IT- und Medienrecht

Beweislastumkehr bei Marktabschottung

Aktenzeichen  29 U 799/19

Datum:
12.11.2020
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
MittdtPatA – 2021, 235
Gerichtsart:
OLG
Gerichtsort:
München
Rechtsweg:
Ordentliche Gerichtsbarkeit
Normen:
Art. 9, Art. 13 UMV 2009

 

Leitsatz

1. Den Markeninhaber, der eine Produktfälschung behauptet, trifft regelmäßig lediglich eine sekundäre Darlegungslast. Ist er dieser zu den Anhaltspunkten und Umständen, aufgrund derer er vom Vorliegen einer Produktfälschung ausgeht, nachgekommen, so ist die weitere Beweisführung Sache des grundsätzlich für die eingetretene Erschöpfung beweispflichtigen Zeichenverwenders, und zwar auch dann, wenn es ihm an den dafür notwendigen Kenntnissen fehlt.
2. Ob und inwieweit der für den Fall des Parallelimports aufgestellte Grundsatz, dass bei der Gefahr einer Marktabschottung eine Beweislastumkehr eintritt, auch für den Fall einer vom Markeninhaber behaupteten Produktfälschung Anwendung findet, ist streitig. Jedenfalls der dem Markeninhaber im Fall des Parallelimports obliegende Nachweis, dass die Waren ursprünglich von ihm bzw. mit seiner Zustimmung außerhalb des Europäischen Wirtschaftsraums in Verkehr gebracht wurden und aus diesem Grund Erschöpfung ausscheidet, kann von demjenigen, der eine Produktfälschung behauptet und damit zum Ausdruck bringt, dass die fraglichen Waren überhaupt nicht mit seiner Zustimmung in Verkehr gebracht wurden, nicht geführt werden.
3. Die an den Vortrag des für die Gefahr der Marktabschottung beweispflichtigen Zeichenverwenders gestellten Anforderungen haben den Zweck der angestrebten Modifizierung der Beweislastregeln zu berücksichtigen, nämlich zu verhindern, dass der Markeninhaber bei Offenlegung der Bezugsquelle im Prozess in die Lage versetzt wird, diese Quelle zu verstopfen. Es ist daher nicht generell und abstrakt zu überprüfen, ob der Markeninhaber ein Vertriebssystem unterhält (oder im Zeitpunkt des Erwerbsvorgangs unterhalten hat), welches kartellrechtlichen Bedenken unterfallen könnte, sondern vorrangig die Frage zu klären, ob eine unter „normalen“ Umständen anzuwendende Beweislastverteilung selbst die Gefahr der Marktabschottung begründet, weil der seitens des Zeichenverwenders zu führende Nachweis der Lieferkette eine solche Marktabschottung nach sich ziehen könnte.

Verfahrensgang

33 O 8245/17 2019-01-22 Endurteil LGMUENCHENI LG München I

Tenor

I. Die Berufungen der Beklagten gegen das Urteil des Landgerichts München I vom 22.01.2019, Az.: 33 O 8245/17, werden zurückgewiesen.
II. Auf die Berufung der Klägerin wird das Urteil des Landgerichts München I vom 22.01.2019, Az.: 33 O 8245/17, unter Zurückweisung der Berufung der Klägerin im Übrigen abgeändert und insgesamt wie folgt neu gefasst:
1. Die Beklagten zu 1) und 2) werden verurteilt, es bei Meidung eines für jeden Fall der Zuwiderhandlung fällig werdenden Ordnungsgeldes bis zu 250.000,- Euro, ersatzweise Ordnungshaft, oder Ordnungshaft bis zu sechs Monaten, letztere im Falle der Beklagten zu 1) zu vollziehen an ihrem Geschäftsführer, zu unterlassen, Schuhe, die mit den Marken
„CONVERSE und/oder
und/oder
gekennzeichnet sind, in der Europäischen Union anzubieten und/oder anbieten zu lassen, in Verkehr zu bringen und/oder in Verkehr bringen zu lassen oder zu den vorstehend genannten Zwecken zu besitzen, sofern diese Waren nicht durch die Klägerin oder mit ihrer Zustimmung im Inland, in einem der übrigen Mitgliedstaaten der Europäischen Union oder in einem anderen Vertragsstaat des Abkommens über den Europäischen Wirtschaftsraum in den Verkehr gebracht worden sind.
2. Die Beklagten zu 1) und 2) werden verurteilt, der Klägerin bezogen auf die Bundesrepublik Deutschland Auskunft zu erteilen über
a) Namen und Adressen des Herstellers und/oder Lieferanten der Waren gemäß Ziffer 1.,
b) Namen und Adressen sonstiger Vorbesitzer der Waren gemäß Ziffer 1.,
c) Menge der bestellten, eingeführten, erhaltenen und ausgelieferten Waren gemäß Ziffer 1.,
d) die Angebots-/Lieferzeiten sowie die Angebots-/Lieferpreise der Waren gemäß Ziffer 1.,
e) den Umfang der für die Waren gemäß Ziffer 1. betriebenen Werbung, aufgeschlüsselt nach Werbeträgern, Auflagenhöhe, Verbreitungszeitraum, Verbreitungsgebiet und Empfänger,
f) die für Waren gemäß Ziffer 1. nach den einzelnen Kostenfaktoren aufgeschlüsselten Gestehungskosten, den erzielten Bruttoumsatz und den erzielten Gewinn,
dies alles unter Vorlage gut lesbarer Kopien, insbesondere der Bestellschreiben an den Lieferanten, dessen Auftragsbestätigungen, der Lieferscheinrechnungen sowie der Lieferscheine/-rechnungen an die gewerblichen Abnehmer.
3. Die Beklagte zu 1) wird verurteilt, an die Klägerin EUR 2.429,75 nebst Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz hieraus seit 26.07.2017 zu zahlen.
4. Es wird festgestellt, dass die Beklagten zu 1) und 2) gesamtschuldnerisch gegenüber der Klägerin wegen der von ihnen in der Bundesrepublik Deutschland vertriebenen Schuhe gemäß Ziffer 1. zum Schadensersatz verpflichtet sind.
5. Der Klägerin wird gestattet, nach Rechtskraft des Urteils ein Kurzrubrum sowie den Tenor des Urteils durch eine viertelseitige Anzeige in einer von der Klägerin festzulegenden überregional erscheinenden Tageszeitung auf Kosten der Beklagten zu 1) und 2) öffentlich bekannt zu machen.
6. Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.
7. Von den Kosten des Rechtsstreits erster Instanz tragen die Klägerin 1/5 und die Beklagten zu 1) und 2) jeweils 2/5 von den Gerichtskosten und den außergerichtlichen Kosten der Klägerin. Die außergerichtlichen Kosten der Beklagten zu 2) trägt diese selbst. Von den außergerichtlichen Kosten der Beklagten zu 1) tragen die Klägerin 1/3 und die Beklagte zu 1) 2/3.
