IT- und Medienrecht

Unterlassungsanspruch wegen Abwerbung

Aktenzeichen  3 Ga 2/22

Datum:
8.3.2022
Rechtsgebiet:
Gerichtsart:
ArbG Gera 3. Kammer
Dokumenttyp:
Urteil
ECLI:
ECLI:DE:ARBGERA:2022:0308.3GA2.22.00
Spruchkörper:
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Tenor

1. Die Klage wird abgewiesen.
2. Die Kosten des Rechtsstreits hat die Verfügungsklägerin zu tragen.3. Der Wert des Streitgegenstandes wird auf 5.000,00 € festgesetzt.

Tatbestand

Die Antragstellerin und jetzige Verfügungsklägerin begehrt im Eilverfahren eine Verfügung zur Unterlassung abwerbenden Verhaltens.
Die Antragstellerin ist ein Personaldienstleister. Am 10.09.2021 wurde durch den bis zum 30.11.2021 bei ihr angestellten Geschäftsführer Herr B. und den ehemaligen Prokuristen G. ein Konkurrenzunternehmen, die später umbenannte N. GmbH gegründet. Herr B. wurde zum Geschäftsführer dieses Konkurrenzunternehmens bestellt.
Zum 31.12.2021 kündigten alle Verwaltungsmitarbeiter der Filiale R. und der Filiale G., u. a. der seit dem 01.05.2020 zuletzt als Regionalleiter beschäftigte Antragsgegner sowie Frau J.. Wegen der zwischen den Verfügungsparteien vereinbarten Arbeitsbedingungen, insbesondere die Klausel zur Geheimhaltung in § 4, wird auf den Arbeitsvertrag in Anlage K 6 verwiesen. Am 17.12.2021 teilte Herr B. dem nunmehrigen Geschäftsführer der Antragstellerin Herrn R. telefonisch mit, dass sich Mitarbeiter der Antragstellerin an ihn gewendet hätten zwecks einer Anstellung bei der N. GmbH, er jedoch niemanden aktiv abgeworben habe. Am 22.12.2021 erhielt die Antragstellerin ein Kuvert, welches 15 Kündigungen von Leiharbeitnehmern der Filiale R.l und ein weiteres Kuvert, welches 12 Kündigungen von Leiharbeitnehmern der Filiale G. enthielt. Der Antragsgegner und auch Frau J. sind inzwischen bei der N. GmbH beschäftigt.
Am 19.01.2022 versicherte der bei der Antragstellerin beschäftigte Leiharbeitnehmer Herr P. an Eides statt, ihm sei am 16.12.2021 vom Antragsgegner gesagt worden, dass er und Frau J. in ein neues Unternehmen wechseln würden. Er werde sich im Januar bei ihm melden zwecks Wechsels zur neuen Firma. Mit dem Kunden sei abgesprochen, dass er auf seinem bisherigen Arbeitsplatz beim bisherigen Entleiher bleiben könne. Obwohl er Herrn S. keine Freigabe erteilt habe, seine Daten mitzunehmen, weder Adresse noch Telefonnummer, habe ihn der Antragsgegner in der ersten Januarwoche regelmäßig kontaktiert, am 15.01.2022 auch Frau J.
Dem Chatverlauf über WhatsApp zufolge bat der Antragsgegner Herrn P. am 13.01.2022 um einen Rückruf. Am 14.01.2022 chatete er „Oder magst du uns nicht mehr“. Am 01.02.2022 fragte er an, ob Herr P. Interesse an einer Malerstelle habe, wenn ja, solle er Bescheid sagen. Herr P. antwortete, „Wo denn, Sorry Tele gerade schlecht, bin auf Arbeit Goldmännchen“, woraufhin der Antragsgegner ihm mitteilte, dass ihn Malermeister M. gerne kennenlernen würde. Auf die eidesstattlichen Versicherungen des Herrn P. vom 19.01.2022, vom 04.02.2022 und vom 01.03.2022 wird verwiesen.
