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Aktenzeichen  24 O 71/15 LG

Datum:
28.1.2016
Rechtsgebiet:
Gerichtsart:
LG
Gerichtsort:
Amberg
Rechtsweg:
Ordentliche Gerichtsbarkeit
Normen:
ZPO ZPO § 51, § 52, § 56 Abs. 1, § 91
BGB BGB § 823 Abs. 1, § 824, § 1004 Abs. 1 S. 2
EMRK EMRK Art. 8 Abs. 1, Art. 10

 

Leitsatz

1. Zum Widerruf/Unterlassung bei Äußerungen in einer privaten E-Mail.
2. Zur Interessenabwägung beim Zusammenspiel von Wertäußerungen und Tatsachenbehauptungen bei Äußerungen im Zusammenhang zwischen Berufstätigkeit und krankheitsbedingten Fehlzeiten.

Tenor

I. Die Klage wird abgewiesen.
II. Der Kläger hat die Kosten des Rechtsstreits zu tragen.
III. Das Urteil ist in Ziffer II gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 120% des zu vollstreckenden Betrages vorläufig vollstreckbar.
Beschluss
Der Streitwert wird auf 12.945,48 € festgesetzt.

Gründe

A. Die zulässige Klage ist unbegründet. Es bestehen hinsichtlich der betreffenden streitgegenständlichen E-Mail weder Widerrufsnoch Unterlassungsansprüche.
Die Klage ist zulässig.
Das Gericht geht insbesondere von der Prozessfähigkeit des Klägers gem. §§ 51, 52 ZPO, 104 BGB aus.
§ 56 Abs. 1 ZPO verpflichtet nur dann zur Überprüfung der Prozessfähigkeit des Klägers, wenn hinreichende Anhaltspunkte für ihr Fehlen vorliegen. Im Allgemeinen ist bei einer natürlichen Person von deren Prozessfähigkeit auszugehen. Behauptet sie, sie sei prozessunfähig, so muss sie Tatsachen darlegen, aus denen sich ausreichende Anhaltspunkte für die Richtigkeit dieser Behauptung ergeben; dem Gericht ist dabei ein weiter Beurteilungsspielraum einzuräumen (zum Ganzen: BeckOK-ZPO/Vorwer/c-Wo/f, 18. Edition, Stand 1.9.2015, § 56 Rn. 3). Gleiches muss gelten, wenn -wie vorliegendder Beklagte behauptet, dass die Prozessfähigkeit des Klägers zweifelhaft sei.
Hinreichende Anhaltspunkte sind hierfür vorliegend aber nicht gegeben. Es werden beklagtenseits weder die Erkrankung des Klägers noch konkrete andere Tatsachen genannt, welche genügend Hinweis auf eine mögliche mangelnde Geschäftsfähigkeit des Klägers geben würden. Auch aus den vorgelegten Unterlagen ergibt sich diesbezüglich kein ausreichender Anhaltspunkt. Damit musste der Kläger nicht angehört und kein Sachverständigenbeweis hierzu erhoben werden.
B. Bei der Änderung des ursprünglichen Klageantrages Ziffer II handelt es sich nicht um eine Teilklagerücknahme des ursprünglichen Antrages. Die Klagerücknahme ist definiert als der Widerruf des in der Klage enthaltenen Rechtsschutzgesuchs (MünchKomm-ZPO/ßec/fer-Eöeröard, 4. Aufl., 2013, § 269 Rn. 5). Klägerseits war der ergänzte Passus „wie es in Phasen vollständiger Gesundheit möglich ist“ bereits im Klageantrag Ziffer I enthalten. Es ist damit nachvollziehbar und naheliegend, dass es sich bei der Nichtaufnahme dieser Passage in Klageantrag Ziffer II lediglich um ein Versehen handelte. Bei der Änderung handelt es sich dementsprechend lediglich um eine Ergänzung. Eine Rücknahme im Sinne eines Widerrufs des ursprünglichen Klageantrages ist damit nicht verbunden.
C. Unterlassungsansprüche sind wegen der E-Mail nicht gegeben.
Dem Kläger steht gegen den Beklagten wegen der angegriffenen Äußerung in der E-Mail kein Unterlassungsanspruch aus § 823 Abs. 1 BGB, § 824 BGB, § 1004 Abs. 1 S. 2 BGB analog i.V.m. Art. 1 Abs. 1, 2 Abs. 1 GG zu.
1. Der Anspruch setzt zunächst eine im objektiven Sinn „ehrverletzende Äußerung“ voraus.