III. Die gerichtlichen Kosten des Berufungsverfahrens und die dort angefallenen außergerichtlichen Kosten der Klägerin tragen die Klägerin zu 1/5, die Beklagten zu 1) und 2) zu jeweils 2/5. Die außergerichtlichen Kosten der Beklagten zu 2) trägt diese selbst. Von den außergerichtlichen Kosten der Beklagten zu 1) tragen die Klägerin 1/3 und die Beklagte zu 1) 2/3.
Dieses Urteil und das Urteil des Landgerichts gemäß obiger Fassung sind vorläufig vollstreckbar. Die Beklagten können die Vollstreckung der Klägerin aus Ziffer II. 1 durch Sicherheitsleistung iHv jeweils EUR 125.000,–, die Vollstreckung aus Ziffer II. 2 durch Sicherheitsleistung iHv jeweils EUR 2.100, – und eine Vollstreckung aus Ziffer II. 3 (insoweit nur die Beklagte zu 1)) sowie hinsichtlich der Kosten des Rechtsstreits durch Sicherheitsleistung iHv 115% des vollstreckbaren Betrags abwenden, wenn nicht die Klägerin vor der Vollstreckung Sicherheit in gleicher Höhe bzw. iHv 115% des zu vollstreckenden Betrags leistet. Die Klägerin kann eine Vollstreckung hinsichtlich der Kosten durch Sicherheitsleistung iHv 115% des vollstreckbaren Betrags abwenden, wenn nicht die Beklagten vor der Vollstreckung Sicherheit iHv 115% des zu vollstreckenden Betrags leisten.

Gründe

B.
Die Berufungen der Beklagten sind zulässig, aber unbegründet, die Berufung der Klägerin ist zulässig und zum Teil begründet. Der Klägerin stehen gegen die Beklagten die zuerkannten kennzeichenrechtlichen Unterlassungs- und Folgeansprüche zu, da die Beklagten die Markenrechte der Klägerin in Bezug auf die per Testkauf am 04.11.2016 erworbenen 17 Paar Schuhe verletzt haben. Da die zuerkannten Ansprüche auch kerngleiche Verletzungsfälle betreffen, war das landgerichtliche Urteil – soweit damit die Auskunfts- und Schadensersatzansprüche zum Teil abgewiesen wurden – abzuändern. Erfolglos bleibt die Klage auch in der Berufung in Bezug auf die geltend gemachten Vernichtungsansprüche, die das Landgericht zu Recht nicht zugesprochen hat.
I. Zu Recht hat das Landgericht der Klage hinsichtlich des geltend gemachten Unterlassungsanspruchs gegen beide Beklagten stattgegeben. Der Klägerin steht der tenorierte Anspruch aus Art. 130 Abs. 1 S. 1, Art. 9 Abs. 2 lit. a) UMV, Art. 102 Abs. 1 S. 1, Art. 9 Abs. 2 lit. a) UMV 2009 zu, da die Beklagten die Klagemarken durch die Belieferung von gefälschten und somit nicht erschöpften Schuhen an K. verletzt haben.
1. Die Klägerin ist unstreitig Inhaberin der Klagemarken und somit zur Geltendmachung von Rechtsverletzungen dieser Marken, die sämtlich ua für „Schuhwaren“ eingetragen sind, aktivlegitimiert.
2. Unstreitig hat die Klägerin im Wege mehrerer Testkäufe am 04.11.2016 insgesamt 17 Paar
3. Unstreitig hat die Klägerin im Wege mehrerer Testkäufe am 04.11.2016 insgesamt 17 Paar Schuhe in K.-Filialen in Berlin erworben, die mit den Zeichen „CONVERSE“ und sowie in der knöchelhohen Variante auch mit dem Zeichen gekennzeichnet waren.
Das Landgericht hat darüber hinaus festgestellt, dass diese Schuhe zuvor von der Beklagten zu 1) an K. geliefert worden waren. Die Beklagte zu 1) hat mithin im geschäftlichen Verkehr mit den Klagemarken identische Zeichen für mit den von den Klagemarken erfassten Waren identische Waren benutzt, indem sie die streitgegenständlichen Schuhe unter den genannten Zeichen innerhalb der Europäischen Union angeboten und vertrieben hat. Dies stellt einen Verstoß gegen die seinerzeit geltende Vorschrift des Art. 9 Abs. 2 lit. a) UMV 2009 dar, da auch die insoweit darlegungs- und beweispflichtigen Beklagten (vgl. BGH, GRUR 2012, 626 Rn. 20 – CONVERSE I) nicht behaupten, die streitgegenständlichen Benutzungshandlungen seien mit Zustimmung der Klägerin erfolgt.
4. Entgegen der Auffassung der Beklagten können sich diese nicht auf Erschöpfung gem. Art. 13 Abs. 1 UMV 2009 berufen, wonach es dem Inhaber einer Unionsmarke versagt ist, die Benutzung seiner Marke(n) für solche Waren zu untersagen, die unter dieser (diesen) Marke(n) von ihm oder mit seiner Zustimmung im Europäischen Wirtschaftsraum in den Verkehr gebracht worden sind, denn die Beklagten haben bereits nicht hinreichend dargetan, dass die streitbefangenen Waren Originalwaren sind und mit Zustimmung der Klägerin im Europäischen Wirtschaftsraum in Verkehr gebracht wurden. Die von den Beklagten angebotenen Beweise waren daher nicht zu erheben.
a) Da die Klägerin vorliegend geltend macht, dass die streitgegenständlichen Schuhe deswegen als nicht erschöpft angesehen werden können, weil es sich bei diesen um Fälschungen handele, ist im Ausgangspunkt die Rechtsprechung des BGH (die ihrerseits auf derjenigen des EuGH fußt) zu beachten, wonach es grds. nicht dem Markeninhaber, sondern dem Zeichenverwender obliegt, darzulegen und im Bestreitensfall zu beweisen, dass er Originalerzeugnisse und keine Produktfälschungen vertrieben hat, die vom Markeninhaber oder mit seiner Zustimmung im Europäischen Wirtschaftsraum in Verkehr gebracht wurden (BGH, GRUR 2012, 626 Rn. 26 – CONVERSE I), denn grds. trägt der Zeichenverwender, also hier die beklagte Partei, die Darlegungs- und Beweislast für die Voraussetzungen der Schutzschranke der Erschöpfung (BGH, GRUR 2020, 1306 Rn. 36 – Querlieferungen). Allerdings trifft den Markeninhaber, der eine Produktfälschung behauptet, regelmäßig eine sekundäre Darlegungslast, weil er ohne Weiteres Aufklärung darüber leisten kann, aufgrund welcher Anhaltspunkte oder Umstände vom Vorliegen von Produktfälschungen auszugehen ist (BGH, GRUR 2012, 626 Rn. 27 – CONVERSE I).
