IT- und Medienrecht

Haftung von Amazon bei Markenverletzungen Dritter über den sog “Marketplace”

Aktenzeichen  33 O 23145/14

Datum:
19.1.2016
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
GRUR-RS – 2016, 123093
Gerichtsart:
LG
Gerichtsort:
München I
Rechtsweg:
Ordentliche Gerichtsbarkeit
Normen:
ZPO § 32, § 253 Abs. 2 Nr. 2
MarkenG § 14 Abs. 6, § 19 Abs. 1, Abs. 2, Abs. 3, § 19a Abs. 1
GMV Art. 9 Abs. 1 lit. a, Abs. 2 Lit. b, lit. c, Art. 97 Abs. 5, Art. 98 Abs. 1

 

Leitsatz

1 Ein Klageantrag, der ein Verhalten “im geschäftlichen Verkehr” untersagen will, ist hinreichend bestimmt, wenn die Parteien nicht darüber streiten, wann eine Handlung im geschäftlichen Verkehr erfolgt ist, sondern ob eine solche vorliegt.  (red. LS Dirk Büch)
2 Die internationale Zuständigkeit für einen Unterlassungsanspruch gegen den Betreiber der Internetseite “amazon.de” kann bei Markenrechtsverletzungen Dritter über den sog “Marketplace” nicht ohne weiteres angenommen werden.  (Rn. 38) (red. LS Dirk Büch)
3 Der Besitz eines Lagerhaltes ist nur markenrechtswidrig, wenn er zum Zwecke des Anbietens oder Inverkehrbringens ausgeübt wird. Diese subjektive Voraussetzung ist nicht erfüllt, wenn die Absicht lediglich in der Person des mittelbaren Besitzers besteht. (Rn. 51) (red. LS Dirk Büch)
4 Ein Versender, der markenverletzende Ware im Auftrag eines Dritten an einen für diesen agierenden Transportunternehmer weitergibt, bringt die Ware nicht in Verkehr. (Rn. 53) (red. LS Dirk Büch)
5 Amazon haftet nicht als Störer für von dritten markenrechtswidrig über den sog “Marketplace” in Verkehr gebrachte Produkte. (Rn. 54) (red. LS Dirk Büch)

Tenor

I. Die Klage wird abgewiesen.
II. Die Kosten des Rechtsstreits trägt die Klägerin.
III. Das Urteil ist im Kostenpunkt vorläufig vollstreckbar gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % der zu vollstreckenden Kosten.

Gründe

A. Die nachträglichen Klagehäufungen vom 25.03.2015, 14.04.2015 und 06.11.2015, durch die jeweils weitere neue Streitgegenstände eingeführt worden sind, sind zulässig, weil sie sachdienlich im Sinne des § 263 ZPO sind. Die noch bestehenden Streitpunkte können hierdurch miterledigt werden, wodurch ein neuer Prozess vermieden wird (vgl. Zöller/Greger, ZPO, 31. Auflage, § 263 Rdnr. 2 und 13).
B. Die Klage ist überwiegend zulässig.
I. Die Klage ist nicht wegen Rechtsmissbrauchs unzulässig. Insbesondere handelt es sich dabei – wie schon die nachträglichen Klagehäufungen und das damit einhergehende erhöhte Prozessrisiko zeigen – nicht um eine reine Ausforschungsklage, sondern verfolgt die Klägerin damit das grundsätzlich nicht zu beanstandende Ziel, gegen aus ihrer Sicht vorliegende Markenrechtsverletzungen effektiv vorzugehen.
