IT- und Medienrecht

Erstattung von Zahlungen für die Verlegung und Änderung von Telekommunikationsleitungen beim Neubau einer Straßenbahn

Aktenzeichen  21 BV 14.158

Datum:
31.5.2016
Rechtsgebiet:
Gerichtsart:
VGH
Gerichtsort:
München
Rechtsweg:
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Normen:
TKG TKG § 74 Abs. 1 S. 1, § 75 Abs. 2 S. 1, S. 2
UmwG UmwG § 131 Abs. 1 Nr. 1

 

Leitsatz

1. Zur Frage, ob sich ein Nutzungsberechtigter auch dann auf die Ausschlussvorschrift des § 75 Abs. 2 Satz 2 TKG berufen kann, wenn er in einem für eine spätere besondere Anlage (Straßenbahnlinie) durchgeführten Planfeststellungsverfahren keine Einwendungen gegen das Vorhaben erhoben hat.
2. Eine spätere besondere Anlage wird auch dann iSd § 75 Abs. 2 S. 1 TKG unter überwiegender Beteiligung des Wegeunterhaltspflichtigen zur Ausführung gebracht, wenn die Anlage von einem rechtlich selbständigen Dritten ausgeführt wird, den der Wegeunterhaltspflichtige zur Wahrnehmung einer ihm übertragenen öffentlichen Aufgabe gegründet hat und den er auf Grund seiner unmittelbaren oder mittelbaren gesellschaftsrechtlichen Beteiligung beherrscht. (redaktioneller Leitsatz)
3. Die Planfeststellungsbehörde verstößt nicht gegen den Planungsgrundsatz der Problembewältigung, wenn sie die Frage der Kostentragung für Änderungs- und Verlegungsmaßnahmen an vorhandenen Telekommunikationsanlagen einem dem Planfeststellungsverfahren nachgeordneten Verfahren überantwortet. (redaktioneller Leitsatz)
4. Unverhältnismäßig hohe Kosten iSd § 75 Abs. 2 S. 2 TKG sind solche Kosten, welche die Kosten einer gewöhnlichen oder normalen Verlegung einer Telekommunikationslinie erheblich übersteigen. Unverhältnismäßig hohe Kosten liegen nicht vor, wenn sie einen bestimmten absoluten Betrag überschreiten, sondern wenn die konkrete örtliche Situation Besonderheiten aufweist, die zu erheblichen Kostensteigerungen führen. (redaktioneller Leitsatz)

Verfahrensgang

4 K 12.1627 2013-11-27 Urt VGAUGSBURG VG Augsburg

Tenor

I. Die Berufung wird zurückgewiesen.
II. Die Beklagten haben die Kosten des Berufungsverfahrens als Gesamtschuldner zu tragen.
III. Das Urteil ist wegen der Kosten vorläufig vollstreckbar. Die Beklagten dürfen die Vollstreckung gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 110 v.H. des zu vollstreckenden Betrags abwenden, wenn nicht die Klägerin zuvor Sicherheit in gleicher Höhe leistet.
IV. Die Revision wird nicht zugelassen.