b) Zu Recht ist das Landgericht zu dem Ergebnis gekommen, dass die Klägerin dieser sekundären Darlegungslast entsprochen hat, indem sie vorgetragen hat, warum sie vorliegend bei den streitgegenständlichen Schuhen, die sie im Wege des Testkaufs erworben hat, von Fälschungen ausgeht. Mehr, insbesondere ein Nachweis über die Richtigkeit der erfolgten Darlegungen, war entgegen der Auffassung der Beklagten im Rahmen der sekundären Darlegungslast von der Klägerin nicht zu verlangen.
aa) Wie das Landgericht zutreffend festgestellt hat, hat die Klägerin im Streitfall schlüssig und widerspruchsfrei vorgetragen, anhand welcher Merkmale sie zu dem Ergebnis gelangt ist, dass es sich bei den streitgegenständlichen 17 Paar Schuhen aus den Testkäufen um Fälschungen handelt. Neben weiteren, im hiesigen Verfahren nicht mitgeteilten physischen Fälschungsmerkmalen seien die auf den Schuhen aufgebrachten 13-stelligen Seriennummern bei 16 Paaren nicht in der „A.D. Datenbank“ enthalten gewesen, bei dem 17. Paar habe zwar der auf diesen Schuhen befindliche Code existiert, dieser sei jedoch in der Datenbank einem anderen Schuh zugeordnet gewesen.
bb) Bereits mit diesem Vortrag und jedenfalls unter Einbeziehung der weiteren von der Klägerin getätigten Angaben zur Funktionsweise der Datenbank und deren grundsätzlicher Bedeutung für die Klägerin als Kontrollmöglichkeit für die Originalität im Handel befindlicher „Converse“-Schuhe genügt diese der ihr obliegenden sekundären Darlegungslast. Soweit die Beklagten dies nach wie vor anders sehen, verkennen sie die grundsätzliche Bedeutung der sekundären Darlegungslast und die bestehenden Unterschiede zu einer etwaigen Beweislast.
(i) Die sekundäre Darlegungslast stellt eine Ausnahme von der Deckungsgleichheit zwischen Darlegungs- und Beweislast dar (Fritsche, in: MüKoZPO, 6. Aufl., § 138 Rn. 24). Es handelt sich bei ihr um eine Behauptungslast (Fritsche, in: MüKoZPO, 6. Aufl., § 138 Rn. 24), die im Falle von Produktfälschungen deswegen sinnvollerweise den Markeninhaber trifft, weil dieser in aller Regel wesentlich leichter anhand bestimmter Merkmale der fraglichen, mit seinen Marken gekennzeichneten Waren als der Zeichenverwender – dem diese Merkmale unter Umständen gar nicht bekannt sind und im Interesse des Markeninhabers auch gar nicht bekannt sein sollen – erkennen kann, ob es sich bei den fraglichen Waren um Originale oder aber um Fälschungen handelt.
(ii) Aus einer solchen prozessualen sekundären Darlegungspflicht ergibt sich jedoch keine Umkehr der Beweislast: Ist der Markeninhaber der ihn treffenden Behauptungslast zu den Anhaltspunkten und Umständen, aufgrund derer er vom Vorliegen einer Produktfälschung ausgeht, nachgekommen, so ist die weitere Beweisführung Sache des grundsätzlich für die eingetretene Erschöpfung beweispflichtigen Zeichenverwenders, und zwar auch dann, wenn es ihm an den dafür notwendigen Kenntnissen fehlt (vgl. allgemein hierzu BGH, GRUR 2009, 502 Rn. 17 – pcb).
(iii) Daraus folgt für den vorliegenden Fall, dass die Klägerin im Rahmen der hier zunächst allein zu prüfenden sekundären Darlegungslast ihren insoweit erbrachten Vortrag, dass die fraglichen Schuhe nicht bzw. nicht ordnungsgemäß in der von ihr zu Rate gezogenen Datenbank aufgeführt waren, nicht nachzuweisen hat, denn dies liefe auf eine die Klägerin insoweit gerade nicht treffende, vom Grundsätzlichen abweichende Beweislast hinaus. Die Erwägungen, die die Beklagte zu 1) diesbezüglich zur Anwendbarkeit der prozessualen Besonderheiten des GeschGehG anstellt, sind deshalb für die Frage, ob die Klägerin ihrer sekundären Darlegungslast nachgekommen ist, von vornherein nicht maßgeblich, so dass an dieser Stelle der Frage nicht nachzugehen ist, ob eine Anwendbarkeit der dortigen Grundsätze auf ein kennzeichenrechtliches Verletzungsverfahren überhaupt in Betracht kommen kann.
c) Das Landgericht ist im Ergebnis auch zutreffend davon ausgegangen, dass vorliegend keine Modifizierung der Beweislastregeln vorzunehmen ist, da die Beklagten bereits nicht hinreichend dargelegt haben, dass eine Gefahr der Marktabschottung besteht, wenn die Beklagten durch die Offenbarung der Bezugsquelle der Beklagten zu 1) die Erschöpfung in Bezug auf die streitgegenständlichen Waren nachweisen müssten.
aa) Im Ansatz zutreffend stellen auch die Beklagten darauf ab, dass die Erfordernisse des Schutzes des freien Warenverkehrs nach Art. 34 und Art. 36 AEUV eine Modifizierung der allgemeinen Beweisregel gebieten, wonach derjenige, der wegen einer Markenverletzung in Anspruch genommen wird, die Originalität der Ware bzw. die Voraussetzungen der Erschöpfung zu beweisen hat, wenn dies einem Markeninhaber ermöglichen könnte, die nationalen Märkte abzuschotten und damit die Beibehaltung von etwaigen Preisunterschieden zwischen den Mitgliedstaaten zu begünstigen (vgl. BGH, GRUR 2012, 626 Rn. 30 – CONVERSE I; bestätigt in BGH, GRUR 2020, 1306 Rn. 37 – Querlieferungen).