II. Die Klageanträge sind auch sämtlich hinreichend bestimmt, denn sie bezeichnen die erhobenen Ansprüche konkret, grenzen den Rahmen der gerichtlichen Entscheidungsbefugnis erkennbar ab, lassen Inhalt und Umfang der materiellen Rechtskraft der begehrten Entscheidung erkennen, wälzen das Risiko des Unterliegens der Klägerin nicht durch vermeidbare Ungenauigkeit auf die Beklagten ab und lassen die Zwangsvollstreckung aus dem beantragten Urteil ohne eine Fortsetzung des Streits im Vollstreckungsverfahren erwarten (vgl. dazu grundlegend Zöller/Greger, ZPO, 31. Auflage, § 253 Rdnr. 13). Insbesondere ist auch der Unterlassungsantrag Ziffer I.1 im Hinblick auf das Merkmal „im geschäftlichen Verkehr“ hinreichend bestimmt, denn vorliegend streiten die Parteien – anders als in der Entscheidung BGH GRUR 2015, 485 – Kinderhochstühle im Internet III – nicht darüber, wann abstrakt betrachtet von einem Handeln im geschäftlichen Verkehr auszugehen ist, sondern ob vorliegend unter Berücksichtigung der konkret vorgetragenen Stückzahlen des vorgeblich markenverletzenden Parfüms Davidoff Hot Water EdT 60 ml von einem Handeln im geschäftlichen Verkehr auszugehen ist. In einer derartigen Fallkonstellation aber ist die hiesige Fassung des Unterlassungsantrags nicht zu beanstanden (vgl. auch BGH GRUR 2009, 871 – Ohrclips). Ob die gestellten Anträge, wie beispielsweise der Auskunftsantrag Ziffer I.3, welcher aus Sicht der Beklagtenpartei auch nicht rechtsverletzende Waren umfassen würde, möglicherweise zu weit gefasst sind, ist keine Frage der Zulässigkeit, sondern der Begründetheit.
III. Auf die Zuständigkeitsrügen der Beklagten vom 27.03.2015 und 13.07.2015 hin war die internationale Zuständigkeit des angerufenen Gerichts zu prüfen.
1. Mit dem auf Art. 9 Abs. 1 a), Abs. 2 b) und c) i.V.m. Art. 98 Abs. 1 GMV gestützten Unterlassungsantrag Ziffer I.1 begehrt die Klägerin von den Beklagten, es zu unterlassen, im geschäftlichen Verkehr nicht erschöpfte Parfüms der Marke Davidoff Hot Water in der Bundesrepublik Deutschland zum Zwecke des Inverkehrbringens zu besitzen, zu versenden oder zum Zwecke des Inverkehrbringens besitzen oder versenden zu lassen.
a) Die Klägerin hat hierzu ausgeführt, dass die Beklagte zu 1), die ihren Sitz unstreitig in L… hat, als direkte Vertragspartnerin der Verkäuferin J… R… und aller weiteren Marketplace-Verkäufer die Beklagte zu 3) beauftragt habe, die gemeinschaftsmarkenrechtsverletzenden Davidoff Hot Water Parfüms der Drittanbieterin J… R… in … G… zu lagern und den Lagerbestand zu verwalten, und dass die Beklagte zu 1) den Versand dieser Produkte übernommen habe. Da Einlagerung und Versand der streitgegenständlichen Parfüms in … G… bzw. von dort aus erfolgten, ist das angerufene Gericht nach Art. 97 Abs. 5 GMV international zuständig. Für die Bejahung der Zuständigkeit genügt der schlüssige Vortrag der doppelrelevanten zuständigkeits- und anspruchsbegründenden Tatsachen (vgl. zu § 32 ZPO Zöller/Vollkommer, ZPO, 31. Auflage, § 32 Rdnr. 19).
b) Zur Beklagten zu 2), die ihren Sitz ebenfalls in L… hat, hat die Klägerin im Wesentlichen vorgetragen, dass diese die Webseite www.a….de betreibe und als Auftragnehmerin der Beklagten zu 1) dafür gesorgt habe, dass das streitgegenständliche Angebot der Verkäuferin J… R… und die Angebote der weiteren namentlich bisher nicht bekannten Drittanbieter der markenrechtsverletzenden Parfüms auf der Webseite www.a….de veröffentlicht und dadurch im Gerichtsbezirk des Landgerichts München verbreitet worden seien. In gleicher Rolle habe die Beklagte zu 2) den Zugang der Angebote und die Annahmeerklärungen sowie die Zahlung der Kaufpreise über die Webseite www.a….de ermöglicht. Es sei außerdem