IT- und Medienrecht

Rundfunkbeiträge

Aktenzeichen  6 B 267/21 MD

Datum:
26.1.2022
Rechtsgebiet:
Gerichtsart:
VG Magdeburg 6. Kammer
Dokumenttyp:
Beschluss
ECLI:
ECLI:DE:VGMAGDE:2022:0126.6B267.21MD.00
Spruchkörper:
undefined

Tenor

Der Antrag auf vorläufigen Rechtsschutz wird abgelehnt.
Der Antragsteller trägt die Kosten des Verfahrens.
Der Streitwert wird auf 6,59 Euro festgesetzt.

Gründe

I.
Der Antragsteller wendet sich im Wege des vorläufigen Rechtsschutzverfahrens gegen die Festsetzung von Rundfunkbeiträgen für eine Betriebsstätte.
Der Antragsgegner führt den Antragsteller mit einer Betriebsstätte: ERGO-Hauptagentur, C-Straße, C-Stadt, in seinem Bestand.
Mit Bescheid vom 01.11.2021 setzte der Antragsgegner für diese Betriebsstätte unter Anlegung der Staffel 1 für Betriebsstätten mit 0-8 Beschäftigten für den Zeitraum 08/2021 bis 10/2021 einen Rundfunkbeitrag i.H.v. 18,36 € nebst Säumniszuschlag i.H.v. 8,- €, mithin einen Betrag von insgesamt 26,36 € fest. Gegen diesen Bescheid legte der Antragsteller mit Schreiben vom 29.11.2021 Widerspruch ein und beantragte gleichzeitig bei der Behörde die Aussetzung der sofortigen Vollziehung. Zur Begründung führte er aus, bei der herangezogenen Betriebsstätte handele es sich um eine Versicherungsagentur des Antragstellers. Dort seien zwei Arbeitsplätze eingerichtet, an denen gleichzeitig Kundengespräche geführt werden könnten. In den Räumlichkeiten gebe es keine Anschlüsse für Fernseher. Ein Rundfunkempfang sei auch nicht möglich. In den Räumlichkeiten werde ausschließlich berufsbezogenen gearbeitet. Es wäre sehr störend, wenn während der Tätigkeit, insbesondere während Telefonaten sowie persönlichen Gesprächen ein Fernseher Programme senden oder Musik abgespielt würde. Es bestehe kein Grund für eine Rundfunkbeitragsfestsetzung. Der Festsetzungsbescheid sei daher aufzuheben.
Über den Widerspruch und den Antrag auf Aussetzung der sofortigen Vollziehung ist    – soweit ersichtlich – durch den Antragsgegner noch nicht entschieden worden.
Der Antragsteller hat am 30.12.2021 einen Antrag auf Gewährung vorläufigen gerichtlichen Rechtsschutzes gestellt, zu dessen Begründung er auf seine Widerspruchsbegründung verweist.
Der Antragsteller beantragt,
die aufschiebende Wirkung seines Widerspruchs vom 29.11.2021 gegen den Festsetzungsbescheid des Antragsgegners vom 01.11.2021 anzuordnen.
Der Antragsgegner beantragt,
den Antrag abzulehnen.
Er tritt dem Antragsbegehren entgegen und führt zu den Fragen der Zulässigkeit und Begründetheit des Antrags aus. Insoweit wird auf die Darlegungen in der Antragserwiderung vom 10.01.2022 (Bl. 14 ff. der Gerichtsakte) verwiesen.
Wegen des weiteren Sachverhalts und des Vorbringens der Beteiligten wird auf die Gerichtsakte sowie die beigezogenen Verwaltungsvorgänge des Antragsgegners Bezug genommen.
II.
Der Antrag auf Gewährung vorläufigen gerichtlichen Rechtsschutzes, den das Gericht trotz seiner Bezeichnung als Antrag nach § 123 VwGO aufgrund des klaren Antragsbegehrens als Antrag nach § 80 Abs. 5 Satz 1 VwGO versteht, hat keinen Erfolg.
