IT- und Medienrecht

Rückabwicklung eines Kaufvertrags über ein gebrauchtes Kraftfahrzeug

Aktenzeichen  21 U 4818/16

Datum:
3.7.2017
Rechtsgebiet:
Gerichtsart:
LG
Gerichtsort:
Ingolstadt
Rechtsweg:
Ordentliche Gerichtsbarkeit
Normen:
BGB BGB § 123 Abs. 2, § 323 Abs. 5 S. 2, § 434 Abs. 1 S. 2 Nr. 2

 

Leitsatz

Verfahrensgang

21 O 970/16 2016-11-15 Endurteil LGINGOLSTADT LG Ingolstadt

Tenor

1. Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Landgerichts Ingolstadt vom 15.11.2016, Az. 21 O 970/16, wird zurückgewiesen.
2. Der Kläger hat die Kosten des Berufungsverfahrens zu tragen.
3. Das Urteil und das in Ziffer 1 genannte Urteil des Landgerichts Ingolstadt sind ohne Sicherheitsleistung vorläufig vollstreckbar.
4. Die Revision gegen dieses Urteil wird nicht zugelassen.

Gründe

II.
Die zulässige Berufung ist nicht begründet. Der Kläger kann weder aus Bereicherungsrecht nach Anfechtung des Kaufvertrags (1.) noch aus Gewährleistungsrecht nach Rücktritt wegen eines Sachmangels (2.) die Rückzahlung des Kaufpreises – Zug um Zug gegen Rückübereignung des Fahrzeugs – verlangen.
1. Das Landgericht hat zu Recht eine erfolgreiche Anfechtung des Kaufvertrags verneint. Auf die zutreffenden Ausführungen des Landgerichts nimmt der Senat Bezug. Die Beklagte hat weder selbst arglistig getäuscht, noch muss sie sich Wissen des Herstellerkonzerns in Bezug auf Manipulationen an der Abgassoftware des verkauften Fahrzeugs zurechnen lassen.
Anhaltspunkte dafür, dass die Beklagte entgegen ihrem Vortrag zum Zeitpunkt des Kaufvertragsabschlusses Kenntnis (oder auch nur den Verdacht) von Manipulationsmaßnahmen seitens des Herstellers hatte, liegen nicht vor. Dem Vorbringen der Beklagten, sie sei weder eine Konzerntochter noch bestünden irgendwelche Beteiligungsverhältnisse mit den Herstellerfirmen . und/oder der . AG, sie sei vielmehr eine eigenständige, unabhängige Kfz-Händlerin, vermochte der Kläger ebenfalls nichts Substantielles entgegen zuhalten. Hiervon ist mithin auszugehen. Ebenso wenig ist ersichtlich, dass die Beklagte vorwerfbar einen Rechtsschein gesetzt hat, der es rechtfertigen könnte, den Fahrzeughersteller ihrem Verantwortungskreis zuzuordnen. Die Beklagte und die Herstellerfirma sind selbständige rechtliche Personen mit jeweils eigenständigen Pflichtenkreisen. Auch die Tatsache, dass es in den Räumlichkeiten der Beklagten Werbeprospekte zu Fahrzeugen der Marke . geben mag, die von der . AG stammen, rechtfertigt keine andere Beurteilung, zumal nicht dargetan wurde, dass der Inhalt von Werbeprospekten beim streitgegenständlichen Kauf eine Rolle gespielt hätte. Eine Zurechnung einer etwaige arglistige Täuschung des Herstellers im Verhältnis zu der Beklagten als unabhängige Händlerin, die – wie vorliegend – einen von ihr erworbenen Gebrauchtwagen an einen Kunden verkauft hat, kommt damit nicht in Betracht (so z.B. LG Bamberg, Urteil vom 22.07.2016, Az. 11 O 62/16; LG Nürnberg-Fürth, Urteil vom 21.06.2016, Az. 4 O 441/16; vgl. auch die von Beklagtenseite vorgelegten Beschlüsse des OLG Hamm vom 18.05.2017, Az. 2 U 39/17, OLG Karlsruhe vom 18.05.2017, Az. 19 U 5/17, Brandenburgisches OLG vom 31.01.2016, Az. 2 U 39/16 sowie die Verfügung des Vorsitzenden des OLG Naumburg vom 01.12.2016, Az. 5 U 129/16). Der Hersteller ist vielmehr als Dritter im Sinne des § 123 Abs. 2 BGB zu qualifizieren.
