IT- und Medienrecht

Krankenversicherung, Arzt, Buchauszug, Widerklage, Provision, Zustellung, Attest, Feststellung, Versicherung, Stufenklage, Gesellschaft, Berechnung, Anlage, Widerspruch, Entscheidung nach Aktenlage, Gefahr einander widersprechender Entscheidungen, Aussage des Zeugen

Aktenzeichen  31 O 16817/19 (2)

Datum:
5.10.2021
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
BeckRS – 2021, 31785
Gerichtsart:
LG
Gerichtsort:
München I
Rechtsweg:
Ordentliche Gerichtsbarkeit
Normen:

 

Leitsatz

Tenor

1. Die Wiederklage auf Bucheinsicht wird abgewiesen. 
2. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar 

Gründe

A.
Die Wider-Stufenklage ist nach §§ 33, 254 ZPO zulässig.
Einer Entscheidung nach Aktenlage gemäß § 331a ZPO war nach entsprechendem Antrag des Klägervertreters in der mündlichen Verhandlung vom 17.08.2021 nachzukommen. Der Sachverhalt der Stufenklage war für eine derartige Entscheidung hinreichend geklärt und es wurde vorab bereits mehrfach mündlich verhandelt. Im Weiteren war der Beklagtenvertreter schuldhaft säumig im Sinne von § 337 ZPO. Eine schuldhafte Säumnis liegt auch dann vor, wenn der Prozessbevollmächtigten nicht das ihm Mögliche und Zumutbare getan hat, um dem Gericht rechtzeitig seine Verhinderung mitzuteilen (BGH, Urteil vom 03.11.2005, I ZR 53/05). Der Beklagtenvertreter hat ein Attest vom 16.08.2021 vorgelegt, aufgrund dessen er vom 12.08.2021 bis 18.08.2021 arbeitsunfähig sei. Bei der Unterstellung des aus Sicht des Gerichts bereits inhaltlich fragwürdigen Attestes, in dem der bescheinigende Arzt lediglich eine Einschränkung der Konzentrationsfähigkeit als nachvollziehbar bescheinigt, war der Beklagtenvertreter jedoch bereits seit dem 12.08.2021 arbeitsunfähig. Er hätte vom 12.08.2021 bis 17.08.2021 ausreichend Zeit gehabt dem Gericht rechtzeitig seine Verhinderung mitzuteilen. Die Richterin war insbesondere am 16. August durchgängig telefonisch erreichbar, ebenso die Geschäftsstelle, die der Richterin andere Telefonate durchstellte. Bereits in diesem Zuwarten der Information des Gerichts liegt ein schuldhaftes Versäumnis im Sinne der oben genannten Rechtsprechung (vergleiche zu einem parallelen Fall OLG Jena, Urteil vom 22. Dezember 2009, 5 U 122/09, Beck RS 2010,8870 zur Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung eine Woche vor dem Termin und Arbeitunfähigkeit bis nach dem Terminstage).
Ein Teilurteil nach § 301 ZPO darf nur ergehen, wenn die Gefahr einander widersprechender Entscheidungen ausgeschlossen ist. Im Falle einer Stufenklage darf das Gericht zunächst nur über den Auskunftsanspruch (hier: Ansprüche auf Buchauszug und Abrechnung verhandeln und durch Teilurteil hierüber entscheiden) eine Entscheidung über den auf der letzten Stufe der Klage verfolgten Anspruch ist grundsätzlich nicht zulässig (BGH NJW 1989, 2821). Die auf die Stufenklage ergangene Entscheidung über den Auskunftsanspruch erwächst im Hinblick auf den auf der letzten Stufe verfolgten Anspruch (Zahlungsanspruch) nicht in Rechtskraft und entfaltet insoweit auch keine Bindung i. S. von § 318 ZPO. Eine einheitliche Entscheidung über die mehreren in einer Stufenklage verbundenen Anträge kommt nur dann in Betracht, wenn schon die Prüfung des Auskunftsanspruchs ergibt, dass dem Hauptanspruch die materiellrechtliche Grundlage fehlt (BGH NJW 2002, 1042 m. w. N.). Das ist hier jedoch nicht der Fall. Auch die Möglichkeit, mit dem Teilurteil zur ersten Stufe der Stufenklage ein Grundurteil über den Zahlungsanspruch der weiteren Stufe zu verbinden, kommt nicht in Betracht, weil im Streitfall nicht feststeht, ob überhaupt ein Zahlungsanspruch der Beklagten gegeben ist (vgl hierzu BGH NJW-RR 2011, 189).
