IT- und Medienrecht

Medienrechtliche Missbilligung wegen einer Überschreitung der zulässigen Werbehöchstzeit innerhalb einer Stunde

Aktenzeichen  7 B 17.2384

Datum:
6.6.2018
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
DÖV – 2019, 162
Gerichtsart:
VGH
Gerichtsort:
München
Rechtsweg:
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Normen:
RStV § 2 Abs. 2 Nr. 7, § 7 Abs. 9 S. 3, § 35 Abs. 1 S. 1, § 36 Abs. 1 S. 3 u. Abs. 2 S. 1 Nr. 7, § 38 Abs. 2, § 39 S. 1, § 45 Abs. 1 u. 2

 

Leitsatz

Bei einem Werbespot für die Deutsche Fernsehlotterie handelt es sich um Wirtschaftswerbung mit der Folge, dass dessen Ausstrahlung im Rahmen der innerhalb einer Stunde zur Verfügung stehenden Werbezeit zu berücksichtigen ist. (Rn. 22 ff.)

Verfahrensgang

M 17 K 15.3608 2016-10-27 Urt VGMUENCHEN VG München

Tenor

I. Die Berufung wird zurückgewiesen.
II. Die Klägerin trägt die Kosten des Berufungsverfahrens.
III. Die Kostenentscheidung ist vorläufig vollstreckbar. Die Klägerin kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung oder Hinterlegung in Höhe des zu vollstreckenden Betrages abwenden, wenn nicht der Beklagte vorher Sicherheit in gleicher Höhe leistet.
IV. Die Revision wird zugelassen.