Bereits eine solche liegt nach Auffassung des Gerichts nicht vor. Ein Eingriff in das allgemeine Persönlichkeitsrecht des Klägers ist nicht gegeben.
Zunächst ist zu berücksichtigen, dass der Kläger in der streitgegenständlichen E-Mail einleitend auch von der Überzeugungskraft und der Fürsorge des Klägers gesprochen hat.
Jedenfalls war die Äußerung nicht geeignet, sich abträglich auf das Bild des Klägers in der Öffentlichkeit auszuwirken, da sich die Äußerung auf das Verhältnis Kläger-Beklagter beschränkte und hiermit seitens des Beklagten keine Kundgabe oder Verlautbarung an Dritte verbunden war. Die Äußerung war in einer E-Mail des Beklagten an den Kläger enthalten, welche ausschließlich an den Kläger adressiert wurde. Auf das Telefonat, welches der Kläger vorträgt, kann nicht abgestellt werden, da hierin die streitgegenständliche Äußerung nicht gefallen ist. Weiterhin ist hierbei auch nicht die vom Kläger behauptete Äußerung des Beklagten, der Kläger werde persönlich Schaden nehmen, zu berücksichtigen, da nach dem beklagtischen Vortrag hiermit lediglich ein Hinweis verbunden gewesen sei, dass die öffentliche Diskussion von Personalthemen des auch dem Ansehen des Klägers als ehemaligem nicht dienlich sei; der gegenläufige klägerische Sachvortrag wurde nicht unter Beweis gestellt. Aus der streitgegenständlichen E-Mail geht demgegenüber die kritisierte Diskussion von Personalthemen in der Öffentlichkeit hervor.
2. Jedenfalls aber ist die Äußerung durch das Grundrecht der Meinungsfreiheit nach Art. 5 Abs. GG gedeckt und damit gerechtfertigt. Die weitere Voraussetzung des Unterlassungsanspruchs, dass die künftige Wiederholung der umstrittenen Äußerung rechtswidrig sein muss, ist damit nicht gegeben.
Der Eingriff in das Persönlichkeitsrecht ist nur dann rechtswidrig, wenn das Schutzinteresse des Betroffenen die schutzwürdigen Belange der anderen Seite überwiegt (BGH, NJW 2013, 790 ff). Dabei sind das durch Art. 2 Abs. 1, Art. 1 Abs. 1 GG, Art. 8 Abs. 1 EMRK gewährleistete Interesse des Klägers auf Schutz seiner Persönlichkeit und seines guten Rufes mit dem in Art. 5 Abs. 1 GG, Art. 10 EMRK verankerten Recht des Beklagten auf Meinungsfreiheit abzuwägen (BGH, NJW 2013, 790 ff).
Art. 5 Abs. 1 GG schützt die Äußerungsfreiheit. Äußerungen lassen sich in Werturteile und Tatsachenbehauptungen unterscheiden. Werturteile unterfallen stets dem Schutzbereich des Grundrechts, auch wenn sie sich später als unwahr herausstellen, Tatsachenbehauptungen jedenfalls dann, wenn sie Grundlage für die Bildung von Meinungen oder in anderer Weise meinungsbezo-gen sind.
Tatsachenbehauptungen sind Äußerungen, deren Richtigkeit bewiesen werden kann. Sie beziehen sich auf konkrete Geschehnisse und Umstände einer behaupteten Wirklichkeit, die beobachtet, erforscht und gemessen werden können. Meinungen sind dagegen Äußerungen, die durch die Elemente der Stellungnahme, des Dafürhaltens, durch Wertungen geprägt sind (zum Ganzen: MünchKomm-BGB/R/xecker, 6. Auflage 2012, Anh. zu § 12 Rn. 143).