davon auszugehen, dass die Beklagte zu 2) der Beklagten zu 3) unmittelbar den Auftrag zum Versand der Ware an den Testkäufer erteilt habe. Hierzu ist festzuhalten, dass die antragsgegenständlichen Tathandlungen nicht das Veröffentlichen oder Veröffentlichen lassen vermeintlich rechtsverletzender Angebote sind, sondern das Besitzen oder Besitzen lassen zum Zwecke des Inverkehrbringens und das Versenden oder Versenden lassen. Die pauschale und nicht näher substantiierte Behauptung, die Beklagte zu 2) habe – als Betreiberin der Webseite – die Beklagte zu 3) mit dem Versand der Ware der Drittanbieterin J… R… beauftragt, ist eine nicht ohne Weiteres nachvollziehbare Vermutung der Klägerin und genügt den Anforderungen an einen schlüssigen Vortrag nicht. Ein im Inland belegener Handlungs- und/oder Erfolgsort im Sinne des Art. 97 Abs. 5 GMV ist damit nicht dargetan. Eine internationale Zuständigkeit des angerufenen Gerichts auch für die Beklagte zu 2) kann – anders als der Klägervertreter erstmals mit Schriftsatz vom 11.12.2015 anführt – auch nicht über „Art. 6 Nr. 1 EuGVVO“ begründet werden, denn nach Art. 8 Nr. 1 EuGVVO kann zwar eine Person, die ihren Wohnsitz im Hoheitsgebiet eines Mitgliedsstaats hat, wenn mehrere Personen zusammen verklagt werden, auch vor dem Gericht des Ortes, an dem einer der Beklagten seinen Wohnsitz hat, verklagt werden, sofern zwischen den Klagen eine so enge Beziehung gegeben ist, dass eine gemeinsame Verhandlung und Entscheidung geboten erscheint, um zu vermeiden, dass in getrennten Verfahren widersprechende Entscheidungen ergehen könnten. Die mithin erforderliche Konnexität fehlt allerdings im vorliegenden Fall: Während die Beklagte zu 3) als Betreiberin des in Rede stehenden Warenlagers in G…, in welchem die möglicherweise rechtsverletzenden Parfümprodukte tatsächlich gelagert waren, in Anspruch genommen wird, wird gegen die Beklagte zu 2) als Betreiberin der Webseite, auf welcher das streitgegenständliche Angebot veröffentlicht war, vorgegangen. Von einem einheitlichen Lebenssachverhalt, der eine gemeinsame Verhandlung und Entscheidung notwendig machen würde, kann deshalb keine Rede sein. Die bloße Konzernverbundenheit der beiden genannten Unternehmen reicht daher nicht zur Begründung eines einheitlichen Gerichtsstandes. Die Klage war deshalb insoweit schon wegen der fehlenden internationalen Zuständigkeit des angerufenen Gerichts als unzulässig abzuweisen.
c) Die internationale Zuständigkeit für die Beklagte zu 3) folgt ohne Weiteres aus § 32 ZPO, da Einlagerung und Versand der streitgegenständlichen Davidoff Hot Water Parfüms in … G… bzw. von dort aus stattfanden (vgl. Zöller/Vollkommer, ZPO, 31. Auflage, § 1 Rdnr. 8).
d) Hinsichtlich der Beklagten zu 4) hat die Klägerin schlüssig vorgetragen, dass diese Nachauftragsnehmerin der Beklagten zu 1) für den Versand des Testkaufs gewesen sei und für den Versand von Parfumprodukten, die für Drittanbieter verkauft und gelagert worden seien, verantwortlich gewesen sei, und dass die Beklagte zu 4) die Beklagte zu 3) mit der Lagerung der streitgegenständlichen Parfüms in … G… beauftragt habe. Die internationale Zuständigkeit des angerufenen Gerichts auch für die Beklagte zu 4) folgt deshalb insoweit schon aus Art. 97 Abs. 5 GMV.
2. Für den, dem Unterlassungsanspruch folgenden, auf § 19 Abs. 1, Abs. 3 Nr. 1 MarkenG gestützten Auskunftsanspruch gemäß Ziffer. I.2 gelten die Ausführungen unter B.III.1 entsprechend: Eine internationale Zuständigkeit des angerufenen Gerichts besteht für die Beklagten zu 1), 3) und 4), nicht aber für die Beklagte zu 2). Gleiches gilt für den mit Klageantrag Ziffer I.3 verfolgten Besichtigungsanspruch gemäß § 19 a Abs. 1 MarkenG.
