IT- und Medienrecht

Löschung von Nutzerbeiträgen auf Kommunikationsplattform

Aktenzeichen  24 W 1771/18

Datum:
30.11.2018
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
GRUR-RS – 2018, 50857
Gerichtsart:
OLG
Gerichtsort:
München
Rechtsweg:
Ordentliche Gerichtsbarkeit
Normen:
ZPO § 940
GG Art. 5 Abs. 1, Art. 12 Abs. 1
BGB § 305, § 305c, § 307 Abs. 1

 

Leitsatz

1. In den Bedingungen zur Nutzung einer Internet-Kommunikationsplattform kann rechtswirksam vereinbart werden, dass Nutzerbeiträge, die terroristische oder kriminelle Organisationen unterstützen, unabhängig davon, ob ein derartiger Beitrag durch die Meinungsfreiheit gedeckt ist, vom Plattformbetreiber entfernt werden. (Rn. 19 – 20) (redaktioneller Leitsatz)
2. Ein Plattformbetreiber ist von Rechts wegen nicht verpflichtet, Beiträge, die vom Grundrecht auf Meinungsfreiheit gedeckt sind, auf der Kommunikationsplattform zu belassen (andere Ansicht OLG München NJW 2018, 3115); ein entsprechendes Löschungsrecht des Plattformbetreibers stellt auch unter Berücksichtigung  verfassungsrechtlicher Wertentscheidungen (hier: Meinungsäußerungsfreiheit) keine unangemessene Benachteiligung eines Nutzers dar. (Rn. 20) (redaktioneller Leitsatz)

Verfahrensgang

21 O 1342/18 2018-11-02 Bes LGMEMMINGEN LG Memmingen

Tenor

1. Die sofortige Beschwerde des Antragstellers gegen den Beschluss des Landgerichts Memmingen vom 02.11.2018, Az. 21 O 1342/18, wird zurückgewiesen.
2. Der Antragsteller trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens.
3. Der Streitwert des Beschwerdeverfahrens wird auf 7.500,00 € festgesetzt.