Für die Beurteilung der Frage, ob eine Äußerung als Tatsachenbehauptung oder Meinungsäußerung bzw. Werturteil einzustufen ist, ist eine Ermittlung des vollständigen Aussagegehalts notwendig. Insbesondere ist jede beanstandete Äußerung in dem Gesamtzusammenhang zu beurteilen, in dem sie gefallen ist. Sie darf nicht aus dem sie betreffenden Kontext herausgelöst einer rein isolierten Betrachtung zugeführt werden. Es dürfen aus einer komplexen Äußerung nicht Sätze oder Satzteile mit tatsächlichem Gehalt herausgegriffen und als unrichtige Tatsachenbehauptung untersagt werden, wenn die Äußerung nach ihrem zu würdigenden Gesamtzusammenhang in den Schutzbereich des Grundrechts auf freie Meinungsäußerung fallen kann und in diesem Fall eine Abwägung zwischen den verletzten Grundrechtspositionen erforderlich wird. Dabei ist zu beachten, dass sich der Schutzbereich der Meinungsfreiheit auch auf die Äußerung von Tatsachen erstreckt, soweit sie Dritten zur Meinungsbildung dienen können, sowie auf Äußerungen, in denen sich Tatsachen und Meinungen vermengen und die insgesamt durch die Elemente der Stellungnahme, des Dafürhaltens oder Meinens geprägt werden (zum Ganzen: BGH, Urteil vom 29.09.2009, VI ZR 19/08, BeckRS 2009, 28214).
Vorliegend sind in der Aussage Elemente beider Äußerungsgruppen enthalten. Bei der Äußerung zur Krankheit und zu den Fehlzeiten handelt es sich um Tatsachenbehauptungen. Bei den Äußerungen zur Wahrnehmung und zum Vorantreiben der Belange des … bedingt durch die Krankheiten und Fehlzeiten handelt es sich um Meinungsäußerungen, da hierbei eine Wertung, ein Dafürhalten, des Beklagten zum Ausdruck kommt. In der Zusammenschau der Aussage ergibt sich für das Gericht weiter, dass der Schwerpunkt (hierzu: MünchKomm-BGB/tVagner, 6. Aufl., 2013, § 824 Rn. 15 unter Rekurs auf BVerfGE 61, 1, 9) hierbei klar auf der Meinungsäußerung und damit dem Werturteil liegt. Kerngehalt der Aussage ist gerade die Verknüpfung zwischen Fehlzeiten und den eingeschränkten klägerischen Aktivitäten. Dieser Zusammenhang wird durch den Beklagten eindeutig einer Wertung zugeführt; er stellt nach seinem Dafürhalten hier eine Verbindung her und äußert seine Auffassung zum Zusammenspiel der beiden Faktoren. Aus dem Gesamtzusammenhang ergibt sich also, dass es sich insgesamt um eine Äußerung handelt, die dem Schutzbereich des Art. 5 Abs. 1 GG zu unterstellen ist. Die Äußerung in ihrer Gesamtheit hat den Charakter einer Bewertung. Der Beklagte hat durch seine Formulierungen deutlich gemacht, dass er seine Meinung kundgeben wollte. Es handelt sich um eine ganz überwiegend auf Wertung beruhende subjektive Beurteilung des Beklagten.
Deswegen musste das Gericht auch keinen Beweis zum Wahrheitsgehalt der Aussage erheben.
Um die Zulässigkeit der angegriffenen Äußerung zu beurteilen, sind mithin die betroffenen Interessen gegeneinander abzuwägen, wobei alle wesentlichen Umstände und die betroffenen Grundrechte interpretationsleitend zu berücksichtigen sind (BGH, Urteil vom 29.09.2009, VI ZR 19/08, BeckRS 2009, 28214).
Bei der hiernach gebotenen Abwägung fällt zugunsten des Klägers ins Gewicht, dass die beanstandete Äußerung (bei Verlautbarung Dritten gegenüber) geeignet wäre, ihm möglicherweise seine beabsichtigte geschäftliche Tätigkeit als Berater zu erschweren. Es ist allerdings auch zu berücksichtigen, dass der Beklagte in der E-Mail im Gegenzug auch die Erfolge des Klägers in seiner Tätigkeit gewürdigt hat, indem er schreibt:
