IT- und Medienrecht

Unterlassungsansprüche wegen Werbung für homöopathische Arzneimittel mit Erfolgsversprechen

Aktenzeichen  1 HK O 11143/17

Datum:
10.4.2018
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
GRUR-RS – 2018, 11297
Gerichtsart:
LG
Gerichtsort:
München I
Rechtsweg:
Ordentliche Gerichtsbarkeit
Normen:
UWG § 3a, § 8 Abs. 1, Abs. 3 Nr. 3
HWG § 3 Nr. 2 a, § 3a S. 2

 

Leitsatz

1 Die Werbeaussage eines Testimonials „Bereits nach 6 Tagen regelmäßiger Einnahme haben sich meine Hautprobleme an Hals und Dekolleté sowie die Cellulite am Po deutlich verbessert“ kann als Wirksamkeitsversprechen unzulässig im Sinne des § 3 Nr. 2a HWG sein.  (Rn. 34 – 36) (red. LS Dirk Büch)
2 Die Werbung für eine Verbesserung von “Cellulite” ist eine Werbung außerhalb des Anwendungsgebietes nach § 3a S. 2 HWG, wenn das Medikament für das Anwendungsgebiet “Bindegewebsschwäche” zugelassen ist. (Rn. 38) (red. LS Dirk Büch)

Tenor

1. Die Beklagte wird verurteilt, es bei Meidung eines für jeden Fall der Zuwiderhandlung zu verhängenden Ordnungsgeldes bis zu 250.000,00 €, ersatzweise Ordnungshaft, oder einer Ordnungshaft bis zu 6 Monaten, diese zu vollziehen am Geschäftsführer,
zu unterlassen
im geschäftlichen Verkehr für das Mittel „Rev.“ Tabletten zu werben:
„Bereits nach 6 Tagen regelmäßiger Einnahme haben sich meine Hautprobleme an Hals und Dekolleté sowie die Cellulite am Po deutlich verbessert“,
wenn dies geschieht wie gemäß der Anzeigenwerbung in dem Fernsehmagazin „…“, Ausgabe …/2017 auf Seite 5 gemäß Anlage K 3.
2. Die Kosten des Verfahrens trägt die Beklagte.
3. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar hinsichtlich Ziffer 1. gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 10.000,00 €, hinsichtlich Ziffer 2. gegen Sicherheitsleistung in Höhe des zu vollstreckenden Betrags.