Zweifelhaft ist bereits, ob der Antrag zulässig ist. Denn gemäß § 80 Abs. 6 S. 1 VwGO ist ein Antrag auf Anordnung der aufschiebenden Wirkung in den Fällen des § 80 Abs. 2 Nr. 1 VwGO, mithin bei der Anforderung öffentlicher Abgaben, wie hier bei der Zahlung von Rundfunkbeiträgen, nur zulässig, wenn die Behörde einen Antrag auf Aussetzung der Vollziehung ganz oder zum Teil abgelehnt hat. Diese Voraussetzungen sind vorliegend nicht erfüllt. Über den am 29.11.2021 nach § 80 Abs. 4 VwGO gestellten Aussetzungsantrag ist noch nicht abschlägig entschieden worden. Maßgeblicher Betrachtungszeitpunkt ist dabei die Situation bei Beantragung gerichtlichen Rechtsschutzes. Denn bei dem Erfordernis der vorherigen Durchführung eines erfolglosen behördlichen Aussetzungsverfahrens handelt es sich nicht um eine bloße Sachentscheidungsvoraussetzung, die noch im Laufe des gerichtlichen Verfahrens nachgeholt werden könnte. § 80 Abs. 6 S. 1 VwGO stellt vielmehr eine Zugangsvoraussetzung dar, die im Zeitpunkt der Stellung eines Eilantrages bei Gericht erfüllt sein muss (st. Rspr. der Kammer, vgl. Beschl. v. 05.02.2021, 6 B 368/20 MD, unveröffentlicht, m.w.N. aus Rechtsprechung und Literatur). Ob sich der Antragsteller auf die in § 80 Abs. 6 S. 2 VwGO geregelten Ausnahmen wird berufen können, erscheint fraglich. Danach ist ein behördlicher Aussetzungsantrag dann entbehrlich, wenn die Behörde über den Antrag ohne Mitteilung eines zureichenden Grundes in angemessener Frist sachlich nicht entschieden hat (§ 80 Abs. 6 S. 2 Nr. 1 VwGO) oder wenn eine Vollstreckung droht (§ 80 Abs. 6 S. 2 Nr. 2 VwGO). Keiner dieser beiden Fälle dürfte hier vorliegen. Unter Berücksichtigung der konkreten Umstände des Einzelfalls dürfte es zweifelhaft sein, ob zwischen der Beantragung der Aussetzung der Vollziehung bei dem Antragsgegner am 29.11.2021 und der bereits am 30.12.2021 erfolgten Antragstellung bei Gericht eine angemessene Frist im Sinne des § 80 Abs. 4 VwGO verstrichen ist, innerhalb der über den behördlichen Aussetzungsantrag nicht entschieden worden ist. Legt man als Orientierungswert für die angemessene Frist die Monatsfrist des § 74  Abs. 1 VwGO zugrunde (vgl. dazu: Bayerischer VGH, Beschl. v. 05.03.2015 – 6 CS 15.369 – juris, Rn. 8), dürfte aber aufgrund der ebenfalls zu berücksichtigen konkreten Umstände der in diesen Zeitraum fallenden Weihnachtsfeiertage, zum Zeitpunkt des Antrages beim Verwaltungsgericht am 30.12.2021 noch nicht vom fruchtlosen Ablauf einer angemessenen Frist auszugehen sein.
Anhaltspunkte dafür, dass zu diesem Zeitpunkt bereits eine Vollstreckung im Sinne des § 80 Abs. 6 S. 2 Nr. 2 VwGO gedroht hat, sind ebenfalls nicht ersichtlich.
Die Zulässigkeit des Antrages kann im Ergebnis dahingestellt bleiben, da der Antrag auf Anordnung der aufschiebenden Wirkung des Widerspruchs des Antragstellers aber zumindest in der Sache keinen Erfolg hat.
Nach § 80 Abs. 5 S. 1 Alt. 1, Abs. 2 Nr. 1 VwGO kann das Gericht der Hauptsache auf Antrag die aufschiebende Wirkung eines Widerspruchs oder einer Anfechtungsklage ganz oder teilweise anordnen. Voraussetzung hierfür ist, dass das Interesse des Antragstellers an der vorläufigen Aussetzung der Vollziehung das Interesse des Antragsgegners an der sofortigen Vollziehung des Verwaltungsaktes überwiegt. Ob dies der Fall ist, bestimmt sich vorrangig nach den Erfolgsaussichten im Hauptsacheverfahren. Das Interesse des Antragstellers überwiegt regelmäßig dann, wenn sich die angefochtene Entscheidung im Rahmen der hier gebotenen summarischen Prüfung als offensichtlich rechtswidrig erweist, da an der Vollziehung eines rechtswidrigen Verwaltungsaktes regelmäßig kein öffentliches Interesse besteht, oder wenn aus sonstigen besonderen und gewichtigen Gründen dem Interesse des Antragstellers an der Anordnung der aufschiebenden Wirkung ausnahmsweise Vorrang einzuräumen ist.