2. Auch ein Anspruch auf Rückzahlung des Kaufpreises aus Gewährleistung besteht nicht. Auf Gewährleistungsansprüche hat sich der Kläger erstmals in der Berufung gestützt.
a) Der Kläger ist mit Schreiben vom 08.01.2016 vom Kaufvertrag zurückgetreten. Zwar hat er ausdrücklich nur eine Anfechtung wegen arglistiger Täuschung erklärt, doch muss für den Fall der Unwirksamkeit der Anfechtung, anders als das Landgericht meint, die Umdeutung in eine Rücktrittserklärung wegen Mängeln in Betracht gezogen werden (vgl. BGH vom 07.06.2006, Az. VIII ZR 209/05).
b) Der Senat geht zugunsten des Klägers davon aus, dass der erworbene Wagen nicht die vertraglich vorausgesetzte Beschaffenheit hatte, mithin ein Mangel gegeben ist. Denn es ist unstreitig, dass der Wagen ausweislich der in den Vertrag einbezogenen Fahrzeugdaten (Anlage K 2) über das Abgaskonzept EU5 verfügen sollte, das Fahrzeug jedoch vom „Abgasskandal“ betroffen ist, die Abgasnorm Euro 5 also nicht erfüllt. Dementsprechend wurde der Kläger darüber informiert, dass es „Beanstandungen am Emissionsverhalten“ gebe (vgl. Kundeninformation, Anlage K 4). Die zentrale Problematik des Falles liegt vielmehr darin, ob vorliegend eine Fristsetzung zur Nacherfüllung nach §§ 437 Nr. 2, 440, 323 BGB entbehrlich war (hierzu unten c.) und ob der Mangel erheblich ist (hierzu unten d.).
c) Der Kläger hat kurz nach Erhalt der Kundeninformation den Rücktritt vom Kaufvertrag erklärt. Unstreitig hat der Kläger weder eine Frist zur Nacherfüllung gesetzt, noch hat er sich mit der Beklagten wegen einer Nachrüstung des Wagens in Verbindung gesetzt. Soweit der Kläger auf Frage des Senats in der mündlichen Verhandlung angegeben hat, er habe darauf gewartet, dass man auf ihn zukomme und ihm einen Termin gebe, ist festzustellen, dass die Beklagte im Verfahren wiederholt auf die Notwendigkeit und Möglichkeit der Nachbesserung hingewiesen hat. Weswegen der Kläger hierauf nicht reagiert hat, erschließt sich nicht. Noch im Termin zur mündlichen Verhandlung hat die Beklagte dem Kläger die umgehende Nachrüstung angeboten. Abgesehen davon ist es Sache des Käufers, die Nachbesserung der Kaufsache zu ermöglichen, indem er die Sache zur Verfügung stellt, und eine Frist zur Mängelbeseitigung zu setzen.
Eine Fristsetzung war nach §§ 437 Nr. 2, 440, 323 BGB auch erforderlich. Anders als in anderen Fällen ergibt sich weder aus dem Vortrag der Parteien noch aus den vorgelegten Anlagen, dass die Nachrüstung nicht zeitgerecht vorgenommen worden wäre oder unzumutbar lange gedauert hätte, wenn der Kläger den Wagen zur Verfügung gestellt hätte. Dem Argument des Klägers, er sei arglistig getäuscht worden, deswegen müsse er auch keine Nachbesserung vornehmen lassen, kann ebenfalls nicht gefolgt werden. Wie dargelegt, muss sich die Beklagte die Kenntnis von Verantwortlichen des Herstellerkonzerns zur Manipulation der Abgaswerte nicht zurechnen lassen.
Auch aus anderen Gründen war es nicht entbehrlich, die Beklagte zur Nacherfüllung aufzufordern und hierzu eine Frist zu setzen. Nach § 440 BGB bedarf es keiner Fristsetzung, wenn von vornherein feststeht, dass die Nacherfüllung fehl schlägt, oder wenn sie dem Käufer unzumutbar ist. Die diesbezüglichen Voraussetzungen hat der Kläger nicht hinreichend substantiiert dargetan.
