solchen Komplexes besteht Anspruch auf Mitteilung von Fakten. Nicht gefordert werden kann, bekannte Tatsachen zu kommentieren oder sonst zu bewerten. Wird eine Auskunft über sogenannte innere Tatsachen, d.h. Absichten, Motive und sonstige Überlegungen, erbeten, kann die Behörde diese nur erteilen, wenn diese inneren Vorgänge sich in irgendeiner Form im amtlichen Raum manifestiert haben. Fehlt es an der Manifestation, besteht kein Auskunftsanspruch (Burkhardt, a.a.O., § 4 Rn. 85). Der Inhalt der von der Behörde erteilten Auskunft muss sachgerecht, vollständig und wahr sein (Burkhart, a.a.O., § 4 Rn. 90). Auf eine bestimmte Form der Auskunftserteilung besteht kein Anspruch (Burkhardt, a.a.O., § 4 Rn. 87 m.N. zur Rspr.). Art und Weise der Auskunftserteilung liegen grundsätzlich im Ermessen der Behörde. Die Auskunft ist in pressegeeigneter Form zu erteilen (OVG Münster, U.v. 18.12.2013 – 5 A 413/11 – AfP 2014, 181). Die Form muss sachgerecht sein (Burkhardt, a.a.O. § 4 Rn. 87). Die Behörde kann den auskunftsberechtigten Redakteur darauf verweisen, sich die Informationen aus allgemein zugänglichen Quellen zu beschaffen, soweit dies zumutbar ist. Wenn die Informationen bereits im Internet verfügbar sind, bedarf es nicht der Durchsetzung eines Informationsrechts. Die Behörde muss dem Auskunftsberechtigten aber mitteilen, wo er die Informationen findet, wenn dieses Auffinden Schwierigkeiten macht (s. hierzu die Kommentierung zu § 9 Abs. 3 IFG – Informationsfreiheitsgesetz – bei Brink/Wirtz, Praxis der Kommunalverwaltung, § 9 unter 6., bei beck-online). Die Behörde hat eine Beratungspflicht aus Art. 25 BayVwVfG. Dies bedeutet, dass – erscheint der Behörde eine Frage unpräzise – sie die Pflicht hat, beim Auskunftsberechtigten zunächst um Präzisierung zu bitten. Wenn die Behörde bei der Beantwortung einer Frage auf ihrer Veröffentlichungen im Internet verweist, ist dies eine ausreichende Beantwortung der Frage, wenn die Internetinformation für den konkreten Auskunftsberechtigten (hier: Redakteur, der seit Jahren mit dem Thema Krankenkassen und deren Leistungen vertraut ist) leicht zu finden ist. Durch den Verweis auf ihre im Internet veröffentlichten Informationen und ihre im Internet veröffentlichte Satzung macht die Behörde zudem deutlich, dass diese Informationen aktuell sind und der Auskunftsberechtigte hier die Antworten finden kann, die den Tatsachen entsprechen. Hat der Auskunftsberechtigte konkrete Zweifel an den Aktualität der Informationen, auf die die Behörde verwiesen hat, so muss er diese Zweifel substantiieren. Hat er Fragen zu Satzungsänderungen, die beschlossen wurden aber noch nicht gelten, so muss er diese Fragen präzisieren und auf den Beschluss Bezug nehmen.
Vorauszuschicken ist für den vorliegenden Fall zudem, dass die Satzung der Beklagten im Internet leicht zugänglich ist (Satzung der … … – die Gesundheitskasse, gültig ab 1. Januar 2002, aktuell in der Fassung des 50. Nachtrags). Viele der von den Klägern gestellten Fragen lassen sich durch Einsichtnahme in die Satzung finden. Die Satzung verfügt über ein Inhaltsverzeichnis und 41 Paragrafen, die Überschriften haben wie z.B. „§ 1 Name, Sitz und Bezirk“ oder „§ 10h Künstliche Befruchtung“ oder „§ 41 Inkrafttreten“. § 41 Abs. 2 der Satzung bestimmt folgendes: Änderungen und Neufassungen der Satzung treten, sofern kein anderer Zeitpunkt bestimmt ist, am Tag nach ihrer Bekanntmachung in Kraft. Nach § 40 Abs. 1 der Satzung sind Bekanntmachungen mindestens zwei Wochen in den Geschäftsräumen der … öffentlich auszuhängen und auf der eigenen Internetpräsenz der … – www. …de/bayern – zu veröffentlichen. Insbesondere bei den Leistungen sind die Satzungsbestimmungen differenziert ausgestaltet und enthalten beispielsweise Regelungen für „begründete Ausnahmefälle“. Hieraus folgt, dass eine Ja- oder Nein-Antwort auf eine einzelne Frage nach einer Leistung nicht immer sinnvoll und möglich erscheint. Zudem liegt das „wie“ der Auskunftserteilung – wie oben ausgeführt – im pflichtgemäßen Ermessen der Behörde.
