IT- und Medienrecht

Netzwerkdurchsetzungsgesetz, Nacktaufnahmen, Antragstellers, Amtsermittlungsgrundsatz, Gegenstandswert, Minderjährige Antragsteller, Ermittlungsakte, Zivilrechtlicher Anspruch, Beschuldigtenvernehmung, Staatsanwaltschaft, Übersendung, Gestattungsverfahren, Personenbezogene Daten, Vertragsverhältnisse, Beteiligte, Bestandsdaten, Beschuldigter, Vernehmung der Beschuldigten, Antragsverfahren, Anwaltsvertreter

Aktenzeichen  14 O 782/20

Datum:
29.6.2021
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
AfP – 2021, 461
Gerichtsart:
LG
Gerichtsort:
Schweinfurt
Rechtsweg:
Ordentliche Gerichtsbarkeit
Normen:

 

Leitsatz

Tenor

1. Auf Antrag der Antragstellerinnen wird angeordnet, dass die Beteiligte Auskunft über Bestandsdaten in Form des Namens und der E-Mail-Adresse der auf der Plattform www.instagram.com unter dem Benutzernamen registrierten Nutzer erteilen kann.
Im Übrigen wird der Antrag zurückgewiesen.
2. Die Antragstellerinnen haben die Kosten des Antragsverfahrens zu tragen.
3. Der Gegenstandswert wird auf 5.000 € festgesetzt.