bb) Ob und insbesondere inwieweit diese Grundsätze nicht nur beim Vorwurf des Parallelimports, sondern auch in den Fällen, in denen der Markeninhaber eine Produktfälschung behauptet, greifen, ist streitig (bejahend zB OLG Frankfurt a.M., Urt. v. 16.07.2015, Az. 6 U 109/14, BeckRS 2016, 11672 Rn. 25; kritisch Thiering, in: Ströbele/Hacker/Thiering, MarkenG, 12. Aufl., § 24 Rn. 57). Denn jedenfalls der Nachweis, der dem Markeninhaber im Falle einer solchen Beweislastumkehr in Fällen des Parallelimports obliegt, dass die Waren ursprünglich von ihm bzw. mit seiner Zustimmung außerhalb des Europäischen Wirtschaftsraums in Verkehr gebracht wurden und aus diesem Grund Erschöpfung ausscheidet (vgl. BGH, GRUR 2012, 626 Rn. 30 – CONVERSE I), kann schlicht von demjenigen, der eine Produktfälschung behauptet und damit zum Ausdruck bringt, dass die fraglichen Waren überhaupt nicht mit seiner Zustimmung in Verkehr gebracht wurden, nicht geführt werden. Zu denken wäre allerdings daran, dass der eine Produktfälschung behauptende Markeninhaber im Falle einer anzunehmenden Gefahr der Marktabschottung zumindest nachweist, dass die behaupteten Fälschungsmerkmale vorliegen, und der Zeichenverwender erst nach diesem vom Markeninhaber erbrachten Beweis seinerseits den Nachweis beizubringen hat, dass die fraglichen Waren erstmals vom Markeninhaber bzw. mit dessen Zustimmung im Europäischen Wirtschaftsraum in Verkehr gebracht wurden, mithin die Schutzschranke der Erschöpfung eingreift.
cc) Ob eine derartige oder eine andere Beweislastverteilung im Falle behaupteter Produktfälschung grds. vorzunehmen ist, kann indes im Streitfall dahinstehen, denn vorliegend kann die für eine solche Beweislastverteilung jedenfalls erforderliche Gefahr einer Marktabschottung bereits aufgrund des Vortrags der für diese Gefahr darlegungs- und beweispflichtigen Beklagten nicht erkannt werden.
(i) Dass ein Zeichenverwender, der sich auf die Modifizierung der Beweislastregeln zur Erschöpfung berufen will, seinerseits zunächst nachweisen muss, dass eine tatsächliche Gefahr der Abschottung der nationalen Märkte besteht, falls er den Nachweis der Erschöpfung zu erbringen hat, ist höchstrichterlich geklärt (BGH, GRUR 2012, 626 Rn. 30 – CONVERSE I; aktuell ferner BGH, GRUR 2020, 1306 Rn. 37 – Querlieferungen). Daraus folgt, dass der Zeichenverwender nach allgemeinen Regeln zunächst entsprechenden Sachvortrag zu erbringen hat, der für sich genommen und als wahr unterstellt die Annahme der tatsächlichen Gefahr einer Marktabschottung erkennen lässt, und diesen Sachvortrag im Bestreitensfalle zu beweisen hat. Ein Sachvortrag indes, der bereits für sich genommen nicht ausreicht, um eine solche Gefahr annehmen zu lassen, genügt von vornherein nicht und kann auch nicht durch angebotene Beweismittel ersetzt werden, weil diese dann nicht dem Nachweis eines erbrachten Vortrags, sondern erst dessen Ermittlung dienen würden.
(ii) Was den Inhalt des seitens des Zeichenverwenders zu erbringenden Sachvortrags angeht, ist zudem zu berücksichtigen, welchem Zweck die angestrebte Modifizierung der Beweislastregeln dient: es soll verhindert werden, dass der Markeninhaber bei Offenlegung der Bezugsquelle im Prozess in die Lage versetzt wird, diese Quelle zu verstopfen (Thiering, in: Ströbele/Hacker/Thiering, MarkenG, 12. Aufl., § 24 Rn. 53). Es geht mithin nicht darum, im Rahmen dessen generell und abstrakt zu überprüfen, ob der Markeninhaber ein Vertriebssystem unterhält (oder im Zeitpunkt des Erwerbsvorgangs unterhalten hat), welches kartellrechtlichen Bedenken unterfallen könnte (zumal eine Beeinträchtigung des freien Warenverkehrs auch dann vorliegen kann, wenn die Schwelle zur kartellrechtlichen Unzulässigkeit des Vertriebssystems nicht überschritten ist [vgl. BGH, GRUR 2020, 1306 Rn. 51 – Querlieferungen]), sondern vorrangig um die Frage, ob eine unter „normalen“ Umständen anzuwendende Beweislastverteilung selbst die Gefahr der Marktabschottung begründet, weil der seitens des Zeichenverwenders zu führende Nachweis der Lieferkette eine solche Marktabschottung nach sich ziehen könnte.
(iii) Diese Maßstäbe an den Sachvortrag der Beklagten anlegend, kann eine derartige Gefahr nicht erkannt werden.
(1) Allerdings erscheint fraglich, ob der Umstand, dass die Beklagten die kroatische Lizenznehmerin der Klägerin T.J. als Teil der Lieferkette der fraglichen Schuhe bereits benannt haben, der Annahme der Gefahr einer Marktabschottung bereits entgegensteht (so das Landgericht auf S. 18 der Entscheidungsgründe). Der BGH hat diese Frage bislang offen gelassen, scheint dies aber eher zu verneinen, da seiner Ansicht nach ein Markeninhaber, welcher über ein zur Marktabschottung geeignetes System verfügt, Maßnahmen zur Marktabschottung eher ergreifen werde, wenn nicht lediglich eine Darstellung zur Lieferkette vorliege, sondern der gerichtliche Nachweis der Lieferkette geführt werde (BGH, GRUR 2012, 630 Rn. 34 – CONVERSE II).
(2) Auch erscheint fraglich, ob man mit dem Landgericht ein zur Marktabschottung geeignetes System der Klägerin bereits mit Blick auf die seitens der Klägerin in Anlagen K46 bis K52 vorgelegten Rechnungen über innerhalb der EU erfolgte Passivverkäufe verneinen kann, denn insoweit ist festzustellen, dass keine der vorgelegten Rechnungen auch nur annährend Auskunft darüber gibt, wie sich die allein maßgebliche Situation zum jetzigen Zeitpunkt darstellt, zumal die Klägerin selbst vorträgt, dass es sich insoweit im Wesentlichen um Passivverkäufe ehemaliger Lizenznehmer handelte (vgl. Schriftsatz vom 02.02.2018, S. 37 ff, Bl. 159 ff d.A.).
(3) Darauf kommt es indes nicht an, da es nicht an der Klägerin ist, sich zu entlasten, sondern die Beklagten ihrerseits darlegen müssen, dass die Voraussetzungen für eine Beweislastmodifizierung in ihrem Sinne vorliegen. Dem sind sie jedoch nicht nachgekommen.