a) Die Kläger haben mit Schriftsatz vom 25. Juli 2017 den Rechtsstreit hinsichtlich der Fragen B 4, B 6 und C 5 (3 Fragen) für erledigt erklärt. Die Beklagte hat dieser Teilerledigungserklärung mit Schriftsatz vom 21. Dezember 2017 zugestimmt. Insoweit war das Verfahren in entsprechender Anwendung des § 92 Abs. 3 VwGO einzustellen.
b) Die Klage ist – soweit sie nicht für erledigt erklärt wurde – zum überwiegenden Teil unzulässig. Soweit die Beklagte die Fragen der Kläger beantwortet hat und die Kläger den Rechtsstreit insoweit nicht für erledigt erklärt haben, fehlt der Klage bereits das Rechtsschutzbedürfnis. Zudem fehlt das Rechtsschutzbedürfnis dort, wo gar keine Frage gestellt worden war. Hier auf eine Beantwortung der Frage zu klagen, ist nutzlos und daher rechtsmissbräuchlich. Das Gericht geht – ausgehend von der Stellungnahme der Beklagten im Schriftsatz vom 26. Mai 2017 und der dortigen Gliederung – von 58 „Fragen“ aus (zum Teil mit Unterfragen), von denen inzwischen drei unstreitig beantwortet und für erledigt erklärt wurden. Für die restlichen 55 hatte das Gericht zu klären, inwieweit sie beantwortet wurden bzw. überhaupt zu beantworten waren.
aa) Der Punkt „A – Kontaktdaten des Fragebogen-Bearbeiters“ mit den Ziffern 1. und 2. beinhaltet keine Fragen. Zum einen ist schon kein Fragezeichen zu finden. Zum anderen werden die Angaben (Name der Kasse, Ansprechpartner für Rückfragen mit Vorname, Name, Funktion, Telefon, E-Mail) bei natürlicher Betrachtungsweise erbeten zur Vereinfachung der „Krankenkassen-Umfrage“ der Kläger, es handelt sich also um Angaben zum Verfahren. Ein Auskunftsverlangen im Sinne des Presserechts und im Sinne von echten Fragen zum sachlichen Zuständigkeitsbereich der Behörde ist hier nicht erkennbar.
