IT- und Medienrecht

Elektronische Wahl zur Satzungsversammlung einer Rechtsanwaltskammer

Aktenzeichen  BayAGH III-4-7/2019

Datum:
20.7.2021
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
BRAK-Mitt – 2021, 402
Gerichtsart:
Anwaltsgerichtshof
Gerichtsort:
München
Rechtsweg:
Ordentliche Gerichtsbarkeit
Normen:
GG Art. 20 Abs. 1, Abs. 2, Art. 38 Abs. 1
BRAO § 191b Abs. 2 S. 2

 

Leitsatz

1. § 191b Abs. 2 S. 2 BRAO, der die Durchführung einer elektronischen Wahl zur Satzungsversammlung zulässt, verstößt nicht gegen die allgemeinen Wahlgrundsätze gem. Art. 20 Abs. 1, Abs. 2 GG, Art. 38 Abs. 1 GG oder sonstiges höherrangiges Recht. (Rn. 22) (redaktioneller Leitsatz)
2. Ein Anspruch auf Einräumung der Möglichkeit zur Abgabe einer Neinstimme oder einer Stimmenthaltung lässt sich aus dem Grundsatz der Freiheit der Wahl nicht ableiten (ebenso BVerfG BeckRS 2011, 56242 Rn. 6). (Rn. 27) (redaktioneller Leitsatz)
3. Bei der elektronischen Wahl liegt es – ebenso wie bei der Briefwahl – im Verantwortungsbereich des einzelnen Wählers sicherzustellen, dass er seine Stimme in einer Umgebung abgibt, in der er unbeobachtet bleibt (Anschluss an OVG Weimar BeckRS 2017, 128958 Rn. 56). (Rn. 36) (redaktioneller Leitsatz)
4. Das Fehlen einer Härtefallregelung für Wahlberechtigte, die selbst keinen Computer besitzen, stellt keinen Verstoß gegen die Wahlgrundsätze dar. (Rn. 37 – 38) (redaktioneller Leitsatz)

Tenor

I. Die Klage wird abgewiesen.
II. Der Kläger trägt die Kosten des Verfahrens.
III. Das Urteil ist hinsichtlich der Kosten vorläufig vollstreckbar gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 120% des zu vollstreckenden Betrages.
IV. Der Streitwert wird auf 5.000,00 Euro festgesetzt.

