IT- und Medienrecht

Irreführung durch affiliate-Verlinkung in Redaktionsbeitrag ohne Hinweis auf Provision

Aktenzeichen  33 O 2855/18

Datum:
26.2.2019
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
WRP – 2019, 1083
Gerichtsart:
LG
Gerichtsort:
München I
Rechtsweg:
Ordentliche Gerichtsbarkeit
Normen:
UWG § 3, § 5, § 5a
GG Art. 5 Abs. 1

 

Leitsatz

1. Die Verlinkung zu einem sog. affiliate-Partner in einem Online-Redaktionsbeitrag ohne Hinweis auf eine Provision ist irreführend. Der Provisionsanspruch stellt hierbei eine wesentliche Information für den Verbraucher im Sinne des § 5a Abs. 2 UWG dar.  (Rn. 42 – 55) (redaktioneller Leitsatz)
2. Es macht dabei keinen Unterschied, ob die Verlinkung in einem laufenden Text oder in anderer Form im redaktionellen Beitrag enthalten ist. (Rn. 59) (redaktioneller Leitsatz)

Tenor

I. Die Beklagte wird verurteilt, es bei Meidung eines für jeden Fall der Zuwiderhandlung fälligen Ordnungsgeldes in Höhe von 250.000,- EUR – ersatzweise Ordnungshaft – oder Ordnungshaft bis zu sechs Monaten, zu vollstrecken an ihrem Geschäftsführer,
zu unterlassen,
im geschäftlichen Verkehr auf dem Internetauftritt … in redaktionellen Beiträgen werbliche Hyperlinks auf Seiten von … Werbepartnern zu setzen, ohne darauf hinzuweisen, dass mit Nutzung des Hyperlinks eine Vergütung der Beklagten durch den … verbunden sein kann, wenn dies geschieht wie bei den Beiträgen vom 18.07.2017 (Anlage K 1) und/oder 03.11.2017 (Anlage K 3).
II. Die Kosten des Rechtsstreits trägt die Beklagte.
III. Das Urteil ist in Ziffer I. gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 15.000,- EUR, in Ziffer II. gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 110 Prozent des jeweils zu vollstreckenden Betrages vorläufig vollstreckbar.