Gründe

Soweit der Rechtsstreit nicht übereinstimmend für erledigt erklärt wurde, war die Klage begründet. Der Kläger hat den geltend gemachten Unterlassungsanspruch hinsichtlich „Rev.“ gemäß § 8 Abs. 1, Absatz 3 Nr. 3, § 3 a UWG in Verbindung mit § 3 Nr. 2 a, § 3 a Satz 2 HWG. Hinsichtlich der übereinstimmend für erledigt erklärten Klageansprüche hat die Beklagte gemäß § 91 a ZPO die Kosten zu tragen, da die Klage insoweit von Anfang an bis zur Abgabe der Unterlassungserklärung vom 17.01.2018 zulässig und begründet gewesen wäre. Die Bewerbung von „Rev.“ enthält ein unzulässiges Erfolgsversprechen im Sinne § 3 Nr. 2 a HWG und ist außerhalb des zugelassenen Anwendungsgebiets gemäß § 3 a Satz 2 HWG. Die Bewerbung von „Res.“ als „Hilfe bei diabetischer Polyneuropathie“ ist außerhalb des zugelassenen Anwendungsgebiets gemäß § 3 a Satz 2 HWG.
1. Unterlassungsanspruch hinsichtlich „Rev.“ („Bereits nach 6 Tagen …“
a) Die Klage ist nicht rechtsmissbräuchlich im Sinne des § 8 Abs. 4 UWG. Es ist zwar gerichtsbekannt, dass der Kläger die Beklagte als Vertreiberin homöopathischer Arzneimittel mit zahlreichen Klageverfahren und Abmahnungen in Anspruch nimmt. Da die Beklagte aber auch zahlreiche Arzneimittel vertreibt und diese umfassend bewirbt, kann es dem Kläger nicht verwehrt werden, entsprechende unlautere Werbungen verbieten zu lassen. Anhaltspunkte dafür, dass der Kläger die Beklagte weit überwiegend zu Unrecht in Anspruch nimmt, sind nach dem Ergebnis jedenfalls der bei der 1. Kammer für Handelssachen anhängig gewesenen Verfahren nicht erkennbar. Auch eine Verfolgung bereits anhängiger Klagegegenstände wurde von der Beklagten nur behauptet, nicht jedoch substantiiert dargelegt. Selbst wenn in einzelnen Fällen eine doppelte Rechtshängigkeit vorliegen würde, so bedeutet dies noch nicht automatisch eine bewusste Schädigung der Beklagten, sondern kann genauso gut aufgrund der zahlreichen Verfahren am fehlenden Überblick der Klageseite liegen.
b) Die Klage ist auch nicht unzulässig wegen doppelter Rechtshängigkeit mit den Verfahren vor der 17. Handelskammer. Die doppelte Rechtshängigkeit ist als Zulässigkeitshindernis von Amts wegen zu prüfen. Eine Beiziehung der beiden Akten 17 HK O 933/17 und 17 HK O 4144/17, deren Inhalt den beiden hiesigen Parteien als den auch dort beteiligten Parteien selbstverständlich bekannt ist und nicht extra in die mündliche Verhandlung eingeführt werden musste, hat ergeben, dass dort zwar auch Unterlassungsansprüche hinsichtlich Rev. und der Wirksamkeit gegen Cellulite geltend gemacht werden. Allerdings handelt es sich dort um Werbung in anderen Zeitschriften zu anderen Zeitpunkten mit zwar ähnlichen, aber nicht unbedingt kerngleichen Aussagen.
c) Der Unterlassungsanspruch beruht auf §§ 3 Nr. 2 a HWG. § 3 a Satz 2 HWG. Die Werbung stellt sowohl ein unzulässiges Erfolgsversprechen als auch eine Werbung mit einem nicht zugelassenen Anwendungsgebiet dar.
aa) Unzulässiges Erfolgsversprechen, § 3 Nr. 2 a HWG:
Der Kläger hat nicht angegriffen, dass die auf der Werbung abgebildete Frau eine echte Zeugin im Sinne eines Testimonials (wie von der Beklagten dargelegt) sei. Es kommt also nicht darauf an, ob die abgebildete Zeugin mit der in Anführungszeichen zitierten Aussage so abgebildet werden darf. Vielmehr geht es darum, wie die angesprochenen Verkehrskreise diese Aussage verstehen.
Die Mitglieder der erkennenden Handelskammer (zu denen grundsätzlich auch Männer als angesprochene Verkehrskreise gehören, da auch diese im fortgeschritteneren Alter unter Hautproblemen und schlaffer Haut leiden können, mag auch der Begriff „Cellulite am Popo“ eher Frauen in fortgeschrittenem Alter ansprechen) verstehen dies nicht nur als einsame Aussage einer begeisterten Anwenderin, sondern als Aussage, die sich die Beklagte im Zusammenhang mit dem sonstigen Text in dieser Anzeige zu eigen macht. Die abgebildete Anwenderin soll genau das bestätigen, was die Klägerin selbst beschreibt mit „unschöne Dellen auf Po und Oberschenkeln, Falten an Hals und Dekolleté, schlaffe Haut an den Armen“.
Die abgebildete Zeugin spricht von einer „deutlichen“ Verbesserung bereits nach 6 Tagen regelmäßiger Einnahme und zwar sowohl bei Cellulite am Popo als auch bei Hautproblemen an Hals und Dekolleté. Die Zulassung für das Anwendungsgebiet „Bindegewebsschwäche“ bedeutet noch lange nicht, dass in dieser extrem kurzen Zeitspanne bereits „deutliche“ Verbesserungen optisch zu erkennen wären. Für eine „deutliche“ Verbesserung gibt es keinerlei Darlegungen der Beklagten.