Gründe

I.
Der Kläger ficht mit seiner am 03.07.2019 eingegangenen Klage die Wahl zur 7. Satzungsversammlung 2019 der Beklagten an, die gemäß § 191 b Abs. 2 Satz 2 BRAO elektronisch durchgeführt wurde. Die Klage zielt darauf ab, die Wahl für ungültig zu erklären.
Der Kläger ist zugelassener Rechtsanwalt und Mitglied der Beklagten.
Der Kläger vertritt die Auffassung, eine elektronische Wahl sei verfassungswidrig und damit nichtig. Wegen eines Verstoßes gegen das Demokratieprinzip hält er sie für unzulässig. Dies ergebe sich bereits daraus, dass nur weniger als 10% der Wahlberechtigten an der Wahl zur 7. Satzungsversammlung teilgenommen hätten. Zudem seien Verstöße gegen die Wahlgrundsätze der allgemeinen, unmittelbaren, freien, gleichen und geheimen Wahl gegeben.
Zum einen habe das zum Einsatz gekommene Online-Wahlsystem weder die Möglichkeit vorgesehen, eine ungültige Stimme abzugeben oder sich der Stimme zu enthalten, noch seien die elektronische Urne und das elektronische Wählerverzeichnis getrennt gewesen, so dass ein Verstoß gegen das Wahlgeheimnis gegeben sei. Zum anderen hätten die Wahlberechtigten keine Sicherheitshinweise erhalten und hätten auch nicht bestätigt, diese zur Kenntnis genommen zu haben. Des Weiteren rügt der Kläger, dass den Wahlberechtigten keine angemessenen Hinweise für die Notwendigkeit einer unbeobachteten Stimmabgabe gegeben worden seien. Auch sei die Öffentlichkeit bei der Auszählung der Stimmen nicht gewährleistet gewesen. Es könne bei einer elektronischen Wahl nicht ausgeschlossen werden, dass das System gehackt werde und so die Stimmen manipuliert werden. Schließlich fehle es an einer Härtefallregelung für Wahlberechtigte, die keine Ausstattung mit Computern hätten, die für die Teilnahme an der Wahl notwendig sei.
Der Kläger beantragt, Die Wahl zur Satzungsversammlung 2019 wird für ungültig erklärt.
Die Beklagte beantragt, die Klage abzuweisen.
Die elektronische Wahl zur 7. Satzungsversammlung 2019 sei nicht für ungültig zu erklären, da kein Verstoß gegen die Wahlgrundsätze gegeben sei. Die Wahl sei nicht unter Verletzung des Gesetzes gemäß § 112 f Abs. 1 BRAO zustande gekommen.
So habe bei der elektronischen Wahl für jeden Wahlberechtigten die Möglichkeit bestanden, ungültig zu wählen. Das zum Einsatz gekommene Online-Wahlsystem sei nach den Vorgaben des Wahlausschusses so konfiguriert worden, dass auch dann die Möglichkeit der verbindlichen Stimmabgabe bestanden habe, wenn mehr als die zulässige Anzahl an Stimmen oder gar keine Stimme vergeben worden sei.
Zudem seien gemäß § 13 Ziff. 6 der Wahlordnung der Beklagten zur Wahrung des Wahlgeheimnisses die elektronische Wahlurne und das elektronische Wählerverzeichnis auf verschiedener Server-Hardware geführt worden. Auch hätten die Wahlberechtigten geeignete Sicherheitshinweise und Informationen zu möglichen Bezugsquellen kostenfreier, durch das Bundesamt für Sicherheit in der Informationstechnik empfohlener Schutzsoftware für das Endgerät erhalten. Mit einem Klick auf den Button „am Wahlsystem anmelden“ hätten die Wahlberechtigten auch bestätigt, dass sie die Sicherheitshinweise zur Kenntnis genommen hätten.