(a) Soweit beide Beklagten der Auffassung Ausdruck verleihen, dass bereits aufgrund des Umstands, dass die Klägerin – wie es auch das Landgericht festgestellt hat (S. 36 LGU) – ein (mindestens) selektives Vertriebssystem unterhält, die Gefahr einer Marktabschottung bestehe, verkennen sie, dass dies allein gerade nicht ausreicht: Hinzutreten muss vielmehr, wie es auch das Landgericht zutreffend erkannt hat, die tatsächliche Gefahr einer Marktabschottung (vgl. Thiering, in: Ströbele/Hacker/Thiering, MarkenG, 12. Aufl., § 24 Rn. 54). Von einer Abschottung der nationalen Märkte kann allerdings auch nicht generell ausgegangen werden, wenn bei einem selektiven Vertriebssystem ein Verkauf an Außenseiter verboten ist. Vielmehr kann die Gefahr einer Abschottung der nationalen Märkte ausgeschlossen sein, wenn der Verkauf an Außenseiter verboten, aber Querlieferungen zwischen Vertragspartnern in unterschiedlichen Mitgliedstaaten gestattet sind (BGH, GRUR 2020, 1306 Rn. 43 – Querlieferungen).
(b) Für die Annahme der Gefahr einer Marktabschottung reicht es daher nicht aus, dass die Klägerin über die von ihr genutzte Datenbank – ihrem Vortrag nach – in der Lage ist, den Weg ihrer Waren zu verfolgen, denn allein die dadurch – unterstellt – bestehende Möglichkeit der Warenverfolgung sagt nichts darüber aus, dass die Klägerin daraus gewonnene Erkenntnisse dazu verwenden würde, Handel innerhalb der Union in rechtlich zu beanstandender Weise zu unterbinden.
(c) Die Beklagte zu 2) lässt im Schriftsatz vom 06.11.2017, dort S. 18, ferner vortragen, dass sich dem Branchenmedium „schuhkurier“ entnehmen lasse, dass der Vertrieb von „Converse“- Schuhen in Deutschland ab 2014 neu aufgestellt worden sei: die bis dahin für die Klägerin als Lizenznehmerin tätige A. S. D. GmbH war also auch nach diesem Vortrag nicht mehr in den Vertrieb der streitgegenständlichen Produkte eingebunden. Sämtlicher Vortrag hierzu, insbesondere der Verweis auf Rechtsprechung auch des hiesigen Senats aus der Zeit davor, hat mithin für die jetzt zu beurteilende Frage einer drohenden Marktabschottung von vornherein keine Relevanz, weswegen auch dem Beweisangebot für die Behauptung, dass das Vertriebssystem für Converse-Schuhe bis zum Jahr 2014 unter anderem dadurch gekennzeichnet gewesen sei, dass es den Vertriebspartnern in der EU und dem EWR vertraglich untersagt gewesen sei, Converse-Schuhe an Zwischenhändler außerhalb des Vertriebssystems zu verkaufen (Bl. 67 d.A.), bereits aus diesem Grund nicht nachzukommen ist.
Entsprechendes gilt für das Beweisangebot der Beklagten zu 2) dafür, dass das Vertriebssystem bis zum Jahr 2017, insbesondere auch zu der Zeit, als die verfahrensgegenständlichen Converse-Schuhe über Kroatien im Raum der EU bzw. im EWR in den Verkehr gelangten, unter anderem dadurch gekennzeichnet gewesen sei, dass es den Vertriebspartnern in der EU und dem EWR vertraglich untersagt gewesen sei, Converse-Schuhe an Zwischenhändler außerhalb des Vertriebssystems zu verkaufen (Bl. 68 d.A.), weil auch dies für die Frage, ob ein jetzt erfolgender Nachweis der Lieferkette die Gefahr der Marktabschottung begründen könnte, ersichtlich keine Rolle spielt.
(d) Der Vortrag der Beklagten zu 1) genügt ebenfalls nicht, um daraus die erforderliche tatsächliche Gefahr einer Marktabschottung, die durch den Nachweis der Lieferkette begründet würde, erkennen zu können. Auch sie stellt in ihrem konkreten Vortrag im Wesentlichen auf Gegebenheiten aus der Vergangenheit ab (vgl. etwa Bl. 82 f. d.A.) und legt nicht dar, wie sich daraus Rückschlüsse auf die jetzt maßgebliche Situation ziehen ließen.
Soweit die Beklagte zu 1) darüber hinaus pauschal behauptet, die Gefahr der Marktabschottung zeige sich ua daran, dass tatsächliche Passivverkäufe nicht stattfinden würden (Bl. 80 d.A.), und dafür die Geschäftsführerin der Lizenznehmerin der Klägerin T.J. als Zeugin anbietet, ist mangels weiterer Angaben bereits nicht erkennbar, ob es sich bei dieser Behauptung um Sachvortrag oder lediglich um eine noch aufzuklärende Annahme der Beklagten zu 1) handelt. Ungeachtet dessen sagt der Umstand, dass Passivverkäufe tatsächlich nicht stattfinden, nichts darüber aus, ob diese erlaubt sind – und allein darauf kann es für die Frage der Gefahr einer Marktabschottung ankommen. Irrelevant ist daher auch – wie es das Landgericht zutreffend gewürdigt hat (vgl. S. 37 LGU), ob die kroatische T.J. bereit war, direkt an die spanische Y. zu verkaufen oder nicht, denn die fehlende Bereitschaft zu einem konkreten Geschäftsabschluss sagt nichts über eine an sich bestehende Berechtigung zu einem derartigen Geschäftsabschluss aus.
Soweit die Beklagte zu 1) im Schriftsatz vom 16.05.2018, dort S. 13 (Bl. 237 d.A.) die Behauptung aufstellt, dass der Grund für die fehlende Bereitschaft, an die in Spanien ansässige Firma Y. zu verkaufen, in dem Verbot für Passivverkäufe in hochpreisige EU-Länder gegenüber T.J. liege, und hierfür als Zeugen die Geschäftsführerin von Y. sowie deren Verkaufsleiterin als auch die Geschäftsführerin von T.J. anbietet sowie gem. § 142 ZPO beantragt, der Klägerin aufzugeben, den zwischen ihr und T.J. bestehenden Lizenzvertrag vorzulegen, war auch dem nicht nachzukommen, denn wie sich dem weiteren Vorbringen der Beklagten zu 1) entnehmen lässt, liegt diesen Beweisangeboten kein Tatsachenvortrag zugrunde, der durch die angebotenen Beweismittel nachgewiesen werden soll, sondern lediglich eine Behauptung ins Blaue hinein, für die die angebotene Beweisaufnahme erst die Tatsachengrundlage zu Tage fördern soll. Denn die Beklagte zu 1) trägt im Schriftsatz vom 19.11.2018, dort S. 12 (Bl. 336 d.A.) weiter vor, dass Lizenzverträge erfahrungsgemäß nach außen hin „sattelfest“ abgeschlossen würden, in Wahrheit aber nicht dem Wortlaut entsprechend durchgeführt würden. „So auch hier:“ (Bl. 336 d.A.). „Die Klägerin möge … die Frage beantworten, ob die Beklagte zu 1), die Firma Am., die Firma D. und die Firma Y. große und größte Warenmengen bei der Firma T.J. unmittelbar und zu vergleichbaren Preisen wie das kroatische Unternehmen All Star Schuhe zukünftig ungehindert einkaufen können oder nicht. Solche Verkäufe werden indessen von T.J. nicht gegenüber dem vorgenannten Firmenkreis, mit welchen Ausreden auch immer erfolgen, weil sie die Klägerin ausdrücklich oder stillschweigend nicht gestattet.“ (Hervorhebung nur hier). Diese Ausführungen belegen, dass die für die Gefahr der Marktabschottung darlegungs- und beweispflichtigen Beklagten gerade keine Kenntnis darüber haben, welche konkreten vertraglichen Absprachen zwischen der Klägerin und ihren Vertriebspartnern bestehen, ob es überhaupt Vertriebsverbote gibt und wenn ja, wie diese geregelt sind (ausdrücklich oder stillschweigend) und wie weit diese gehen (nur bezogen auf „große und größte Warenmengen“ sowie auf „vergleichbare Preise“). Die Beweisangebote dienen mithin allein der Ausforschung und Ermittlung eines nur angenommenen und nicht vorgetragenen Sachverhalts, weswegen weder die Zeugen anzuhören waren, noch eine Vorlage des Lizenzvertrages, zu dem die Beklagte zu 1) selbst behauptet, dass dieser „sattelfest“ sei, gem. § 142 ZPO anzuordnen war.