3. Soweit der Auskunftsanspruch Ziffer I.2 hilfsweise auf § 19 Abs. 2 Nr. 3 MarkenG gestützt wird, bezieht sich die begehrte Drittauskunft auf alle denkbaren im Inland begangenen Verletzungshandlungen, mithin nicht nur auf das Besitzen etwaig rechtsverletzender Ware zum Zwecke des Inverkehrbringens und deren Versand, sondern auch etwa auf das Anbieten und Anbieten lassen solcher Ware auf der von der Beklagten zu 2) betriebenen Webseite www.a….de, so dass insoweit eine internationale Zuständigkeit des angerufenen Gerichts für alle vier Beklagten nach Art. 97 Abs. 5 GMV gegeben ist.
4. Die internationale Zuständigkeit für den mit Klageantrag Ziffer II. gegenüber der Beklagten zu 1) verfolgten Kostenerstattungsanspruch aus §§ 677, 683 Abs. 1 i.V.m. 670 BGB sowie aus Art. 102 GMV i.V.m. § 14 Abs. 6 MarkenG folgt aus Art. 97 Abs. 5 GMV. Insoweit wird auf die Ausführungen unter B.III.1.a) Bezug genommen.
5. Mit dem auf Art. 9 Abs. 2 lit. b) GMV gestützten Unterlassungsantrag Ziffer III.1 begehrt die Klägerin von der Beklagten zu 4), es zu unterlassen, im geschäftlichen Verkehr in der Europäischen Gemeinschaft Angebote des Verkäufers O… G… T… Inc. für Parfüms der Marke Marc Jacobs Oh, Lola! EdP 100 ml zu veröffentlichen oder veröffentlichen zu lassen und/oder solche Parfüms für den Verkäufer O… G… T… Inc. versenden zu lassen, wenn die Herstellungsnummer auf der Verpackung und/oder der Unterseite des Flakons entfernt oder unkenntlich gemacht worden ist. Hierzu trägt die Klägerin vor, dass die Beklagte zu 4) die Verletzungshandlungen „Besitz zum Zwecke des Inverkehrbringens“ und „in den Verkehr bringen“ (Versand) durch die von ihr beauftragten Betreiber der Logistikzentren in eigener Person verwirklicht habe. Die internationale Zuständigkeit des angerufenen Gerichts ist aufgrund dieses schlüssigen Vortrags daher nach Art. 97 Abs. 5 GMV für den Klageantrag Ziffer III.1 insgesamt anzunehmen.
6. Die internationale Zuständigkeit für den mit Klageantrag Ziffer III.2 gegenüber der Beklagten zu 4) verfolgten Kostenerstattungsanspruch aus §§ 677, 683 Abs. 1 i.V.m. 670 BGB sowie aus Art. 102 GMV i.V.m. § 14 Abs. 6 MarkenG folgt aus Art. 97 Abs. 5 GMV. Insoweit wird auf die Ausführungen unter B.III.5 Bezug genommen.
7. Mit dem Unterlassungsantrag Ziffer IV.1 – hinsichtlich dessen die Beklagtenpartei sowohl die internationale als auch die örtliche Zuständigkeit jedenfalls konkludent (vgl. dazu Zöller/Vollkommer, ZPO, 31. Auflage, § 39 Rdnr. 5) gerügt hat – begehrt die Klägerin von der Beklagten zu 4), es zu unterlassen, im geschäftlichen Verkehr in der Europäischen Gemeinschaft für den Verkäufer D… t… D… I… U… Ltd. Parfüms der Marke Marc Jacobs Daisy Dream zum Zwecke des Verkaufs zu lagern und/oder zu versenden oder zum Zwecke des Verkaufs zu lagern und/oder versenden zu lassen, wenn die Herstellungsnummer auf der Verpackung entfernt oder unkenntlich gemacht worden ist. Die Klägerin bringt hierzu vor, dass die Beklagte zu 4) die Verletzungshandlungen „Besitz zum Zwecke des Inverkehrbringens“ und „in den Verkehr bringen“ (Versand) durch die von ihr beauftragten Betreiber der – in Deutschland belegenen – Logistikzentren in eigener Person verwirklicht habe. Die internationale Zuständigkeit des angerufenen Gerichts ist aufgrund dieses schlüssigen Vortrags daher nach Art. 97 Abs. 5 GMV für den Klageantrag Ziffer IV.1 zu bejahen.
8. Für den, dem Unterlassungsantrag Ziffer III.1 folgenden Herausgabeantrag Ziffer IV.2 gelten die Ausführungen unter B.III.5 entsprechend: Das angerufene Gericht ist gemäß Art. 97 Abs. 5 GMV international zuständig.