Gründe

Die vom Verwaltungsgerichtshof wegen besonderer rechtlicher Schwierigkeiten (§ 124 Abs. 2 Nr. 2 VwGO) zugelassene Berufung bleibt in der Sache ohne Erfolg. Das Verwaltungsgericht hat die Klage zu Recht abgewiesen. Der angefochtene Bescheid der Beklagten vom 21. Juli 2015, der eine medienrechtliche Missbilligung wegen einer Überschreitung der zulässigen Werbehöchstzeit innerhalb einer Stunde ausspricht, ist rechtmäßig und verletzt die Klägerin nicht in ihren Rechten (§ 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO).
Rechtsgrundlage für die an die Klägerin gerichtete Beanstandungsverfügung sind § 38 Abs. 2, § 39 Satz 1 des Staatsvertrags für Rundfunk und Telemedien (Rundfunkstaatsvertrag – RStV) i.d.F.d. Bek. vom 27. Juli 2001 (GVBl S. 502), für die hier maßgebliche Zeit zuletzt geändert durch den Fünfzehnten Rundfunkänderungsstaatsvertrag vom 7. Juni 2011 (GVBl S. 258). Danach trifft bei einem – hier vorliegenden – bundesweiten Angebot die zuständige Landesmedienanstalt die erforderlichen Maßnahmen, wenn sie feststellt, dass ein Anbieter gegen die Bestimmungen des Rundfunkstaatsvertrags verstoßen hat. Die mildeste der in Betracht kommenden Maßnahmen ist die von der Beklagten ausgesprochene Beanstandung (§ 38 Abs. 2 Satz 2 RStV), die in einer Feststellung des Rechtsverstoßes und seiner Missbilligung besteht.
1. In formeller Hinsicht war die Beklagte, die der Klägerin die Zulassung als Veranstalterin des bundesweit verbreiteten Fernsehprogramms „kabel eins“ erteilt hat, die für den Erlass der Beanstandungsverfügung nach § 35 Abs. 1 Satz 1, § 36 Abs. 1 Satz 3 RStV zuständige Landesmedienanstalt. Den hierfür erforderlichen Beschluss hatte die nach § 36 Abs. 2 Satz 1 Nr. 7 RStV zuständige Kommission für Zulassung und Aufsicht (ZAK) am 23. Juni 2015 gefasst.
2. Die im Bescheid der Beklagten ausgesprochene Beanstandung ist auch materiell rechtmäßig, weil die Klägerin durch die streitgegenständliche Ausstrahlung des Werbespots für die Deutsche Fernsehlotterie die höchstzulässige Werbezeit von 12 Minuten überschritten hat und damit ein Verstoß gegen § 45 Abs. 1 RStV vorliegt. Bei dem Werbespot für die Deutsche Fernsehlotterie handelt es sich um (Wirtschafts-) Werbung mit der Folge, dass seine Ausstrahlung im Rahmen der innerhalb einer Stunde zur Verfügung stehenden Werbezeit zu berücksichtigen ist.
a) Nach der Legaldefinition des § 2 Abs. 2 Nr. 7 RStV ist Werbung jede Äußerung bei der Ausübung eines Handels, Gewerbes, Handwerks oder freien Berufs, die im Rundfunk von einem öffentlich-rechtlichen oder einem privaten Veranstalter oder einer natürlichen Person entweder gegen Entgelt oder eine ähnliche Gegenleistung oder als Eigenwerbung gesendet wird mit dem Ziel, den Absatz von Waren oder die Erbringung von Dienstleistungen, einschließlich unbeweglicher Sachen, Rechte und Verpflichtungen gegen Entgelt zu fördern. Damit ist jeder verbreitete Inhalt als Werbung zu qualifizieren, wenn er zumindest überwiegend der Absatzförderung des Anbieters der beworbenen Leistung dient und dafür eine Gegenleistung gewährt wird.
Gemessen hieran handelt es sich bei dem von der Klägerin ausgestrahlten Fernsehspot um Werbung i.S.d. § 2 Abs. 2 Nr. 7 RStV. Die D1. F. GmbH ist Unternehmerin, sie veranstaltet Lotterien und preist den Verkauf von Losen an, die die Beteiligung an dieser ermöglichen. Die Klägerin sendet diese unternehmensbezogene Äußerung in der Absicht, den Absatz dieser Lose zu fördern.
b) Der Fernsehspot ist nicht etwa schon deshalb nicht als Werbung i.S.v. § 2 Abs. 2 Nr. 7 RStV zu qualifizieren, weil die satzungsmäßig vorgesehene Gewinnverwendung für soziale Zwecke die für ein Gewerbe erforderliche Gewinnerzielungsabsicht ausschließt und die D1. F. GmbH deshalb kein Gewerbe im Sinne von § 1 der Gewerbeordnung ausübt. Die in § 2 Abs. 2 Nr. 7 RStV enthaltene Definition des Werbungsbegriffs wurde im hier interessierenden Teil im 4. Staatsvertrag zur Änderung rundfunkrechtlicher Vorschriften (4. Rundfunkänderungsstaatsvertrag) i.d.F. d. Bek. vom 22. März 2000 – GVBl S. 116) aus Art. 1 Buchst. b der Richtlinie 97/36/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 30. Juni 1997 zur Änderung der Richtlinie 89/552/EWG des Rates zur Koordinierung bestimmter Rechts- und Verwaltungsvorschriften der Mitgliedstaaten über die Ausübung der Fernsehtätigkeit (ABl EG Nr. L 202 S. 60-70) übernommen (vgl. LT-Drs. 14/1832 S. 20). Hinsichtlich der einzelnen Begriffsmerkmale des § 2 Abs. 2 Nr. 7 RStV ist infolgedessen auf die europäischen Definitionen und ihre Auslegung zurückzugreifen. Ziel der in der Richtlinie 97/36/EG enthaltenen Regelungen ist die Gewährleistung eines freien und unverzerrten Wettbewerbs zwischen den Unternehmen (vgl. Erwägungsgrund Nr. 16 der Richtlinie 97/36/EG). Nach Wortlaut sowie Sinn und Zweck der Vorschrift ist § 2 Abs. 2 Nr. 7 RStV dahingehend auszulegen, dass Werbung jede Äußerung eines Unternehmens ist, die dessen Absatzförderung bezweckt. Die Norm beinhaltet eine Aufzählung unternehmerischer Erscheinungsformen, die der Gewinnerzielung dienen und im Einzelnen nicht an deutschen Rechtsnormen, wie z.B. § 1 der Gewerbeordnung, zu messen sind. In diesem Sinn ist die Frage, ob die Gewinnverwendung für soziale Zwecke die Gewinnerzielungsabsicht ausschließt, nicht maßgeblich für die Einordnung der D2. F. als Unternehmen, das Werbung betreibt.