dd) Mangels hinreichend dargetaner Gefahr einer Marktabschottung aufgrund der grundsätzlich zu beachtenden Beweislastverteilung kommt deren Modifizierung nicht in Betracht. Es bedarf daher auch an dieser Stelle keiner weiteren Überlegungen zu der seitens der Beklagten zu 1) andiskutierten Berücksichtigung der Vorschriften des GeschGehG im hiesigen Rechtsstreit. Vielmehr verbleibt es vorliegend dabei, dass die Beklagten darzulegen und zu beweisen hätten, dass die streitgegenständlichen 17 Paar Schuhe Originalwaren sind, die von der Klägerin oder mit deren Zustimmung erstmals im EWR in Verkehr gebracht wurden.
d) Das Landgericht ist zutreffend zu dem Ergebnis gelangt, dass die streitgegenständlichen Waren nicht als erschöpft anzusehen sind.
aa) Für die Frage, ob sich die Beklagten erfolgreich auf Erschöpfung iSv Art. 13 Abs. 1 UMV 2009 berufen können, kommt es darauf an, ob die streitgegenständlichen Waren, von denen die Klägerin behauptet, es handele sich um Produktfälschungen, von der Klägerin oder zumindest mit ihrer Zustimmung erstmals im EWR in den Verkehr gebracht wurden. Um dies feststellen zu können, muss der Verletzer den Vertriebsweg der konkreten Waren (hier der 17 Paar Converse-Schuhe) bis zum Markeninhaber bzw. bis zu demjenigen nachzeichnen (und im Bestreitensfall beweisen), der berechtigterweise die Waren erstmals unter den fraglichen Zeichen in Verkehr gebracht hat.
bb) Das Landgericht hat sich mit dem erstinstanzlichen Vorbringen der Beklagten in dem angegriffenen Urteil auf S. 30 ff. eingehend und ausführlich beschäftigt und hat die bestehenden Ungenauigkeiten, Lücken und Widersprüche deutlich aufgezeigt und herausgearbeitet und daraus den zutreffenden Schluss gezogen, dass sich bereits dem Vortrag nicht entnehmen lässt, dass die streitgegenständlichen Schuhe von der Klägerin bzw. mit ihrer Zustimmung im EWR in Verkehr gebracht wurden. Dies betrifft ua das Schuhmodell M3310. Insoweit ist ergänzend zu berücksichtigen, dass dieses in den von der Beklagten zu 1) vorgelegten Rechnungen der D. an die (behauptete) Vorlieferantin der Beklagten zu 1), die Am., erstmals unter dieser Bezeichnung in der als Anlage B1.9 vorgelegten Rechnung vom 19.07.2016 auftaucht, die Rechnung der Am. an die Beklagte zu 1) vom 09.06.2016 (Anlage B.1.5) aber bereits einen Posten von
1. 000 Schuhen eben dieser Modellbezeichnung aufweist. Woher dieser Posten eines Modells, das unstreitig Gegenstand der Testkäufe der Klägerin war, daher stammt, lässt sich dem erstinstanzlichen Vorbringen der Klägerin und den diesbezüglich von ihr vorgelegten Anlagen nicht entnehmen.
cc) Die Beklagten beanstanden die vom Landgericht erkannten Widersprüche und Lücken auch nicht, vielmehr sieht sich die Beklagte zu 1) in der Berufungsbegründung veranlasst, nunmehr modifizierte Angaben zu den vermeintlichen einzelnen Teillieferungen zu machen und etwa zu dem Modell M3310 auszuführen, es liege ein Bezeichnungsfehler vor, der entsprechende Posten sei bereits in einer Rechnung von D. an Am. vom 26.05.2016 (Anlage B1.6) enthalten gewesen. Mit diesem Vortrag und den dazu in der Berufungsbegründung angebotenen Beweismitteln sind die Beklagten indes gem. § 531 Abs. 1 ZPO ausgeschlossen, denn der neue Vortrag ist seitens der Klägerin bestritten, und Zulassungsgründe gem. § 531 Abs. 2 ZPO sind nicht ersichtlich; insbesondere beruht der Umstand, dass die nunmehr erfolgte „Aufklärung“ nicht bereits erstinstanzlich erfolgte, auf Nachlässigkeit, denn jedenfalls anhand der Angaben der Klägerin in der Klageschrift zu den einzelnen Modellen wäre es der Beklagten zu 1) ohne weiteres möglich und zumutbar gewesen, die von ihr selbst vorgelegten Rechnungen auf ihre Schlüssigkeit hin zu überprüfen, die vorgetragene Lieferkette mit den Rechnungen abzugleichen und etwaige Unstimmigkeiten richtig zu stellen. Da sie dies nicht getan hat, kann ihr diesbezüglicher neuer Vortrag in der Berufung nicht mehr berücksichtigt werden.
dd) Hinzukommt, dass die Lieferkette auch in der Berufungsinstanz nicht lückenlos vorgetragen wird, da ein wesentlicher Zwischenhändler nach wie vor nicht benannt wird und auch nach wie vor nicht hinreichend dargetan wird, woher T.J. die fraglichen Waren hatte. Soweit die Beklagte zu 1) in der Berufungsbegründung insoweit die Auffassung vertritt, es bedürfe keines Beweises, von welcher Fabrik des Markeninhabers die fraglichen Schuhe an T.J. geliefert wurden, da es sich bei dieser Firma um einen autorisierten Lizenznehmer handelt, irrt sie, denn der auch beim Vorwurf einer Produktfälschung seitens des Zeichenverwenders zu erbringende Vortrag und Nachweis der Erschöpfung hat wie dargestellt auch den Umstand zu erfassen, dass die Waren erstmals mit Zustimmung des Markeninhabers im EWR in Verkehr gebracht worden waren. Die weitere Bezugnahme auf einen Parallelfall sagt über den hier maßgeblichen Erwerbsvorgang von vornherein nichts aus.
ee) Angesichts dessen war auch dem Beweisangebot der Beklagten zur Erholung eines Sachverständigengutachtens zur Echtheit der streitgegenständlichen Schuhe nicht nachzukommen, denn ein – unterstellter – Nachweis allein, dass es sich bei den fraglichen Schuhen um Originalwaren handelt, sagt noch nichts darüber aus, ob diese auch mit Zustimmung der Klägerin im EWR in Verkehr gebracht worden sind.