Gründe

Die zulässige Berufung ist nicht begründet. Das Verwaltungsgericht hat die Beklagten zu Recht als Gesamtschuldner verurteilt, an die Klägerin 1.300.267,41 Euro nebst Zinsen in tenoriertem Umfang zu zahlen.
1. Die Klägerin kann die Zahlung aufgrund der zwischen ihr und der Beklagten zu 1 geschlossenen Abwicklungsvereinbarung vom 29. Oktober/3. November 2008 beanspruchen. Aus dieser Vereinbarung wird auch die Beklagte zu 2 verpflichtet (Nr. 1.1). Die Voraussetzungen, die nach Nr. 3.2 der Abwicklungsvereinbarung i.V.m. § 75 Abs. 2 TKG für einen (Rück-)Zahlungsanspruch der Klägerin bestehen müssen, sind erfüllt (1.2).
1.1 Die Beklagte zu 2 wird aus der Abwicklungsvereinbarung verpflichtet, auch wenn diese lediglich zwischen der Klägerin und der Beklagten zu 1 abgeschlossen wurde. Die Vereinbarung ist gemäß § 131 Abs. 1 Nr. 1 UmwG mit allen daraus folgenden Rechten und Pflichten auf die Beklagte zu 2 übergegangen, weil sie das deutsche Festnetz auf der Grundlage eines Ausgliederungs- und Übernahmevertrags vom 3. September 2009 aus dem Vermögen der Beklagten zu 1 in ihr Vermögen übernommen hat und der Vertrag mit der Eintragung in das Handelsregister am 30. März 2010 wirksam geworden ist. Daneben bleibt die Beklagte zu 1 für die durch die verfahrensgegenständliche Abwicklungsvereinbarung begründeten Verbindlichkeiten in der gesamtschuldnerischen Haftung (§ 133 Abs. 1 Satz 1 UmwG).
1.2 Der Zahlungsanspruch der Klägerin folgt aus Nr. 3.2 der Abwicklungsvereinbarung i.V.m. § 75 Abs. 2 Satz 1 TKG.
Die Beklagten stellen nicht in Abrede, dass die Klägerin auf der Grundlage von Nr. 2 der Abwicklungsvereinbarung für die Umverlegung (Verlegung und Veränderung) der in Nr. 1.1 der Vereinbarung näher bestimmten Telekommunikationslinien vorläufig Kosten in der ihr vom Verwaltungsgericht zugesprochenen Höhe übernommen hat.
Nr. 3 dieser Vereinbarung gewährt der Klägerin einen Rückzahlungsanspruch, soweit die Beklagten verpflichtet waren, ihre Telekommunikationslinien zu verlegen und dafür die Kosten zu tragen. Ein solcher Anspruch besteht insbesondere insoweit, wie die Beklagten – so Nr. 3.2 der Vereinbarung – nach § 75 TKG zur Umverlegung auf eigene Kosten verpflichtet waren.
Die Beklagten hatten gemäß § 75 Abs. 2 Satz 1 TKG die betroffenen Telekommunikationslinien auf eigene Kosten zu verlegen und zu verändern (1.2.1). Die Verpflichtung zur Verlegung von Telekommunikationslinien war nicht nach § 75 Abs. 2 Satz 2 TKG ausgeschlossen, wobei die Beklagte diesen Einwand entgegen der Auffassung der Klägerin nach wie vor erheben kann (1.2.2).
1.2.1 Nach § 75 Abs. 2 Satz 1 TKG muss dem Verlangen auf Verlegung oder Veränderung einer Telekommunikationslinie auf Kosten des Nutzungsberechtigten – hier der Beklagten zu 1 bzw. der Beklagten zu 2 – stattgegeben werden, wenn sonst die Herstellung einer späteren besonderen Anlage – hier der Neubau der Straßenbahnlinie 6 – unterbleiben müsste oder wesentlich erschwert werden würde, welche aus Gründen des öffentlichen Interesses, insbesondere aus volkswirtschaftlichen oder Verkehrsrücksichten, von den Wegeunterhaltspflichtigen oder unter ihrer überwiegenden Beteiligung ausgeführt werden soll.
Die Beklagten haben in erster Instanz und auch im Berufungsverfahren nicht bestritten, dass der Neubau der Linie 6 der Straßenbahn, die als Schienenbahn eine besondere Anlage ist (§ 74 Abs. 1 Satz 1 TKG), aus Gründen des öffentlichen Wohls ausgeführt wurde. Ebenso sind auch sie davon ausgegangen, dass ohne Verlegung oder Änderung ihrer Telekommunikationslinien der Neubau der Straßenbahnlinie und damit die Herstellung einer späteren besonderen Anlage hätte unterbleiben müssen oder wesentlich erschwert gewesen wäre.