Richtig sei, dass bei der elektronischen Wahl – ebenso wie bei der Briefwahl – der Wahlausschuss nicht sicherstellen könne, dass der Wähler seine Stimme in einer Umgebung abgebe, in der er unbeobachtet bleibe. Eine Verpflichtung des Wahlausschusses hierzu habe nicht bestanden. Es liege vielmehr im Verantwortungsbereich des einzelnen Wählers, dies sicher zu stellen. Bei der Wahl sei das Wahlsystem Polyas Core 2.2.3. eingesetzt worden. Dies sei vom Bundesamt für Sicherheit in der Informationstechnik zertifiziert (B 2). Die Vorgaben in § 12 Ziff. 6 der Wahlordnung der Beklagten seien eingehalten und die Wahrung des Wahlgeheimnisses sei sichergestellt worden (B 1, B 3, B 4). Hierfür werde Frau U., Mitarbeiterin der P. GmbH, als Zeugin benannt.
Die Rüge der fehlenden Öffentlichkeit der Wahl gehe fehl. § 16 Ziff. 3 der Wahlordnung der Beklagten sehe ausdrücklich die Möglichkeit der Überprüfung durch jeden Wähler vor. Von dieser Möglichkeit habe allerdings niemand Gebrauch gemacht. Zutreffend sei, dass die Wähler von der Beklagten nicht belehrt worden seien, die Wahl geheim bzw. unbeobachtet vorzunehmen. Zutreffend sei des Weiteren, dass die vom Kläger gerügte fehlende Härtefallregelung weder vom Wahlausschuss noch in der Wahlordnung vorgesehen sei.
Wegen des weiteren Vorbringens wird auf die Schriftsätze des Klägers vom 03.07.2019, 01.10.2019, 07.11.2019, 09.11.2019, 29.01.2020, 21.02.2020 und 24.12.2020, der Beklagten vom 03.09.2019 sowie auf das Protokoll der mündlichen Verhandlung vom 20.07.2021 Bezug genommen. Hinsichtlich der Aussage der in der mündlichen Verhandlung vom 20.07.2021 vernommenen Zeugin U. wird auf die Sitzungsniederschrift der vorgenannten Sitzung (= Bl. 81/88 d. A.) Bezug genommen.
Mit Schriftsatz vom 07.11.2019 hat der Kläger Befangenheitsanträge gegen die Richter AGH L., M., S., H. und E. gestellt (Bl. 31 d. A.). Mit Beschluss vom 02.03.2020 sind die Befangenheitsanträge verworfen worden (Bl. 52/57 d. A.).
Mit Schriftsatz vom 24.12.2020 hat der Kläger einen weiteren Befangenheitsantrag gestellt.
Mit Beschluss vom 25.02.2021 sind die Befangenheitsanträge des Klägers gegen die Richterin am AGH L. und den Richter am AGH E. zurückgewiesen worden (Bl. 74/78 d. A.).
II.
Die zulässige Klage erweist sich als unbegründet und war deshalb abzuweisen.
1) Die Klage ist zulässig.
a) Die Klagebefugnis ergibt sich gemäß § 112 f Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 BRAO aus der Mitgliedschaft des Klägers bei der Beklagten.
b) Die Klage ist form- und fristgerecht eingelegt worden. Das Wahlergebnis der Wahl zur Satzungsversammlung 2019 wurde am 03.06.2019 bekannt gemacht. Die Klage ist am 03.07.2019 eingegangen und wahrt somit die Klagefrist von einem Monat gemäß § 112 f Abs. 3 BRAO, § 20 Ziff. 1 der Wahlordnung der Beklagten.
2) Die Klage erweist sich als unbegründet. Nach § 112 f Abs. 1 Nr. 2 BRAO, § 12 Ziff. 3 der Wahlordnung der Beklagten können Wahlen für ungültig oder nichtig erklärt werden, wenn sie unter Verletzung des Gesetzes oder der Satzung zustande gekommen sind. Dies ist vorliegend nicht der Fall.