Gründe

Die zulässige Klage ist begründet.
A.
Dem Kläger steht der gegen die Beklagte geltend gemachte Unterlassungsanspruch aus § 8 Abs. 1 und 3 Nr. 2 in Verbindung mit §§ 3, 5 a Abs. 2 UWG zu.
I.
Dass der Kläger zur Geltendmachung des streitgegenständlichen Unterlassungsanspruchs nach § 8 Abs. 3 Nr. 2 UWG aktivlegitimiert ist, zieht die Beklagte zu Recht nicht in Zweifel.
II.
Die vom Kläger beanstandete Verlinkung der Beklagten ist irreführend im Sinne des § 5 a Abs. 2 UWG und damit als unlautere geschäftliche Handlung unzulässig gemäß § 3 Abs. 1 UWG.
1. § 5 a Abs. 2 UWG dient der Umsetzung von Art. 7 UGP-Richtlinie. Danach handelt unlauter, wer im konkreten Fall unter Berücksichtigung aller Umstände dem Verbraucher eine wesentliche Information vorenthält, die der Verbraucher je nach den Umständen benötigt, um eine informierte geschäftliche Entscheidung zu treffen, und deren Vorenthalten geeignet ist, den Verbraucher zu einer geschäftlichen Entscheidung zu veranlassen, die er anderenfalls nicht getroffen hätte.
2. Die in Rede stehenden Verlinkungen der Beklagten in ihren Beiträgen auf dem Internetportal „…“ auf Internetseiten ihrer Affiliate-Partner ist eine geschäftliche Handlung der Beklagten im Sinne von § 2 Abs. 1 Nr. 1 UWG.
3. Die streitgegenständlichen Verlinkungen der Beklagten enthalten jedenfalls keinen offenkundigen, ausdrücklichen Hinweis darauf, dass aufgrund der Verlinkungen möglicherweise Provisionsansprüche der Beklagten entstehen können.
Ein solcher Hinweis stellt nach Auffassung der Kammer im konkreten Fall unter Berücksichtigung aller Umstände jedoch eine für den Verbraucher wesentliche Information im Sinne von § 5 a Abs. 2 UWG dar.
a) Ausgangspunkt für die Beurteilung, ob eine Information „wesentlich“ im Sinne von § 5 a Abs. 2 UWG ist, ist der allgemeine Zweck der UGP-Richtlinie, für ein hohes Verbraucherschutzniveau zu sorgen, und der besondere Zweck des Art. 7 UGP-Richtlinie, eine informierte geschäftliche Entscheidung des Verbrauchers zu gewährleisten (vgl. Köhler, in: Köhler/Bornkamm/Feddersen, UWG, 37. Auflage, 2019, § 5 a Rdnr. 3.13). Die Information muss daher einerseits ein solches Gewicht haben, dass sie für die Entscheidung des durchschnittlichen Verbrauchers voraussichtlich und für den Unternehmer erkennbar von maßgebender Bedeutung ist. Andererseits soll der Unternehmer durch die Informationspflicht nicht unzumutbar belastet werden. Dies gebietet der Grundsatz der Verhältnismäßigkeit (Erwägungsgrund 6 S. 2 UGP-Richtlinie). Was wesentlich im Sinne von Art. 7 Abs. 1 UGP-Richtlinie und damit von § 5 a Abs. 2 UWG ist, steht – von den verbindlichen Festlegungen in Art. 7 Abs. 4 und 5 UGP-Richtlinie abgesehen – nicht von vornherein fest, sondern hängt von einer Interessenabwägung unter Berücksichtigung der Umstände des konkreten Falls ab (vgl. Köhler, a.a.O., Rn. 14).
b) Die beanstandeten Verlinkungen ohne Hinweis auf einen möglichen Provisionsanspruch richten sich an die Leser des Portals „…“ und damit an den allgemeinen Verkehr, zu dem auch die Mitglieder der erkennenden Kammer gehören. Abzustellen ist folglich auf die Wahrnehmung des normal informierten und angemessen aufmerksamen und verständigen Durchschnittsverbrauchers (vgl. EuGH GRUR 2011, 930 – Konsumentombudsmannen / Ving).
Dieser ist daran gewöhnt, bei Internetseiten wie der der Beklagten Beiträge zu lesen, die ihm als objektive Berichterstattung erscheinen. Zwar ist er – wie die Beklagte behauptet – möglicherweise daran gewöhnt bzw. es ist ihm möglicherweise bewusst, dass frei zugängliche Internetseiten mit redaktionell aufgemachten Beiträgen werbefinanziert sind. Ihm ist möglicherweise auch das Konzept der Affiliate-Werbung bekannt. Er geht indes nicht davon aus, dass der redaktionelle Beitrag selbst – wie vorliegend – über Verlinkungen zu Affiliate-Partnern zur Finanzierung dient. Gerade weil frei zugängliche Internetinhalte auch über deutlich als solche gekennzeichnete bzw. erkennbare Werbung (Bannerwerbung, Werbung am Rand der Internetseite) finanziert werden, erwartet der angesprochene Verkehr nicht, dass (zusätzlich) auch im Beitrag selbst über Verlinkungen zu Affiliate-Partnern weitere Finanzierungsmöglichkeiten erschlossen werden.
Dieses Ergebnis wird durch die Rechtsprechung des BGH zu Preisvergleichsportalen gedeckt. So führte der BGH in der Sache I ZR 55/16 (GRUR 2017, 1265 Rn. 21) aus:
„Der Verbraucher nutzt Preisvergleichsportale und Preissuchmaschinen im Internet, um einen schnellen Überblick darüber zu erhalten, welche Anbieter es für ein bestimmtes Produkt gibt und welchen Preis der jeweilige Anbieter für das fragliche Produkt letztlich fordert. Aus der Sicht des Verbrauchers bezieht ein Preisvergleichsportal im Internet seine Aussagekraft gerade aus dem Umstand, dass eine möglichst große Zahl von Anbietern, die ihre Waren oder Dienstleistungen über das Internet vermarkten, in den Preisvergleich einbezogen wird. Der Erfahrungshorizont des Verbrauchers wird dabei durch den Umstand bestimmt, dass das Geschäftsmodell der Anbieter von für den Verbraucher kostenlosen Informationsportalen im Internet häufig auf Einnahmen – etwa in Form der Vergütung für Werbung – gründet, die von einem Vertragsschluss im Einzelfall unabhängig sind. Mit einer Beschränkung der Vergleichsgrundlage durch den Ausschluss von Anbietern, die mit dem Betreiber des Portals keine Provisionsabrede getroffen haben, rechnet der Verbraucher in der Regel unabhängig davon nicht, ob sich die Suchmaschine ausdrücklich als „neutral“ oder „unabhängig“ bezeichnet. Der Verbraucher geht regelmäßig auch nicht davon aus, dass der Betreiber eines Preisvergleichsportals ein konkretes wirtschaftliches Interesse am Vertragsabschluss im Einzelfall besitzt.“