Gründe

I.
Der Antragsteller unterhält und nutzt seit 2012 ein privates Nutzerkonto bei der Antragsgegnerin.
Am 08.09.2018 postete er folgenden Beitrag:
„Der Idee der NSDAP entsprechend sind wir die deutsche Linke … Nichts ist uns verhasster als der rechtsstehende nationale Besitzbürgerblock.“ 1931, in: Der Angriff J. G.
Der Beitrag war mit einer in einem ovalen Rahmen befindlichen Fotografie versehen, die J.G. zeigt. Zur Gestaltung des Beitrags im Einzelnen wird auf die Anlage Ag5 Bezug genommen.
Am 18.09.2018 wurde der Zugang des Antragstellers zu seinem Nutzerkonto von der Antragsgegnerin in der Weise mit einer Sperre belegt, dass er während des Sperrzeitraums nichts posten, nichts kommentieren und den Messenger nicht verwenden konnte (“read only“- Modus). Die Sperre wurde von der Antragsgegnerin damit begründet, dass der Antragsteller gegen die Bedingungen und Richtlinien des F.b.-Dienstes verstoßen habe, die eine Unterstützung von Hassorganisationen verbieten. Der vollständige Zugriff des Antragstellers auf den F.b. Account wurde am 18.10.2018 wieder hergestellt.
Der Antragsteller beantragte beim Landgericht Memmingen den Erlass der folgenden einstweiligen Verfügung:
Die Antragsgegnerin hat es zu unterlassen, den Antragsteller für das Einstellen des nachfolgenden Textes „Der Idee der NSDAP entsprechend sind wir die deutsche Linke … Nichts ist uns verhasster als der rechtsstehende nationale Besitzbürgerblock. 1931 in: Der Angriff, J. G.“ auf www.f. .com zu sperren (insbesondere, ihm die Nutzung der Funktionen von www.f. .com wie Posten von Beiträgen, Kommentieren fremder Beiträge und Nutzung des Nachrichtensystems vorzuenthalten) oder den Beitrag zu löschen.
Er macht geltend, die Sperre sei rechtswidrig gewesen, weil er schon nicht gegen Bedingungen und Richtlinien des F.b.-Dienstes verstoßen habe. Der von der Antragsgegnerin beanstandete Beitrag stelle eine zulässige Meinungsäußerung dar. Er habe lediglich ein historisches Zitat wiedergegeben, das belege, wie sich die Nationalsozialisten selbst politisch einschätzten. Er habe sich das Zitat nicht zu eigen gemacht und somit ersichtlich auch kein nationalsozialistisches Gedankengut verbreitet. Er habe schlicht ein fremdes Zitat wiedergegeben, dessen Inhalt sich mit einer politischen Einschätzung beschäftige. Davon unabhängig hielten die Bedingungen und Richtlinien des F.b.-Dienstes einer AGB-Kontrolle nicht stand und seien wegen Verstoßes gegen die guten Sitten nichtig.
Der Antragsteller begehrt den Erlass einer Regelungsverfügung (§ 940 ZPO). Mit dem Antrag solle lediglich verhindert werden, dass die Antragsgegnerin ihn in Bezug auf den streitgegenständlichen Beitrag erneut sperre. Er beabsichtige, sich auch zukünftig in ähnlicher oder identischer Weise bei Diskussionen auf F.b. zu äußern. Die für die Leistungsverfügung entwickelten Zulässigkeitsvoraussetzungen seien auf den vorliegenden Fall nicht anzuwenden.
Mit dem angegriffenen Beschluss vom 02.11.2018 hat das Landgericht den Antrag auf Erlass einer einstweiligen Verfügung zurückgewiesen, weil es an einem Verfügungsgrund fehle. Der Antragsteller habe wieder vollständigen Zugang zu seinem Account. Die Frage, ob die Antragsgegnerin ihn bei erneuter Einstellung des Beitrags wiederum sperren dürfe, könne in einem Hauptsacheverfahren geklärt werden. Eine Not- oder Zwangslage des Antragstellers sei insoweit nicht ersichtlich.
