IT- und Medienrecht

Unbillige Härte, die zur Ausnahme von der Pflicht zur elektronischen Datenübermittlung nach § 11a Bundesstatistikgesetz berechtigen kann

Aktenzeichen  AN 14 K 18.01503

Datum:
7.6.2021
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
BeckRS – 2021, 17469
Gerichtsart:
VG
Gerichtsort:
Ansbach
Rechtsweg:
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Normen:
BStatG § 11a

 

Leitsatz

Tenor

Die Klage wird abgewiesen.
Die Klägerin trägt die Kosten des Verfahrens.
Das Urteil ist hinsichtlich der Kostenentscheidung vorläufig vollstreckbar. Die Klägerin kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe des vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht der Beklagte vorher Sicherheit in gleicher Höhe leistet.

Gründe

Die Klage hat keinen Erfolg.
1. Die erhobene Klage ist zulässig.
1.1. Statthafte Klageart ist die Verpflichtungsklage in Form der Versagungsgegenklage (§ 113 Abs. 5 Satz 1 VwGO). Die Klägerin begehrt den Erlass einer Ausnahmeerteilung nach § 11a BStatG. Als Personenhandelsgesellschaft ist sie gemäß §§ 161 Abs. 2, 124 Abs. 1 HGB (Handelsgesetzbuch) fähig, unter ihrer Firma Rechte zu erwerben sowie vor Gericht zu klagen.
1.2. Die Klage wurde fristgerecht erhoben. Der Ablehnungsbescheid vom 3. Juli 2018 wurde der Klägerin am 4. Juli 2018 zugestellt, Klage gegen diesen Bescheid mit dem Ziel der Verpflichtung des Beklagten zur Ausnahmeerteilung wurde mit Schriftsatz vom 3. August 2018 erhoben, der dem Gericht am selben Tage zuging.
2. Die Klage ist jedoch unbegründet, da die angegriffene Entscheidung des Beklagten vom 3. Juli 2018 rechtmäßig ist. Die Klägerin hat keinen Anspruch darauf, dass der Beklagte eine Ausnahmegenehmigung erteilt.
2.1. Rechtsgrundlage für die begehrte Ausnahmegenehmigung von der elektronischen Datenübermittlung ist § 11a Abs. 2 Satz 1 i.V.m. Satz 2 BStatG.
2.2. Der Bescheid des Bayerischen Landesamtes für Statistik vom 3. Juli 2018 mit dem die Ausnahme abgelehnt wurde, ist materiell rechtmäßig.
Die Klägerin ist für die Statistik der Verbraucherpreise für die vierteljährlich durchzuführende Erhebung von Nettokaltmieten auskunftspflichtig. Seit dem 1. August 2013 unterfallen stichprobenartig ausgewählte Betriebe und Unternehmen gemäß § 11a Abs. 2 BStatG der Verpflichtung zur elektronischen Übermittlung der entsprechenden Daten, wenn hierfür elektronische Verfahren von den Statistikämtern bereitgestellt werden. Ausnahmen sind nur gemäß § 11a Abs. 2 Satz 2 BStatG zur Vermeidung unbilliger Härten vorgesehen.
Die Statistik der Verbraucherpreise wird gemäß § 1 Preisstatistikgesetz (PreisStatG) als Bundesstatistik durchgeführt. Die grundsätzliche und als solche nicht bestrittene Auskunftsverpflichtung der Klägerin besteht aufgrund § 7b Abs. 1 PreisStatG in Verbindung mit § 15 BStatG. Legt man als Unternehmen die Kommanditgesellschaft (KG) der Klägerin zugrunde, so ist zunächst der Geschäftsführer der Kommanditgesellschaft auskunftspflichtig. Gegenstand und Adressat der Erhebung bleibt die Erhebungseinheit nach dem Preisstatistikgesetz und dem Bundesstatistikgesetz und damit das Unternehmen, also die Klägerin. Die Erhebung der Nettokaltmieten durch das Bayerische Landesamt für Statistik erfolgt im Zuge der Verbraucherpreisstatistik und wird als monatliche Repräsentativerhebung bei Privatpersonen, Behörden, Betrieben, Unternehmen und sonstigen Einrichtungen durchgeführt. Infolge des Preisstatistikgesetzes werden Mieten für nach Art und Merkmalen bezeichneten Wohnraum sowie für Garagen und Stellplätze bei den Mietvertragsparteien erhoben. Die