Der darlegungs- und beweisbelastete Kläger hat ohnehin erst in der Berufung geltend gemacht, dass „die Nachrüstung als Nachbesserungsarbeit für den Kläger unbehelflich“ sei. Soweit der Kläger in diesem Zusammenhang in den Raum stellt, dass zugesicherte Abgaswerte nicht erreicht werden würden, dass Verbrauchswerte steigen und Leistungswerte sinken würden, kann der Senat weder aus den vertraglichen Unterlagen noch aus dem Vortrag des Klägers eine vertragliche Vereinbarung über bestimmte Abgas-, Verbrauchs- und/oder Leistungswerte entnehmen. Die einzige vertragliche Regelung, die die Parteien getroffen haben, ist, dass der Wagen die Abgasnorm EU5 einhält. Hierzu hat die Beklagte vorgetragen, dass sie über ein taugliches Software-Update verfügt, das den Mangel beseitigt, und dass dem Maßnahmenplan vom Kraftfahrtbundesamt zugestimmt worden ist. Diesem Vorbringen ist der Kläger weder schriftsätzlich noch in der mündlichen Verhandlung entgegen getreten. Auch ansonsten enthält der Vortrag des Klägers keine konkreten Darlegungen, aus denen der Schluss einer Entbehrlichkeit der Fristsetzung gezogen werden könnte. Insbesondere genügt die pauschale Behauptung, dass Verbrauchswerte steigen und Leistungswerte sinken, auch nicht für eine Darlegung der Unzumutbarkeit der Nachbesserung. Weder wird mitgeteilt, welche Verbrauchsbzw. Leistungswerte aus Sicht des Klägers eingehalten werden müssten, noch wie sich diese bei einer Nachrüstung nachteilig verändern würden. Dass der Wagen nach einer Nachrüstung immer noch mangelhaft wäre oder einen anderen Mangel hätte, ist damit nicht hinreichend dargetan (vgl. auch BGH vom 08.05.2007, VIII ZR 19/05 zum unwesentlichen Abweichen des Kraftstoffverbrauchs von den Herstellerangaben beim Kauf eines Neuwagens). Es fehlt an der Darlegung konkreter Anknüpfungstatsachen seitens des Klägers.
Ergänzend ist festzustellen, dass sich der Kläger zudem auf den schriftlichen Hinweis des Senats zum Vorrang der Nachbesserung nicht fristgerecht erklärt hat. Weiteres Vorbringen ist damit auch verspätet. Abgesehen davon kann der Senat nicht feststellen, dass es „wohl“ zwischenzeitlich nachgewiesen – mit anderen Worten gerichtsbekannt – sei, dass die Nachrüstung mit einem – nicht näher konkretisierten – Mehrverbrauch sowie – ebenfalls nicht näher dargelegtem – Leistungsverlust verbunden sei, wie der Kläger meint. Soweit sich der Kläger auf den Ausgang anderer Verfahren stützt, ersetzt dies nicht den in einem Zivilprozess erforderlichen Sachvortrag sowie Beweisangebote zu konkreten Tatsachenbehauptungen, wie in der mündlichen Verhandlung eingehend erörtert wurde. Abgesehen davon ist dem Senat kein Urteil eines anderen Senats des Oberlandgerichts München bekannt, das bei einer vergleichbaren Fallkonstellation einer Klage stattgegeben hätte. Auch einer Kostenentscheidung des 3. Senats vom 23.03.2017, Az. 3 O 4316/16, auf die die Klageseite mutmaßlich abstellt, liegt eine andere Fallgestaltung zugrunde. Dort ging es nicht um die Frage der Entbehrlichkeit einer Fristsetzung, sondern um die angemessene Dauer der Frist zur Nacherfüllung.