IV. Soweit die Beklagtenpartei die Beklagten zu 1), 2) und 4) betreffend auch die örtliche Zuständigkeit des angerufenen Gerichts rügt, ist eine solche entsprechend der Ausführungen zur internationalen Zuständigkeit nach § 32 ZPO gegeben. Hinsichtlich der Klageanträge Ziffern I.1, I.2 und I.3 sowie II. liegen Handlungs- bzw. Erfolgsort – in dem Umfang, in dem auch die internationale Zuständigkeit anzunehmen ist – in … G… bzw., soweit es im Rahmen der Drittauskunft auf die bestimmungsgemäße Abrufbarkeit der Webseite www.a….de ankommt, zumindest auch in München und mithin im Zuständigkeitsbereich des angerufenen Gerichts (vgl. zur Zuständigkeitskonzentration nur Ingerl/Rohnke, Markengesetz, 3. Auflage, § 140 Rdnr. 20). Hinsichtlich der Klageanträge Ziffern III.1, III.2 und IV.2 erfolgte die antragsgegenständliche Angebotsveröffentlichung auf der Webseite www.a….de und war bestimmungsgemäß auch in München abrufbar, so dass auch in diesem Fall der Gerichtsstand der unerlaubten Handlung gemäß § 32 ZPO zu bejahen ist. Hinsichtlich des Klageantrags Ziffer IV.1 erfolgte zwar die Lagerung des streitgegenständlichen Parfüms Marc Jacobs Daisy Dream in R… und damit nicht im Zuständigkeitsbereich des angerufenen Gerichts. Allerdings hat die Klagepartei mit Schriftsatz vom 06.11.2015 unwidersprochen vorgetragen, dass die Beklagte zu 4) auch über eine eingetragene Zweigniederlassung in 80807 München verfügt, so dass die örtliche Zuständigkeit insoweit zumindest aus § 21 Abs. 1 ZPO folgt.
C. Soweit die Klage zulässig ist, ist sie jedoch nicht begründet.
I. Der Klägerin steht der gegen die Beklagten zu 1), 3) und 4) geltend gemachte und auf Art. 9 Abs. 1 a), Abs. 2 b) und c) i.V.m. Art. 98 Abs. 1 GMV gestützte Unterlassungsantrag, mit dem die Klägerin begehrt, es zu unterlassen, im geschäftlichen Verkehr nicht erschöpfte Parfüms der Marke Davidoff Hot Water in der Bundesrepublik Deutschland zum Zwecke des Inverkehrbringens zu besitzen, zu versenden oder zum Zwecke des Inverkehrbringens besitzen oder versenden zu lassen, nicht zu, weil die Beklagten zu 1), 3) und 4) jedenfalls nicht passivlegitimiert sind. Auf die zwischen den Parteien streitigen Fragen, ob die Klägerin zur Geltendmachung dieses Anspruchs überhaupt aktivlegitimiert ist, und ob es sich bei dem streitgegenständlichen Testkaufprodukt Davidoff Hot Water EdT 60 ml sowie den weiteren an die Klägervertreter übersandten Davidoff Hot Water Parfüms um nicht erschöpfte Ware handelt, kommt es mithin nicht an:
1. Zwar betreibt die Beklagte zu 3) unstreitig das A…-Warenlager, in dem die in Rede stehenden Davidoff Hot Water Parfüms der Drittanbieterin J… R… im Rahmen des Programms „Versand durch A…“ eingelagert waren, und wird der Besitz als solcher durch tatsächliche Sachherrschaft über eine Ware begründet. Rechtsverletzend im Sinne von Art. 9 Abs. 2 lit. b) GMV ist der Besitz aber nur, wenn er zum Zwecke des Anbietens oder Inverkehrbringens ausgeübt wird. Das Besitzen muss also bereits die Gefahr einer tatsächlich eintretenden Kollision in sich bergen. Zu den Besitzern zählen Personen aller Handelsstufen, aber auch Spediteure, Lagerhalter, Kommissionäre etc. Allerdings fehlt es bei den zuletzt genannten Besitzmittlern regelmäßig- und so auch bei der Beklagten zu 3), die ausweislich des als Anlage B 4 vorgelegten Handelsregisterauszugs und entgegen der wiederholten Behauptungen der Klagepartei auch nicht als Absenderin der beiden Warenlieferungen angegeben ist, – an der erforderlichen Absicht des Anbietens bzw. Inverkehrbringens, und reicht es nicht aus, wenn diese subjektiven Voraussetzungen jedenfalls in der Person des mittelbaren Besitzers – vorliegend der Drittanbieterin J… R… – vorliegen, denn dies würde zu einer täterschaftlichen Haftung des genannten Personenkreises führen, die nicht angemessen erscheint (vgl. Ströbele/Hacker/Hacker, MarkenG, 11. Auflage, § 14 Rdnr. 167 und zum Patentrecht BGH GRUR 2009, 1142 – MP3-Player-Import; aA wohl Ingerl/Rohnke, Markengesetz, 3. Auflage, § 14 Rdnr. 236, in Rdnr. 238 jedoch insoweit ebenfalls nur zu einer Haftung als Störer argumentierend).
