IT- und Medienrecht

Preisklausel für Geldabhebungen mit der Kreditkarte nicht kontrollfähig

Aktenzeichen  3 U 37/18

Datum:
23.1.2019
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
ZBB – 2019, 412
Gerichtsart:
OLG
Gerichtsort:
Bamberg
Rechtsweg:
Ordentliche Gerichtsbarkeit
Normen:
UKlaG § 4
BGB § 307 Abs. 3, § 675f Abs. 1, Abs. 4 S. 1

 

Leitsatz

1 Die Barauszahlung an einem Bankautomaten über die Kreditkarte eines anderen Unternehmens ist eine Zahlungsdienstleistung nach § 675f Abs. 1, Abs. 4 S. 1 BGB. Das Entgelt hierfür stellt die Gegenleistung für eine Hauptleistungspflicht dar, sodass eine AGB-Kontrolle nicht stattfindet. (Rn. 8) (redaktioneller Leitsatz)
2 Zur Frage, ob im Wege der Verbandsklage wegen der Kontrollschranke des § 307 Abs. 3 BGB die Prüfung der Unwirksamkeit einer Klausel am Maßstab der Vorschrift des § 138 BGB ausgeschlossen ist. (Rn. 10) (redaktioneller Leitsatz)

Verfahrensgang

2 O 369/17 2018-02-28 Endurteil LGBAMBERG LG Bamberg

Tenor

1. Die Berufung des Klägers gegen das Endurteil des Landgerichts Bamberg vom 28.02.2018, Az. 2 O 369/17, wird zurückgewiesen.
2. Der Kläger hat die Kosten des Berufungsverfahrens zu tragen.
3. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Das in Ziffer 1 genannte Urteil des Landgerichts Bamberg ist ohne Sicherheitsleistung vorläufig vollstreckbar.