Dabei ist zu berücksichtigen, dass der Gesetzgeber aufgrund der gesetzlichen Anordnung den begünstigten öffentlichen Interessen für die sofortige Vollziehung im Regelfall größeres Gewicht beimisst als den privaten Interessen des von dem Verwaltungsakt Betroffenen. Eine Einzelfallbetrachtung erfolgt nur im Hinblick auf solche Umstände, die von den Beteiligten vorgetragen werden und die Annahme rechtfertigen können, dass im konkreten Fall von der gesetzgeberischen Grundentscheidung ausnahmsweise abzuweichen ist (BVerfG, Beschluss vom 10.10.2003 – 1 BvR 2025/03).
Die Festsetzung von Rundfunkbeiträgen gegenüber dem Antragsteller für seine in der C-Straße, C-Stadt, gelegene Betriebsstätte für den Zeitraum 08/2021 bis 10/2021 i.H.v. insgesamt 26,36 € (Rundfunkbeiträge: 18,36 €, Säumniszuschlag: 8,- €) durch den streitgegenständlichen Festsetzungsbescheid des Antragsgegners vom 01.11.2021 stellt sich bei summarischer Prüfung als offensichtlich rechtmäßig dar, sodass das öffentliche Vollzugsinteresse gegenüber dem Aussetzungsinteresse des Antragstellers überwiegt.
Grundlage für die Erhebung der Rundfunkbeiträge für den Zeitraum August 2021 bis Oktober 2021 i.H.v. 18,36 € ist § 5 Abs. 1 S. 1 Rundfunkbeitragsstaatsvertrag (nachfolgend: RBStV). Danach ist im nicht privaten Bereich für jede Betriebsstätte von deren Inhaber (Beitragsschuldner) ein Rundfunkbeitrag nach Maßgabe der in S. 2 festgelegten Staffelung zu entrichten. Die Höhe des zu leistenden Rundfunkbeitrags bemisst sich danach nach der Zahl der neben dem Inhaber Beschäftigten. Für eine Betriebsstätte mit bis zu acht Beschäftigten beträgt der zu entrichtende Betrag 1/3 des Rundfunkbeitrags. Die Ausgangshöhe des Rundfunkbeitrags beträgt 18,36 € (vgl. Beschl. d. BVerfG v.  20. Juli 2021,1 BvR 2756, 20,1 BvR 2775, 20,1 BvR 2777/20, Rn. 36 ff.).
Gemäß § 6 Abs. 1 RBStV ist eine Betriebsstätte jede zu einem eigenständigen, nicht ausschließlich privaten Zweck bestimmte oder genutzte ortsfeste Raumeinheit oder Fläche innerhalb einer Raumeinheit. Inhaber der Betriebsstätte ist die natürliche oder juristische Person, die die Betriebsstätte im eigenen Namen nutzt oder in deren Namen die Betriebsstätte genutzt wird (§ 6 Abs. 2 RBStV). Der Rundfunkbeitrag ist monatlich geschuldet, dabei ist er in der Mitte eines 3-Monats- Zeitraums für jeweils 3 Monate zu leisten (§ 7 Abs. 3 RBStV). Rückständige Beiträge werden gemäß § 10 Abs. 5 RBStV durch die zuständige Landesrundfunkanstalt festgesetzt.
Der Antragsteller ist als Betreiber der Versicherungsagentur in den Räumlichkeiten der C-Straße in C-Stadt Inhaber einer Betriebsstätte. Da der Rundfunkbeitrag – anders als die bis zum 31.12.2012 erhobenen Rundfunkgebühren – geräteunabhängig erhoben wird, kommt es nicht darauf an, ob sich in den Betriebsräumen Rundfunkempfangsgeräte bzw. Fernsehgeräte befinden oder eine entsprechende Nutzung solcher Geräte dort als störend empfunden würde. Die Anknüpfung an das Merkmal der Betriebsstätte anstelle des Gerätebesitzes hält sich auch innerhalb der verfassungsrechtlich zulässigen Grenzen der Ausgestaltung der Rundfunkfinanzierung (vgl. Bundesverwaltungsgericht, Urteil vom 7. Dezember 2016,6 C 14.15, juris Rn. 44).