bb) Beantwortet hat die Beklagte nach Klageerhebung mit Schriftsatz vom 26. Mai 2017 folgende Fragen (über die Fragen B 4, B 6 und C 5 hinaus, s.o.): B 1, B 2, B 7, C 1, C 2, C 3, C 7, D 1, D 2, D 3, D 4 und D 5. Beim Punkt Leistungen (E) sind alle Fragen beantwortet. Ebenso hat die Beklagte aus Sicht des Gerichts alle Fragen unter dem Punkt „Digitale Services“ (F) beantwortet, ebenso unter „Infotelefon für Interessenten, Internetadresse und Satzung (H). Auf den ersten Blick unbeantwortet erscheint C 6 zu „Erinnerungsservices“. Allerdings wird die Frage unter F nochmals gestellt und dann beantwortet durch Verweis auf die Anlage B 5, in der sich der Hinweis auf die …-App „…-Vorsorge“ findet, die dem Anwender offensichtlich einen Erinnerungsservice bzgl. Vorsorgeuntersuchungen liefert. Somit ist auch C 6 beantwortet. Die Frage C 4 erscheint auf den ersten Blick unbeantwortet, da die Beklagte hierzu ausführt, die Frage sei unpräzise. Sie stellt hierzu verschiedene Nachfragen zu den Begriffen „bei Schwierigkeiten“, „wohnortnaher Arzt“, Arzt „aus allen Fachrichtungen“ usw. Da die Frage auch dem Gericht unpräzise erscheint, waren die Nachfragen der Beklagten sinnvoll und im Rahmen ihrer Beratungspflicht (s.o.) auch angebracht. Es wäre nun an dem Kläger zu 2) als Auskunftsberechtigtem gelegen, die Frage nochmals genauer zu stellen, um der Behörde die Möglichkeit zu geben, die Frage zu beantworten. Die Kläger haben zwar hierzu im Schriftsatz vom 25. Juli 2017 zu ihrer Meinung, die Frage sei präzise, näher ausgeführt. Eine neu formulierte Frage fehlt aber. Somit hat die Beklagte diese Frage bisher ausreichend beantwortet. Bei der Frage B 1 scheint der zweite Teil der Frage unbeantwortet zu sein. Die Frage lautet: „Wenn Kasse geschlossen: Öffnung in 2017 geplant?“ Sollte sich diese Frage auf unternehmensbezogene Krankenkassen beziehen, wäre die Beklagte als allgemeine Krankenkasse gar nicht angesprochen. Sollte sich die Frage auf eine regionale Ausweitung beziehen, wäre sie beantwortet, da die Beklagte unter B 1, erster Teil, ausgeführt hat, dass eine solche unzulässig wäre.
Insgesamt hat die Beklagte damit nach Klageerhebung über 50 Fragen (zum Teil mit Unterfragen) beantwortet, für die die Kläger jedoch den Rechtsstreit nicht für erledigt erklärt haben. Insoweit fehlt der Klage das Rechtsschutzbedürfnis. Sie ist insoweit als unzulässig abzuweisen.
c) Nicht beantwortet wurden die Fragen B 3 und B 5 sowie der gesamte Fragenkomplex G („Gesundheitspolitik“). Der Fragenkomplex G fragt die Meinung der Beklagten zum Gesundheitssystem der Bundesrepublik Deutschland und zu Beschlüssen und Plänen der Bundesregierung im Bereich der Gesundheitspolitik ab. Dies betrifft keine Tatsachen. Die Beklagte musste die Fragen zu „G“ nicht beantworten. Eine Ausnahme könnte sich dann ergeben, wenn sich die Meinung der Beklagten insoweit bereits im amtlichen Raum manifestiert hätte, wenn sie z.B. in einem Gesetzgebungsverfahren, das die gestellten Fragen zumindest teilweise betrifft, eine schriftliche Stellungnahme abgegeben oder sich in Erklärungen, Interviews oder Artikeln in den Medien hierzu geäußert hätte. Dies ist hier weder von den Beteiligten vorgetragen noch sonst ersichtlich. Die Frage B 3 ist eine Prognosefrage und damit nicht vom Auskunftsanspruch umfasst. Eine Prognose ist keine Frage zu einer Tatsache.
