IT- und Medienrecht

Erfolgloser Eilantrag gegen saarländische Verordnungsregelungen zur Corona-Eindämmung – Folgenabwägung

Aktenzeichen  1 BvR 1187/20

Datum:
7.7.2020
Rechtsgebiet:
Gerichtsart:
Dokumenttyp:
Ablehnung einstweilige Anordnung
ECLI:
ECLI:DE:BVerfG:2020:rk20200707.1bvr118720
Normen:
Art 2 Abs 2 S 1 GG
§ 32 Abs 1 BVerfGG
§ 1 CoronaVV SL 2020e
§ 2 CoronaVV SL 2020e
§ 3 CoronaVV SL 2020e
§ 28 IfSG
§ 32 IfSG
Spruchkörper:
1. Senat 2. Kammer

Verfahrensgang

vorgehend Oberverwaltungsgericht des Saarlandes, 13. Mai 2020, Az: 2 B 175/20, Beschluss

Tenor

Der Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung wird abgelehnt.

Gründe

I.
1
Der im Saarland lebende Beschwerdeführer wendet sich mit seinem Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung gegen die aktuell geltende saarländische Verordnung zur Bekämpfung der Corona-Pandemie (VO-CP) in der Fassung vom 26. Juni 2020 (Amtsblatt I Nr. 35, S. 438 ff.). Der Antrag ist verbunden mit einer Verfassungsbeschwerde gegen den vorausgehenden Beschluss des Oberverwaltungsgerichts im Eilrechtsschutz nach § 47 Abs. 6 VwGO, dessen Gegenstand eine vorhergegangene Fassung der Verordnung war. Zur Begründung seines Antrags trägt er insbesondere zu Kontaktbeschränkungen, zur Kontaktnachverfolgung und zur Pflicht zum Tragen einer Mund-Nasen-Bedeckung vor. Diese stellten Eingriffe in Art. 2 Abs. 1, Art. 2 Abs. 2 Sätze 1 und 2 GG sowie in Art. 2 Abs. 1 in Verbindung mit Art. 1 Abs. 1 GG auch in der Ausprägung als Recht auf informationelle Selbstbestimmung dar. Der Beschwerdeführer macht vor allem fehlende Kohärenz des der Verordnung zugrunde liegenden Schutzkonzepts sowie eine aus seiner Sicht mangelhafte Datengrundlage zur Gefährlichkeit des SARS-CoV-2-Virus geltend, welche die Verhältnismäßigkeit der angegriffenen Maßnahmen in Frage stelle.
II.
2
Die Voraussetzungen zum Erlass der begehrten einstweiligen Anordnung liegen nicht vor.
3
1. Offen bleiben kann im Rahmen der Zulässigkeit des Antrags, ob der Beschwerdeführer aus dem Grundsatz der Subsidiarität heraus gehalten war, bezüglich der inhaltlich neu hinzugekommenen beziehungsweise in größerem Umfang geänderten Regelungen zur Kontaktbeschränkung und Kontaktnachverfolgung zunächst erneuten Rechtsschutz vor den Verwaltungsgerichten nach § 47 Abs. 1 Nr. 2, Abs. 6 VwGO in Verbindung mit § 18 AGVwGO Saarland zu suchen.
4
2. Der Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung ist unbegründet.
5
a) Die Erfolgsaussichten einer – bezogen auf die aktuell geltende Verordnung zur Bekämpfung der Corona-Pandemie in der Fassung vom 26. Juni 2020 – noch zu erhebenden Verfassungsbeschwerde sind nach dem bereits vorliegenden Vortrag jedenfalls soweit offen, wie die Regelungen der Verordnung den Beschwerdeführer selbst betreffen. Sie bedarf einer eingehenderen Prüfung, die im Rahmen eines Eilverfahrens nicht möglich ist.
6
b) Daher ist über den Antrag auf Erlass der begehrten einstweiligen Anordnung vorab per Folgenabwägung zu entscheiden (vgl. BVerfGE 131, 47 ; 132, 195 ; BVerfG, Beschluss der 3. Kammer des Ersten Senats vom 10. März 2020 – 1 BvQ 15/20 -, Rn. 16; stRspr). Dabei sind die Auswirkungen auf alle von den angegriffenen Regelungen Betroffenen zu berücksichtigen, nicht nur die Folgen für den Beschwerdeführer (vgl. BVerfG, Beschluss der 3. Kammer des Ersten Senats vom 7. April 2020 – 1 BvR 755/20 -, Rn. 8 m.w.N.).
7
aa) Erginge die einstweilige Anordnung nicht, während eine spätere Verfassungsbeschwerde gegen die Verordnung in der Fassung vom 26. Juni 2020 Erfolg hätte, wäre der Beschwerdeführer ebenso wie die weiteren sich im Saarland aufhaltenden Personen vorläufig weiter dazu verpflichtet, in den in § 2 VO-CP bestimmten Situationen eine Mund-Nasen-Bedeckung zu tragen, sich an die geltenden Kontaktbeschränkungen zu halten sowie Daten zur Kontaktnachverfolgung beim Besuch bestimmter Einrichtungen zu hinterlegen, welche nach § 3 Abs. 3 VO-CP einen Monat lang gespeichert würden. Hiermit sind merkliche Folgen für die eigene Lebensgestaltung und Interaktion mit anderen Personen verbunden.
8
bb) Erginge die einstweilige Anordnung, wohingegen einer späteren Verfassungsbeschwerde in der Hauptsache der Erfolg versagt bliebe, wäre der Regierung untersagt, Schutzmaßnahmen zu ergreifen, die möglicherweise einen erneuten Anstieg des Infektionsgeschehens verhinderten. Diese Konsequenz könnte daher möglicherweise, auch in Anbetracht der kürzlich erfolgten Lockerungen, zu härteren Grundrechtseinschnitten für die Bevölkerung führen als die vorläufige weitere Befolgung der angegriffenen Maßnahmen und Hinnahme der damit verbundenen alltäglichen Einschränkungen. Damit überwiegt das Interesse am Vollzug der angegriffenen Verordnung.
9
Von einer weiteren Begründung wird nach § 93d Abs. 1 Satz 3 BVerfGG abgesehen.
10
Diese Entscheidung ist unanfechtbar.


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