Mit Schriftsatz seiner Bevollmächtigten vom 13.11.2018, der am selben Tag beim Landgericht einging, hat der Antragsteller sofortige Beschwerde gegen den Beschluss vom 02.11.2018 eingelegt. Er macht geltend, das Landgericht habe verkannt, dass er eine Regelungsverfügung begehrt habe. Davon unabhängig seien auch die Voraussetzungen für eine Leistungsverfügung erfüllt. Das Landgericht hat der sofortigen Beschwerde mit Beschluss vom 15.11.2018 nicht abgeholfen.
II.
1. Die sofortige Beschwerde des Antragstellers ist gemäß § 567 Abs. 1 Nr. 2 ZPO statthaft. Sie ist auch im Übrigen zulässig, insbesondere form- und fristgerecht eingelegt worden (§ 569 ZPO).
2. Die sofortige Beschwerde ist jedoch nicht begründet. Das Landgericht hat den Antrag auf Erlass einer einstweiligen Verfügung zu Recht zurückgewiesen.
a) Im Ergebnis zutreffend hat das Landgericht den Antrag schon deshalb zurückgewiesen, weil ein Verfügungsgrund nicht glaubhaft gemacht ist.
aa) Das Beschwerdegericht teilt die Auffassung des Landgerichts, dass eine Not- oder Zwangslage, die den Erlass einer Leistungsverfügung rechtfertigen könnte, im vorliegenden Fall nicht anzunehmen ist, nachdem der Antragsteller wieder vollständigen Zugang zu seinem Account hat. Die diesbezüglichen Ausführungen des Landgerichts im angegriffenen Beschluss vom 02.11.2018 sind nicht zu beanstanden.
bb) Die Rüge des Antragstellers, die beantragte einstweilige Verfügung sei als Regelungsverfügung auf der Grundlage des § 940 ZPO zu erlassen, greift nicht durch. § 940 ZPO kommt im vorliegenden Fall als Grundlage einer einstweiligen Verfügung grundsätzlich in Betracht. Zwischen den Parteien besteht eine Vereinbarung über die Nutzung des Internetdienstes F.b. und somit ein auf gewisse Dauer gerichtetes Rechtsverhältnis. Die Frage, ob die Antragsgegnerin aufgrund der getroffenen Vereinbarung verpflichtet ist, das vom Antragsteller gepostete G.-Zitat im Rahmen ihres Internetdienstes anderen F.b. -Nutzern zugänglich zu machen, ist zwischen den Parteien im Streit. Dementsprechend kann eine Regelungsverfügung erlassen werden, wenn dies zur Abwehr wesentlicher Nachteile oder zur Verhinderung drohender Gewalt oder aus anderen Gründen nötig erscheint. Das Gericht hat insoweit die schutzwürdigen Interessen beider Seiten im Rahmen seines Beurteilungsspielraums gegeneinander abzuwägen. Nötig im Sinn des § 940 ZPO ist die Regelungsverfügung nur dann, wenn der Antragsteller glaubhaft machen kann, dass seine Interessen schwerer wiegen als die Interessen der Antragsgegnerin. Hieran fehlt es:
(1) Der Antragsteller macht geltend, er werde in seinem Grundrecht auf Meinungsfreiheit (Art. 5 Abs. 1 Satz 1 GG) verletzt, wenn die Antragstellerin das G.-Zitat im Fall eines erneuten Einstellens lösche und ihn wiederum mit einer Sperre (“read only“ – Modus) belege. Art. 5 Abs. 1 Satz 1 GG schützt das Äußern und Verbreiten von Meinungen. Meinungen in diesem Sinn können auch Tatsachenbehauptungen sein, dies jedenfalls dann, wenn sie Dritten zur Meinungsbildung dienen können (BGH Urteil vom 22.04.2008 – VI ZR 83/07 – juris Rdnr. 16). Vor diesem Hintergrund fällt auch die bloße Wiedergabe eines Zitats in den Schutzbereich der Meinungsfreiheit. Bei der Gewichtung des Interesses des Antragstellers an der erneuten Einstellung des G.-Zitats ist allerdings zu berücksichtigen, dass er in der Antragsschrift selbst vorbringt, er habe mit dem Zitat keine Meinung vertreten wollen. Er habe vielmehr lediglich ein historisches Zitat wiedergegeben, ohne sich dessen Inhalt zu eigen zu machen oder das darin verkörperte Gedankengut verbreiten zu wollen. Da sich das Interesse des Antragstellers nach seiner eigenen Darstellung in der schlichten Wiedergabe eines fremden Zitats erschöpft, ist nicht dargelegt, dass ihm ein gewichtiger Nachteil erwächst, wenn er bis zur Klärung der Streitfrage in einem Hauptsacheverfahren auf eine erneute Veröffentlichung des Zitats auf der Kommunikationsplattform der Antragsgegnerin verzichtet. Dies gilt umso mehr, als dem Antragsteller hierdurch nicht generell die Möglichkeit genommen wird, das Zitat in anderer Weise als durch Einstellung bei F.b. zu verbreiten.