d) Darüber hinaus ist nach § 323 Abs. 5 Satz 2 BGB der Rücktritt ausgeschlossen, wenn die in der Mangelhaftigkeit der Kaufsache liegende Pflichtverletzung unerheblich ist, das heißt, wenn der Mangel geringfügig ist. Das ist nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs der Fall, wenn der Mangel behebbar und die Kosten der Mangelbeseitigung im Verhältnis zum Kaufpreis geringfügig sind. Mängel, deren Beseitigung Aufwendungen in Höhe von nur knapp einem Prozent des Kaufpreises erfordern, sind unzweifelhaft als unerheblich im Sinne des § 323 Abs. 5 Satz 2 BGB einzustufen, so dass auf sie ein Rücktritt nicht gestützt werden kann (vgl. BGH vom 29.06.2011, VIII ZR 202/10).
Wie dargelegt, ist der Kläger dem Vortrag der Beklagten zur Behebbarkeit des Mangels nicht substantiiert entgegen getreten (s.o.). Ebenso wenig hat der Kläger den Vortrag der Beklagten, die Kosten für das Aufspielen der neuen Software würden unter 100 € liegen, mithin nicht einmal 1% des Kaufpreises erreichen, bestritten. Auch aus diesem Grund scheidet ein Rücktritt vorliegend aus.
e) Die Erheblichkeit des Mangels ergibt sich auch nicht, wie der Kläger meint, aus der behaupteten arglistigen Täuschung, weil die Beklagte weder getäuscht hat noch sich Fehlverhalten Dritter (Hersteller) zurechnen lassen muss.
f) Es kann offen bleiben, ob sich die Beklagte auf die Verjährung im Hinblick auf die Abgabe der Rücktrittserklärung berufen kann: Die zweijährige Verjährungsfrist ist, wenn man die Anfechtungserklärung als Rücktrittserklärung auslegt, jedenfalls eingehalten. Die Einrede der Verjährung greift damit nur, wenn die Verjährungsfrist für Sachmängel durch Abschnitt VI 1. der Allgemeinen Geschäftsbedingungen der Beklagten wirksam auf ein Jahr beschränkt wurde. Zwar hat der Bundesgerichtshof eine wortgleiche Vertragsklausel wegen Verstoßes gegen das Transparenzgebot für unwirksam erklärt (BGH, NJW 2015, 2244), konkret hat der Bundesgerichtshof die fragliche Klausel jedoch nur im Hinblick auf Schadensersatzansprüche für unwirksam erachtet, weil ein Widerspruch zwischen den Regelungen in Abschnitt VI Nr. 1 und VI Nr. 5 und VII der verwendeten Geschäftsbedingungen bestehe. Es stellt sich mithin die Frage, ob wegen des Verbots der geltungserhaltenden Reduktion im AGB-Recht die gesamte Klausel als unwirksam angesehen werden muss oder ob die Klausel teilbar ist, mithin die einjährige Verjährungsfrist für Sachmängel gilt, nicht jedoch für Schadensersatzansprüche (vgl. Palandt/Grüneberg, 76. Auflage, § 306 Rn. 6 f), wie der Beklagtenvertreter argumentiert. Da die Berufung des Klägers aus anderen Gründen zurückzuweisen ist, lässt der Senat die Frage der Verjährung ausdrücklich offen.
III.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 97 Abs. 1 ZPO.
Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit bestimmt sich nach §§ 708 Nr. 10, 713 ZPO. Ein Rechtsmittel gegen die Entscheidung des Landgerichts ist unzweifelhaft nicht gegeben.
Die Revision war nicht zuzulassen. Der Senat verkennt nicht, dass es zahlreiche Klagen von Kunden wegen des Erwerbs von Fahrzeugen mit manipulierter Abgassoftware gibt. Maßgeblich für die Zurückweisung der Berufung sind jedoch nicht Fragen von grundsätzlicher Bedeutung, sondern die im konkreten Fall aufgrund des individuellen Sachvortrags der Parteien zugrunde zu legenden tatsächlichen Feststellungen.

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