Anhaltspunkte für eine Verfassungswidrigkeit der Beitragserhebung im nicht privaten Bereich bestehen nicht. Das Bundesverfassungsgericht hat zur Verfassungsmäßigkeit der Erhebung des Rundfunkbeitrags im nicht privaten Bereich ausgeführt:
Auch Inhabern von Betriebsstätten und betrieblich genutzten Kraftfahrzeugen wird durch das Rundfunkangebot ein Vorteil zuteil, der ihre Inanspruchnahme mit Rundfunkbeiträgen rechtfertigt. Die Möglichkeit der Mediennutzung weist einen betrieblichen Bezug auf, der dem unternehmerischen Wirken zu Erwerbszwecken zugutekommt (vgl. BayVerfGH, Entscheidung vom 15. Mai 2014 – Vf. 8-VII-12 -, NJW 2014, S. 3215 <3218 Rn. 81>). Die Beitragsschuldner können sich aus dem Rundfunkangebot Informationen für den Betrieb beschaffen sowie das Rundfunkangebot zur Information oder Unterhaltung ihrer Beschäftigten und ihrer Kundschaft nutzen (vgl. BVerwGE 156, 358 <367 Rn. 29>; VerfGH RP, Urteil vom 13. Mai 2014 – VGH B 35/12 -, NVwZ 2015, S. 64 <73>). Diese andere Vorteilslage rechtfertigt die gesonderte Inanspruchnahme von Betriebsstätteninhabern und Inhabern betrieblich genutzter Kraftfahrzeuge neben der Beitragspflicht im privaten Bereich.
(BVerfG, Urteil vom 18. Juli 2018 – 1 BvR 1675/16 –, BVerfGE 149, 222-293, Rn. 113)
Die Erhebung des dem Antragsteller gegenüber festgesetzten Säumniszuschlages i.H.v. 8,- € erfolgt auf der Rechtsgrundlage des § 9 Abs. 2 S. 1 Nr. 5 RBStV i.V.m. § 11 Abs. 1 S. 1 der Satzung des Mitteldeutschen Rundfunks über das Verfahren zur Leistung der Rundfunkbeiträge (Rundfunkbeitragssatzung). Danach wird, wenn Rundfunkbeiträge nicht innerhalb von 4 Wochen nach Fälligkeit in voller Höhe entrichtet werden, ein Säumniszuschlag in Höhe von einem Prozent der rückständigen Beitragsschuld, mindestens aber ein Betrag von 8,- € fällig. Der Rundfunkbeitrag für den Zeitraum 01.08.2021 bis 31.10.2021 i.H.v. 18,36 € war am 15.09.2021 fällig. Diesen entrichtete der Antragsteller jedoch nicht. Nach § 10 Abs. 5 RBStV i.V.m. § 11 Abs. 1 S. 2 Rundfunkbeitragssatzung wird der Säumniszuschlag zusammen mit der Rundfunkbeitragsschuld durch Bescheid festgesetzt.
Die Vollziehung des Festsetzungsbescheides stellt dem Antragsteller gegenüber auch keine unbillige Härte dar. Eine unbillige Härte ist dann anzunehmen, wenn durch die sofortige Vollziehung für den Antragsteller Nachteile entstehen, die über die eigentliche Zahlung hinausgehen und die nicht oder nur schwer wieder gut zu machen sind. Solche Nachteile sind im vorliegenden Fall und auch in Anbetracht des festgesetzten Betrages i.H.v. 26,36 € nicht ersichtlich.
Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 1 VwGO.
Die Streitwertfestsetzung beruht auf §§ 53 Abs. 2 Nr. 2, 52 Abs. 3 GKG i. V. m. Ziffer 1.5 des Streitwertkataloges für die Verwaltungsgerichtsbarkeit. Danach setzt das Gericht den Streitwert mit einem Viertel des Streitwertes der Hauptsache, hier der Forderungssumme aus dem streitgegenständlichen Festsetzungsbescheid (26,36 € ./. 4) fest.


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