Gründe

I.
Die Antragstellerinnen beantragen, der Beteiligten zu gestatten, den Antragstellerinnen Auskunft zu erteilen über die Bestandsdaten des/der auf der Plattform www…com registrierten Nutzer unter dem Benutzernamen sowie durch Angabe der folgen den, bei der Beteiligten gespeicherten Daten: IP-Adressen, die von den Nutzern für das Versenden der Nachrichten verwendet wurden, Namen der Nutzer, E-Mail-Adresse der Nutzer, IP-Adressen, die von den Nutzern zuletzt für einen Zugriff auf die Nutzerkonten unter den Nutzernamen sowie sowie verwendet wurden, nebst genauen Zeitpunkt des Zu griffs unter Angabe des Datums und der Uhrzeit inklusive Minuten, Sekunden und Zeitzone (Zugriffszeitpunkt).
Die Antragstellerinnen tragen zur Begründung des Antrags vor, vor dem 20.09.2020 habe die 12-jährige Antragstellerin zu 1 Nacktaufnahmen von sich an den Nutzer des Accounts „D^^|“ geschickt. Daraufhin habe der Nutzer des Accounts gedroht, er werde das Bild veröffentlichen, wenn sie keine weiteren Nacktaufnahmen schicken würde. Deshalb habe sie weitere Nacktaufnahmen versandt. Am 20.09.2020 habe der Nutzer des Accounts versucht,
die Antragstellerin zu 2 zur Übersendung von Nacktaufnahmen zu erpressen.
Die Beteiligte hat vorgebracht, die von den Antragstellerinnen vorgelegten Informationen und Nachweise seien nicht ausreichend, um die Vorwürfe zu untermauern. Zudem würden die Antragstellerinnen Daten begehren, über welche die Beteiligte nicht verfüge, der Antrag sei auch zu breit gefasst.
II.
Auf Antrag der Antragstellerinnen ist gemäß § 14 Abs. 4 S. 1 TMG anzuordnen, dass die Beteiligte gemäß § 14 Abs. 3 TMG Auskunft über Bestandsdaten in Form des Namens und der E-Mail-Adresse der auf der Plattform www…com unter dem Benutzernamen „t^^| registrierten Nutzer erteilen kann.
Für die Accounts „D^|“ und „H^|“ war diese Anordnung hingegen nicht zu treffen, ebenso wenig für die begehrten Auskünfte über gespeicherte IP-Adressen.
1. Nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs (BGH, Beschluss vom 24.09.2019 – VI ZB 39/18) reicht für den Erlass einer gerichtlichen Anordnung gemäß § 14 Abs. 4 TMG die bloße Behauptung des Antragstellers, ein Nutzer habe eine Nachricht verschickt, nicht aus. Der Gesetzgeber hat zum Schutz der Rechte der betroffenen Nutzer, die sich an dem Gestattungsverfahren nicht beteiligen können, für das Verfahren die Anwendbarkeit des FamFG vorgesehen. Der in diesem Verfahren geltende Amtsermittlungsgrundsatz sichert das Interesse der Nutzerverfahrensrechtlich ab, sodass es nicht vorschnell zur Herausgabe von Daten kommt.
Die Kammer hat in Umsetzung dieses Amtsermittlungsgrundsatzes die Ermittlungsakte 100 Js 1779/20 der StA Hagen beigezogen. Andere Ansätze für die gebotene Amtsermittlung waren nicht ersichtlich bzw. nicht verhältnismäßig. Dokumentierte Chat-Verläufe o.ä. wurden nicht vorgelegt. Eine Anhörung der Antragstellerinnen wäre unverhältnismäßig gewesen, da eine solche Anhörung eine große Belastung für die minderjährigen Antragstellerinnen dargestellt hätte und die Identifizierung der wohl verantwortlichen Person ohnehin zeitnah durch die Strafverfolgungsbehörden erfolgte.
Die aus der o.g. Ermittlungsakte gewonnenen Erkenntnisse können wie folgt zusammengefasst werden: Nach Anzeigeerstattung durch den anwaltlichen Vertreter der Antragstellerin, bei der Staatsanwaltschaft Schweinfurt eingegangen am 29.09.2020, hat die KPl Schweinfurt am 02.10.2020 eine Anfrage an die Beteiligte hinsichtlich der Nutzernamen d^^|, H^l und gerichtet. Für den Account erteilte die Beteiligte ei ne Auskunft, die unter anderem eine zur Verifizierung hinterlegte Mobiltelefonnummer umfasste. Am 12.10.2020 wurde vom Provider der Inhaber dieser Mobiltelefonnummer an die KPl Schweinfurt mitgeteilt. Eine Auswertung von Mobilfunkgeräten, die von Antragstellerseite der KPl Schweinfurt überlassen wurden, kam zu dem Ergebnis, dass hierauf keine Chat-Inhalte mehr gespeichert sind, die im Zusammenhang mit den geschilderten Vorgängen stehen. Im Zwischenbericht vom 13.10.2020 äußerte die KPl Schweinfurt die Vermutung, dass eine Person aus der Familie des Inhabers der Mobilfunknummer für die Tatbegehung infrage kommen könne, sowie dass möglicherweise bezüglich der Accounts DarkeY und Hanzi durchaus Ablesefehler vorliegen könnten, da keine entsprechenden Bilder/Screenshots o.ä. dokumentiert worden seien. Die Antragstellerinnen wurden weiterhin von der KPl Schweinfurt als Zeuginnen vernommen und haben im wesentlichen den Sachverhalt, wie in der Antragsschrift wiedergegeben, bestätigt, insbesondere bezüglich des Chats mit dem Account in dem die Antragstellerin zu 2 aufgefordert wor den sei, Nacktbilder zu übermitteln, da ansonsten zuvor über einen anderen Account erlangte Nacktaufnahmen der Antragstellerin zu 1 an Dritte versandt werden würden. Die Staatsanwaltschaft Schweinfurt hat das Verfahren an die für den Wohnort der beschuldigten Person zuständige Staatsanwaltschaft Hagen abgegeben. Die beschuldigte Person hat im Rahmen einer Beschuldigtenvernehmung erklärt, es stimme, dass man am 20.09.2020 eine 12-jährige zur Übersendung von insgesamt 15 Nacktbildern erpresst habe. Die beschuldigte Person hat auch Angaben zu weiteren Accountnamen gemacht, die gewisse Ähnlichkeiten mit den Accountnamen d^^| und aufweisen.
2. Auf Grundlage dieser im Rahmen der gebotenen Amtsermittlung getroffenen Feststellungen ist dem Grunde nach eine Verpflichtung der Beteiligten zur Auskunft über Bestandsdaten hinsichtlich des Accounts gegeben, aber nicht bezüglich der Accounts D| und
a) Wie bereits dargestellt ist auf Grundlage der getroffenen Feststellungen davon auszugehen, dass die mittlerweile ermittelte beschuldigte Person über den Account versucht hat, mit der Drohung der Weiterleitung von Nacktaufnahmen der Antragstellerin zu 1 die Antragstellerin zu 2 zur Übersendung von weiteren Nacktaufnahmen zu erpressen. Die Auskunft über die Bestandsdaten ist damit zur Durchsetzung zivilrechtlicher Ansprüche wegen der Verletzung absolut geschützter Rechte aufgrund rechtswidriger Inhalte, die von § 1 Abs. 3 des Netzwerkdurchsetzungsgesetzes erfasst werden, erforderlich, § 14 Abs. 3 TMG, da jedenfalls § 241 Abs. 1, 184b StGB als Katalogtat des § 1 Abs. 3 Netzwerkdurchsetzungsgesetzes erfüllt sind. Die Beschreibung der Nacktaufnahmen der 12-jährigen Geschädigten (Aufnahmen des Intimbereichs ohne Bekleidung) in der Ermittlungsakte genügen für dieses Verfahren für die Qualifikation nach § 184b StGB.
b) Eine Verpflichtung der Beteiligten zur Auskunft über Bestandsdaten besteht hingegen nicht bezüglich der Accounts und Bei derartigen Accounts ist die exakte, buchstabengetreue Schreibweise von zentraler Bedeutung, um Verwechslungen mit anderen Accounts zu vermeiden. Durch die getroffenen Feststellungen konnte kein Anhaltspunkt dafür festgestellt werden, dass unter genau dieser buchstabengetreuen Schreibweise der Accounts auf die Antragstellerinnen in der beschriebenen Form eingewirkt wurde. Vielmehr spricht zum Beispiel die Vernehmung der beschuldigten Person dafür, dass zwar zwei weitere Accounts wie von den Antragstellerinnen beschrieben eingesetzt wurden, hierfür aber von der Schreibweise her leicht abweichende Accountnamen verwendet wurden, deren Ge nese und Schreibweise die beschuldigte Person plausibel geschildert hat.
3. Inhaltlich ist nur Auskunft zu erteilen über den Namen sowie die E-Mail-Adresse der Nutzer des Accounts als Bestandsdaten gemäß § 14 Abs. 1 TMG.
Eine Verpflichtung zur Auskunft über IP-Adressen besteht hingegen nicht, da diese hier nicht ausnahmsweise als Bestandsdaten gemäß § 14 Abs. 1 TMG, d.h. als personenbezogene Daten, soweit sie für die Begründung, inhaltliche Ausgestaltung oder Änderung eines Vertragsverhältnisses zwischen dem Dienstanbieter und dem Nutzer über die Nutzung der von Telemedien erforderlich sind, einzuordnen sind; ein Ausnahmefall, bei dem z.B. die Nutzung des Dienstes der Beteiligten vertraglich an eine bestimmte (statische) IP-Adresse gekoppelt wird, besteht hier nicht (Plath – Hullen/Roggenkamp, DSGVO/BDSG, 3. Aufl. 2018, § 14 TMG Rn. 11).


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