Am 20.01.2022 versicherte die bei der Antragstellerin beschäftigte Leiharbeitnehmerin an Eides statt, Mitte Dezember 2021 sei ihr von Frau J. mitgeteilt worden, sie und der Antragsgegner würden in ein neues Unternehmen wechseln und es nicht klar wäre, was mit der Niederlassung dann weiter werde. Der Frage, ob sie mit wechseln wolle, habe sie zugestimmt. Sie habe Anfang Januar in die neue Firma kommen und einen Arbeitsvertrag zum 15.01.20222 unterzeichnen sollen. Ihr sei gesagt worden, dass Sie beim gleichen Kunden bleibe. Später, nachdem sie erfahren habe, dass die Niederlassung weiterbestehe, habe sie sich gegen einen Wechsel entschieden. Obwohl sie niemandem erlaubt habe, ihre Daten mitzunehmen, sei sie in der ersten Januarwoche von dem Antragsgegner kontaktiert worden und ihr eine Wechselprämie i. H. v. 500,00 € angeboten worden. Auf ihre eidesstattliche Versicherung vom 20.01.2022 wird verwiesen.
Die Antragstellerin und jetzige Verfügungsklägerin stellt folgende Anträge:
1. Der Antragsgegner wird verurteilt, es zu unterlassen, Mitarbeiter (m/w/d), die zur Antragstellerin in einem Beschäftigungsverhältnis stehen, unter Nutzung von Daten, von denen er im Zusammenhang mit seinem früheren Arbeitsverhältnis mit der Antragstellerin Kenntnis erlangt hat, für eine Beschäftigung bei einem anderen Arbeitgeber abzuwerben. Abwerben im Sinne dieser Bestimmung ist bereits das auf die Abwerbung gerichtete Verhalten, insbesondere die Kontaktaufnahme mit dem Ziel, abzuwerben; ein Erfolg ist nicht erforderlich.
2. Für jeden Fall der Zuwiderhandlung gegen die in Ziffer 1 genannte Verpflichtung wird dem Antragsgegner die Zahlung eines angemessenen Ordnungsgeldes im Einzelfall von 1.000,00 € – 250.000,00 €, mindestens in Höhe eines Bruttomonatsgehalts des Mitarbeiters (m/w/d), ersatzweise Ordnungshaft angedroht.
Der Antragsgegner und jetzige Verfügungsbeklagte beantragt,
den Antrag kostenpflichtig abzuweisen.
Der Antragsgegner bestreitet, er oder Frau J. hätten im Dezember 2021 Arbeitnehmer der Antragstellerin aufgefordert, ein neues Arbeitsverhältnis mit der N. GmbH einzugehen. Frau K. habe sich im Januar 2021 selbst telefonisch an den Antragsgegner gewandt, da nach ihrer Auffassung die Lohnabrechnung bei der Antragstellerin nicht ordnungsgemäß erfolgt sei. In diesem Telefonat seien dann auch die Möglichkeiten eines Arbeitsplatzwechsels und auch die Zahlung einer Prämie von 500,– € besprochen worden.
Der Antragsgegner habe zwar im Rahmen seines bestanden habenden Arbeitsverhältnisses mit der Antragstellerin über die Kontaktdaten der dort beschäftigten Leiharbeitnehmer verfügt, die darüber erlangten Kontaktdaten aber nicht mitgenommen oder nach Beendigung des Arbeitsverhältnisses verwendet. Herr P. habe von ihm persönlich privat im November eine Bettcouch gekauft. Zu diesem Zwecke habe er mit Herrn P. die Handy-Nummer ausgetauscht und auf seinem Handy gespeichert. Am 16.01.2022 habe sich Herr P. persönlich im Büro der N. GmbH wegen eines Arbeitsverhältnisses vorgestellt, weshalb er am 01.02.2022 bei Herrn P. sein Interesse an der Maler-Stelle abgefragt habe.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen sowie auf das Protokoll verwiesen.

