IT- und Medienrecht

Beginn der Verjährung bei Wettbewerbsverstoß – Auskunfts- und Schadensersatzanspruch – konkurrierendes Handelsgewerbe – grob fahrlässige Unkenntnis – Abgrenzung – zulässige Vorbereitungshandlung – wettbewerbswidrige werbende Tätigkeit

Aktenzeichen  10 AZR 8/19

Datum:
24.2.2021
Rechtsgebiet:
Gerichtsart:
BAG
Dokumenttyp:
Urteil
ECLI:
ECLI:DE:BAG:2021:240221.U.10AZR8.19.0
Normen:
Art 2 Abs 1 GG
Art 20 Abs 3 GG
Art 12 Abs 1 GG
Art 20 Abs 2 S 2 GG
§ 133 BGB
§ 145 BGB
§ 147 BGB
§ 204 Abs 1 Nr 1 BGB
§ 214 Abs 1 BGB
§ 241 Abs 2 BGB
§ 242 BGB
§ 1 Abs 2 HGB
§ 60 Abs 1 HGB
§ 61 Abs 2 HGB
§ 74 HGB
§ 26 Abs 1 S 1 BDSG 2018
§ 64 Abs 6 S 1 ArbGG
§ 72 Abs 1 ArbGG
§ 72 Abs 5 ArbGG
§ 319 Abs 1 ZPO
§ 254 ZPO
§ 551 Abs 3 S 1 Nr 1 ZPO
§ 557 Abs 3 S 2 ZPO
§ 301 Abs 1 S 1 ZPO
§ 287 ZPO
Spruchkörper:
10. Senat

Leitsatz

Die dreimonatige Frist für die Verjährung von Ansprüchen wegen einer Verletzung des Wettbewerbsverbots nach § 60 Abs. 1 HGB beginnt über den Wortlaut des § 61 Abs. 2 HGB hinaus auch mit der Kenntnis oder grob fahrlässigen Unkenntnis des Arbeitgebers davon, dass der Arbeitnehmer ein konkurrierendes Handelsgewerbe betreibt.

Verfahrensgang

vorgehend ArbG Iserlohn, 24. Februar 2016, Az: 3 Ca 2604/13, Urteilvorgehend Landesarbeitsgericht Hamm (Westfalen), 20. März 2018, Az: 14 Sa 778/16, Urteil

Tenor

1. Die Revision der Klägerin gegen das Teilurteil des Landesarbeitsgerichts Hamm vom 20. März 2018 – 14 Sa 778/16 – wird zurückgewiesen.
2. Das Teilurteil des Landesarbeitsgerichts Hamm vom 20. März 2018 – 14 Sa 778/16 – wird mit Blick auf den Ausspruch in Nr. 2 zur Klarstellung ergänzt.
Die Berufung wird insgesamt zurückgewiesen, soweit es um Zahlungen an V, J, M und Y sowie um für Rechnung der K KG verauslagte Kosten geht (Berufungsanträge zu 1.d., zu 1.e. und zu 1.f. sowie darauf bezogene Berufungsanträge zu 2., zu 3. und zu 5.).
3. Die Klägerin hat die Kosten der Revision zu tragen.