Weil aber schon die Beklagte zu 3) als Besitzmittlerin nicht als Täterin oder Teilnehmerin einer etwaigen Markenrechtsverletzung der Drittanbieterin J… R… haftet, scheidet auch eine solche Haftung der Beklagten zu 1) und 4) aus, die nach den Ausführungen der Klagepartei als Auftraggeberinnen der Beklagten zu 3) haften sollen. Dass die Beklagte zu 1) als Verantwortliche für das Programm „Versand durch Amazon“ und Vertragspartnerin der Drittanbieterin J… R… oder die Beklagte zu 4) in anderer Weise einen rechtsverletzenden qualifizierten Besitz an den streitgegenständlichen Davidoff Hot Water Parfüms begründet und innegehabt hätten, ist weder vorgetragen noch sonst ersichtlich.
2. Die Beklagte zu 3) hat die inmitten stehenden Davidoff Hot Water Parfüms auch nicht im Sinne eines Inverkehrbringens gemäß Art. 9 Abs. 2 lit. b) GMV versandt. Inverkehrbringen ist jede Tätigkeit, durch die der Eintritt in den Verkehr tatsächlich bewirkt und die tatsächliche Verfügungsmacht eines anderen begründet wird (vgl. Ströbele/Hacker/Hacker, MarkenG, 11. Auflage, § 14 Rdnr. 165). Die Übergabe der Waren durch Mitarbeiter der Beklagten zu 3) an das jeweilige, für den Drittanbieter agierende Transportunternehmen bewirkt allerdings noch keinen solchen Wechsel in der (rechtlichen) Verfügungsgewalt (vgl. Ströbele/Hacker/Hacker, MarkenG, 11. Auflage, § 24 Rdnr. 31; Ingerl/Rohnke, Markengesetz, 3. Auflage, § 24 Rdnr. 19; BGH GRUR 2006, 863 – ex works). Aus dem gleichen Grund scheidet deshalb auch eine Haftung der Beklagten zu 1) und 4) als Täter oder Teilnehmer einer etwaigen Markenrechtsverletzung der Drittanbieterin J… R… als tatsächliche oder vermeintliche Auftraggeberinnen der Beklagten zu 3) aus. Dass die Beklagte zu 4) auf dem als Anlage K 18 vorgelegten Paketaufkleber als Absenderin und auf dem als Anlage K 40 vorgelegten Internetausdruck als für den Versand verantwortlich benannt ist, besagt im Übrigen nichts: Die Absenderangabe der in L… ansässigen Beklagten zu 4) auf dem an die Prozessbevollmächtigten der Klägerin adressierten Paket ist – wie sich schon aus der Adresse „A…str. 1, … G…“ ergibt, ersichtlich falsch, und der mit Anlage K 40 dokumentierte Bestellvorgang betrifft nicht die streitgegenständlichen Davidoff Hot Water Parfüms.