5. Der Klägerin steht daher der geltend gemachte Unterlassungsanspruch zu. Die zwischenzeitliche Novellierung der UMV hat daran nichts geändert, da das streitgegenständliche Inverkehrbringen der gefälschten Schuhe sowohl nach altem wie auch nach aktuellen Recht eine Rechtsverletzung der Klägerin an ihren Klagemarken begründet. Dieser Anspruch richtet sich auch gegen beide Beklagten und erfasst nicht nur die streitgegenständlichen 17 Paar Schuhe aus den Testkäufen, sondern auch alle im Kern gleichen Verletzungshandlungen (Thiering, in: Ströbele/Hacker/Thiering, MarkenG, 12. Aufl., § 14 Rn. 562), wie das Landgericht zutreffend erkannt hat.
a) Soweit die Beklagte zu 1) meint, es fehle bei ihr an einer Wiederholungsgefahr, da zwischenzeitlich die Geschäftsführung gewechselt habe und Geschäftsbeziehungen zu T.J. nicht mehr unterhalten würden und auch nicht beabsichtigt seien, verkennt sie, dass die vorgetragenen tatsächlichen Umstände nicht geeignet sind, die durch die festgestellte Verletzungshandlung indizierte Wiederholungsgefahr zu beseitigen, sondern dass es hierfür der Abgabe einer strafbewehrten Unterlassungserklärung bedurft hätte (vgl. BGH, GRUR 2009, 1162 Rn. 64 – DAX), die unstreitig nicht abgeben wurde.
b) Auch gegen die Beklagte zu 2) besteht der geltend gemachte Unterlassungsanspruch, da diese zum damaligen Zeitpunkt des Vertriebs der streitgegenständlichen Waren unstreitig alleinige Geschäftsführerin der Beklagten zu 1) war und es sich bei den hier zu beurteilenden geschäftlichen Handlungen um solche handelt, die typischerweise auf Geschäftsführerebene entschieden werden (BGH, GRUR 2015, 672 Rn. 83 – Videospiel-Konsolen II). Soweit die Beklagte zu 2) sinngemäß geltend macht, dass sie sich die Geschäftsführung faktisch mit ihrem damaligen Ehemann und jetzigem Geschäftsführer der Beklagten zu 1) aufgeteilt habe, verhilft ihr das nicht zum Erfolg, denn insoweit ist zu beachten, dass der Schutz von Rechten Dritter, insbesondere von Schutzrechten, eine organisatorische Aufgabe ist, die zu allererst dem gesetzlichen Vertreter obliegt. Dieser muss dafür Sorge tragen, dass grundlegende Entscheidungen der Gesellschaft nicht ohne seine Zustimmung erfolgen (BGH, GRUR 2016, 257 Rn. 107 ff – Glasfasern II). Für den vorliegenden Fall bedeutet das, dass die Beklagte zu 2) als damalige Geschäftsführerin sicherzustellen hatte, dass die von ihr geführte Gesellschaft keine (vermeintlichen) Markenwaren – deren Originalität sie nicht zweifelsfrei gewährleisten kann – aus unsicheren Quellen bezieht und an Dritte verkauft, um sicherzustellen, dass die Markenrechte Dritter durch diesen Handel nicht verletzt werden. Dass sie diese Sicherstellung ihrem eigenen Vortrag nach faktisch aus der Hand gegeben hat, vermag sie nicht zu entlasten – sie haftet als Täterin neben der Beklagten zu 1).
II. Der von der Klägerin gegen die Beklagten geltend gemachte Auskunftsanspruch folgt einerseits – soweit es um die Herkunft der Waren geht – aus Art. 101 Abs. 2 UMV 2009, § 125b Nr. 2 MarkenG aF, § 19 Abs. 1, Abs. 3 MarkenG und im Übrigen – soweit er der Vorbereitung von Schadensersatzansprüchen dient – aus § 242 BGB. Soweit das Landgericht letzteren auf die Schuhe aus den Testkäufen beschränkt hat, hat es jedoch nicht berücksichtigt, dass sich auch dieser Anspruch auf im Kern gleiche Verletzungshandlungen erstreckt, so dass das Urteil auf die Berufung der Klägern insoweit entsprechend abzuändern war.
1. Wie das Landgericht zutreffend erkannt hat, beschränkt sich auch die Pflicht zur Auskunftserteilung nach § 19 MarkenG nicht auf die ganz konkrete Verletzungshandlung, sondern erfasst auch alle im Kern gleichartigen Verletzungshandlungen, in denen das Charakteristische der Verletzungshandlung zum Ausdruck kommt. Folglich findet auch grds. keine Beschränkung dahingehend statt, dass nur Auskunft über Herkunft und Vertriebsweg der zu einer bereits festgestellten Lieferung an den Verletzer gehörenden Waren zu erteilen ist (Thiering, in: Ströbele/Hacker/Thiering, MarkenG, 12. Aufl., § 19 Rn. 38).
2. Nichts anderes gilt vorliegend allerdings auch in Bezug auf den zur Vorbereitung des Schadensersatzanspruchs geltend gemachten weitergehenden Auskunftsanspruch, den das Landgericht zu Unrecht auf die 17 Paar Schuhe aus den Testkäufen beschränkt hat, denn auch der Schadensersatzanspruch (und folglich der entsprechende unselbständige Auskunftsanspruch) beschränkt sich nicht auf die konkret festgestellte Verletzungshandlung, sondern ebenfalls auf kerngleiche solche (BGH, Beschluss v. 19.04.2012, I ZR 41/11, BeckRS 2012, 20448, Rn. 14 – PUMA-Sportschuhe).
3. Letzteres kann im Einzelfall allerdings eine Einschränkung erfahren, soweit bei kerngleichen Verletzungshandlungen ein Verschulden zu verneinen sein könnte – denn dieses ist (anders als beim Unterlassungsanspruch) Anspruchsvoraussetzung in Bezug auf Schadensersatz und unselbständige Auskunft. Dies kann dann bedeutsam sein, wenn als kerngleich Parallelimporte aus unterschiedlichen Lieferungen anzusehen sind, weil es insoweit hinsichtlich der einzelnen Lieferungen zu unterschiedlichen Feststellungen hinsichtlich des Verschuldens kommen könnte.