Die Studie von R. Jugdaohsingh (London) vom März/April 2007 (B 12) befasst sich nur mit dem Wirkstoff „Silicium/Silicon“ und die Auswirkungen auf die menschlichen Knochen insbesondere im Zusammenhang mit Osteoporose, nicht jedoch mit der Verbesserung des Erscheinungsbildes schlaffer Haut und Cellulite am Popo.
bb) Werbung außerhalb des Anwendungsgebiets § 3 a Satz 2 HWG:
Für eine „Verbesserung von Cellulite“ ist das Medikament nicht zugelassen, sondern für das Anwendungsgebiet „Bindegewebsschwäche“. Es mag zwar sein, dass Cellulite auch auf Bindegewebsschwäche beruht, das heißt, dass Bindegewebsschwäche eine der Ursachen von Cellulite ist. Da aber Bindegewebsschwäche nach den vorgelegten Unterlagen beider Parteien nur eine Ursache ist und hier weitere Ursachen wie Übergewicht, altersbedingte Erschlaffung des Bindegewebes und fehlende Sportlichkeit zu dem „unschönen Erscheinungsbild auf Po und Oberschenkeln“ beitragen, geht die Werbung mit einer Wirkung gegen „Cellulite am Popo“ und „Hautprobleme an Hals und Dekolleté“ über das zugelassene Anwendungsgebiet hinaus. Dass „Hautprobleme an Hals und Dekolleté“ auch unter den Begriff „Cellulite“ zu subsumieren wären, ist der erkennenden Kammer unbekannt. Jedenfalls spricht die streitgegenständliche Werbung auch nicht von „Cellulite an Hals und Dekolleté“.
2. Kosten:
Die Beklagte hat insgesamt, auch hinsichtlich der erledigten Teile, wie Kosten des Verfahrens zu tragen.
a) Hinsichtlich des tenorierten Unterlassungsanspruchs: § 91 ZPO.
b) Hinsichtlich der übereinstimmend für erledigt erklärten Klageanträge beruht der Kostenausspruch auf § 91 a ZPO. Die ursprünglich zulässige und begründete Klage hat sich durch die strafbewehrte Unterlassungserklärung der Beklagten vom 17.01.2018 (K 18) erledigt. Da die Klage hinsichtlich der drei mit den Unterlassungserklärungen erledigten Klageanträge jedoch begründet gewesen wäre, hat die Beklagte insoweit nach § 91 a ZPO die Kosten zu tragen.
aa) Ursprüngliche Klageanträge 1.1. und 1.2. zu „Rev.“ („… rettet Ihren Sommer“):
Da die Beklagte hier eine Wirkung („Dieses Arzneimittel kann Ihren Sommer retten!“) bei „Cellulite, Falten und schlaffer Haut an Hals und Dekolleté sowie an den Armen“ bewirbt, ist diese Werbung gemäß § 3 a Satz 2 HWG außerhalb des Zulassungsgebiets „Bindegewebsschwäche“. Hier wird auf die obigen Ausführungen zu 1 c bb) Bezug genommen. Selbst wenn nach der Studie gemäß Anlage B 12 eine gewisse positive Auswirkung auf das Bindegewebe durch die Einnahme von Silicium durch die Beklagte nachgewiesen sein sollte, bedeutet dies noch lange nicht, dass das streitgegenständliche Mittel in dieser homöopathischen Potenzierung (Verdünnung) diese Wirkungen haben kann, insbesondere auch bei Falten an Hals und Dekolleté und schlaffer Haut. Denn Falten und schlaffe Haut haben ihre Ursache nicht unbedingt in Bindegewebsschwäche.
Auch enthält die Aussage „kann Ihren Sommer retten“ ein Erfolgsversprechen im Sinne des § 3 Nr. 2 a HWG: die angesprochenen Verkehrskreise verstehen diese Werbung dahingehend, dass das Erscheinungsbild der Haut an den beschriebenen Stellen so verbessert wird, dass auch Kleidung getragen werden kann, die die entsprechenden „unschönen“ Hautpartien nicht bedeckt, das heißt, dass sich die Nutzerin mit ihren Hautproblemen nicht mehr bedecken muss. Dies ist klar ein Wirkversprechen.
bb) ursprünglicher Klageantrag 2 zu „Res.“:
Es handelte sich bei der streitgegenständlichen Werbung ebenfalls um die Werbung mit einem nicht zugelassenen Anwendungsgebiet gemäß § 3 a Satz 2 HWG. Die Zulassung für „Neuralgien (Nervenschmerzen)“ bedeutet nicht gleichzeitig den speziellen Fall der diabetischen Polyneuropathie, bei der die Nerven dauerhaft durch die erhöhten Blutzuckerwerte geschädigt wurden. Die Zulassung besteht dem Wortlaut nach für „Neuralgien (Nervenschmerzen)“. Die Beklagte verwendet nicht ein Synonym in ihrer Werbung. Sie beschreibt nicht Schmerzen, sondern unangenehme Gefühle wie „brennende Sohlen, Taubheitsgefühle in Beinen und Füßen, Kribbeln“. Taubheitsgefühle sind nach dem Verständnis der erkennenden Kammer genau das Gegenteil von Nervenschmerzen, ebenso Kribbeln, das wohl aufgrund Durchblutungsstörungen bei Diabetes entstehen kann. Die Werbung der Beklagten geht daher über das zugelassene Anwendungsgebiet hinaus und wäre gemäß § 3 Nr. 2 a HWG unzulässig gewesen.
3. Vorläufige Vollstreckbarkeit:
§ 709 Satz 1 und 2 ZPO


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