IT- und Medienrecht

Auslegung eines Vertrages über die Einräumung von Nutzungsrechten

Aktenzeichen  7 O 12731/19

Datum:
12.3.2020
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
ZUM-RD – 2020, 336
Gerichtsart:
LG
Gerichtsort:
München I
Rechtsweg:
Ordentliche Gerichtsbarkeit
Normen:
UrhG § 31 Abs. 1 u. 2, § 97 Abs. 2 S. 1

 

Leitsatz

Zur Auslegung eines Vertrages über die Einräumung von Nutzungsrechten an einem Drehbuch (redaktioneller Leitsatz)

Tenor

1. Die Klage wird abgewiesen, soweit in diesem Schlussurteil noch über sie erkannt wird.
2. Die Klägerin hat die Kosten des Rechtsstreits zu tragen.
3. Das Urteil ist gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrags vorläufig vollstreckbar.
4. Der Streitwert wird bis zum 18.11.2019 auf 35.790,43 € und für die Zeit danach auf 32.722,67 € festgesetzt.

Gründe

Die zulässige Klage ist unbegründet, soweit in diesem Schlussurteil noch über sie zu entscheiden ist. Nicht Gegenstand dieses Schlussurteils ist ein Betrag in Höhe von 3.067,76 €, der Gegenstand des Teil-Anerkenntnisurteils vom 18.11.2019 ist.
A. Die Klage ist zulässig. Insbesondere ist das Landgericht München I nach §§ 12, 17 ZPO örtlich und nach § 23, 71 GVG sachlich zuständig.
B. Sie ist aber, soweit in diesem Schlussurteil noch über sie zu entscheiden ist, unbegründet. Die Klägerin hat gegen die Beklagte keinen Anspruch auf Zahlung von Schadensersatz, § 97 Abs. 2 S. 1 UrhG. Denn die Nutzung des Werks der Klägerin erfolgte nicht rechtswidrig (unter I.). Soweit die Klägerin Anspruch auf Zahlung von Wiederholungshonorar hat, hat die Beklagte Teil-Anerkenntnis erklärt. Entsprechendes Teil-Anerkenntnisurteil ist ergangen. Der entsprechende Teil der ursprünglichen Klageforderung ist daher nicht Gegenstand dieses Urteils.
I. Die unstreitige Ausstrahlung durch die Beklagte am 25. und am 28.04.2019 erfolgte nicht rechtswidrig. Denn die Beklagte hatte aus Ziffer 2.3 des Vertrags-1 (K 1) ein Recht zur einfachen Nutzung des Werks, § 31 Abs. 1, Abs. 2 UrhG.
1. Ziffer 2.3 des Vertrags-1 (K 1) vermittelt der Beklagten ein einfaches Nutzungsrecht.
2. Ziffer 2.3 des Vertrags-1 hat Bestand. Die Regelung ist nicht nur den Vertrag-2 abbedungen worden.
a. Der Vertrag-2 (K3) ist dahin zu verstehen, dass er den Vertrag-1 (K1) (nur) hinsichtlich der Nutzungsrechte für den Zeitraum bis zum 31.12.2012 abänderte, es im Übrigen aber bei der Regelung des Vertrags-1 verbleiben sollte.
Das ergibt sich schon aus der Einleitung des Vertrags-2, in dem unterstrichen wird, dass im Vertrag-1 ein Werknutzungsvertrag für die Dauer von 10 Jahren gerechnet ab Abnahme des drehfertigen Buches abgeschlossen worden war. Damit nimmt der Vertrag-2 Bezug auf Ziffer 2.2 des Vertrags-1, der die ausschließlichen Rechte zum Inhalt hat. Entgegen der Auffassung der Klägerin (S. 4, 6 Klageschrift, S. 3 Replik = Bl. 50 d. A.) stellen die Parteien durch die Bezugnahme nicht klar, dass die Nutzungsdauer 10 Jahre betragen soll, vielmehr adressiert der Vertrag-2 nur die Vertragsinhalte, für die eine 10jährige Nutzungsdauer gelten sollte – und damit die ausschließlichen Nutzungsrechte. Unerheblich ist insoweit, dass die Klägerin meint, Ziffer 2.3 des Vertrags-1, der die nicht-ausschließlichen Nutzungsrechte adressiert, ergebe keinen Sinn (S. 3 Klageschrift). Es mag sein, dass die Einräumung nicht ausschließlicher Nutzungsrechte aus klägerischer Sicht nicht zielführend war. Die Klägerin muss sich an dem schriftlich fixierten Vertrag gleichwohl festhalten lassen. Für die Beklagte verlängerte die Regelung die (einfache) Nutzungsmöglichkeit und machte insoweit durchaus Sinn.