4. Diese Erwägungen greifen im Streitfall nicht. Vorliegend ist Kern der untersagten Verletzungshandlung der Umstand, dass die Beklagten mit den Klagemarken versehene Waren vertrieben haben, die nicht in der A.D. Datenbank der Klägerin enthalten sind und die nicht bis zur Klägerin zurückzuverfolgen sind und daher als Produktfälschungen anzusehen sind. Verschulden der Beklagten, die beide als Täter in Anspruch genommen werden, ist zu bejahen, da sich diese nicht über die Originalität der Waren vergewissert haben und sich auch die Lieferkette nicht lückenlos und widerspruchsfrei haben versichern lassen. Soweit die Beklagte zu 1) ihrer Meinung Ausdruck verleiht, dass derjenige, der Waren von einem autorisierten Lizenznehmer erwirbt, davon ausgehen dürfe, dass es sich dabei um Originalwaren handelt (Bl. 568 d.A.), ist dies für den vorliegenden Fall, in dem gerade kein Erwerb vom Lizenznehmer inmitten steht, sondern die Beklagte zu 1) ihrem eigenen Vortrag nach am Ende einer langen und zudem lückenbehafteten Lieferkette über mehrere Staatsgrenzen hinaus steht, ohne Belang.
Mithin haben die Beklagten nicht nur über die 17 Paar Schuhe aus den Testkäufen Auskunft zu erteilen, sondern über alle anderen Schuhe, die diesen dargestellten Charakteristika entsprechen.
5. Welche Schuhe dies im Einzelnen sind und ob davon insbesondere auch die im Verfügungsverfahren sequestrierten erfasst sind, ist derzeit nicht festzustellen. Ebenso wenig bedarf es derzeit einer Entscheidung darüber, ob die Beklagten weitergehende Auskünfte überhaupt erteilen können, etwa weil sie nicht (bzw. nicht ohne weitere Mithilfe der Klägerin) wissen, ob und welche weiteren der von ihnen vertriebenen Schuhe in der Datenbank der Klägerin nicht bzw. falsch erfasst sind (was dann letztlich Ergebnis der klägerischen Entscheidung wäre, in den Prozess allein das Fälschungsmerkmal der fehlenden Eintragung in die Datenbank einzuführen).
III. Entsprechendes gilt für den geltend gemachten Schadensersatzanspruch, der der Klägerin aus den angeführten Gründen nicht nur hinsichtlich der 17 Paar Schuhe aus den Testkäufen zusteht.
IV. Soweit das Landgericht Abmahnkostenersatz sowie den Anspruch auf Urteilsbekanntmachung zugesprochen hat, kann – da die Beklagten insoweit keine spezifischen Einwendungen erheben – auf die zutreffenden Ausführungen des Landgerichts Bezug genommen werden. Gleiches gilt, soweit das Landgericht den Anspruch der Beklagten zu 1) auf Urteilsbekanntmachung abgewiesen hat.
V. Keinen Erfolg hat die Klägerin mit ihrer Berufung, soweit sie die Herausgabe der Schuhe gem. Ziffer I. zum Zwecke der Vernichtung bzw. deren Vernichtung beantragt. Zu Recht hat das Landgericht insoweit mit der Rechtsprechung des BGH (GRUR 2006, 504 Rn. 52 – Parfümtestkäufe) darauf abgestellt, dass der Vernichtungsanspruch nicht über die konkret festgestellten Verletzungshandlungen hinaus verallgemeinert werden kann, denn die Anordnung der Vernichtung hat über die Folgenbeseitigung hinaus eine Art Sanktionscharakter und ist wegen des damit verbundenen Eingriffs in das durch Art. 14 GG geschützte Eigentum in besonderem Maße dem Verhältnismäßigkeitsgrundsatz unterworfen (BGH, GRUR 2006, 504 Rn. 52 – Parfümtestkäufe). Insoweit ist auch angesichts des Wortlauts von § 18 Abs. 1 MarkenG im Verhältnis zum Schadensersatzanspruch nach § 14 Abs. 6 MarkenG zu differenzieren, als letzterer den Schadensersatzanspruch – naturgemäß – an eine (schuldhafte) Verletzungshandlung knüpft, während der Vernichtungsanspruch „in den Fällen der §§ 14, 15 und 17“ MarkenG zudem auf die widerrechtlich gekennzeichneten Waren selbst bezogen ist. Mithin ist es – wie oben ausgeführt – sachgerecht, Auskunfts- und Schadensersatzansprüche auf zu den festgestellten Verletzungshandlungen kerngleiche Verletzungshandlungen zu erstrecken, den Vernichtungsanspruch indes auf die konkreten Waren zu beschränken, die im Rechtsstreit selbst als widerrechtlich gekennzeichnet beurteilt wurden. Soweit die Klägerin sich gegen diese Beurteilung mit ihrer Berufung wehrt, kann ihr nicht gefolgt werden, zumal sie selbst unter Bezug auf eine Entscheidung des Senats vom 10.02.2011, Az. 29 U 2256/10, ausführt, dass sich die Vernichtungsansprüche gegen die Beklagten „hinsichtlich aller im Unterlassungsgebot beschriebenen Schuhe“ ergebe (vgl. S. 14 der Berufungsbegründung), es mithin auch nach ihrem eigenen Vortrag auf die Frage ankommt, ob die Waren, die der Vernichtung unterfallen sollen, widerrechtlich gekennzeichnet sind.
Dies bedeutet für den vorliegenden Fall, dass Vernichtung nur hinsichtlich der aus den Testkäufen stammenden Waren in Betracht kommt, da aufgrund des Vortrags der Klägerin nur hinsichtlich dieser feststeht, dass es sich um widerrechtlich gekennzeichnete Waren handelt. Da diese aufgrund des Erwerbs im Rahmen der Testkäufe aber bereits im Eigentum der Klägerin stehen, fallen diese – wie das Landgericht zutreffend festgestellt hat – von vornherein nicht mehr unter den geltend gemachten Anspruch, da die Klägerin frei darin ist, diese Waren zu vernichten.
C.
Die Entscheidung über die Kosten beruht auf § 97, § 91 ZPO.
Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf § 708 Nr. 10, § 711 ZPO.
Die Revision ist nicht zuzulassen. Die Rechtssache hat keine grundsätzliche Bedeutung (§ 543 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 ZPO) und auch die Voraussetzungen des § 543 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 ZPO liegen nicht vor. Die Rechtssache erfordert, wie die Ausführungen unter B. zeigen, lediglich die Anwendung gesicherter Rechtsprechungsgrundsätze auf den Einzelfall.


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