(2) Die Antragsgegnerin macht geltend, es stehe ihr als privatrechtlicher Anbieterin eine Kommunikationsplattform frei, Regeln für die Nutzung ihres Internetangebots aufzustellen. Sie werde insoweit insbesondere durch das Grundrecht des Art. 12 Abs. 1 GG (Berufsfreiheit) geschützt. Sie habe ein Interesse daran, ihre Nutzer vor Hassreden und Beiträgen zu schützen, mit denen Gruppen unterstützt werden, die gewalttätige oder kriminelle Verhaltensweisen aufweisen. Aus Sicht des Beschwerdegerichts ist ein schutzwürdiges Interesse der Antragsgegnerin daran anzuerkennen, dass ihre Kommunikationsplattform nicht als Medium für die Verbreitung nationalsozialistischen Gedankenguts missbraucht wird.
(3) In der Abwägung der gegensätzlichen Interessen, ist ein Überwiegen der Nachteile, die sich für den Antragsteller ergeben, wenn er bis Klärung der streitigen Frage in einem Hauptsacheverfahrens an einer erneuten Einstellung des G.-Zitats in F.b. gehindert ist, nicht festzustellen. b) Der Verfügungsantrag ist auch deshalb unbegründet, weil dem Antragsteller die geltend gemachten Ansprüche auf Unterlassung der Einschränkung des Zugangs zu seinem Account (“read only“- Modus) oder Löschung seines Beitrags (G.-Zitat) auf F.b. nicht zustehen.
aa) Als Grundlage der vom Antragsteller geltend gemachten Ansprüche kommt das zwischen den Parteien eingegangene Vertragsverhältnis mit dem Inhalt der Nutzungsbedingungen der Antragsgegnerin (Anlage K1 sowie Anlage Ag1) in Betracht. Es handelt sich hierbei um einen Vertrag sui generis, in dem sich die Antragsgegnerin verpflichtet, dem Antragsteller die Nutzung der von ihr angebotenen „F.b.-Dienste“ zu ermöglichen, insbesondere innerhalb seines Profils Beiträge zu posten und Beiträge anderer Nutzer zu kommentieren, wahrend der Antragsteller der Antragsgegnerin das Recht einräumt, die von ihm eingestellten Daten in gewissem Umfang kostenlos zu nutzen (vgl. hierzu Oberlandesgericht München, Beschluss vom 17.09.2018 – 18 W 1383/18; Oberlandesgericht München, Beschluss vom 24.08.2018 – 18 W 1294/18; Oberlandesgericht Stuttgart, Beschluss vom 06.09.2018 – 4 W 63/18). Der Antragsgegner hat nach der getroffenen Vereinbarung allerdings keinen Anspruch darauf, jeden beliebigen Inhalt auf F.b. zu verbreiten. Vielmehr ist in den Nutzungsbedingungen, die die gegenseitigen Vertragspflichten regeln, vorgesehen, dass die Antragstellerin die eingestellten Beiträge auf „schädliches Verhalten“ überprüft und geeignete Maßnahmen hiergegen ergreift, indem sie derartige Inhalte entfernt, Zugriff auf bestimmte Features sperrt, ein Konto deaktiviert oder Kontakt mit Strafverfolgungsbehörden aufnimmt (vgl. Nr. 1 der Nutzungsbedingungen). Zu den Verpflichtungen der F.b.-Nutzer gegenüber der Antragstellerin ist in den Nutzungsbedingungen vorgesehen, dass Inhalte, die gegen die Nutzungsbedingungen, die Gemeinschaftsstandards und sonstige Bedingungen und Richtlinien verstoßen, nicht eingestellt werden dürfen (vgl. Nr. 3.2.1. der Nutzungsbedingungen).