„… Ich bin 2006 ins gekommen, weil sie mich als … von der Unternehmensphilosophie und der Art und Weise, wie Sie ein … geführt und entwickelt haben, überzeugt haben. Ihr Vorgehen und Handeln war geprägt von der Fürsorge, unser … nachhaltig und zukunftsorientiert zu entwickeln. …“ Weiterhin nennt der Beklagte keine Krankheit, sondern lässt den Charakter der Erkrankung offen. Es ist damit nicht zwangsläufig auch eine Prognose für die Zukunft und somit für Abwesenheitszeiten bei Folgetätigkeiten verbunden. Weiterhin erwähnt der Beklagte im weiteren Fortgang der Mail auch, dass der Kläger mittlerweile genesen ist, indem er schreibt: „Es freut mich sehr, dass Sie persönlich diese schwere Krankheitsphase überwunden haben, auch wenn Sie im Nachgang Ihrer Abberufung als noch lange Zeit für ihre dauerhafte Genesung benötigt haben. …“ Die Tätigkeit wurde auch nicht wegen der Erkrankung beendet; vielmehr hat der Kläger das Pensionsalter erreicht. Zudem ist zugunsten der Meinungsfreiheit des Beklagten zu berücksichtigen, dass die Äußerung lediglich in einer E-Mail an den Kläger ohne Öffentlichkeitsbezug gefallen ist (mitgehört hat der Bruder des Klägers das Telefonat, dieses ist aber nicht streitgegenständlich; es wird nicht vorgetragen, dass die streitgegenständliche Äußerung auch in dem Telefonat gefallen wäre).
Das Gericht verkennt nicht, dass bei einer Äußerung, welche wie vorliegend auch Tatsachenelemente enthält, auch die Richtigkeit oder Haltlosigkeit der in der Meinungsäußerung enthaltenen tatsächlichen Elemente eine Rolle bei der Interessenabwägung spielen kann. Hierbei ist jedoch zu berücksichtigen, dass es sich bei der Fehlzeitenangabe durch den Beklagten um Schätzangaben handelte. Der 4-Jahreszeitraum war mit dem Zusatz „ca.“ versehen, die 2-Jahres-Angabe mit „etwa“. Der Beklagte machte hierdurch deutlich, dass es insofern gewisse Abweichungen geben kann. Der Kläger selbst sprach von 518 Krankheitstagen. Das Gericht erachtet die Angaben des Beklagten in einer Zusammenschau der kenntlich gemachten Schätzung durch Etwa-Angabe und der tatsächlichen Mindestfehlzeit von 518 Krankheitstagen keineswegs als haltlos und auch nicht als völlig außerhalb der Reichweite des Spielraums der Schätzangabe -selbst unter Zugrundelegung der Angaben des Klägers-, so dass sich hierdurch im Ergebnis an der Interessenabwägung keine Änderung ergibt.
Bei der gebotenen Gesamtabwägung aller Umstände stellen sich die Äußerungen des Beklagten in der E-Mail mithin als zulässig und damit nicht als rechtswidrig dar.
3. Letztlich liegen auch die Voraussetzungen des § 824 BGB nicht vor. Hiernach ist erforderlich, dass jemand der Wahrheit zuwider eine Tatsache behauptet oder verbreitet, die geeignet ist, den Kredit eines anderen zu gefährden oder sonstige Nachteile für dessen Erwerb oder Fortkommen herbeizuführen. Da es sich bei der Äußerung des Beklagten im Schwerpunkt um ein Werturteil handelt, scheidet § 824 BGB aus (MünchKomm-BGB/l/Vagner, 6. Aufl., 2013, § 824 Rn. 15).
D. Auch die Widerrufsansprüche nicht gegeben.
Dieser Anspruch kann sich grundsätzlich aus einer entsprechenden Anwendung des § 1004 BGB ergeben (zum Ganzen vgl. Seyfarth, Der Einfluß des Verfassungsrechts auf zivilrechtliche Ehrschutzklagen, NJW 1999, 1287 ff).
Der Widerrufsanspruch besteht jedoch nur gegenüber ehrverletzenden Tatsachenbehauptungen; Werturteile sind nicht widerrufsfähig. Wie oben unter A. bereits ausgeführt, handelt es sich bei der streitgegenständlichen Aussage um ein Werturteil. Ein Anspruch besteht damit nicht.
C. Dementsprechend scheidet auch die Androhung eines Ordnungsgeldes aus.
D. Mangels Verzugs besteht damit gleichfalls kein Anspruch auf außergerichtliche Rechtsanwaltskosten nebst Zinsen.
E. Die Kostenentscheidung basier auf § 91 ZPO, die Entscheidung zur vorläufigen Vollstreckbarkeit auf § 709 S. 1.S.2ZPO.


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