Gründe

I.
Wegen des Sach- und Streitstands wird gemäß § 540 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 ZPO auf den Tatbestand des angefochtenen Urteils Bezug genommen. Erläuternd bzw. ergänzend ist festzustellen:
Der Kläger ist ein Verbraucherschutzverband, der in die Liste der qualifizierten Einrichtung mit Wirkung seit 2004 gemäß § 4 UKlaG eingetragen ist.
Nach der Teilrücknahme der Klage im Senatstermin vom 12.12.2018 streiten die Parteien allein noch um die Verwendung der folgenden Preisklausel durch die Beklagte:
„X-BankCard mit Maestro
„Barauszahlung an eigene Kunden am Geldautomaten
mit unserer MasterCard/VISA Card 3,00% vom Umsatz, mind. 6,00 EUR“.
Wie die informatorische Anhörung ihres Justiziars im Senatstermin bestätigt hat, gibt die Beklagte eine MasterCard/Visa Card nur an Kunden aus, die bei ihr gleichzeitig ein Girokonto eröffnen oder für die sie bereits ein Girokonto führt. Kündigt die Beklagte das Giroverhältnis, ist auch eine weitere Nutzung der Kreditkarte nicht mehr möglich, weil die mit der Überlassung der Kreditkarte verbundene Garantiezusage an das Vorhandensein eines Girokontos geknüpft ist (vgl. S. 3, 4 der Senatsniederschrift vom 12.12.2018 = Bl. 196f.)
Jeder Kunde der Beklagten, der bei ihr ein Girokonto führt, erhält eine von der Beklagten ausgegebene Bankkarte (X.-Card). Die Barauszahlung mittels dieser Bankkarte ist an den Geldautomaten der Beklagten gebührenfrei.
II.
Die zulässige Berufung des Klägers bleibt auch in Bezug auf die Preisklausel für Abhebungen mit der Kreditkarte – im Ergebnis – ohne Erfolg.
1. Die beanstandete Klausel unterliegt nicht der Inhaltskontrolle nach § 307 Abs. 3 BGB. Dies hat das Landgericht zutreffend erkannt. Hierzu ist lediglich ergänzend auszuführen:
Die Barauszahlung an einem Bankautomaten der Beklagten über die Kreditkarte eines anderen Unternehmens ist eine Zahlungsdienstleistung nach § 675f Abs. 1, Abs. 4 S. 1 BGB. Das Entgelt hierfür stellt die Gegenleistung für eine Hauptleistungspflicht dar (s. dazu MüKoBGB/Casper, 7. Aufl. 2017, BGB § 675f Rn. 49, 63). Hierfür regelt die Vorschrift des § 675f Abs. 4 S. 1 BGB nur, dass der „Zahlungsdienstnutzer das vereinbarte Entgelt zu zahlen“ habe. Nur für die Erfüllung von Nebenpflichten trifft § 675f Abs. 4 S. 2 BGB die Regelung, dass das Entgelt „angemessen und an den tatsächlichen Kosten des Zahlungsdienstleisters ausgerichtet sein“ müsse. Damit fehlt es an einer Rechtsvorschrift, die das Entgelt für die Nutzung des Geldautomaten regelt, weshalb die Preisklausel der Inhaltskontrolle nach § 307 Abs. 3 S. 1 BGB entzogen ist.
2. Der Kläger ist der Meinung, dass die beanstandete Klausel auch über die Vorschrift des § 138 BGB der Wirksamkeitskontrolle unterliegt.
Das Landgericht vertritt allerdings die Auffassung, dass im Wege der Verbandsklage wegen der Kontrollschranke des § 307 Abs. 3 BGB die Prüfung der Unwirksamkeit einer Klausel am Maßstab der Vorschrift des § 138 BGB ausgeschlossen ist. Diese Meinung erscheint dem Senat zumindest erörterungsbedürftig.
Sinn und Zweck der Vorschrift des § 1 UKlaG ist es, dass der Verwender unzulässiger Geschäftsbedingungen daran gehindert wird, seinem Vertragpartner die unwirksame Klausel vorzuhalten (BGH, Urteil vom 26.01.1983, Az.: VIII ZR 342/81 zu § 13 AGBG). Im Vordringen begriffen ist deshalb die Meinung, dass Prüfungsmaßstab im Rahmen des § 1 UKlaG nicht nur die Vorschriften der §§ 307 bis 309 BGB, sondern auch andere Vorschriften sind, wenn sie die gleiche Schutzrichtung wie die §§ 307ff. BGB aufweisen (Köhler/Bornkamm/Feddersen/Köhler, 36. Aufl. 2018, UKlaG § 1 Rn. 2; Palandt/Grüneberg, BGB, 78. Aufl., § 1 UKlaG Rn.4; Zeven, NZI 2010, S. 1). Jedoch muss hierbei (und nicht nur im Rahmen einer systematischen Auslegung) auch eine dogmatisch überzeugende Lösung für das Konkurrenzverhältnis beider Vorschriften gefunden werden (Palandt/Ellenberger a.a.O. § 138 Rn. 16ff.).
3. Der Senat muss diese Frage nicht abschließend entscheiden, weil vorliegend die materiellrechtlichen Voraussetzungen der Vorschrift des § 138 BGB nicht gegeben sind.
a) Zu den Voraussetzungen Wuchertatbestandes im Sinne des § 138 Abs. 2 BGB fehlt es an jeglichem Sachvortrag.
b) Für ein nach einhelliger Meinung im Sinne von § 138 Abs. 1 BGB sittenwidriges wucherähnliches Geschäftes wird eine Sittenwidrigkeit nach Abs. 1 dann bejaht, wenn Leistung und Gegenleistung in einem auffälligen Missverhältnis zueinander stehen und weitere Umstände wie beispielsweise eine verwerfliche Gesinnung des durch den Vertrag Begünstigten hinzutreten (HK-BGB/Heinrich Dörner, 9. Aufl. 2016, BGB § 138 Rn. 14; Jauernig/Mansel, 17. Aufl. 2018, BGB § 138 Rn. 16; BeckOK BGB/Wendtland, 46. Ed. 1.5.2018, BGB § 138 Rn. 61.1).