Mit Blick auf das zwischenzeitlich ergangene Urteil des Bundesverwaltungsgerichts vom 29. April 2015 (6 C 32.14 – NVwZ 2015, 1151) haben die Beklagten ihren Einwand im Berufungsverfahren fallen lassen, sie seien schon deshalb nicht verpflichtet gewesen, die betroffenen Telekommunikationslinien auf ihre Kosten zu verlegen oder zu verändern, weil der Neubau der Straßenbahnlinie 6 von der Klägerin und nicht von der wegeunterhaltspflichtigen Stadt Augsburg oder unter deren überwiegender Beteiligung ausgeführt wurde. Das Bundesverwaltungsgericht hat mit dem zur gleichlautenden Vorschrift des § 56 Abs. 2 Satz 1 TKG 1996 ergangenen Urteil die zutreffende und eingehend begründete Auffassung des Verwaltungsgerichts (vgl. UA S. 21 ff.) bestätigt, dass eine spätere besondere Anlage auch dann im Sinn des § 75 Abs. 2 Satz 1 TKG unter überwiegender Beteiligung des Wegeunterhaltspflichtigen zur Ausführung gebracht wird, wenn die Anlage von einem rechtlich selbständigen Dritten (hier: Klägerin) ausgeführt wird, den der Wegeunterhaltspflichtige (hier: Stadt Augsburg) aber zur Wahrnehmung einer ihm übertragenen öffentlichen Aufgabe gegründet hat und den er auf Grund seiner unmittelbaren oder – wie hier – mittelbaren gesellschaftsrechtlichen Beteiligung beherrscht.
1.2.2 Die Verlegung einer kabelgebundenen Telekommunikationslinie, die nicht lediglich dem Orts-, Vororts- oder Nachbarortsverkehr und damit auch dem Fernverkehr dient, kann gemäß § 75 Abs. 2 Satz 2 TKG allerdings nur dann verlangt werden, wenn sie ohne Aufwendung unverhältnismäßig hoher Kosten anderweitig ihrem Zweck entsprechend untergebracht werden kann. Den Beklagten ist die Berufung auf diese Vorschrift entgegen der Auffassung der Klägerin nicht etwa deshalb abgeschnitten, weil die Beklagte zu 1 im Verfahren zur Planfeststellung für den Neubau der Straßenbahnlinie 6 keine Einwendungen erhoben hat (1.2.2.1). Der Verweis auf § 75 Abs. 2 Satz 2 TKG greift allerdings nicht durch, weil die Verlegung der betroffenen Telekommunikationslinien auch unter Berücksichtigung des Berufungsvorbringens ohne Aufwendung unverhältnismäßiger Kosten möglich war (1.2.2.2).
1.2.2.1 Der gegen den Rückzahlungsanspruch erhobene Einwand, durch die anderweitige Unterbringung von auch dem Fernverkehr dienenden Telekommunikationslinien seien unverhältnismäßig hohe Kosten entstanden, ist den Beklagten entgegen der Auffassung der Klägerin nicht deshalb genommen, weil die Beklagte zu 1 im Planfeststellungsverfahren keine Einwendungen gegen den Neubau der Straßenbahnlinie 6 erhoben hat.
Zutreffend an der Auffassung der Klägerin ist zwar, dass der Nutzungsberechtigte den „Kosteneinwand“ nach dem Wortlaut des § 75 Abs. 2 Satz 2 TKG dem Verlangen auf Verlegung entgegenhalten kann, hierüber aber bereits mit dem bestandskräftigen Planfeststellungsbeschluss der Regierung von Schwaben vom 24. April 2007 zulasten der Beklagten im Sinne einer Verpflichtung zur Verlegung der Telekommunikationslinien entschieden wurde. Allerdings beantwortet § 75 Abs. 2 Satz 2 TKG der Sache nach auch die Frage, ob der Nutzungsberechtigte oder der Wegeunterhaltspflichtige die Kosten der Verlegung einer Telekommunikationslinie zu tragen hat, die nicht lediglich dem Orts-, Vororts- oder Nachbarortsverkehr dient (vgl. OVG NW. U.v. 2.10.2012 – 20 A 33/11 – BeckRS 2012, 58623). Diese Bestimmung ist Teil eines selbständigen und vollständigen Regelungssystems (§ 75 Abs. 2 bis 5 