IT- und Medienrecht

Herkunftsland: Nigeria, Fehlendes Rechtsschutzbedürfnis bei Unzustellbarkeit der Ladung und Fortzug nach unbekannt

Aktenzeichen  M 13 K 21.30805

Datum:
19.1.2022
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
BeckRS – 2022, 1733
Gerichtsart:
VG
Gerichtsort:
München
Rechtsweg:
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Normen:
GG Art. 19 Abs. 4
AsylG § 10 Abs. 1

 

Leitsatz

Tenor

I. Die Klage wird abgewiesen. 
II. Der Kläger hat die Kosten des Verfahrens zu tragen.
III. Die Kostenentscheidung ist vorläufig vollstreckbar. Der Kläger darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung oder Hinterlegung in Höhe des vollstreckbaren Betrags abwenden, wenn nicht die Beklagte vorher Sicherheit in gleicher Höhe leistet.

Gründe

Die Klage ist bereits unzulässig und somit abzuweisen.
Über die Klage konnte trotz Ausbleiben der Beteiligten verhandelt und entschieden werden, da sie ordnungsgemäß geladen und in der Ladung auf die Folge des Ausbleibens gem. § 102 Abs. 2 VwGO hingewiesen worden sind. Der Kläger hat die Ladung trotz Unzustellbarkeit gem. § 10 Abs. 2 Satz 1 AsylG gegen sich gelten zu lassen. Über die Mitteilungspflicht nach § 10 Abs. 1 AsylG und die Folgen wurde er ausweislich des sich bei der Behördenakte befindlichen Empfangsbekenntnisses vom 17. März 2021 schriftlich belehrt.
I. Die Klage ist unzulässig.
1. Es besteht kein schützenswertes Interesse an einer Sachentscheidung.
Im Einklang mit Art. 19 Abs. 4 Grundgesetz setzt jede an einen Antrag gebundene gerichtliche Sachentscheidung ein rechtsschutzwürdiges Interesse an dem angestrengten gerichtlichen Rechtsschutzverfahren voraus; fehlt es daran, ist das prozessuale Begehren als unzulässig abzuweisen (vgl. BVerfG, B. v. 27.10.1998 – 2 BvR 2662/95 – juris Rn. 16). Das Rechtsschutzbedürfnis kann im Laufe des Gerichtsverfahrens entfallen, wobei davon im Einzelfall davon ausgegangen werden kann, wenn das Verhalten des Rechtsschutzsuchenden Anlass zur Annahme bietet, dass ihm an einer Sachentscheidung des Gerichts nicht mehr gelegen ist (vgl. BVerfG a.a.O., Rn. 17). Für eine Abweisung des Rechtsschutzbegehrens als unzulässig mangels Rechtsschutzinteresse bedarf es dabei konkreter Anhaltspunkte, die den sicheren Schluss zulassen, dass den Beteiligten an einer Sachentscheidung des Gerichts in Wahrheit nicht mehr gelegen ist, soweit nicht die Beteiligten vorher auf die Zweifel am fortbestehenden Rechtsschutzinteresse hingewiesen wurden und ihnen Gelegenheit gegeben wurde, diese Zweifel auszuräumen (vgl. BVerfG, a.a.O. Rn. 19).
Eine nicht nur vorübergehende Aufgabe des Wohnsitzes durch den Kläger ohne Mitteilung seines aktuellen Aufenthalts an die Beklagte oder das Gericht nach § 10 Abs. 1 AsylG lässt den Schluss zu, dass der Kläger entweder in sein Heimatland zurückgereist ist oder die Bundesrepublik verlassen hat und somit das Rechtsschutzbegehren gegen die Beklagte nicht mehr weiter verfolgen will oder untergetaucht ist, wodurch sein Rechtsschutzinteresse ebenfalls entfällt (vgl. BayVGH, B.v. 13.11.2018 – 15 B 18.32145 – juris Rn. 4 m.w.N.).
Der Kläger hat trotz der erfolgten Belehrung gem. § 10 Abs. 7 AsylG seinen Anschriftswechsel nicht mitgeteilt und ist ausweislich des Auszugs aus dem Ausländerzentralregister vom 17. Januar 2022 nach unbekannt verzogen. Somit liegen zum Entscheidungszeitpunkt (§ 77 Abs. 1 Satz 1 AsylG) hinreichend konkrete Anhaltspunkte für ein nicht länger bestehendes schutzwürdiges Rechtsschutzinteresse vor.
2. Überdies ist die Klage, davon unabhängig und selbstständig tragend, auch mangels ladungsfähiger Anschrift des Klägers unzulässig.
Das Fehlen einer ladungsfähigen Anschrift stellt rein formal einen Verstoß gegen die zwingende Verfahrensvorschrift gemäß § 82 Abs. 1 Satz 1 VwGO dar, wonach dem Gericht die aktuelle ladungsfähige Anschrift eines Antragstellers bekannt gegeben werden muss (vgl. § 173 Satz 1 VwGO i.V.m. § 130 Nr. 1 ZPO). Dass dies auch dann gilt, wenn zwar in der Klageschrift zunächst eine ladungsfähige Anschrift genannt wurde, die Wohnungsanschrift des Klägers jedoch im Laufe des Verfahrens unbekannt geworden ist, ergibt sich aus § 117 Abs. 2 Nr. 1 VwGO und im Hinblick auf die im Zeitpunkt der gerichtlichen Entscheidung notwendigerweise im Urteil enthaltenen Angaben zur Wohnanschrift des jeweiligen Verfahrensbeteiligten. Die Angabe einer ladungsfähigen Anschrift, unter der der Kläger tatsächlich zu erreichen ist, ist erforderlich, um ihn zu individualisieren und seine Erreichbarkeit für das Gericht sicherzustellen. Es soll dadurch darüber hinaus auch gewährleistet werden, dass der Kläger nach entscheidungserheblichen Tatsachen befragt werden und sich im Fall des Unterliegens seiner Kostentragungspflicht nicht entziehen kann (vgl. BayVGH, B. v. 13.11.2018 – 15 B 18.32145 – juris Rn. 5).
Aufgrund des Fortzugs nach unbekannt und der Unerreichbarkeit des Klägers unter der in der Klage angegebenen Anschrift ist von einem Wechsel der ladungsfähigen Anschrift auszugehen, die dem Gericht nicht bekannt gegeben wurde. Somit liegt zum Entscheidungszeitpunkt ein Verstoß gegen eine zwingende Verfahrensvorschrift vor.
II. Die Kostenfolge ergibt sich aus § 154 Abs. 1 VwGO. Gerichtskosten werden nicht erhoben (§ 83b AsylG).
III. Die Entscheidung zur vorläufigen Vollstreckbarkeit ergibt sich aus § 167 Abs. 2 VwGO i.V.m. §§ 708 Nr. 11, 711 VwGO.


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