Auch die Formulierung „im Übrigen sind die seinerzeit in dem zwischen dem B… und der R… Verlag GmbH abgeschlossenen Werknutzungsvertrag vom 22/24.03.1995 vereinbarten Wiederholungsvergütungen durch die vorgenannte Zahlung obsolet.“ spricht – entgegen der klägerischen Auffassung (S. 4/5, 7 Klageschrift, S. 3 Replik = Bl. 50 d. A.) – für das oben dargelegte Verständnis. Die Parteien gehen explizit nur auf Wiederholungsvergütungen ein. Sie befassen sich gerade nicht damit, dass der Vertrag-1 (vollständig) durch den Vertrag-2 obsolet werden sollte.
Ein anderes Verständnis drängt sich nicht aufgrund der Mitteilung der Beklagten auf, in 2001 und in Zukunft stünden keine Mittel für Wiederholungshonorare zur Verfügung (zu S. 4 Klageschrift, S. 3/4 Replik = Bl. 50/51 d. A.). Hieraus durfte der Vertreter der Klägerin nicht schließen, dass sich die Beklagte der einfachen Nutzungsrechte für die Zeit ab dem 01.01.2013 begeben wollte.
Gleiches gilt hinsichtlich der Bezugnahme auf das damals prognostizierte Ende der Fernsehnutzungsrechte der Beklagten zum Ende des Kalenderjahres 2012 (zu S. 7 Klageschrift, S. 3 Replik = Bl. 50 d. A.). Denn es war für den Vertreter der Klägerin bei einer Auslegung nach dem objektiven Empfängerhorizont eindeutig, dass das Schreiben aus dem Jahr 2000 nur die damalige Rechtelage abbilden konnte. Ob nach dem Zeitpunkt 31.12.2012 weitere Nutzungsrechte erworben werden könnten, war im Jahr 2000 schlicht nicht absehbar.
Eine andere Auslegung gebietet auch nicht der Umstand, dass der Vertrag-2 explizit die Rechteübertragung adressiert, und die Beklagte schon aufgrund des Vertrags-1 Inhaberin von Nutzungsrechten war (zu S. 2 Replik = Bl. 49 d. A.). Nach Auslegung der sprachlich nicht ganz eindeutigen Passage ergibt sich, dass die Parteien hier die Gegenleistung für die Einräumung des Nutzungsrechts durch eine Einmalzahlung (statt Wiederholungshonoraren) regeln wollten. Die Möglichkeit vertraglicher Abreden über die Gegenleistungen war den Parteien durch den Vertrag-1 unbenommen.
b. Ein anderes Auslegungsergebnis folgt auch nicht daraus, dass der Vertreter der Klägerin, wie die Klägerin meint, den Vertrag anders verstanden habe (zu S. 4 Replik = Bl. 51 d. A.). Maßgeblich für die Auslegung des Vertrags ist nach §§ 133, 157 BGB der objektive Empfängerhorizont, nicht der subjektive Empfängerhorizont. Auf das subjektive Verständnis des Vertreters kommt es daher nicht an. Ein anderes könnte nur dann gelten, wenn der Vertrag anders – nämlich entsprechend dem Verständnis des Vertreters – gelebt worden wäre. Die Kammer hat hierauf im Termin vom 30.01.2020 hingewiesen. Die Klägerin hat ihren Vortrag dahingehend aber nicht angepasst und insoweit auch keine Schriftsatzfrist beantragt.
c. Ein anderes ergibt sich auch nicht aus § 305c Abs. 2 BGB. Zwar umfasst der Vertrag-2 AGB, die augenscheinlich von der Vertreterin der Beklagten verwandt wurden. Der Vertrag-2 ist auch nicht vollkommen eindeutig formuliert. Nach der obigen Auslegung des Vertrags-2 nach dem objektiven Empfängerhorizont ist aber eindeutig und gerade nicht zweifelhaft, dass hier nur eine abweichende Regelung hinsichtlich der Nutzungsrechte und der Honorare hierfür bis zum 31.12.2012 getroffen werden sollte. Daher bleibt auch für die Anwendung der Zweifelsregelung des § 305 c Abs. 2 kein Raum.