c) Die Ausstrahlung des Werbespots erfolgte entgeltlich. Nach dem Wortlaut der Norm ist unmaßgeblich, ob dieses Entgelt das für eine Werbesendung übliche Entgelt darstellt oder lediglich – wie hier – ein Entgelt in Höhe der Selbstkosten vereinbart worden ist. In jedem Fall handelt es sich um eine finanzielle Gegenleistung. Nicht gefolgt werden kann der Klägerin dahingehend, dass als finanzielle Gegenleistung nur Leistungen angesehen werden können, die dem ausstrahlenden Sender einen finanziellen Anreiz zur Ausstrahlung des betreffenden Spots bieten. Für eine Auslegung des Entgeltbegriffs im Sinne eines zumindest annähernd marktüblichen Entgelts geben weder der Wortlaut noch Sinn und Zweck des Gesetzes einen Anhaltspunkt.
d) Bei dem Werbespot für die Deutsche Fernsehlotterie handelt es sich weder um einen unentgeltlichen Beitrag im Dienst der Öffentlichkeit noch um einen Spendenaufruf zu Wohlfahrtszwecken. Die in § 45 Abs. 2 RStV vorgesehene Privilegierung, wonach sog. Social Advertising nicht als Werbung gilt mit der Folge, dass derartige Beiträge nicht der Beschränkung der Werbezeit nach § 45 Abs. 1 RStV unterliegen, ist hier nicht einschlägig.
Soziale Appelle sind als „Beiträge im Dienst der Öffentlichkeit“ dem allgemeinen Wohl verpflichtet. Sie können über die Folgen sozialschädlichen Verhaltens aufklären und rufen zu sozial erwünschtem Verhalten im allgemeinen Interesse auf (Bornemann in BeckOK, Informations- und Medienrecht, 20. Aufl. 2018, § 7 RStV Rn. 38). Entsprechend definiert Ziffer 5 der Gemeinsamen Richtlinie der Landesmedienanstalten für die Werbung, die Produktplatzierung, das Sponsoring und das Teleshopping im Fernsehen (WerbeRL/FERNSEHEN) i.d.F. vom 18. September 2012 den Begriff eines Sozialen Appells wie folgt: „Bei Sozialen Appellen (Social Advertising) im Sinne von § 7 Abs. 9 Satz 3 RStV handelt es sich um vom Veranstalter unentgeltlich ausgestrahlte Beiträge, die einen direkten oder indirekten Aufruf zu verantwortlichem, sozial erwünschtem Verhalten enthalten oder über die Folgen individuellen Verhaltens aufklären (z.B. Aufrufe, die die Gesundheit, die Sicherheit der Verbraucher oder den Schutz der Umwelt fördern sowie Aufrufe für wohltätige Zwecke).“
Dies zugrunde gelegt, ist der von der Klägerin ausgestrahlte Fernsehwerbespot für die Deutsche Fernsehlotterie nicht als Beitrag im Dienst der Öffentlichkeit anzusehen. Zweck des Fernsehwerbespots ist es, die Zuschauer zum Kauf von Losen für die Teilnahme an einer Fernsehlotterie zu animieren. Ein Aufruf zu sozial erwünschtem Verhalten oder zu wohltätigen Zwecken ist dem nicht zu entnehmen, vielmehr handelt es sich bei der Ausstrahlung des Werbespots um Wirtschaftswerbung, die den Absatz von Lotterielosen fördern soll. Auf den Beschluss der ZAK vom 18. November 2014, wonach unentgeltliche und gegen Selbstkostenerstattung ausgestrahlte Beiträge gleichgestellt werden und nicht als Wirtschaftswerbung zu behandeln sind, kann sich die Klägerin schon deshalb nicht berufen.
Nicht durchdringen kann die Klägerin mit dem Argument, dass nicht nur direkte, sondern auch indirekte Aufrufe für wohltätige Zwecke dem „Social Advertising“ zuzurechnen seien, weil viele Gemeinwohlzwecke allein durch Appelle an das altruistische Anstandsgefühl der Menschen nicht hinreichend gefördert werden könnten und es deshalb eigennützig motivierter Anreize bedürfe, um diese Gemeinwohlziele zu verwirklichen. Bei dem Werbespot handelt es sich weder um einen Appell noch um einen direkten oder indirekten Aufruf, wohltätige Zwecke zu fördern. Dies würde voraussetzen, dass das soziale Gewissen der Fernsehzuschauer angesprochen wird und diese bewogen würden, uneigennützig wohltätig zu handeln. Im Mittelpunkt steht jedoch hier der Aufruf zu eigennützigem Handeln des Rezipienten, der zum Kauf eines Loses als Chance für einen Gewinn im Rahmen der Lotterie aufgerufen wird. Maßgeblich für einen direkten oder indirekten Aufruf zu wohltätigen Zwecken ist, dass der Fernsehzuschauer als Adressat des Werbespots die wohltätigen Zwecke durch Spenden oder andere Handlungen unterstützt, ohne hierfür eine (geldwerte) Gegenleistung zu erhalten. Nicht ausreichend ist, dass der Reinertrag der D2. F. GmbH – gleichsam im Sinne einer Fernwirkung – sozialen Zwecken zugutekommt, zumal nicht unerhebliche Teile der Einnahmen für nicht wohltätige Zwecke, wie die Beschaffung der Lotteriegewinne, Werbung und Verwaltung verwendet werden. Liegt – wie hier – ein Fernsehspot für Wirtschaftswerbung vor, macht die Verwendung des aus einem Geschäftsbetrieb verbleibenden Gewinns für wohltätige Zwecke diesen nicht zum Beitrag im Dienst der Öffentlichkeit. Unzweifelhaft stellt der Fernsehspot auch keinen Spendenaufruf dar, sondern einen Aufruf, Lose zu kaufen. Bei einer Spende handelt es sich jedoch um die Hingabe von Geld oder Gegenständen ohne den Erhalt einer Gegenleistung.
e) Da der Werbespot schon aus den oben genannten Gründen keinen unentgeltlichen Beitrag im Dienst der Allgemeinheit darstellt, bedarf es keiner Erörterung mehr, welche Folgerungen aus der nach dem Glücksspielstaatsvertrag erteilten Werbeerlaubnis für die D1. F. GmbH zu ziehen sind.
3. Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 2 VwGO, die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit auf § 167 VwGO, §§ 708 ff. ZPO.
4. Die Revision ist zuzulassen, weil der Rechtssache grundsätzliche Bedeutung zukommt (§ 132 Abs. 2 Nr. 1 VwGO) im Hinblick auf die Frage, ob der Verwendung des Gewinns eines Unternehmens für soziale Zwecke Bedeutung für die Einordnung eines Werbespots als Wirtschaftswerbung i.S.v. § 2 Abs. 2 Nr. 7 RStV oder als Beitrag im Dienst der Öffentlichkeit (vgl. § 45 Abs. 2 RStV) zukommt.


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