a) Die Wahl zur 7. Satzungsversammlung 2019 hat ihre gesetzliche Grundlage in § 191 b Abs. 2 Satz 2 BRAO. Die dadurch geschaffene Möglichkeit, eine elektronische Wahl durchzuführen, wurde durch Gesetz vom 12.05.2017 (BGBl. I S. 1121) mit Wirkung vom 18.05.2017 eingeführt. Damit wurde einer Grundsatzentscheidung des Bundesverfassungsgerichts (2 BvC 3/07, 2 BvC 4/07, Urteil vom 03.03.2019, juris Rn. 132 = BVerfGE, 123, 39) Rechnung getragen, wonach der im Rechtsstaatsprinzip und im Demokratiegebot gemäß Art. 38 GG i. V. m. Art. 20 Abs. 1, Abs. 2 GG wurzelnde Parlamentsvorbehalt es gebiete, dass in grundlegenden normativen Bereichen, zumal im Bereich der Grundrechtsausübung, soweit dieser staatlicher Regelung zugänglich ist, die wesentlichen Entscheidungen vom Gesetzgeber getroffen werden müssen.
Entgegen der Rechtsansicht des Klägers verstößt § 191 b Abs. 2 Satz 2 BRAO nicht gegen höherrangiges Recht, namentlich nicht gegen die allgemeinen Wahlgrundsätze des Art. 38 Abs. 1 GG i. V. m. Art. 20 Abs. 1 und 2 GG (ebenso Thüringer Oberverwaltungsgericht, Urteil vom 30.05.2013 – 1 N 240/12 – juris, Rn. 51 zu Einführung der elektronischen Wahl an einer Hochschule). Diese stehen einer elektronisch durchgeführten Wahl nicht entgegen. Auch die geringe Wahlbeteiligung von weniger als 10% der Wahlberechtigten ändert hieran nichts.
b) Die elektronische Wahl zur 7. Satzungsversammlung 2019 hat nicht gegen die in § 191 b Abs. 2 Satz 1 BRAO i. V. m. der Wahlordnung der Beklagten geregelten Wahlgrundsätze der allgemeinen, unmittelbaren, freien, gleichen und geheimen Wahl verstoßen.
aa) Ohne Erfolg rügt der Kläger, das zum Einsatz gekommene Online-Wahlsystem habe nicht die Möglichkeit vorgesehen, eine ungültige Stimme abzugeben. Tatsächlich bestand für jeden Wahlberechtigten die Möglichkeit, ungültig zu wählen.
Die hierzu in der mündlichen Verhandlung vom 20.07.2021 vernommene Zeugen U. gab an, nach erfolgreicher Anmeldung sei dem Wahlberechtigten der Stimmzettel angezeigt worden, auf dem er seine Auswahl der Kandidaten habe treffen können. Am Ende des Stimmzettels sei ein Prüfungsbutton angebracht gewesen, so dass alle Kandidaten zur Kenntnis genommen werden konnten. Wurde dieser nach Auswahl betätigt, so habe das System überprüft, ob die Vorgaben für eine gültige Wahl eingehalten worden seien. Seien beispielsweise zu viele Stimmen oder gar keine Stimmen abgegeben worden, so sei es zu einer Fehlermeldung gekommen. Der Wahlberechtigte habe dann wieder zum Stimmzettel zurückgehen und seine Stimme korrigieren oder verbindlich abstimmen können. Somit sei auch die Abgabe ungültiger Stimmzettel möglich gewesen, wenn dies bewusst so gewollt gewesen sei. Es sei möglich gewesen, die bewusste Abgabe einer ungültigen Stimme vorzunehmen (Protokoll der mündlichen Verhandlung vom 20.07.2021, Seiten 4/5 = Bl. 84/85 d. A.).
Der Senat hält die Aussage der Zeugin U. für schlüssig, in sich nachvollziehbar und glaubhaft. Sie steht zudem im Einklang mit dem von der Beklagten vorgelegten Screenshot (B 1), deren Richtigkeit der Kläger nicht bestritt (Seite 5 des vorgenannten Protokolls = Bl. 85 d. A.). Durch die Aussage der glaubwürdigen Zeugin ist somit belegt, dass für jeden Wahlberechtigten die Möglichkeit bestanden hat, ungültig zu wählen.
bb) Ein Verstoß gegen den Wahlgrundsatz der freien Wahl ist auch nicht darin zu sehen, dass bei dem zum Einsatz gekommenen Online-Wahlsystem nicht die Möglichkeit bestanden hat, sich der Stimme zu enthalten. Ein Anspruch auf Einräumung der Möglichkeit zur Abgabe einer Neinstimme oder eine Stimmenthaltung lässt sich nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts aus dem Grundsatz der Freiheit der Wahl nicht ableiten (BVerfG, Beschluss vom 24.09.2011 – 2 BvC 15/10 -, juris Rn. 6; BVerfG, Beschluss vom 18.10.2011 – 2 BvC 5/11 -, juris Rn. 6 = NVwZ 2012, 161).