TKG), dem für „spätere besondere Anlagen“ zu entnehmen ist, wer für die Verlegung oder Veränderung einer Telekommunikationslinie in finanzieller Hinsicht aufkommen muss. Dementsprechend hat die Regierung von Schwaben, ohne gegen den Planungsgrundsatz der Problembewältigung zu verstoßen, die Kostenfrage einem dem Planfeststellungsverfahren nachgeordneten Verfahren überantwortet und in ihrem Planfeststellungsbeschluss unter C) III. 9.3 bestimmt, dass bezüglich der im Planbereich vorhandenen Telekommunikationsanlagen vor Baubeginn eine Abstimmung mit der Beklagten zu 1 zu erfolgen habe und die „Frage der Kostentragung für Änderungs- und Verlegungsmaßnahmen nicht im Rahmen des vorliegenden Planfeststellungsbeschlusses zu entscheiden“ sei (vgl. dazu BVerwG, B.v. 13.10.2010 – 7 B 50.10 – BeckRS 2010, 55635; BVerwG, E. v. 6.3.2002 – 9 A 6.01 – juris). Dem folgend haben die Klägerin und die Beklagte zu 1 die verfahrensgegenständliche Abwicklungsvereinbarung mit der Beklagten abgeschlossen und unter deren Nr. 3.2 einen Rückzahlungsanspruch an die Voraussetzungen des § 75 TKG geknüpft.
1.2.2.2 Das Berufungsvorbringen gibt keinen Anlass, von der Feststellung des Verwaltungsgerichts abzurücken, dass die in fünf Bauabschnitten auf einer Gesamtlänge von 920 m erforderliche anderweitige Unterbringung von Telekommunikationslinien ohne Aufwendung unverhältnismäßig hoher Kosten möglich war.
Das Verwaltungsgericht hat sich zur Frage der Unverhältnismäßigkeit der Verlegungskosten, die Beklagten stellen das nicht in Abrede, zutreffend auf die Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts berufen. Danach sind „unverhältnismäßig hohe Kosten“ im Sinn des § 75 Abs. 2 Satz 2 TKG solche Kosten, welche die Kosten einer gewöhnlichen oder normalen Verlegung erheblich übersteigen. Dabei kommt es nicht auf einen – wie auch immer zu bestimmenden – abstrakten Normalfall einer Leitungsverlegung bzw. auf einen Vergleich zu den Kosten einer durchschnittlichen Verlegung an. Als Vergleichsmaßstab dienen vielmehr die Kosten einer Verlegung „unter normalen Verhältnissen“. Gegenüber einer gewöhnlichen Verlegung unverhältnismäßig hoch sind die Kosten der Verlegung einer Telekommunikationslinie demnach nicht etwa dann, wenn sie einen bestimmten absoluten Betrag überschreiten, sondern wenn die konkrete örtliche Situation Besonderheiten aufweist, die zu erheblichen Kostensteigerungen führen (vgl. BVerwG, B.v. 25.6.2013 – 6 B 56.12 – BeckRS 2013, 53025; B.v. 27.2.1981 – 7 B 15.81 – BeckRS 1981, 31272423; U.v. 7.11.1975 – VII C 25.73 – juris)
a) Die Beklagten meinen, diese Rechtsprechung sei zu überdenken bzw. neu zu justieren, weil der für die Bestimmung der Unverhältnismäßigkeit herangezogene Ansatzpunkt unzutreffend gewählt sei. Stattdessen sei zu fragen, ob im konkreten Fall der Nutzungsberechtigte die Kosten der Verlegung nach den für ihn bei normalen Verhältnissen maßgebenden wirtschaftlichen Grundsätzen tragen könne, ob also die Übernahme der Kosten nach betriebswirtschaftlichen Gründen vertretbar und zumutbar erscheine. Unter normalen Verhältnissen seien jedenfalls Verlegungskosten betriebswirtschaftlich nicht zu vertreten, die sich nicht aus den betroffenen Telekommunikationslinien heraus in überschaubarer Zeit amortisierten. Ein solcher Maßstab ergebe sich aus der Stellungnahme des Abgeordneten Kirsch zum Entwurf eines Telegraphenwegegesetzes im Rahmen der zweiten Beratung des Reichstages am 12. Dezember 1899 (Stenogr. Berichte über die Verhandlungen des Reichstags, 10. Legisl.