Tatbestand

1
Die Parteien streiten – soweit für die Revision von Interesse – über Auskunfts- und Schadensersatzansprüche der Klägerin wegen behaupteter Wettbewerbsverstöße des Beklagten.
2
Der Beklagte war im Jahr 2013 seit 27 Jahren bei der K KG beschäftigt. Das Unternehmen stellte im Wesentlichen Bandagen und Bremsleder für den Industriebedarf her und handelte mit Riemen und Bändern für Antriebs- und Fördertechnik. Komplementär war der am 18. Mai 2013 verstorbene Vater des Beklagten, Herr H. Kommanditistin und Alleinerbin war Frau Ma. Die K KG war dem Beklagten bereits seit 2005 testamentarisch als Vermächtnis zugewandt worden. Der Beklagte nahm dieses Vermächtnis nicht an. Die Alleinerbin gründete am 15. August 2013 die Klägerin. Sie brachte den Betrieb der K KG per Einbringungsvertrag ein und trat die bestehenden Forderungen an die Klägerin ab. Die Alleinerbin war bis zu ihrem Tod Geschäftsführerin der persönlich haftenden Gesellschafterin der Klägerin (Geschäftsführerin).
3
Im Sommer 2010 gründete der Beklagte die B GmbH. Der Gesellschaftsvertrag datiert vom 24. Juni 2010. Die Gesellschaft wurde am 16. August 2010 in das Handelsregister eingetragen. Als Gegenstand des Unternehmens ist der „Handel mit technischen Lederartikeln“ angegeben. Mehrheitsgesellschafter und alleiniger Geschäftsführer ist der Beklagte. Er rechnete ua. über die B GmbH die Lieferung von Bandagen ab. Dabei handelte es sich um Aufträge für die K KG. Zudem verkaufte der Beklagte über die B GmbH Transportbänder an eine ehemalige Kundin der K KG und stellte dafür unter dem Datum des 14. Dezember 2011 eine Rechnung.
4
Die Klägerin hat behauptet, der Beklagte habe seine Geschäfte in der Weise geführt, dass er an die K KG gerichtete Aufträge auf sein Konkurrenzunternehmen B GmbH umgeleitet oder deren Aufträge auf Kosten der K KG abgewickelt habe. Der Beklagte habe die gesamte Tätigkeit für sein Unternehmen im Büro der K KG ausgeführt.
5
Im Juni 2013 habe die Geschäftsführerin den Wirtschaftsprüfer der K KG informiert, dass im Unternehmen aufgrund verschiedener Vorkommnisse etwas „schieflaufe“. Der Wirtschaftsprüfer habe Recherchen über den Beklagten im Internet angestellt und sei dabei auf die B GmbH, ein Unternehmen, das mit Schmuck aus Edelstahl gehandelt habe, gestoßen. Im Rahmen eines Ende Juni 2013 geführten Gesprächs mit dem Wirtschaftsprüfer und dem Rechtsanwalt der K KG habe der Beklagte erklärt, bei der B GmbH handle es sich teilweise um eine ruhende Gesellschaft, die er zur Übernahme der Assets der K KG gegründet habe. Außerdem habe der Beklagte angegeben, dass die B GmbH gegenwärtig nur Schmuck vertreibe. Der Wirtschaftsprüfer habe danach die Bilanz des Jahres 2011 der B GmbH geprüft und die Auskunft über den Umsatz aus dem Vertrieb selbst hergestellten Schmucks für plausibel erachtet. Bei dem Unternehmenssitz der B GmbH habe es sich bis Juli 2013 um eine Briefkastenadresse gehandelt. Eine Betriebstätigkeit sei dort nicht zu erkennen gewesen.
6
Für die Geschäftsführerin habe sich erst aus dem Anruf eines Kunden am 20. September 2013 ergeben, dass der Beklagte nicht nur Wettbewerb vorbereitet, sondern ihn bereits betrieben habe. Der Kunde habe nach dem Stand seiner Bestellung gefragt. Er habe angegeben, am 7. August 2013 eine E-Mail erhalten zu haben, wonach die Artikel jetzt über die B GmbH zu bestellen seien.
7
Die Klägerin hat gemeint, sie habe Anspruch auf Auskunft und ggf. Schadensersatz wegen des wettbewerbswidrigen Verhaltens des Beklagten. Die Ansprüche seien nicht verjährt. Ihr falle keine grob fahrlässige Unkenntnis über eine Konkurrenztätigkeit des Beklagten schon ab Ende Juni 2013 zur Last. Anzuknüpfen sei nicht an das Betreiben eines Handelsgewerbes, sondern an die Kenntnis konkreter, einzelner Handelsgeschäfte. Da sie eine derartige Kenntnis erst aufgrund des Anrufs eines Kunden am 20. September 2013 erlangt habe, habe sie mit ihrer am 28. November 2013 beim Arbeitsgericht eingereichten Klage die dreimonatige Verjährungsfrist des § 61 Abs. 2 Halbs. 1 HGB gehemmt. Der Internetauftritt der B GmbH habe auch kein wettbewerbswidriges Betreiben eines Handelsgewerbes durch den Beklagten nahegelegt, sondern allenfalls eine erlaubte Vorbereitungshandlung. Jedenfalls sei es dem Beklagten verwehrt, sich auf die Verjährungseinrede zu berufen, weil er den Wirtschaftsprüfer und den Rechtsanwalt der K KG vorsätzlich über die bereits seit Langem stattfindende Konkurrenztätigkeit getäuscht habe.
8
Die Klägerin hat – soweit für die Revision von Interesse – beantragt,
        
1.    
den Beklagten zu verurteilen, ihr durch Vorlage einer geschlossenen, systematischen Aufstellung über Folgendes Auskunft zu erteilen:
        
        
a.    
die der B GmbH zugeflossenen Zahlungen aus in der Zeit vom 1. Juni 2010 bis 2. September 2013 erfolgten Bestellungen von Bandagen;
        
        
b.    
die der B GmbH zugeflossenen Zahlungen aus in der Zeit vom 1. Juni 2010 bis 2. September 2013 erfolgten Bestellungen von Antriebsriemen, Rundriemen, Kernlederriemen, Dichtungsscheiben, Kupplungspuffern, Ledermanschetten, Förderbändern, Zahnriemen und PU-Rundriemen;
        
        
c.    
die ihm selbst in der Zeit vom 1. Juni 2010 bis 2. September 2013 zugeflossenen Zahlungen jeweils aus den zu a. und b. näher bezeichneten Geschäftstätigkeiten;
        
        
d.    
die für Rechnung der K KG verauslagten Kosten für Einkauf, Lagerung, Transport von Vorprodukten zur Herstellung der oben zu a. und b. bezeichneten Produkte;
        
        
e.    
die für Lagerung und Vertrieb der Produkte zu a. und b. für Rechnung der K KG verauslagten Kosten;
        
        
zu a. bis c. jeweils gesondert unter Angabe des Namens/der Firma des Kunden, des Bestell- und Lieferdatums, der Rechnungsnummer, des Nettorechnungsbetrags, der in Rechnung gestellten Umsatzsteuer und der Tilgungsbestimmung des Kunden sowie des Datums des Geldeingangs;
        
        
zu d. und e. jeweils gesondert unter Angabe des Namens/der Firma des Leistungserbringers, des Bestell- und Lieferdatums, der Rechnungsnummer, des Nettorechnungsbetrags, der in Rechnung gestellten Umsatzsteuer und der Tilgungsbestimmung sowie des Datums des Geldausgangs;
        