cc) Bei der Wahl zur 7. Satzungsversammlung 2019 wurde entgegen der Behauptung des Klägers dem Grundsatz der geheimen Wahl auch dadurch Rechnung getragen, dass das elektronische Wählerverzeichnis und die elektronische Urne getrennt wurden.
Die in der mündlichen Verhandlung vom 20.07.2021 vernommene Zeugin U. gab an, das bei der Wahl verwendete Wahlsystem Polyas Core 2.2.3. sei vom Bundesamt für Sicherheit in der Informationstechnik zertifiziert (B 2). Es bestehe aus drei Subsystemen, nämlich dem Wählerverzeichnis, der Wahlurne und dem Validator. Diese seien technisch unabhängig auf drei Servern installiert, würden aber ständig miteinander kommunizieren. Elektronische Sicherungssysteme hätten bei der vorliegenden Wahl dafür gesorgt, dass ein Versuch der Manipulation der drei Server sofort von den anderen Einheiten erkannt worden wäre. In einem solchen Fall wäre die Wahl sofort unterbrochen und der Vorgang untersucht worden. Der Wahlvorgang sei so abgelaufen: Der Wähler hätte sich mit seiner ID und seinem Passwort anmelden müssen. Dann sei vom Validator geprüft worden, ob sich der Anmeldende im Wählerverzeichnis befunden habe. Sei dies nicht der Fall gewesen, sei die Anmeldung zurückgewiesen worden. Bei berechtigter Anmeldung sei ein anonymisierter Token erstellt worden, mit dem der Wähler am weiteren Wahlprozess habe teilnehmen können. Anschließend sei dem Wahlberechtigten der Stimmzettel angezeigt worden, auf dem er seine Auswahl der Kandidaten habe treffen können. Habe der Wahlberechtigte verbindlich abgestimmt, hätte der Wähler eine Benachrichtigung erhalten, dass sein Stimmzettel jetzt in der Wahlurne abgelegt worden sei. Technisch habe der Validator mit der Wahlurne kommuniziert, welche Stimmen dort abgelegt worden seien. Anschließend sei der anonymisierte Token gelöscht worden. Es sei mit dem Wählerverzeichnis kommuniziert worden, so dass der betreffende Wähler endgültig daraus gestrichen worden sei und nicht nochmals habe abstimmen können.
Das Wahlsystem sei einhundertprozentig sicher. Bei der Wahl zur 7. Satzungsversammlung 2019 habe es keine Manipulationsversuche oder Unregelmäßigkeiten gegeben (Seiten 4 und 5 des Protokolls der mündlichen Verhandlung vom 20.07.2021 = Bl. 84/85 d. A.).
Aus den glaubhaften Angaben der Zeugen U. ergibt sich somit, dass gemäß § 13 Ziff. 6 der Wahlordnung der Beklagten die elektronische Wahlurne und das elektronische Wählerverzeichnis vorliegend auf verschiedener Serverhardware geführt worden ist und somit dem Grundsatz der geheimen Wahl Rechnung getragen wurde.
dd) Aus der vorgenannten Aussage der Zeugin U. ergibt sich zudem, dass es sich bei der vom Kläger angefochtenen Wahl um eine sichere Wahl handelte. Diese erklärte auf Frage des Klägers, dass bei der Anmeldung eines Wählers standardisierte Hinweise auf die Wahrung der Sicherheitsvorgaben gemacht worden seien (Seite 6 des vorgenannten Protokolls = Bl. 86 d. A.). Bestätigt wurde dies zudem durch den von der Beklagten vorgelegten Screenshot, aus dem sich ergibt, dass jeder Wahlberechtigte, der sich zur Wahl habe anmelden wollen, zuvor bestätigt habe, dass das vom Wahlberechtigten verwendete Endgerät durch geeignete Sicherheitsmaßnahmen gegen Eingriffe Dritter nach dem aktuellen Stand der Technik geschützt sei. Zudem erhielt jeder Wahlberechtigte den Hinweis auf kostenfreie Bezugsquellen geeigneter Schutzsoftware (B 4).
