IT- und Medienrecht

Keine vorgerichtliche Aufklärungspflicht des für Urheberrechtsverletzung nicht verantwortlichen Anschlussinhabers

Aktenzeichen  10 C 985/18

Datum:
25.1.2019
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
GRUR-RS – 2019, 53111
Gerichtsart:
AG
Gerichtsort:
Landshut
Rechtsweg:
Ordentliche Gerichtsbarkeit
Normen:
UrhG § 97
BGB § 826

 

Leitsatz

1. Zwischen dem Rechtsinhaber, dessen urheberrechtlich geschütztes Werk ohne seine Zustimmung über eine Internettauschbörse öffentlich zugänglich gemacht wird, und dem hierfür nicht als Täter, Teilnehmer oder Störer verantwortlichen Inhaber des Internetanschlusses, über den die Urheberrechtsverletzung begangen worden ist, besteht regelmäßig keine gesetzliche Sonderverbindung, die den Anschlussinhaber dazu verpflichtet, den Rechtsinhaber vorgerichtlich über den ihm bekannten Täter der Urheberrechtsverletzung aufzuklären. (Rn. 15) (redaktioneller Leitsatz)
2. Eine Verpflichtung zu vorgerichtlicher Aufklärung kann aus der etwaigen im Rechtsstreit anzunehmenden sekundären Darlegungslast nicht hergeleitet werden.  (Rn. 16) (redaktioneller Leitsatz)

Tenor

1. Das Versäumnisurteil des Amtsgerichts Landshut vom 06.11.2018 bleibt aufrechterhalten.
2. Die Klägerin hat auch die weiteren Kosten des Rechtsstreits zu tragen.
3. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar, wobei die Klägerin die Vollstreckung durch den Beklagten durch Leistung einer Sicherheit in Höhe von 110 % des zu vollstreckenden Betrages abwenden kann, wenn dieser nicht zuvor Sicherheit in gleicher Höhe leistet.
Beschluss:
Der Streitwert wird auf 1.884,60 € festgesetzt.