-Per. I. Session 1898/1900, S. 3300) und dem Bericht der XIV. Kommission über diesen Gesetzesentwurf vom 7. Dezember 1899 (Stenogr. Berichte über die Verhandlungen des Reichstags, 10. Legisl.-Per. I. Session 1898/1900, 4. Anlagenband S. 2636). Die Verlegung der hier betroffenen Telekommunikationslinien in fünf Bauabschnitten auf einer Gesamtlänge von 920 m habe Verlegungskosten in Höhe von 1,3 Millionen Euro verursacht. Diesen hohen Betrag könnten die Beklagten nach den für sie nach normalen Verhältnissen maßgebenden wirtschaftlichen Kosten nicht tragen, weil diese Kosten im Vergleich zu der wirtschaftlichen Bedeutung der Telekommunikationslinie zu hoch seien.
Das rechtfertigt es nicht, sich von dem auch in der obergerichtlichen Rechtsprechung gefestigten Maßstab des Bundesverwaltungsgerichts abzuwenden (vgl. etwa OVG NW, U.v. 2.10.2012 – 20 A 33/11 – BeckRS 2012, 58623; HessVGH, B.v. 18.10.2011 – / A 438.10 – BeckRS 2011, 56511; BayVGH, U.v. 9.10.1980 – 357 VI 78 – BayVBl 1981, 86/87). Dabei kann dahinstehen, welche Bedeutung der im Rahmen der zweiten Beratung des Entwurfs eines Telegraphenwegegesetzes am 12. Dezember 1899 geäußerten subjektiven Vorstellung des Reichstagsmitglieds Kirsch für die Auslegung des in § 75 Abs. 2 Satz 2 TKG enthaltenen unbestimmten Rechtsbegriffs der „unverhältnismäßig hohen“ Kosten beizumessen ist (vgl. zum objektivierten Willen des Gesetzgebers als Maßstab der Auslegung BVerfG, U.v. 21.5.1952 – 2 BvH 2/52 – BVerfGE 1, 299/312; BVerfG, U.v. 20.2.2002 – 2 BvR 794/95 – BVerfGE 105, 135/157). Jedenfalls hat der Gesetzgeber keinen Anlass gesehen, diesen Begriff bei Erlass des Telekommunikationsgesetzes im Sinne der Beklagten zu präzisieren, obgleich ihm die vorgenannte Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts zu § 6 Abs. 2 Satz 2 TWG nicht unbekannt gewesen sein kann. Stattdessen hat er sich damit begnügt, darauf hinzuweisen, dass die §§ 54, 55 TKG (nunmehr §§ 74, 75 TKG) den §§ 5 und 6 TWG entsprechen (vgl. BT-Drs. 13/3609 S. 50). Der Gesetzgeber hat so die zum Begriff der „unverhältnismäßig hohen Kosten“ im Sinn des § 6 Abs. 2 Satz 2 TWG ergangene Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts gebilligt.
Gegen den von den Beklagten bevorzugten (betriebswirtschaftlichen) Maßstab zur Bestimmung der Unverhältnismäßigkeit der Verlegungskosten spricht im Übrigen auch, dass eine solche Betrachtungsweise bei gleichen örtlichen Gegebenheiten abhängig vom jeweils Nutzungsberechtigten zu unterschiedlichen Ergebnissen führen würde (vgl. BVerwG, U.v. 7.11.1975 – VII C 25.73 – juris). Denn nach Auffassung der Beklagten soll es von den „für den Nutzungsberechtigten nach den für ihn maßgeblichen wirtschaftlichen Grundsätzen“ abhängen, ob sich die Kosten der Verlegung für den Nutzungsberechtigten im konkreten Einzelfall als untragbar erweisen. Ein solcher Maßstab, für den es nach dem Berufungsvorbringen der Beklagten entscheidend darauf ankommen soll, ob sich die Verlegungskosten aus der betroffenen Telekommunikationslinie amortisieren, würde letztlich das betriebswirtschaftliche Risiko im konkreten Einzelfall den Wegeunterhaltspflichtigen überbürden. Das ist nicht damit zu vereinbaren, dass die Betreiber oder Eigentümer öffentlicher Telekommunikationsnetze berechtigt sind, die (öffentlichen) Verkehrswege unentgeltlich zu nutzen (§ 68 Abs. 1, § 69 Abs. 1 TKG). Schließlich ließe eine solche letztlich nach dem Nutzen der betroffenen Telekommunikationslinie differenzierende Betrachtung unberücksichtigt, dass die in § 75 Abs. 2 Satz 2 TKG geregelte Privilegierung der „Fernlinien“ ohne weitere Unterscheidung auf der Annahme einer besonderen Wichtigkeit dieser Linien und einem spezifischen öffentlichen Interesse an ihrem Schutz beruht (so OVG NW, U.v. 2.10.2012 – 20 A 33/11 – BeckRS 2012, 58623).