aa) Soweit sich die Beklagte für die Beurteilung des angesprochenen „auffälligen Missverhältnisses“ darauf beruft, dass für die Bewertung ihrer Leistung die marktüblichen Preise heranzuziehen sind, wird wohl verkannt, dass der Marktvergleich nur ein geeignetes Mittel für die Bestimmung des objektiven Wertes sein kann, entscheidend aber immer der objektive Wert selbst bleibt (BGH NJW 2003, S. 1596). Vielmehr hat es darauf anzukommen, ob der von der Beklagten eingepreiste Aufwand bei einer Barabhebung am Geldautomaten durch eine MasterCard/Visa Card (inklusive des gegebenenfalls bei jeder Abhebung anfallenden Nutzungsentgelts gegenüber der Kreditkartenunternehmen) und die dafür von ihr verlangte Gegenleistung (drei Prozent des Abhebungsbetrages, mindestens aber 6,00 EUR) in einem auffälligen Missverhältnis stehen.
bb) Die Frage, ob zwischen der Leistung der Beklagten und der von ihr verlangten Gegenleistung ein auffälliges Missverhältnis besteht, braucht der Senat nicht abschließend zu beantworten. Selbst wenn ein solches Missverhältnis bestehen sollte, liegen jedenfalls keine weiteren sittenwidrige Umstände wie etwa eine verwerfliche Gesinnung der Beklagten (s. hierzu BGH NJW 1999, S. 3187 m.w. Nachw.) und auch keine Schutzbedürftigkeit des abhebenden Kunden vor.
(1) Eine verwerfliche Gesinnung der Beklagten wäre dann zu bejahen, wenn sie als der wirtschaftlich Überlegene die schwächere Lage der Kundenseite bewusst zu ihrem Vorteil ausnutzt. Sie wäre auch anzunehmen, wenn sich die Beklagte als Begünstigte leichtfertig der Erkenntnis verschlossen hätte, dass ihr Vertragspartner sich nur wegen seiner schwächeren Lage auf den ungünstigen Vertrag eingelassen hat (BGH, NJW 1980, S. 2076).
(2) Jeder Kunde, der bei der Beklagten ein Girokonto führt, erhält von ihr eine Bankkarte (X.-Bankkarte). Diese ermöglicht es den Kunden, Geldabhebungen an Automaten der Beklagten kostenfrei vorzunehmen. Die MasterCard/Visa Card gibt die Beklagte nur an Kunden aus, für die sie ein Girokonto führt und denen sie die angesprochene X.-Bankkarte zur Verfügung gestellt hat. Diese Kunden verfügen also über zwei Karten, mit denen sie an den Automaten der Beklagten Geldabhebungen vornehmen können.
Es ist ihnen also von der Beklagten die Wahlmöglichkeit eingeräumt, ob sie für eine Geldabhebung kostenfrei die Bankkarte oder gebührenbelastet die Kreditkarte verwenden. Damit liegt es einzig in der Entscheidung bzw. der Sphäre des einzelnen Kunden, ob er sich über die Abhebung mit der Kreditkarte dem Gebührenanspruch der Beklagten aussetzt.
(3) Der Senat hat nicht feststellen können, dass die Beklagte dem Kunden diese Wahlmöglichkeit einseitig nehmen darf. Insbesondere darf die Beklagte den Kunden durch die isolierte Kündigung des Girokontos nicht in die Lage bringen, Abhebungen an ihren Automaten nur noch mit der Kreditkarte und damit gebührenbelastet vorzunehmen. Denn die Überlassung einer Kreditkarte durch die Beklagte ist an das Vorhandensein eines bei ihr geführten Girokontos geknüpft. Kündigt die Beklagte das Girokonto, muss der Kunde auch die Kreditkarte zurückgeben. Zwangsläufig ist er dann auch keinem Gebührenanspruch der Beklagten mehr ausgesetzt.
Infolgedessen sind keine Anhaltspunkte dafür erkennbar, dass die beanstandete Preisgestaltung auf eine – zumindest leichtfertige – Ausnutzung einer schwächeren Lage des Kunden angelegt ist oder sein kann (vgl. Palandt-Ellenberger a.a.O., Rn. 30 zu § 138 BGB).
Nach alledem ist weder von der Ausnutzung einer wirtschaftlichen Überlegenheit durch die Beklagte noch von einer Schutzbedürftigkeit des Kunden auszugehen. Die Voraussetzungen eines wucherähnlichen Geschäfts im Sinne der Vorschrift des § 138 Abs. 1 BGB sind damit nicht gegeben. Die Berufung des Klägers muss daher ohne Erfolg bleiben.
III.
1. Die Kostenentscheidung folgt aus den §§ 97 Abs. 1; 269 Abs. 3 ZPO.
2. Der Ausspruch über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf § 708 Nr. 10, 711, 713 ZPO.
3. Die Voraussetzungen für eine Zulassung der Revision (§ 543 Abs. 2 S. 1 Nr. 1 ZPO) liegen nicht vor. Der Senat weicht von der Rechtsprechung des BGH oder anderer Obergerichte nicht ab. Es liegt weder ein Fall von grundsätzlicher Bedeutung vor noch erfordert die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Revisionsgerichts.


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