Somit bleibt als Zwischenergebnis zunächst festzustellen, dass nur eine einzige Frage bis jetzt unbeantwortet blieb, die die Beklagte grundsätzlich hätte beantworten müssen, nämlich die Frage B 5. Hier stellen die Kläger folgende Frage: Welche Aufsicht ist für Ihre Kasse zuständig? Die Beklagte beantwortet die Frage wie folgt: „Die Aufsicht der Beklagten ergibt sich aus den gesetzlichen Vorschriften. Wir verweisen insofern auf §§ 87 ff. SGB IV, §§ 78, 214, 217 d SGB V.“ Dieser Verweis auf jeweils eine Paragraphenkette in zwei verschiedenen Bundesgesetzen (SGB IV und SGB V) ist auch für einen mit Krankenkassen-Themen vertrauten Redakteur unzumutbar. Zudem ist er nicht hilfreich. Es fehlt die einschlägige Landesnorm. Allein aus Bundesrecht kann sich nicht die für die Beklagte zuständige Landesaufsicht ergeben. Die zitierten Paragraphen führen hinsichtlich der gestellten Frage in die Irre und ins Leere. Tatsächlich ergibt sich die zuständige Aufsichtsbehörde aus dem Gesetz zur Ausführung der Sozialgesetze vom 8. Dezember 2006 (AGSG) als bayerische Landesnorm. Gemäß Art. 7 Abs. 1 AGSG ist für die Sozialversicherung das Staatsminsterium die zuständige oberste Landesbehörde, soweit nicht Abs. 2 und 3 etwas anderes bestimmen. Oberste Verwaltungsbehörde im Sinne des Fünften (SGB V) und Elften Buches Sozialgesetzbuch (SGB XI) und anderer die gesetzliche Kranken- und Pflegeversicherung betreffender Vorschriften ist das Staatsministerium für Gesundheit und Pflege (Art. 7 Abs. 2 AGSG). Somit ist „das Bayerische Staatsministerium für Gesundheit und Pflege“ die Antwort, die die Beklagte hier zu erteilen hat. Diese Antwort findet sich im Übrigen auch auf den Internetseiten der Beklagten und könnte auch mit einem Ausdruck der betreffenden Seite gegeben werden, wie die Beklagte es in ihren Anlagen zum Schriftsatz vom 26. Mai 2017 bei anderen Fragen teilweise gehandhabt hat. Unverständlich ist, warum die Beklagte hier auf Paragraphenketten in zwei Bundesgesetzen verweist anstatt die zuständige Landesbehörde zu benennen.
d) Die Beklagte muss diese Antwort dem Auskunftsberechtigten geben. Dies ist hier der Kläger zu 2) als Redakteur. Das bayerische Pressegesetz formuliert eindeutig in Art. 4 Abs. 1 Satz 2, dass die Presse ihr Auskunftsrecht nur durch Redakteure oder andere von ihnen genügend ausgewiesene Mitarbeiter von Zeitungen oder Zeitschriften ausüben kann. Verlage sind hier nicht genannt. Die von den Klägern zitierte Kommentierung, wonach der Kreis der Auskunftsberechtigten weit zu fassen sei und auch Verleger und Herausgeber erfasse, bezieht sich auf das Urteil des BGH vom 10.2.2005 – III ZR 294/04 – juris. Hier war Rechtsgrundlage § 4 Abs. 1 NdsPresseG, also ein niedersächsisches Gesetz. Nach diesem Gesetz sind die Behörden verpflichtet, den Vertretern der Presse die der Erfüllung der öffentlichen Aufgabe dienenden Auskünfte zu erteilen. Der Gesetzeswortlaut enthält hier gerade keine Einschränkung hinsichtlich der Auskunftsberechtigten wie sie im bayerischen Pressegesetz zu finden ist. Aufgrund des eindeutigen Wortlauts des Art. 4 Abs. 1 Satz 2 BayPrG ist nach Auffassung des Gerichts nur der Kläger zu 2) als Redakteur des … auskunftsberechtigt. Die Klage der Klägerin zu 1), einer Verlags GmbH, ist schon deshalb abzuweisen, weil sie nicht auskunftsberechtigt ist.
e) Die … als gesetzliche Krankenkasse und laut ihrer Satzung eine rechtsfähige Körperschaft des öffentlichen Rechts mit Selbstverwaltung (§ 1 Abs. 3 ihrer Satzung) ist eine Behörde im Sinne des Art. 4 BayPrG und damit Informationsverpflichtete.
f) Somit wäre die Klage im Hauptantrag, soweit sie zulässig ist, insoweit begründet, als die Beklagte dem Kläger zu 2) die Antwort auf die Frage B 5 in dem als Anlage K 1 vorgelegten Fragebogen beantworten müsste. Da sich die Antwort auf diese Frage schon aus diesem Urteil ergibt (Aufsichtsbehörde der Beklagten ist das Bayerische Staatsministerium für Gesundheit und Pflege in München, s. Art. 7 AGSG), ist vom Gericht insoweit keine Verpflichtung der Beklagten mehr auszusprechen. Dies wäre sinnlose Förmelei.