Die Gemeinschaftsstandards der Antragsgegnerin (Anlage K3 und Anlage Ag3) enthalten die Regelung, dass sie Inhalte von der Kommunikationsplattform entfernt, die Gruppen, Anführer oder Personen unterstützen oder verherrlichen, welche an terroristischen Handlungen, organisiertem Hass, Massen- oder Serienmord, Menschenhandel, organisierter Gewalt oder kriminellen Handlungen beteiligt sind (vgl. Nr. 2 der Gemeinschaftsstandards). Bei den Gemeinschaftsstandards handelt es sich aus Sicht des Beschwerdegerichts um allgemeine Geschäftsbedingungen im Sinn des § 305 BGB, die wirksam in den zwischen dem Antragsteller und der Antragsgegnerin geschlossenen Vertrag einbezogen wurden. Dabei kann offen bleiben, ob auch nachträgliche Änderungen der Gemeinschaftsstandards Vertragsinhalt geworden sind, da die oben genannte Regelung betreffend die Unterstützung von terroristischen oder kriminellen Organisationen bereits in der ursprünglichen Fassung der Gemeinschaftsstandards enthalten war (vgl. Anlage K21). Die Gemeinschaftsstandards sind weder überraschend noch mehrdeutig im Sinn des § 305c BGB. Sie konkretisieren in zulässiger Weise, die bereits in den Nutzungsbedingungen enthaltene Verpflichtung des Antragstellers, keine gegen die Gemeinschaftsstandards verstoßende Inhalte in die Kommunikationsplattform einzustellen (vgl. Oberlandesgericht Dresden, Beschluss vom 08.08.2018 – 4 W 577/18). Die in den Gemeinschaftsstandards getroffenen Regelung, dass Beiträge, die terroristische oder kriminelle Organisationen unterstützen, von der Antragstellerin entfernt werden, hält auch einer inhaltlichen Überprüfung stand. Das Beschwerdegericht teilt insbesondere nicht die Auffassung, die Gemeinschaftsstandards müssten gewährleisten, dass Beiträge, die vom Grundrecht auf Meinungsfreiheit (Art. 5 Abs. 1 Satz 1 GG) gedeckt sind, nicht von der Kommunikationsplattform der Anstragsgegnerin entfernt werden (vgl. Oberlandesgericht München, Beschluss vom 24.08.2018 – 18 W 1294/18). Das Grundrecht auf Meinungsfreiheit gilt für die Rechtsbeziehungen Privater untereinander nicht unmittelbar. Vielmehr entfaltet sich der Rechtsgehalt der Grundrechte im Privatrecht mittelbar in der Weise, dass ihre verfassungsrechtlichen Wertentscheidungen über die Auslegung von Generalklauseln und sonstigen auslegungsbedürftigen Begriffen im Privatrecht zur Geltung zu bringen sind. Die mittelbare Drittwirkung von Grundrechten ist demnach auch bei der Frage zu berücksichtigen, ob Allgemeine Geschäftsbedingungen den Vertragspartner des Verwenders entgegen den Geboten von Treu und Glauben unangemessen benachteiligen (§ 307 Abs. 1 BGB). Die Regelung, dass die Antragsgegnerin Beiträge löscht, die terroristische oder kriminelle Organisationen unterstützen, stellt auch unter Berücksichtigung der verfassungsrechtlichen Wertentscheidung des Art. 5 Abs. 1 Satz 1 GG keine unangemessene Benachteiligung des Antragstellers im Sinn des § 307 BGB dar. Dabei ist zu sehen, dass Art. 5 Abs. 1 Satz 1 GG grundsätzlich keinen Anspruch darauf gibt, dass demjenigen, der eine Meinung kundtun will, Mittel zur Meinungskundgabe zur Verfügung gestellt werden. Art. 5 Abs. 1 Satz 1 GG gibt insbesondere keinen Anspruch auf Zugang zu bestimmten Medien (vgl. Jarass in Jarass/Pieroth, GG, 15 Aufl. 2015, Art. 5 Rdnr. 18 mit weiteren Nachweisen). Eben dies verlangt der Antragsteller jedoch, wenn er die Antragsgegnerin verpflichten will, seinen Beitrag mit den ihr zur Verfügung stehenden technischen Mitteln weiterhin auf ihrer Kommunikationsplattform zu verbreiten. Ein verfassungsrechtlicher Leistungsanspruch