Hierdurch wurde § 12 Ziff. 6 der Wahlordnung der Beklagten ausreichend Rechnung getragen.
ee) Entgegen der Rechtsansicht des Klägers musste die Beklagte den Wahlberechtigten keinen Hinweis auf die Notwendigkeit einer unbeobachteten Stimmabgabe geben.
Unstrittig ist, dass die Beklagte den Wahlberechtigten einen solchen Hinweis nicht gegeben hat (Seite 6 des vorgenannten Protokolls = Bl. 86 d. A.).
Eine Verpflichtung des Wahlausschusses hierzu hat allerdings nicht bestanden. Dabei ist zutreffend, dass bei der elektronischen Wahl – ebenso wie bei der Briefwahl – der Wahlausschuss nicht sicherstellen kann, dass der Wähler seine Stimme in einer Umgebung abgibt, in der er unbeobachtet bleibt. Es liegt vielmehr im Verantwortungsbereich des einzelnen Wählers, dies sicherzustellen (so auch Thüringer Oberverwaltungsgericht, Urteil vom 23.05.2017 – 4 N 124/15 -, BeckRS 2017, 128958 Rn. 56). Dies gilt vorliegend umso mehr, weil es sich bei den Wahlberechtigten um Rechtsanwälte, somit Organe der Rechtspflege, handelte, die somit eines ausdrücklichen Hinweises darauf, unbeobachtet zu wählen, nicht bedurften.
ff) Ohne Erfolg beruft sich der Kläger darauf, vorliegend sei die Öffentlichkeit bei der Auszählung der Stimmen nicht gewährleistet gewesen. Gemäß § 16 Ziff. 3 der Wahlordnung der Beklagten ist die Auszählung der Stimmen öffentlich. Es bestand die Möglichkeit, den Auszählungsprozess für jeden Wähler reproduzierbar zu machen. Auf Antrag war der Wahlausschuss verpflichtet, bei berechtigtem Interesse die Auszählung der elektronischen Wahl zu überprüfen. Dies ist vorliegend jedoch von keinem Wahlberechtigten beantragt worden gg) Auch die fehlende Härtefallregelung für Wahlberechtigte, die selbst keinen Computer besaßen, stellt keinen Verstoß gegen die Wahlgrundsätze dar.
Offenbleiben kann, ob eine solche Härtefallregelung mit § 191 b Abs. 2 Satz 1 und 2 BRAO vereinbar wäre. Eine solche Härtefallregelung war vorliegend weder vom Wahlausschuss noch in der Wahlordnung vorgesehen. Das Fehlen einer solchen Härtefallregelung stellt jedenfalls keinen Verstoß gegen die Wahlgrundsätze der allgemeinen, unmittelbaren, freien, gleichen und geheimen Wahl dar. Jeder Wahlberechtigte, der selbst über keine geeignete Ausstattung mit Computer verfügte, konnte dennoch an der Wahl zur 7. Satzungsversammlung teilnehmen. Beispielsweise konnte er den Computer eines Internetcafes oder einer sonstigen Privatperson nutzen. Dieser geringfügige Aufwand erscheint hinnehmbar. Nach verständiger Betrachtung aus der Sicht eines interessierten Wahlberechtigten hätte sich dieser dadurch nicht von der Teilnahme an der Wahl abhalten lassen.
III.
1) Die Kostenentscheidung beruht auf § 112 c Abs. 1 Satz 1 BRAO, § 154 Abs. 1 VwGO.
2) Der Ausspruch über die vorläufige Vollstreckbarkeit folgt aus § 112 c Abs. 1 Satz 1 BRAO i. V. m. § 167 VwGO, § 709 ZPO.
3) Die Streitwertfestsetzung ergibt sich aus § 194 Abs. 1 BRAO, § 52 Abs. 1 GKG.
4) Die Voraussetzungen für die Zulassung der Berufung sind vorliegend nicht gegeben, §§ 112 e, 112 c Abs. 1 BRAO, § 124 Abs. 2 VwGO.

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