Da die Gefahr einander widersprechender Teilurteile über die auf den einzelnen Stufen einer Stufenklage geltend gemachten Ansprüche hingenommen wird, kann grundsätzlich nichts anderes gelten, wenn der Stufenklage ein im Wege der Widerklage oder – wie hier – im Wege der vor der Stufenwiderklage erhobenen Klage erhobener Anspruch gegenüber steht, der mit den durch die Stufenklage verfolgten Ansprüchen materiellrechtlich verknüpft ist. In einem solchen Fall gilt das Teilurteilsverbot bei Gefahr einander widersprechender Entscheidungen, das auch sonst nicht uneingeschränkt besteht nicht. Anderenfalls könnte im Ergebnis weder über die Klage noch über die Widerklage entschieden werden. Denn einerseits dürfte über den Auskunftsanspruch (isoliert) wegen der Gefahr eines Widerspruchs zu der später zu treffenden Entscheidung über den vom Gegner des Auskunftsanspruchs erhobenen Anspruch nicht entschieden werden. Andererseits darf auch nicht über die beiden zuvor genannten Ansprüche zusammen entschieden werden, weil dann ein Widerspruch zu der im weiteren Verfahren zu treffenden Entscheidung über den auf der letzten Stufe geltend gemachten Zahlungsanspruch nicht auszuschließen wäre (so ausdrücklich BGH Urteil vom 16. 6. 2010 – VIII ZR 62/09, NJW-RR 2011, 189 m.w.N.).
B.
Die Widerklage war jedoch im 1. Stufe als unbegründet abzuweisen, da dem Beklagten kein Recht auf Einsicht nach § 87c Abs. 4 HGB mehr zusteht. Der Beklagtenvertreter hat in der mündlichen Verhandlung vom 09.02.2021 (Blatt 202 ff.) von dem bisher bislang geltend gemachten Widerklageantrag Abstand genommen und nur mehr Bucheinsicht beantragt. Voraussetzung für einen solchen Bucheinsichtsanspruch sind, dass ein Buchauszug verweigert wird oder begründete Zweifel an der Richtigkeit oder Vollständigkeit der Abrechnung oder des Buchauszugs bestehen. Die Klägerin hat einen Buchauszug vorgelegt vom 28.07.2020 (K 16).
Nach Überzeugung des Gerichts bestehen keine begründeten Zweifel an der Richtigkeit bzw. Vollständigkeit dieses Buchauszugs im Sinne von § 87c Abs. 4 HGB.
Ein Buchauszug muss nach ständiger Rechtsprechung alles enthalten, was sich aus allen dem Unternehmer verfügbaren schriftlichen Unterlagen im Zeitpunkt der Ausstellung des Buchauszugs über die fraglichen Geschäfte ergibt und nach der getroffenen Provisionsvereinbarung für die Berechnung der Provision von Bedeutung sein kann (BGH NJW 2001,2333; OLG München ZVertriebsR 2019,372). Nach § 87c Abs. 2 HGB muss der Auszug die zum Zeitpunkt seiner Aufstellung für die Berechnung, Höhe und Fälligkeit der Provision des Handelsvertreters relevanten geschäftlichen Verhältnisse in klarer und übersichtlicher Weise vollständig widerspiegeln, soweit sie sich aus den Büchern des Unternehmers entnehmen lassen. Nur dann kann sein Zweck erfüllt werden, dem Handelsvertreter über seine Provisionsansprüche Klarheit zu verschaffen und ihm eine Nachprüfung der vom Unternehmen erteilten oder noch zu erteilenden Provisionsabrechnung zu ermöglichen (BGH NJW 1996,588). Der Buchauszug muss alle aus den Büchern des Unternehmers ersichtlichen Angaben enthalten, die für die Berechnung der Provision von Bedeutung sein können (BGH NJW 1981,457). Daraus folgt nach allgemeiner Meinung, dass der Buchauszug alle zur Ausführung gelangten provisionspflichtigeren Geschäfte enthalten muss. Er muss für den Zeitpunkt seiner Aufstellung eine bis ins Einzelne gehende Bestandsaufnahme der Kundenbeziehungen des Unternehmers, soweit sie die Provisionsansprüche des Handelsvertreters berühren, darstellen (OLG Saarbrücken NJW-RR 2002,391).
Nach der Beweisaufnahme konnte das Gericht die Überzeugung bilden, dass der Buchauszug in Anlage K 15 alle wesentlichen Informationen wie Name, Geburtsdatum, Anschrift der Versicherungsnehmer, Tarif, Beginn, Ende, Beitrag, Zahlungsweise, Status sowie Provisionsbuchungen für die eigenen Verträge der Klägerin umfangreich enthalten. Es handelt sich um geordnete und ausreichende Informationen, um die Höhe die Fälligkeit der Provisionen hieraus ermitteln zu können. Auch sind Stornierungen, Provisionssätze angegeben. Wenn der Widerbeklagte aus seiner Sicht einzelne Angaben als unnötig betrachtet, so erschweren sie jedenfalls die Übersicht und das Verständnis des Auszugs nach Überzeugung der Richterin nicht, so dass die Frage offen blieben kann, ob unnötige Angaben enthalten sind.