auf aktive Unterstützung bei der Meinungskundgabe besteht schon nicht gegenüber staatlichen Stellen und umso weniger gegenüber Privaten. Social Media Plattformen, wie die der Antragsgegnerin, sind auch nicht mit öffentlich zugänglichen Einrichtungen gleichzustellen, die als Forum öffentlicher Meinungsäußerung jedem zugänglich sein müssen. Vielmehr erfolgt eine zulässige Beschränkung der Nutzung von Social Media Plattformen bereits durch den in den Nutzungsbedingungen vorgegebenen Nutzungszweck. Dementsprechend ist die Antragsgegnerin im Rahmen der vertraglichen Zweckvereinbarung berechtigt, die Nutzung ihrer Plattform für die Verbreitung jeglicher Beiträge auszuschließen, die terroristische oder kriminelle Organisationen unterstützen, unabhängig davon, ob ein derartiger Beitrag im Einzelfall durch die Meinungsfreiheit gedeckt ist oder nicht. Der Antragsteller kann sich ferner nicht darauf berufen, die Antragsgegnerin nehme eine Monopolstellung als Medium zur Meinungsverbreitung ein. Dies ist – angesichts der Vielfalt der Möglichkeiten der Meinungsverbreitung innerhalb und außerhalb des Internets – offensichtlich nicht der Fall (vgl. hierzu Beurskens, „Hate-Speech“ zwischen Löschungsrecht und Veröffentlichungspflicht, in NJW 2018, 3418/3419).
Die Frage, ob und inwieweit die Antragsgegnerin unter Berücksichtigung der verfassungsrechtlichen Wertentscheidung des Art. 5 Abs. 1 Satz 1 GG verpflichtet ist, bei der Löschung von Beiträgen ein „Diskriminierungsverbot gegenüber bestimmten Meinungen“ (vgl. Jarass in Jarass/Pieroth, GG, 15 Aufl. 2015, Art. 5 Rdnr. 17 mit weiteren Nachweisen) einzuhalten, also meinungsbezogene Ungleichbehandlungen zu vermeiden, bedarf hier keiner Erörterung. Dass die Antragsgegnerin bei der Löschung von Beiträgen, die terroristische oder kriminelle Organisationen unterstützen, in gleichheitswidriger Weise vorgehen würde, ist weder vorgetragen noch sonst ersichtlich.
bb) Die Antragstellerin war und ist auf der Grundlage der getroffenen Regelung (Nr. 3.2.1. der Nutzungsbedingungen i.V.m. Nr. 2 der Gemeinschaftsstandards) berechtigt, den streitgegenständlichen Beitrag zu löschen und den Zugang des Antragstellers zu F.b. bei erneuter Einstellung in der vorgesehenen Weise zu sperren. Die NSDAP stellt eine terroristische und kriminelle Organisation im Sinn der Gemeinschaftsstandards dar. Die Einstellung des Beitrags des Antragsgegners (Anlage Ag5) ist von der Antragstellerin mit Blick auf Inhalt und Gestaltung (Kontrastierung eines G.-Bild mit einem „Linksfaschisten“-Logo) zu Recht als Unterstützung dieser Organisation gewertet worden. Der Antragsgegner kann sich insoweit nicht darauf berufen, er habe sich das G.-Zitat nicht zu eigen gemacht, sondern lediglich in neutraler Weise weitergegeben. Die Wiedergabe eines Zitats des Propagandaleiters der NSDAP ohne inhaltliche Auseinandersetzung, insbesondere ohne jede Distanzierung, erweckt beim Durchschnittsleser den Eindruck, es werde hiermit für nationalsozialistisches Gedankengut geworben. Dem kann die Antragsgegnerin auf der Grundlage der getroffenen Regelung entgegentreten.
3. Die Kostenentscheidung folgt aus § 97 Abs. 1 ZPO.
Die Streitwertfestsetzung folgt der Angabe des Antragstellers. Sie beruht auf § 63 Abs. 2 GKG, § 3 ZPO.
Das Rechtsmittel der Rechtsbeschwerde ist gegen diesen Beschluss nicht eröffnet (§ 574 Abs. 1 Satz 2, § 542 Abs. 2 Satz 1 ZPO).
1. Beschluss vom 30.11.2018 hinausgeben an: …
2. Schlussbehandlung
Augsburg, 30.11.2018


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