2.    
den Beklagten zu verurteilen, die Auskunft zu 1.a. bis e. jeweils gesondert in nach Erteilung noch näher zu bezeichnender Weise zu belegen;
        
3.    
den Beklagten ggf. zu verurteilen, die Richtigkeit und Vollständigkeit der Auskünfte zu 1.a. bis e. an Eides statt zu versichern;
        
4.    
den Beklagten zu verurteilen, die Richtigkeit seiner mit Schriftsatz vom 5. Mai 2017 auf Seite 7 erteilten Auskunft an Eides statt zu versichern, wonach die im erstinstanzlichen Antrag zu 21. genannte Privatentnahme dadurch erfolgt sei, dass ein Kassenfehlbestand iHv. 5.000,00 Euro durch beleglose Barentnahmen des verstorbenen Vaters des Beklagten im Jahr 2010 entstanden sei;
        
5.    
den Beklagten zu verurteilen, an sie Schadensersatz in nach Erledigung der Anträge zu 1. bis 4. noch zu beziffernder Höhe zu zahlen.
9
Der Beklagte hat beantragt, die Klage abzuweisen. Er hat behauptet, mit Zustimmung des Komplementärs der KG gehandelt zu haben. Die von der B GmbH vertriebenen Transportbänder aus textilem Gewebe seien solche zweiter oder dritter Wahl gewesen. Dies sei nie ein Geschäftssegment der K KG gewesen. Die Internetseite der B GmbH habe seit dem 20. Juli 2012 existiert. Von Anfang an seien Bandagen für Spindelpressen, Antriebsriemen, Förderbänder, technische Lederartikel und – auf einer Unterseite – ein Schmuckbereich beworben worden. Gegenüber dem Wirtschaftsprüfer und dem Rechtsanwalt der K KG habe der Beklagte nicht davon gesprochen, die B GmbH sei eine ruhende Gesellschaft. Der Beklagte hat gemeint, mit Blick darauf seien etwaige Ansprüche der Klägerin nach § 61 Abs. 2 HGB verjährt.
10
Das Arbeitsgericht hat die Klage insgesamt abgewiesen. Mit dem angegriffenen Teilurteil hat das Landesarbeitsgericht – soweit für die Revision von Interesse – verschiedene Ansprüche für gegeben erachtet. Das gilt für den Anspruch, die Richtigkeit einer Auskunft über eine Privatentnahme iHv. 5.000,00 Euro an Eides statt zu versichern, und die Ansprüche, Auskunft zu erteilen über Zahlungen an die B GmbH für Bestellungen von Bandagen, verschiedenen Riemen, Dichtungsscheiben, Kupplungspuffern, Ledermanschetten und Förderbändern, sowie über an den Beklagten selbst erfolgte Zahlungen für die Zeit vom 28. August bis 2. September 2013. Insoweit hat es das erstinstanzliche Urteil abgeändert. Für die übrige Zeit hat es die Berufung der Klägerin zurückgewiesen. Diesen Ansprüchen stehe die Einrede der Verjährung entgegen. Mit Blick auf die Homepage, den Auszug aus dem Handelsregister und die durchgeführten Recherchen habe die Klägerin spätestens Ende Juni 2013 grob fahrlässig keine positive Kenntnis von der Konkurrenztätigkeit gehabt. Dem Beklagten sei es nicht verwehrt, sich auf die Verjährung der Ansprüche zu berufen. Daneben hat das Landesarbeitsgericht – ohne dies in der Entscheidungsformel anzuführen – Ansprüche auf Auskunft über Zahlungen an andere Personen als den Beklagten sowie über „verauslagte“ Kosten für Rechnung der K KG insgesamt abgewiesen. Das Landesarbeitsgericht hat die Revision nicht zugelassen.
11
Auf die Nichtzulassungsbeschwerde der Klägerin hat der Senat die Revision in beschränktem Umfang zugelassen. Gegenstand der zugelassenen Revision sind Ansprüche für die Zeit vom 1. Juni 2010 bis 27. August 2013 im Zusammenhang mit ausgelegten Kosten für Rechnung der K KG sowie mit Zahlungen an den Beklagten selbst und an die B GmbH für die Bestellungen von Bandagen, diversen Riemen, Dichtungsscheiben, Kupplungspuffern, Ledermanschetten und Förderbändern. Mit der Revision verfolgt die Klägerin ihr Begehren weiter.


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