Gründe

Der Einspruch der Klägerin gegen das Versäumnisurteil des Amtsgerichts Landshut vom 06.11.2018 ist zulässig, hat jedoch in der Sache keinen Erfolg.
I.
Die Klägerin hat gegen den Beklagten keine Schadensersatzansprüche im Zusammenhang mit der Urheberrechtsverletzung aus dem November 2013.
Zwischen den Parteien ist mittlerweile unstreitig, dass der Beklagte weder Täter noch Teilnehmer der fraglichen Urheberrechtsverletzung ist. Nach der überzeugenden Aussage der Zeugen … steht fest, dass tatsächlich der Sohn der damaligen Untermieterin der Zeugin … die fragliche Urheberrechtsverletzung begangen hat. Auf entsprechenden Vorhalt nach Zugang der Abmahnung wurde dies von Seiten der Familie … unumwunden eingeräumt. Auch die Klägerin geht nunmehr davon aus, dass die Bekundungen des Beklagten, belegt durch die Zeugenaussagen, objektiv zutreffend sind. Insofern wurde die Urheberrechtsverletzung durch … begangen, der Beklagte hatte hieran weder als Täter oder Teilnehmer Anteil.
Der Beklagte haftet indessen auch nicht als Störer. Dies würde voraussetzen, dass der Beklagte in irgendeiner Weise willentlich und adäquat kausal an der Herbeiführung oder Aufrechterhaltung der Beeinträchtigung des klägerischen Urheberrechts mitgewirkt hätte. Hierfür ergeben sich keinerlei Anhaltspunkte.
Unter diesen Umständen ist der Beklagte nicht verpflichtet, Schadensersatz für die Verletzung der Urheberrechte an die Klägerin zu bezahlen oder die angefallen Abmahnkosten zu ersetzen.
Etwas anderes folgt entgegen der Annahme der Klägerin auch nicht aus dem Umstand, das der Beklagte unstreitig, obwohl er wusste, wer die Urheberrechtsverletzung begangen hat, diese Tatsache gegenüber der Klägerin vorgerichtlich nicht offenlegte.
Die Klägerin sieht in diesem Verhalten eine sittenwidrige vorsätzliche Schädigung durch den Beklagten. Dies ist jedoch nicht der Fall. Hierfür wäre nämlich Voraussetzung, dass der Beklagte verpflichtet gewesen wäre, die Wahrheit gegenüber der Klägerin offenzulegen. Eine solche Verpflichtung besteht jedoch nicht. Sie kann insbesondere nicht aus der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofes zur Antwortpflicht des Abgemahnten im Wettbewerbsrecht hergeleitet werden. Auch im Wettbewerbsrecht setzt eine Antwortpflicht des Abgemahnten voraus, dass dieser zumindest als Störer zu qualifizieren ist (vgl. BGH MDR 1995, 421 f; BGH MDR 1990, 508 f). In diesen Fällen argumentiert der Bundesgerichtshof dahingehend, dass im Falle einer berechtigten Abmahnung eine wettbewerbsrechtliche Sonderbeziehung eigener Art zwischen den Parteien entstehe, aus der heraus der Abgemahnte verpflichtet sei, innerhalb der gesetzten oder zumindest einer angemessenen Frist auf die Abmahnung zu reagieren. Diese Verpflichtung kann nicht, zumindest nicht ohne Weiteres, auf Fallkonstellationen wie die vorliegende übertragen werden, erst recht dann nicht, wenn tatsächlich nicht einmal eine Störerhaftung des Abgemahnten begründet ist. Selbst das Oberlandesgericht Köln, das in seiner Entscheidung I – 6 U 208/10 vom 22.07.2011 von einer Antwortpflicht des Abgemahnten ausgeht, hatte über einen Sachverhalt zu entscheiden, in dem der Abgemahnte als Störer für die Urheberrechtsverletzung anzusehen war. Dies ist vorliegend nicht der Fall, so dass nicht ersichtlich ist, unter welchem Gesichtspunkt zwischen den Parteien eine Sonderbeziehung entstanden sein sollte, die der wettbewerbsrechtlichen Sonderbeziehung in den vergleichbaren Fällen entsprechen sollte. Insbesondere ist zu berücksichtigen, dass der Beklagte als reine Privatperson an dem Verfahren beteiligt ist, nicht etwa wegen irgend eines Verhaltens, das in Zusammenhang stünde mit geschäftlichem Verkehr. Insoweit bestand eine Verpflichtung des Beklagten, seine vollständigen Erkenntnisse über den Hergang der Urheberrechtsverletzung gegenüber der Klägerin vorgerichtlich auszubreiten, nicht (vgl. Hanseatisches Oberlandesgericht Hamburg, 27.08.2013, 5 W 88/12, Hanseatisches Oberlandesgericht Hamburg, 02.02.2015, 5 W 47/13; Hanseatisches Oberlandesgericht Hamburg, 24.11.2008, 5 W 117/08; Amtsgericht Hamburg, 03.07.2015, 36a C 134/14).
Etwas anderes folgt auch nicht aus der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofes zur sekundären Darlegungslast. Es ist zwar zutreffend, dass nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofes dem Inhaber des Internetanschlusses im eigenen Interesse abverlangt wird, in gewissem und zumutbarem Umfang Nachforschungen anzustellen darüber, wer die Urheberrechtsverletzung begangen hat oder für diese als Täter konkret in Betracht kommt. Für den Fall, dass er die sekundäre Darlegungslast nicht erfüllt, hat er zu befürchten, dass der klägerische Sachvortrag zur eigenen Täterschaft des Anschlussinhabers als nicht substantiiert bestritten gilt. Die sekundäre Darlegungslast ist indessen erst für das streitige Verfahren vor dem Gericht von Bedeutung, sie entfaltet keine Auswirkungen auf die vorgerichtlichen Geschehnisse. Deswegen kann die Klägerin sich insbesondere auch nicht auf die „Loud“ Entscheidung des Bundesgerichtshofes (BGH 30.03.2017 I ZR 19/16) stützen, um ihren Anspruch zu begründen. Soweit der Bundesgerichtshof in jenem Verfahren sich dahingehend äußerte, dass die verklagten Anschlussinhaber sich nicht darauf beschränken können, darzulegen, dass familienintern habe aufgeklärt werden können, wer die Urheberrechtsverletzung begangen hat, ohne aber bereit zu sein, im Prozess den Namen des volljährigen Kindes, das die Rechtsverletzung zugegeben hat, zu benennen, hatte auch diese Entscheidung lediglich Auswirkungen hinsichtlich der Frage, ob die Beklagten ihre sekundäre Darlegungslast ausreichend erfüllt hatten. Aus dieser Entscheidung können keine Rückschlüsse vorgenommen werden dahingehend, dass der Bundesgerichtshof Anschlussinhaber schon ab Erhalt der Abmahnung dazu verpflichtet sieht, sämtliche Erkenntnisse, die sie im Zuge interner Aufklärungsmaßnahmen erzielen konnten, offenzulegen.
Schließlich geht auch das Argument der Klägerin fehl, es widerspreche der Billigkeit, sie mit den Kosten des Verfahrens zu belasten, da sie keine andere Möglichkeit gehabt habe, als den Beklagten im streitigen Verfahren wegen der Urheberrechtsverletzung in Anspruch zu nehmen, um den Sachverhalt überhaupt aufklären zu können. Dies ist zwar zweifellos richtig. Die Klägerin hatte keinen Einblick, wer neben dem Anschlussinhaber selbst gegebenenfalls das Internet regelmäßig nutzt und konkret als Täter für die Urheberrechtsverletzung in Betracht kommt. Nachdem der Beklagte diesbezüglich auch nach Erhalt der Abmahnung vorgerichtlich keine detaillierte Auskunft erteilte, blieb ihr letztlich nur die Möglichkeit, den Klageweg zu beschreiten. Dies bedeutet jedoch nicht, dass sie hinsichtlich der hierdurch generierten Kosten völlig schutzlos gestellt wäre und diese im Ergebnis selbst zu tragen hätte. Es ist nämlich durch den Bundesgerichtshof bereits entschieden worden, dass in einer entsprechenden Fallkonstellation der Täter der Urheberrechtsverletzung auch für jene Kosten einzustehen hat (BGH 22.03.2018 I ZR 265/16).
Im Ergebnis erweisen sich daher die klägerischen Forderungen vollständig als unbegründet, weswegen das Versäumnisurteil des Amtsgerichts Landshut vom 06.11.2018 aufrechtzuerhalten war.
II.
Die Kostenentscheidung erging gemäß § 91 ZPO.
III.
Der Ausspruch zur vorläufigen Vollstreckbarkeit beruht auf §§ 708 Nr. 11, 711 ZPO.
IV.
Der Streitwert war gemäß §§ 3 ff. ZPO, 40 GKG festzusetzen.


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