Ebenso wenig verlangt der Umstand, dass der Vertrag-2 zumindest teilweise AGB umfasst, eine vorherige Belehrung über Bedeutung und Tragweite des Vertrags-2. Die klägerseits entsprechend postulierte Pflicht (S. 4/5 Replik = Bl. 51/52 d. A.) bezieht sich nach dem Verständnis der Kammer auf die Abgrenzung zwischen AGB und Individualvereinbarung (siehe z.B. MüKoBGB-Basedow, BGB § 305 Rn. 40 mwN; BGH NJW 2005, 2543, 2544 mwN). Daher kann dahinstehen, welche Rechtsfolge ein etwaiger Verstoß gegen eine unterstellte Belehrungspflicht zeitigen würde.
d. Eine andere Auslegung gebietet auch nicht das klägerseits in Bezug genommene Indiz, in dem Schreiben K 7 nehme die Beklagte Rekurs auf den Buy-Out-Vertrag, ohne klarzustellen, dass es sich um eine zeitlich befristete Regelung handele (zu S. 7 Klageschrift). Eine solche Klarstellung war nach vorgesagtem nicht erforderlich.
3. Nach alledem änderte der Vertrag-2 den Vertrag-1 zwar hinsichtlich der Nutzungsrechte im Zeitraum bis zum 31.12.2012 ab, ersetzte ihn im Übrigen aber nicht. Daher hatte die Beklagte auch nach dem 31.12.2012 aus Ziffer 2.3 des Vertrags-1 einfache Nutzungsrechte an dem streitgegenständlichen Werk. Die Ausstrahlungen waren daher rechtmäßig. Der Klägerin steht daher kein Schadensersatzanspruch zu. Auf die Frage, wie sich ein etwaiger Schadensersatzanspruch nach Lizenzanalogie berechnen würde, kam es daher nicht mehr an.
4. Soweit der Klägerin wegen der Ausstrahlungen im Jahr 2019 ein Wiederholungshonorar zustand, ist dies aufgrund des Teil-Anerkenntnisses und des Teil-Anerkenntnisurteils nicht Gegenstand dieses Schlussurteils. Etwaige Ansprüche nach §§ 32, 32a UrhG hat die Klägerin in diesem Verfahren nicht geltend gemacht.
II. Die Klägerin hat auch keinen Anspruch auf Verzugszinsen, § 286 Abs. 1, § 288 BGB.
1. Soweit die Klägerin keinen Zahlungsanspruch hat (siehe oben unter I.), hat sie als Nebenfolge auch keinen Anspruch auf Zahlung von Verzugszinsen.
2. Soweit die Klägerin (bis zu der erstmaligen Zahlung der Beklagten) Anspruch auf Wiederholungshonorar hatte, hat sie die Voraussetzungen der Fälligkeit des Wiederholungshonorars und somit den Beginn des Zinseinsatzzeitpunktes nicht dargetan. Eine Mahnung i.S.d. § 286 Abs. 1 BGB hat sie nicht dargetan. Eine Mahnung kann auch nicht in der Anlage K 4 gesehen werden. Soweit das Wiederholungshonorar auch nach Ziffer 3.3, der hierzu keine explizite Regelung enthält, am Tag nach der Ausstrahlung fällig geworden sein sollte, hat die Klägerin nicht dargetan, vor diesem Zeitpunkt dem B… die Änderung des Zahlungsempfängers mitgeteilt zu haben. § 286 Abs. 2 Nr. 2 BGB greift daher nicht.
C. Die Kostenentscheidung folgt aus §§ 91, 93 ZPO. Da die Beklagte schon vorgerichtlich das Wiederholungshonorar gezahlt hatte, hat die Beklagte insoweit keinen Anlass zur Klageerhebung gegeben. Das Teil-Anerkenntnis erfolgte im Rahmen der Klageerwiderung und damit „sofort“ im Sinne des § 93 ZPO. Nach oben Gesagtem ist die rechtliche Einschätzung der Beklagten, die Klägerin habe nur Anspruch auf Wiederholungshonorar, zutreffend.
D. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit folgt aus § 709 S. 2, S. 1 ZPO. Die Voraussetzungen des § 712 ZPO hat die Klägerin nicht dargetan, so dass dem Antrag der Klägerin auf Vollstreckungsschutz nicht nachzukommen war.
E. Der Streitwert war gemäß § 63 Abs. 2 GKG endgültig festzusetzen. Er entspricht der klägerischen Forderung unter Berücksichtigung des Teil-Anerkenntnisurteils.


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