b) Die Ausführungen der Beklagten im Berufungsverfahren geben bei Anwendung des vom Bundesverwaltungsgericht angelegten Maßstabs keinen Anlass, entgegen dem Verwaltungsgericht von unverhältnismäßig hohen Verlegungskosten auszugehen.
aa) Die Beklagten wenden sich vergeblich dagegen, dass das Verwaltungsgericht nicht ihrem Vorbringen gefolgt ist, die erforderlichen Spleiß- und Schweißarbeiten hätten deshalb unverhältnismäßig hohe Kosten verursacht, weil der Neubau der Straßenbahnlinie in mehreren Bauabschnitten erfolgt sei und so vermehrt solche Arbeiten angefallen seien. Sie begegnen der Auffassung des Verwaltungsgerichts, die abschnittsweise Verlegung sei der „Normalfall“, weil eine umfangreiche Neubaumaßnahme wie die der Straßenbahnlinie 6 (regelmäßig) in mehreren Bauabschnitten durchgeführt werde, wie folgt: 48 Es möge zwar zutreffen, dass Straßenbahnlinien regelmäßig abschnittsweise gebaut würden. Es gehe aber vorliegend um die Kosten der „Umverlegung“ der Telekommunikationslinie. Für deren Bewertung sei unerheblich, wie Straßenbahnlinien üblicherweise realisiert würden. Maßgebend sei, welcher Aufwand bei einer Verlegung von Telekommunikationslinien unter normalen, nicht durch die konkreten Umstände erschwerten Bedingungen entstehe. Es sei zu fragen, wie die Beklagten vorgegangen wären, wenn sie die Telekommunikationslinien ohne solche (durch den Straßenbahnbau bedingten) Vorgaben verlegt hätten. Die Beklagten hätten dann ein abschnittsweises Vorgehen und die damit verbundenen zusätzlichen Spleiß- und Schweißarbeiten vermieden. Insbesondere wäre der doppelte Aufwand an Spleiß- und Schweißarbeiten infolge der abschnittsweisen Verlegung im Bereich „Alter Heuweg“ im zweiten und dritten Bauabschnitt vermieden worden.
Das greift nicht durch. Für die Frage, ob Verlegungskosten entstanden sind, welche die Kosten einer gewöhnlichen oder normalen Verlegung erheblich übersteigen, kommt es nicht auf einen – wie auch immer zu bestimmenden – abstrakten Normalfall einer Leitungsverlegung an (vgl. BVerwG, B.v. 25.6.2013 – 6 B 56.12 – BeckRS 2013, 53025). Auf einen solchen abstrakten Normalfall aber stellen die Beklagten mit der von ihnen für maßgebend gehaltenen Frage ab, wie sie vorgegangen wären, wenn sie die Telekommunikationslinien ohne die Vorgaben des Straßenbahnbaus verlegt hätten. Typisch für die durch § 75 Abs. 2 Satz 2 TKG geregelte Verlegung von Telekommunikationslinien ist demgegenüber deren Einbindung in die übrigen Maßnahmen zur Verwirklichung einer – hier planfestgestellten – (späteren) besonderen Anlage. Dadurch werden nur dann unverhältnismäßige Kosten verursacht, wenn diese Situation von den üblichen Gegebenheiten einer solchen Verlegung abweicht (vgl. OVG NW, U.v. 2.10.2012 – 20 A 33/11 – BeckRS 2012, 58623). Denn unverhältnismäßig hoch sind die Kosten der Verlegung einer Telekommunikationslinie dann, wenn die konkrete örtliche Situation Besonderheiten aufweist, die zu erheblichen Kostensteigerungen führen (vgl. BVerwG, B.v. 25.6.2013 – 6 B 56.12 – BeckRS 2013, 53025). Insoweit haben die Beklagten substantiiert nichts vorgetragen. Im Gegenteil, sie haben das Vorbringen der Klägerin letztlich nicht in Zweifel gezogen, dass die Verlegung von Telekommunikationslinien im Zuge des Neubaus von Straßenbahnlinien innerstädtisch im Regelfall durch eine abschnittsweise Bauausführung geprägt ist.