2. Da die Kläger im Hauptantrag unterlegen sind, ist der Hilfsantrag zu prüfen. Insoweit haben die Kläger zum überwiegenden Teil Erfolg.
a) Der Hilfsantrag ist als Fortsetzungsfeststellungsklage gemäß § 113 Abs. 1 Satz 4 VwGO zulässig. Zwar handelt es sich bei dem Hauptantrag der Kläger nicht um eine (erledigte) Anfechtungsklage, sondern um eine allgemeine Leistungsklage. Aber auch hier ist § 113 Abs. 1 Satz 4 VwGO entsprechend anwendbar (BayVGH, U.v. 14.1.1991 – 2 B 90.1756 – BayVBl. 1992, 310; str., s. hierzu Eyermann, VwGO, 14. Aufl. 2014, § 113 Rn. 106). Da die Kläger mindestens jährlich eine Krankenkassenumfrage durchführen, was belegt und unstreitig ist, und die Beklagte im Vorfeld dieses Rechtsstreits die Beantwortung aller Fragen für 2017 abgelehnt hatte, für die nächsten Jahre aber neue Fragenkomplexe der Kläger – gerichtet auch an die Beklagte – zu erwarten sind, besteht ein Feststellungsinteresse, da eine Wiederholungsgefahr besteht (zur Wiederholungsgefahr als berechtigtes Interesse s. Eyermann, VwGO, Kommentar, 14. Aufl., § 113 Rn. 86a, 102).
b) Der Hilfsantrag der Klägerin zu 1) ist schon deshalb abzuweisen, da sie als Verlags GmbH nicht auskunftsberechtigt ist (s.o.).
c) Der Hilfsantrag des Klägers zu 2) ist zum größten Teil begründet. Die Haltung der Beklagten, die Beantwortung der Fragen vorprozessual zu verweigern, da ihr die Berichterstattung der Kläger missfällt, ist in weiten Teilen rechtswidrig. Gemäß Art. 4 Abs. 1 BayPrG hat sie dem Kläger zu 2) Auskunft zu erteilen. Ein Auskunftsverweigerungsrecht nach Art. 4 Abs. 2 BayPrG ist für die hier relevanten Fragen nicht ersichtlich. Da die Beklagte Auskunft nur zu Tatsachen geben muss, muss sie ihre Meinung zur Gesundheitspolitik und dem Gesundheitssystem nicht mitteilen (Fragenkomplex G). Sie muss aber alle Fragen beantworten, die sich auf Tatsachen beziehen. Hierbei darf sie auf ihre Satzung und ihre Informationen im Internet verweisen, soweit diese für den Kläger zu 2) als mit dem Thema vertrauten Redakteur leicht zu finden sind und sich die exakte Antwort auf die einzelne Frage tatsächlich finden lässt. Hier ist zu differenzieren: Fragen zum Leistungsumfang der Krankenkasse oder zu ihrem Sitz lassen sich leicht in der Satzung finden. Bei anderen Fragen führt der pauschale Verweis auf die Satzung eher ins Leere. Dies zeigt die Antwort auf die Frage D 5, die lautet: „Sind alle Wahltarife von der Rechtsaufsicht genehmigt?“. Hier antwortet die Beklagte im Verfahren: „Diese Frage kann durch Einsicht in die Satzung der Beklagten beantwortet werden. Die Satzung wiederum ist im Internet abrufbar, Anlage B 3. Vorsorglich bestätigen wir, dass die Wahltarife alle von der zuständigen Aufsichtsbehörde genehmigt worden sind.“ Hier ist nur die „vorsorgliche Antwort“ die passende Antwort, denn die Frage der Kläger bezog sich nicht darauf, ob in der Satzung Wahltarife zu finden sind, sondern ob alle genehmigt wurden. Die Aufsichtsbehörde genehmigt nach Verständnis des Gerichts durch ein entsprechendes Genehmigungsschreiben. Also hat die Beklagte dementsprechend präzise zu antworten und kann nicht – was bei anderen Fragen zulässig sein mag – reflexartig auf die Regelungen ihrer Satzung verweisen.