3. Die Beklagten zu 1), 3) und 4) haften auch nicht als Störer, weil schon keine Verletzung zumutbarer Prüfpflichten ersichtlich ist, denn die fehlende Erschöpfung ist – wie die Klagepartei selbst auf Seite 8 des nachgelassenen Schriftsatzes vom 11.12.2015 (Bl. 177 d.A.) einräumt – von Dritten nicht feststellbar. Zudem wird ein weiterer Abverkauf von Davidoff Hot Water Parfüms der Drittanbieterin J… R… von den Beklagten vehement bestritten und ist von der Klägerin nicht unter Beweis gestellt worden; der Nachweis der Schaltung von Adwords-Anzeigen für ein Parfüm Davidoff Hot Water genügt hierfür nicht. Die Übersendung der 30 weiteren Parfüms an die Prozessbevollmächtigten der Klägerin in Erfüllung des klägerischen Herausgabeverlangens ist keine (weitere) Rechtsverletzung. Im Übrigen sind die Beklagten zu 3) und 4), bei denen es sich jeweils um rechtlich selbständige Konzerngesellschaften handelt, von der Klagepartei auch nicht abgemahnt oder sonst von der behaupteten Markenrechtsverletzung in Kenntnis gesetzt worden.
II. Weil der Klägerin gegen die Beklagten zu 1), 3) und 4) aus den unter C.I genannten Gründen schon kein Unterlassungsanspruch wegen der in Rede stehenden Davidoff Hot Water Parfüms zusteht, ist auch der Auskunftsanspruch gemäß Ziffer I.2 einschließlich des Hilfsantrags nicht gegeben, soweit dieser als Folgeanspruch zum Unterlassungsanspruch geltend gemacht und auf § 19 Abs. 1 MarkenG gestützt wird.
III. Der gegen die Beklagten hilfsweise geltend gemachte Anspruch auf Drittauskunft gemäß § 19 Abs. 2 Nr. 3 MarkenG scheitert bereits daran, dass es sich vorliegend nicht um einen Fall einer offensichtlichen Rechtsverletzung handelt, denn die Frage des Erschöpfungseintritts ist zwischen den Parteien heftig umstritten (vgl. dazu Ingerl/Rohnke, Markengesetz, 3. Auflage, § 19 Rdnr. 23 und Ströbele/Hacker/Hacker, MarkenG, 11. Auflage, § 19 Rdnr. 26).
IV. Der mit Klageantrag Ziffer I.3 verfolgte Besichtigungsanspruch gemäß § 19 a Abs. 1 MarkenG ist ebenfalls nicht gegeben, weil die Beklagten zu 1), 3) und 4) schon nicht als Verletzer passivlegitimiert sind. Insoweit wird auf die Ausführungen zum Unterlassungsanspruch unter C.I Bezug genommen. Darüber hinaus haben die Beklagten schon mit der Klageerwiderung vorgetragen, dass mit dem an die Prozessbevollmächtigten der Klägerin übersandten Paket der gesamte Bestand an Davidoff Hot Water EdT 60 ml, der im A…-Warenlager in G… gelagert gewesen sei, herausgegeben worden sei. Ein darüber hinausgehender Auskunftsanspruch bestünde ohnehin nicht.
V. Mangels Bestehens eines entsprechenden Unterlassungsanspruchs kann die Klägerin von der Beklagten zu 1) auch nicht nach §§ 677, 683 Abs. 1 i.V.m. 670 BGB sowie aus Art. 102 GMV i.V.m. § 14 Abs. 6 MarkenG die mit Klageantrag Ziffer II. verfolgte Erstattung der Kosten der Abmahnung vom 01.10.2014 verlangen.
VI. Der Klägerin stehen auch die mit Klageantrag Ziffern III.1 und IV.1 geltend gemachten Unterlassungsansprüche gegen die Beklagte zu 4) nicht zu, denn es ist nichts dafür ersichtlich, dass die Beklagte zu 4) im geschäftlichen Verkehr markenrechtsverletzende Angebote des Verkäufers O… G… T… Inc. für Parfüms der Marke Marc Jacobs Oh, Lola! veröffentlicht hat oder veröffentlicht hat lassen und/oder solche Parfüms für den Verkäufer O… G… T… Inc. versenden hat lassen, bzw. dass die Beklagte zu 4) im geschäftlichen Verkehr für den Verkäufer D… t… D… I… U… Ltd. markenrechtsverletzende Parfüms der Marke Marc Jacobs Daisy Dream zum Zwecke des Verkaufs gelagert und/oder versandt hat oder zu diesem Zwecke lagern und/oder versenden hat lassen.