Für das Portal bzw. die dort eingestellten Berichte der Beklagten kann nichts anderes gelten, zumal die Beklagte selbst behauptet, in ihren Berichterstattungen völlig neutral zu sein.
c) Bei dem Umstand, dass die Verlinkungen in den Beiträgen der Beklagten möglicherweise Provisionsansprüche für sie generieren handelt es sich auch um eine wesentliche Information im Sinne des § 5 a UWG.
Denn der Verbraucher benötigt die Information hierzu, um eine informierte geschäftliche Entscheidung zu treffen.
Nur wenn der Verbraucher im Streitfall darüber informiert wird, dass die Verlinkungen zu Angeboteseiten von Drittanbietern einen Provisionsanspruch der Beklagten begründen können, kann er die Aussagekraft des in einem redaktionellen Beitrag eingebetteten Angebots angemessen beurteilen und sich gegebenenfalls entscheiden, noch weitere Informationen oder Angebote einzuholen (vgl. BGH GRUR 2017, 1265 Rn. 25, 26 – Informationspflichten eines Preisvergleichsportals im Internet – Preisportal).
4. Der Hinweis darauf, dass die Beklagte durch die Verlinkung auf die Internetseite ihrer Affiliate-Partner möglicherweise eine Provision erhält, ist als wesentliche Information für eine informierte geschäftliche Entscheidung nötig, und dessen Vorenthalten ist auch geeignet, den Verbraucher zu einer geschäftlichen Entscheidung zu veranlassen, die er anderenfalls nicht getroffen hätte.
a) „Geschäftliche Entscheidung“ bedeutet nach der Definition des § 2 Abs. 1 Nr. 9 UWG jede Entscheidung eines Verbrauchers oder sonstigen Marktteilnehmers darüber, ob, wie und unter welchen Bedingungen er ein Geschäft abschließen, eine Zahlung leisten, eine Ware oder Dienstleistung behalten oder abgeben oder ein vertragliches Recht im Zusammenhang mit einer Ware oder Dienstleistung ausüben will, unabhängig davon, ob der Verbraucher oder sonstige Marktteilnehmer sich entschließt, tätig zu werden (BGH, a.a.O., Rn. 25).
Nach EuGH (GRUR 2014, 196 – Trento Sviluppo / AGCM) erfasst der Begriff der „geschäftlichen Entscheidung“ nicht nur die Entscheidung über den Erwerb oder Nichterwerb eines Produkts, sondern auch damit unmittelbar zusammenhängende Entscheidungen wie insbesondere das Betreten des Geschäfts oder das Aufsuchen einer Internetseite.
b) Aufgrund der Ausgestaltung der Verlinkungen in ihren Beiträgen kann der Leser ihrer Beiträge veranlasst sein, dem Link der Beklagten und damit dem Angebot ihrer Affiliate-Partner dergestalt näherzutreten, dass er über den im Beitrag vorhandenen Link die Internetseite ihrer Affiliate-Partner aufruft und somit deren Onlineshop betritt.
Daher ist das Vorenthalten einer möglichen Provision der Beklagten für den Leser geschäftlich relevant.
5. Ein beachtenswertes Interesse der Beklagten, die Information nicht zu erteilen, steht im Streitfall der Einordnung als wesentliche Information im Sinne von § 5 a Abs. 2 UWG nicht entgegen. Die Einstellung der Information in die Beiträge bzw. Verlinkungen ist mit einem überschaubaren zeitlichen und kostenmäßigen Aufwand verbunden. Geheimhaltungsinteressen sind durch den Hinweis darauf, dass eine Provisionsabrede besteht, ebenfalls nicht berührt. Auf die Höhe der im Falle des Vertragsschlusses geschuldeten Provision kommt es in diesem Zusammenhang nicht an.
Auch die von der Beklagten angeführte Vielzahl von Beiträgen bzw. Affiliate-Links, die sie nach eigenem Behaupten möglicherweise nicht mehr alle auffinden bzw. korrigieren kann, steht dem Unterlassungsanspruch nicht entgegen.
III.
Mangels Abgabe einer entsprechenden strafbewehrten Unterlassungserklärung ist die durch die Verstöße begründete Wiederholungsgefahr gegeben.
Entgegen der Ansicht der Beklagten, ist die Erklärung im Schreiben vom 02.05.2017 (Anlage B 1) nicht geeignet, die Wiederholungsgefahr entfallen zu lassen. Die Unterlassungserklärung der Beklagten bezieht sich demgegenüber nur auf die Unterlassung „im laufenden Text“. Es macht indes keinen Unterschied, ob der Hinweis in einem Link in einem laufenden Text fehlt oder in anderer Form in dem Beitrag. Denn entscheidend ist, dass der angesprochene Verkehr bei Lesen des Beitrags nicht davon ausgeht, dass Links auf Angebotsseiten Dritter eine Provision für die Beklagte auslösen können und er hierüber zu informieren ist. Somit sind vom Unterlassungsanspruch auch Verlinkungen umfasst, die nicht im laufenden Text stehen, aber noch Inhalt des Beitrags sind. Die Unterlassungserklärung erfasst solche Links nicht und lässt daher die Wiederholungsgefahr nicht entfallen.
IV.
Da der Kläger seinen Unterlassungsanspruch bereits über §§ 3, 5 a Abs. 2 UWG UWG begründen kann, kann die Frage, ob auch eine Unterlassung aufgrund der weiteren vom Kläger bemühten Anspruchsgrundlagen verlangt werden kann, dahinstehen.
B.
Die Kostenentscheidung folgt aus §§ 91, 91 a ZPO, die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit aus § 709 ZPO.


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