Unklare Fragen darf die Beklagte als solche bezeichnen. Sie muss insoweit im Rahmen ihrer behördlichen Beratungspflicht (Art. 25 VwVfG) nachfragen und den Redakteur auffordern, eine klare Frage statt der unklaren Frage zu stellen. Angaben, die sie zur Verfahrenserleichterung machen soll, die aber gar keine Fragen sind, wie etwa die E-Mail des Sachbearbeiters, kann sie machen, muss sie aber nicht. Da die Beklagte vorprozessual pauschal alle Antworten abgelehnt hat, war dieses Verhalten rechtswidrig, soweit es sich auf Fragen zu Tatsachen bezog, also alle Fragen bis auf A 1 und A 2 (keine Fragen), B 3 (Prognosefrage) und G 1 und G 2 (Meinungen). Dies war im Rahmen des Feststellungsantrags vom Gericht festzustellen.
Wenn es Fragen zu Satzungsänderungen gibt, die beschlossen wurden, aber noch nicht bekannt gemacht worden sind, so sind diese entsprechend eindeutig zu beantworten – vorausgesetzt, die Frage bezieht sich konkret überhaupt auf einen solchen Sachverhalt. Unter den im Fragebogen der Anlage K 1 gestellten Fragen ist keine solche Frage ersichtlich.
3. Hinsichtlich der Kosten des wegen Erledigung eingestellten Teils des Verfahrens ist gemäß § 161 Abs. 2 VwGO nach billigem Ermessen unter Berücksichtigung des bisherigen Sach- und Streitstands zu entscheiden. Billigem Ermessen entspricht es in der Regel, demjenigen Beteiligten die Verfahrenskosten aufzuerlegen, der ohne die Erledigung voraussichtlich unterlegen wäre oder der die Erledigung des Rechtsstreits aus eigenem Willensentschluss herbeigeführt hat (BeckOK VwGO/Zimmermann-Kreher, VwGO § 161 Rn. 12-17 m.w.N.). Nach diesen Maßgaben hätten vorliegend die Klägerin zu 1) und die Beklagte insoweit die Verfahrenskosten hälftig zu tragen, da die Klägerin als nicht Auskunftsberechtigte ohne die Erledigung voraussichtlich unterlegen wäre. Der Kläger zu 2) hätte voraussichtlich ohne die Beantwortung der Fragen B 4, B 6 und C 6 den Rechtsstreit insoweit gewonnen. Was den nicht eingestellten Teil des Rechtsstreits anbelangt, war der Hauptantrag der Kläger abzuweisen, da die Klage zum Teil unzulässig war, die Klägerin zu 1) nicht Auskunftsberechtigte ist und sich für die einzige Frage, die die Beklagte bisher nicht beantwortet hat, die erbetene Auskunft aus diesem Urteil ergibt, eine gerichtlich ausgesprochene Verpflichtung der Beklagten insoweit also sinnlos ist. Somit sind die Kläger hinsichtlich des Hauptantrags Unterliegende in diesem Rechtsstreit. Für den Hilfsantrag war der Klage allerdings in weiten Teilen stattzugeben, da festzustellen war, dass die Weigerung der Beklagten, die Fragen vorprozessual zu beantworten, in weiten Teilen rechtswidrig gewesen war. Dies gilt jedoch nur für den Hilfsantrag des Klägers zu 2). Da die Klägerin zu 1) nicht auskunftsberechtigt ist, war ihr Hilfsantrag abzuweisen. Unter Berücksichtigung der Regelung in § 155 Abs. 1 Satz 3 VwGO, wonach einem Beteiligten die Kosten ganz auferlegt werden können, wenn der andere nur zu einem geringen Teil unterliegt, erscheint es dem Gericht angemessen, hinsichtlich des gesamten Verfahrens einschließlich dem erledigten Teil die Hälfte der Kosten der Klägerin zu 1) aufzuerlegen, da sie als nicht Auskunftsberechtigte für ihre Klagen in jeder Hinsicht Kosten zu tragen hat. Da der Kläger zu 2) beim Feststellungsantrag im Wesentlichen Erfolg hatte, die Beklagte hier überwiegend verloren hat, und der eingestellte Teil des Verfahrens nur drei von insgesamt über 60 Fragen betrifft, erschien es dem Gericht angemessen, dem Kläger zu 1) und der Beklagten jeweils ein Viertel der Verfahrenskosten aufzuerlegen.
4. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit der Kostenentscheidung beruht auf § 167 VwGO i.V.m. §§ 708 Nr. 11, 711 ZPO.


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