sodann erhobenen Daten haben den Zweck der Berechnung von Verbraucherpreisindizes für Wohnungsmieten. Die Verbraucherpreisindizes gehören zu den wichtigsten kurzfristigen Konjunkturindikatoren, ohne die eine wirkungsvolle Wirtschafts-, Finanz- und Währungspolitik nicht möglich wäre. Darüber hinaus stellen sie für Unternehmen, Verbände, Bürgerinnen und Bürger eine wichtige Informationsquelle dar (vgl. Statistisches Bundesamt, Wiesbaden 2012, in: https://www.destatis.de/DE/Methoden/Qualitaet/Qualitaetsberichte/Preise/ausfuhrpreise…, letzte Seite; zuletzt abgerufen am 24. Juni 2021).
2.3. § 11a Abs. 2 Satz 1 BStatG stellt zwar insbesondere einen Eingriff in die sich aus Art. 12 Abs. 1 GG ergebende Berufsfreiheit dar, der jedoch gerechtfertigt ist. Eingriffe in die Berufsfreiheit sind nach Art. 12 Abs. 1 Satz 2 GG erlaubt, wenn die eingreifende Norm kompetenzgemäß erlassen wurde und sie darüber hinaus auch durch hinreichende, der Art der betroffenen Betätigung und Intensität des jeweiligen Eingriffs Rechnung tragende Gründe des Gemeinwohls gerechtfertigt werden und dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit entsprechen (vgl. BVerfG, B.v. 3.7.2007 – 1 BvR 2186/06 – BeckRS 2007, 33074; B.v. 5.5.1987, a.a.O.). Dies ist hier zweifellos der Fall. Denn die Gewährleistung einer effektiven, möglichst einfachen und wirtschaftlichen Verwaltung stellt einen gewichtigen öffentlichen Belang dar. (vgl. OVG NRW, B.v. 22.12.2016 – 4 B 1001/16 -, juris Rn. 19). Die Pflicht nach § 11a Abs. 2 Satz 1 BStatG ist zu dessen Förderung geeignet und erforderlich. Es ist auch nicht erkennbar, dass Betriebe und Unternehmen dadurch über das angemessene Maß hinaus belastet werden.
Zwar arbeitet der Geschäftsführer der Klägerin in seinem Betriebsbüro allein. In der mündlichen Verhandlung äußerte er seine Abneigung gegen das Internet, mit dem er außer bei der Umsatzsteueranmeldung nicht arbeite und arbeiten wolle.
Doch selbst falls dem Geschäftsführer für die Übermittlung auf elektronischem Wege die notwendige Neigung oder die Voraussetzungen fehlen sollten, wie er vorbringt, er selbst zudem überlastet von Arbeit ist, könnte die Klägerin stets auf eine Internet kundige Person mit vertretbarem Aufwand zurückgreifen (wie es auch bei der Unternehmenswebseite aus Werbegründen, die von den Söhnen des Geschäftsführers eingerichtet worden war und von diesen gepflegt wird, möglich war) und müsste dies kraft Gesetzes auch tun.
Denn nach § 11a Abs. 2 BStatG sind Betriebe und Unternehmen nicht nur aufgerufen, sondern rechtlich verpflichtet, elektronische Verfahren zu nutzen, die ihnen für die Übermittlung der für eine Bundesstatistik zu erhebenden Daten zur Verfügung gestellt würden. Für die Ermittlung von Nettokaltmieten im Rahmen der Verbraucherpreisstatistik wird der Klägerin unbestritten ein sicheres elektronisches Verfahren zur Verfügung gestellt.
Somit ist auch auf die Klägerin bezogen die Verhältnismäßigkeit des Eingriffs in die Berufsfreiheit einzelfallbezogen gewahrt.
2.4. Eine Ausnahme nach § 11a Abs. 2 Satz 2 BStatG von dieser Übermittlungsverpflichtung auf elektronischem Wege wäre nur bei unbilliger Härte möglich, die einen unbestimmten Rechtsbegriff darstellt, der der Auslegung durch das Gericht zugänglich ist. Bei der Klägerin kann das Gericht eine unbillige Härte, die eine Ausnahme im Falle der Klägerin zuließe, jedoch nicht erkennen.