bb) Die Beklagten meinen ferner, der Normalfall, bei dem unverhältnismäßige Kosten nicht entstünden, sei (nur) dann gegeben, wenn die Verlegung unter Verwendung des vorhandenen Bauzeugs durchgeführt werden könne. Das trifft in dieser Allgemeinheit schon deshalb nicht zu, weil – wie ausgeführt – die konkrete Situation in den Blick zu nehmen ist.
Aus diesem Grund können die Beklagten nichts daraus im Sinne unverhältnismäßig hoher Verlegungskosten für sich herleiten, dass nach ihrem Vortrag im gesamten Bereich der Verlegung deshalb kein altes Bauzeug verwendet werden konnte, weil in jedem der betroffenen Bauabschnitte zur Aufrechterhaltung der Fernsprechverbindungen zusätzlich zur bestehenden Telekommunikationslinie zunächst die neu zu errichtende Telekommunikationslinie gebaut werden musste. Dieses Vorgehen war, worauf das Verwaltungsgericht zu Recht hingewiesen hat, ebenfalls der (üblichen) abschnittsweisen Bauausführung der neu zu errichtenden Straßenbahn geschuldet.
Unabhängig von einer abschnittsweisen Bauausführung ergeben sich unverhältnismäßig hohe Kosten nicht allein daraus, dass statt der für die ursprünglichen Telekommunikationslinien verwendeten Kabelkanalformsteine im Zuge der Verlegung Kabelrohre als die derzeit gängige Technik eingesetzt wurden. Es mag sein, dass die Formsteine, wie die Beklagten vortragen, an ihrem ursprünglichen Ort hätten weiterverwendet werden können und nicht etwa aus technischen Gründen gegen Kabelrohre hätten ausgetauscht werden müssen. Es ist aber kein außergewöhnlich kostenverursachender Faktor, wenn im Zuge der Verlegung einer Telekommunikationslinie statt einer überkommenen die derzeit gängige Technik eingesetzt wird. Das entspricht vielmehr einem üblichen Vorgehen, was hier umso mehr gilt, als die betroffenen alten Kabelkanalanlagen nach dem erstinstanzlichen Vorbringen der Beklagten zum größten Teil aus vor etwa 60 Jahren erbauten Kabelkanalformsteinen bestanden.
Für die sechs Kabelschächte, die wegen der örtlichen Lage ihrer Ausbrüche bei der Verlegung nicht erneut verwendet werden konnten, gilt nichts anderes. Die Verlegung einer Telekommunikationslinie wird aufgrund der neuen Linienführung häufig dazu führen, dass die notwendigen Kabelkanalschächte an anderer Stelle auszubrechen sind als bei der vormaligen Linienführung.
1.2.2.3 Entfällt der auf Nr. 3.2 der Abwicklungsvereinbarung i.V.m. § 75 Abs. 2 Satz 1 TKG gestützte Rückzahlungsanspruch der Klägerin schon deshalb nicht (teilweise) nach § 75 Abs. 2 Satz 2 TKG, weil die kabelgebundenen Telekommunikationslinien ohne Aufwendung unverhältnismäßig hoher Kosten anderweitig ihrem Zweck entsprechend untergebracht werden konnten, kommt es nicht mehr auf die weitere Voraussetzung dieser Bestimmung an, wonach die betroffenen Linien nicht lediglich dem Orts-, Vororts- oder Nachbarortsverkehr dienen dürfen. Zudem musste der Senat nicht der Frage nachgehen, welcher Anteil des unstreitig Verlegungs- und Veränderungskosten umfassenden streitgegenständlichen Betrags von 1.300.267,41 Euro auf die Verlegung entfällt.
1.3 Ebenso wenig war entscheidungserheblich, ob die Klägerin eine Rückzahlung ganz oder teilweise aus Nr. 3.1 der Abwicklungsvereinbarung i.V.m. § 72 TKG beanspruchen kann.
1.4 Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 2 VwGO.
1.5 Der Ausspruch über die vorläufige Vollstreckbarkeit stützt sich auf § 167 Abs. 2 und § 167 Abs. 1 Satz 1 VwGO i.V.m. § 708 Nr. 11, § 711 ZPO.
1.6 Gründe für die Zulassung der Revision nach § 132 Abs. 2 VwGO gibt es nicht.


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