Entscheidungsgründe

I. Der Antrag auf Erlass der begehrten Unterlassungsverfügung ist zulässig, aber unbegründet.
Ein Verfügungsanspruch gemäß § 6 Abs. 1 GeschGehG ist nicht gegeben. Danach kann der Inhaber eines Geschäftsgeheimnisses den Rechtsverletzer bei drohender Rechtsverletzung oder im Wiederholungsfall einer Rechtsverletzung auf Unterlassung in Anspruch nehmen.
1. Eine Rechtsverletzung ist nicht zu erkennen.
Die Kammer geht davon aus, dass gesammelte Daten über Adressen und Telefonnummern der verwalteten Leiharbeitnehmer ebenso wie gesammelte Daten über Adressen und Telefonnummern der Entleiher nicht allgemein zugänglich und damit geschütztes Geschäftsgeheimnis eines Personaldienstleisters sind. Der Antragsgegner war nach § 4 seines Arbeitsvertrages zur Geheimhaltung über die ihm zur Kenntnis gelangten Geschäftsgeheimnisse verpflichtet, nach Abs. 4 auch, soweit rechtlich zulässig, nach Beendigung des Arbeitsverhältnisses. Es kann dahin stehen, ob die allgemeine Geschäftsbedingung in § 4 des Arbeitsvertrages als sogenannte „Catch-All-Klausel“ nach § 307 BGB wirksam ist, da zumindest der Schutz des Geschäftsgeheimnisgesetzes zugunsten der Antragstellerin greift.
Eine Verwendung gesammelter Daten durch den Antragsgegner oder in gemeinschaftlichem Handeln durch den Antragsgegner zusammen mit Frau J. ist nicht vorgetragen. Allein aus der Kündigung von 12 Leiharbeitnehmern der Filiale G. folgt ein solcher nicht, da eine Einflussnahme des Antragsgegners oder in gemeinschaftlichem Handeln mit Frau J. auf diese Arbeitnehmer unter unbefugtem Zugriff auf ein Geschäftsgeheimnis nicht vorgetragen ist. Zum Zeitpunkt dieser Kündigungen war der Antragsgegner als Regionalleiter noch befugt, auf die gesammelten Arbeitnehmerdaten der Antragstellerin zuzugreifen.
Es ist auch nicht substantiiert vorgetragen, dass der Antragsgegner oder er im Zusammenwirken mit Frau J. unter Zugriff auf diese Daten zu Lasten der Antragstellerin auf die Leiharbeitnehmer, die ihr Arbeitsverhältnis gekündigt haben, eingewirkt hat. Sollte er diesen Leiharbeitnehmern während seines Arbeitsverhältnisses mitgeteilt haben, dass er sein Arbeitsverhältnis gekündigt habe und bei der Konkurrentin im neuen Jahr tätig sein wolle unter Hinweis, dass er nicht wisse, wie es mit der Filiale weitergehe, stellen diese Äußerungen für sich keine arbeitsvertragliche Pflichtverletzung dar. Will man das In-Aussicht-stellen einer Wechselmöglichkeit im Folgejahr gegenüber Herrn P. und Frau K. als unzulässiges Abwerbungsverhalten und damit als arbeitsvertragliche Pflichtverletzung einordnen, so folgt daraus jedoch nicht, dass ein solches Verhalten auch gegenüber denjenigen Mitarbeitern erfolgt ist, die tatsächlich zum Konkurrenzunternehmen gewechselt sind.
Nachvertraglich durfte der Antragsgegner grundsätzlich mangels wirksam vereinbarten nachvertraglichen Wettbewerbsverbotes, soweit er nicht gegen das Geschäftsgeheimnisgesetz verstieß, abwerben.
Die Kammer ist nicht davon überzeugt, dass der Antragsgegner unter Ausnutzung des Geschäftsgeheimnisses der Antragstellerin den Leiharbeitnehmer Herrn P. per WhatsApp kontaktiert hat. Die Antragstellerin hat nicht substantiiert vorgetragen, dass dem Antragsgegner die Kontaktdaten des Herrn P. allein resultierend aus dem Arbeitsverhältnis heraus bekannt waren. Die Kontaktdaten des Herrn P. waren dem Antragsgegner auch aufgrund des privaten Kaufes und Abholung der Bettcouch bekannt und deshalb auf dem Handy des Antragstellers gespeichert.
Die Kammer ist auch nicht davon überzeugt, dass der Antragsgegner unter Ausnutzung des Geschäftsgeheimnisses der Antragstellerin die Leiharbeitnehmerin Frau K. im Januar versucht hat, u.a. durch Angebot einer Wechselprämie i. H. v. 500,00 € abzuwerben. Die Antragstellerin ist darlegungspflichtig für den Verstoß gegen das Geschäftsgeheimnis. Sie hat behauptet und durch eidesstattliche Versicherung glaubhaft gemacht, dass sie im Januar 2022 von dem Antragsgegner kontaktiert worden sei, obwohl sie nicht erlaubt habe, ihre Daten mitzunehmen. Ein Telefongespräch zwischen ihr und dem Antragsgegner im Januar 2022, in welchem ihr
der Antragsgegner eine Wechselprämie angeboten hat, ist unstreitig. Bestritten ist jedoch, dass der Kontakt vom Antragsgegner ausging. Vielmehr habe Frau K. Frau J. wegen Unstimmigkeiten in der Lohnabrechnung kontaktiert und damit ihre Kontaktdaten preisgegeben. Hierzu hätte sich die Antragstellerin einlassen müssen und konkret vortragen müssen, wann der Kontakt unter Ausnutzung allein im Arbeitsverhältnis erlangter Kontaktdaten, deren Weitergabe nicht zugestimmt worden sei, durch die Antragstellerin oder bei gemeinschaftlichem Handeln durch Frau J. hergestellt worden sei.
2. Zumindest ist eine Wiederholungsgefahr einer Rechtsverletzung oder eine Gefahr einer erstmaliger Rechtsverletzung des geschützten Geschäftsgeheimnisses nicht zu erkennen. Ein unerlaubter Zugriff bzw. eine unerlaubte Nutzung von gesammelten Arbeitnehmerdaten aus dem bisherigen Arbeitsverhältnis oder der Versuch eines solchen Verhaltens durch den Antragsgegner oder gemeinschaftlich handelnd mit Frau J. ist über die Kontakte mit Herrn P. und Frau K. hinaus im Januar 2022 nicht vorgetragen.
II. Die Kostenentscheidung folgt aus § 91 ZPO.
III. Der Wert des Streitgegenstandes war gemäß § 61 Abs. 1 ArbGG festzusetzen.


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