Gemäß § 11a Abs. 2 Satz 2 BStatG kann zur Vermeidung unbilliger Härten auf Antrag eine Ausnahme von der Pflicht zur elektronischen Datenübermittlung zugelassen werden. Die Verpflichtung, die geforderten Auskünfte zu erteilen, bleibt jedoch weiterhin bestehen. Eine unbillige Härte im Sinne des § 11a Abs. 2 Satz 2 BStatG ist gegeben, wenn die elektronische Übermittlung der Daten dem Auskunftspflichtigen nicht zuzumuten ist – und zwar im Vergleich mit den sonst von der Norm betroffenen Auskunftspflichtigen. Die unbillige Härte kann sich sowohl aus technischen als auch aus personenbezogenen Umständen bzw. Verhältnissen ergeben (VG Arnsberg, U.v. 27.8.2015 – 12 K 1126/14 – juris Rn. 15).
Eine technische Unzumutbarkeit liegt insbesondere dann vor, wenn der Auskunftspflichtige nicht über die erforderliche technische Ausstattung verfügt und es für ihn nur mit nicht unerheblichem finanziellen Aufwand möglich wäre, die für eine elektronische Datenübermittlung erforderlichen technischen Möglichkeiten zu schaffen (VG Gelsenkirchen, U.v. 11.9.2015 – 17 K 2126/14 – juris Rn. 22- 24, unter Verweis auf BR-Drs. 557/12, S. 87, letzter Absatz zu Nr. 5). Je nach Größe und Umsatz des Unternehmens kann vorausgesetzt werden, dass Unternehmen, die aktiv am Wirtschaftsleben teilnehmen und im Wettbewerb mit anderen Unternehmen stehen, über einen Internetzugang verfügen.
Eine persönliche Unzumutbarkeit läge vor, wenn der Auskunftspflichtige nach seinen individuellen Kenntnissen und Fähigkeiten nicht oder nur eingeschränkt vermag, die Möglichkeiten einer Datenfernübertragung zu nutzen. Grundsätzlich kann aber bei allen Personen, die mit einem Unternehmen oder einem Betrieb wirtschaftlich tätig sind, die persönliche Fähigkeit vorausgesetzt werden, dass sie entweder selbst oder durch beauftragte Personen (Mitarbeiter, Steuerberater, Verwandte etc.) im Internet einfache Handlungen, wie z. B. die Dateneingabe in vorgegebene Erfassungsmatrizen, durchführen können.
Die Klägerin ist eine Personenhandelsgesellschaft, so dass die unbillige Härte in der Gesellschaft vorliegen muss, eine solche in der Person des Geschäftsführers genügt nicht. Eine unbillige Härte kann angenommen werden, etwa wenn die technischen Voraussetzungen für die Nutzung des Online-Verfahrens nicht vorliegen würden und dem Betroffenen (der Kommanditgesellschaft) nicht zugemutet werden könnte, diese durch erhebliche Investitionen zu schaffen (s.o.). Die Anwendung des elektronischen Verfahrens begegnet bei der Klägerin indessen keinen nennenswerten Problemen, eine Unzumutbarkeit aus technischen Gründen wird nicht geltend gemacht und ist auch nicht erkennbar. Eine persönliche Unzumutbarkeit liegt nicht vor, denn der Geschäftsführer der Klägerin kann sich der Hilfe Dritter bedienen (vgl. VG Gelsenkirchen, U.v. 11.9.2015 – 17 K 2126/14 -, juris Rn. 20; VG Arnsberg, U.v. 27.8.2015 – 12 K 1126/14 -, juris Rn. 24). Dies ist ihm ebenso zumutbar wie bei jeder anderen gesetzlich angeordneten Pflicht, die im Rahmen des Geschäftsbetriebs zu erfüllen ist. Auf die Frage, ob der Geschäftsführer der Klägerin wegen seines Alters oder seiner als „Internetphobie“ bezeichneten Abneigung gegen das Internet eine unbillige Härte aus persönlichen Gründen geltend machen könnte, kommt es wegen der Möglichkeit, sich dritter Personen zu bedienen, nicht an.
Da also eine unbillige Härte im Sinne des § 11a Abs. 2 Satz 2 BStatG tatbestandlich nicht vorliegt, kommt es – im zweiten Schritt – erst gar nicht zu einer möglichen Ermessensentscheidung durch den Beklagten.
3. Die Klage war somit mit der Kostenfolge des § 154 Abs. 1 VwGO abzuweisen.
Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit folgt aus § 167 VwGO i.V.m. §§ 708 ff. ZPO.


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