Bei einzelnen Kooperationsverträgen fehlen in der Tat Angaben. Erforderlich ist jedoch nach der zitierten höchstrichterlichen Rechtsprechung, dass alle Informationen aufgenommen werden, die dem Unternehmen zur Verfügung stehen. Der vorgelegte Buchauszug enthält nach der Überzeugung des Gerichts alle Informationen, die der Klägerin zum maßgeblichen Zeitpunkt verfügbar waren. Das Gericht hat in der mündlichen Verhandlung vom 17.08.2021 die Zeugen L. und K. vernommen. Nach den für das Gericht nachvollziehbaren und überzeugenden Aussagen der Zeugen steht für die entscheidende Richterin fest, dass die Klägerin nicht Informationen weggelassen hat, die der Beklagte für die Provisionsberechnet benötigt. Der Zeugen L. hat in der mündlichen Verhandlung am 17.08.2021 verständlich und umfassend erläutert, dass die Klägerin bei Verträgen mit Kooperationspartnern andere und häufig deutlich weniger Daten als über eigene Verträgen hat; dass die Klägerin rudimentäre Daten von Kooperationspartnern erhält, was auf verschiedenen IT-Systemen beruht. Auch dass man die jeweils übermittelten Daten nicht vergleichen kann, selbst bei Daten aus einem Konzern, aufgrund von Aufkäufen von Versicherungen. Dies könne auch zu Doppelung führen wie bei dem Vertrag DA01257018B bzw. 80/0570/0018294. Der Zeuge L. hat nachvollziehbar und überzeugend dargelegt, dass die Klägerin ursprünglich nicht die Information hatte, dass es sich dabei um denselben Vertrag handelt. Die Klägerin hat in Buchauszug nur das aufgenommen und weitergegeben, was ihr gemeldet wurde. Anlässlich dieses Verfahrens und der Zeugeneinvernahme habe der Zeuge jedoch dann bei der Allianz nachgefragt und im Nachgang die Information halten, dass es sich um denselben Vertrag handelt. Die doppelte Nennung ist auf die den Wechsel des Bestandssystems der Allianz zurückzuführen. Die Klägerin hat bei Kooperationspartnern im vorliegenden Buchauszug nach der nachvollziehbaren Aussage des Zeugen das weitergegeben, was sie von Kooperationspartner Informationen erhalten hat und wie diese zum eigenen System passen. Es besteht an sich keine Pflicht für die Klägerin weitere Informationen zu erfragen, sondern nur die bekannten und in den Büchern/Systemen befindlichen Informationen mitzuteilen.
Das Gericht hat sich weiter die Überzeugung gebildet, dass bei Not leidend gewordenen Versicherung grundsätzlich und systematisch eine Bestandserhaltung in Gang gesetzt wird und dass dies im konkreten Fall auch so verfahren wurde. Dass die konkreten Schritte der Bestandserhaltung nicht im Buchauszug angegeben wurden, sondern nur ob der Kunde aktiv ist oder eine Stornierung erfolgte, ist unbeachtlich solange die Erhaltungsmaßnahmen nach entsprechenden Systemen durchgeführt wurden. Der Zeuge K. hat dem Gericht in seiner Einvernahme überzeugend dargelegt, dass und wie eine Bestandserhaltung bei der Klägerin durchgeführt wurde.
Dass der erste Buchauszug wegen Lochung und zu kurzen Zeitraums nämlich nur bis 11/2019, obwohl Rechtsfähigkeit am 16.12.2019 eingetreten ist, erneuert bzw. ergänzt wurde, begründet aus Sicht des Gerichts keinen Grund an der Vollständigkeit des Buchauszugs zu zweifeln. Diese Anlage K16 ist bei Gericht nicht gelocht, es besteht durchaus die Möglichkeit, dass die Lochung im Bereich des Beklagtenvertreters erfolgt ist. Aus der Vorlage des zweiten Buchauszugs aufgrund des geringfügig verlängerten Zeitraumes sowie der als Papiervorlage erfolgten Lochung kann nicht geschlossen werden, dass fehlerhaft gearbeitet wurde, hieraus sind keine Zweifel hinsichtlich der Richtigkeit und Vollständigkeit zu ziehen.
C.
Über die Kosten ist im Schlussurteil zu entscheiden. Der Ausspruch der vorläufigen Vollstreckbarkeit beruht auf § 713 ZPO.


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