Zwar ist der Klägerin darin Recht zu geben, dass die Konzernstruktur und die konzerninterne Aufgabenverteilung bei „A…“ für außenstehende Dritte schwer zu überblicken ist. Die Beklagten haben dem aber Rechnung getragen, indem sie zur Erfüllung ihrer sekundären Darlegungslast substantiiert vorgetragen haben, dass die Beklagte zu 4) auf www.a….de ausschließlich im eigenen Namen und auf eigene Rechnung als Verkäufer Waren der verschiedensten Art. anbiete, und für das hier maßgebliche Programm „Versand durch A…“ allein die Beklagte zu 1) verantwortlich zeichne. Die Klägerin hat all dies nicht zu widerlegen vermocht. Insbesondere konnte sie nicht zur Überzeugung der Kammer belegen, dass die Beklagte zu 4) tatsächlich als Nachauftragsnehmerin der Beklagten zu 1) für die Lagerung und den Versand von Parfumprodukten tätig wird. Dass etwaige Widerrufe gegenüber der Beklagten zu 4) als Empfangsvertreterin der jeweiligen Drittverkäufer zu erklären sind, genügt hierfür ebenso wenig wie die Vorlage des Internetausdrucks gemäß Anlage K 40, der sich zum einen schon nicht auf das Angebot eines Parfüms Marc Jacobs Oh, Lola! bezieht, und der zum anderen offensichtlich nicht den tatsächlichen Gegebenheiten entsprach, denn wie die Klägerin selbst mit Schriftsatz vom 14.04.2015 ausführt, wurde der Versand des dort genannten Parfüms Marc Jacobs Daisy Dream gerade nicht von der Beklagten zu 4), sondern tatsächlich „von der Beklagten zu 3)“ abgewickelt. Der Vortrag der Klagepartei im nachgelassenen Schriftsatz vom 11.12.2015, dass es sich bei der Anschrift des A… Rücksendezentrums, A…straße 300, … G… um eine Geschäftsanschrift der Beklagten zu 4) handeln soll, ist verspätet und kann deshalb nicht berücksichtigt werden. Dass die Beklagte zu 4) für die in Klageantrag Ziffer III.1 darüber hinaus gegenständliche Angebotsveröffentlichung verantwortlich ist, hat die Klägerin ebenfalls nicht begründet. Eine Haftung der Beklagten zu 4) als Täterin, Teilnehmerin oder auch nur Störerin im Zusammenhang mit dem Angebot des Parfüms Marc Jacobs Oh, Lola! durch den Drittanbieter O… G… T… Inc. wie auch des Parfüms Marc Jacobs Daisy Dream durch den Drittanbieter D… t… D… I… U… Ltd. scheidet daher aus.
VII. Aus den unter C.VI genannten Gründen besteht deshalb auch keine Verpflichtung der Beklagten zu 4) zur Abmahnkostenerstattung gemäß Klageantrag Ziffer III.2 und zur Herausgabe gemäß Klageantrag Ziffer IV.2 einschließlich des dortigen Hilfsantrags.
D. Soweit der nachgelassene Schriftsatz des Klägervertreters vom 11.12.2015 über die nach § 283 ZPO gewährte Schriftsatzfrist hinausgehend neuen Sachvortrag enthält, der keine Erwiderung auf etwaigen neuen Sachvortrag in den Schriftsätzen der Beklagtenseite vom 11.11.2015 und vom 23.11.2015 ist, war er gemäß § 296 a ZPO nicht mehr zu berücksichtigen, eine Wiedereröffnung der Verhandlung nach § 156 ZPO hinsichtlich des neuen Vortrags war nicht geboten (vgl. Zöller/Greger, ZPO, 31. Auflage, § 156 Rdnr. 4).
E. Soweit der nachgereichte Schriftsatz der Beklagtenvertreterin vom 04.01.2016 anderes als bloße Rechtsausführungen enthält, war er gemäß § 296 a ZPO nicht mehr zu berücksichtigen (Zöller/Greger, ZPO, 31. Auflage, § 132 Rdnr. 4), eine Wiedereröffnung der Verhandlung nach § 156 ZPO hinsichtlich des neuen Vortrags war nicht geboten (vgl. auch BGH NJW 2000, 142 f. und Zöller/Greger, ZPO, 31. Auflage, § 156 Rdnr. 4). Selbiges gilt für den nicht nachgelassenen Schriftsatz des Klägervertreters vom 11.01.2016.
F. Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 91, 269 ZPO. Die Nebenentscheidung zur vorläufigen Vollstreckbarkeit hat ihre Rechtsgrundlage in § 709 S. 1 und 2 ZPO.


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