IT- und Medienrecht

Unzulässige Einschränkung von Zahlungsmöglichkeiten bei Abschluss von Versicherungsverträgen

Aktenzeichen  17 HK O 10145/19

Datum:
17.9.2020
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
WRP – 2020, 1645
Gerichtsart:
LG
Gerichtsort:
München I
Rechtsweg:
Ordentliche Gerichtsbarkeit
Normen:
UWG § 3a
VO (EU) Nr. 260/2012 Art. 9 Abs. 2

 

Leitsatz

1. Es verstößt gegen Art. 9 Abs. 2 der Verordnung (EU) Nr. 260/2012, wenn bei Abschluss eines Versicherungsvertrages die Angabe eines deutschen Bankkontos für die Einziehung von Lastschriften verlangt wird. (Rn. 13 – 16) (redaktioneller Leitsatz)
2. Bei Art. 9 Abs. 2 der Verordnung (EU) Nr. 260/2012 handelt es sich um eine Marktverhaltensvorschrift im Sinne von § 3a UWG. (Rn. 19) (redaktioneller Leitsatz)

Tenor

I) Die Beklagte wird verurteilt, es bei Meidung eines für jeden Fall der Zuwiderhandlung fälligen Ordnungsgeldes in Höhe von bis zu 250.000,00 €, ersatzweise Ordnungshaft, oder Ordnungshaft bis zu 6 Monaten, zu vollziehen an den Mitgliedern des Vorstandes, zu unterlassen, im geschäftlichen Verkehr im Rahmen des Abschlusses von Versicherungsverträgen die Möglichkeiten der Zahlung per Lastschrift von Konten im SEPA-Raum einzuschränken, insbesondere die Zahlungsmöglichkeit per Lastschrift auf den Einzug von deutschen Bankkonten zu beschränken, wie dies geschieht wie mit dem Schreiben gemäß der Anlage K 1.
II) Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger 299,60 € nebst Zinsen hieraus in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz gemäß § 247 BGB seit 21.08.2019 zu zahlen.
III) Die Beklagte trägt die Kosten des Rechtsstreits.
IV) Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar, in Ziffer I) gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 25.000,00 €, im Übrigen gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 110 Prozent des zu vollstreckenden Betrages.

Gründe

A)
Die zulässige Klage erweist sich aus den nachfolgenden Gründen vollumfänglich als begründet:
I)
Der geltend gemachte Unterlassungsanspruch ist begründet nach §§ 8 Abs. 1, Abs. 3 Nummer 2; 3 a UWG in Verbindung mit Art. 9 Abs. 2 SEPA-VO:
1) Der Kläger ist zur Geltendmachung der Ansprüche nach § 8 Abs. 3 Nummer 2 UWG aktiv legitimiert.
2) Die Beklagte hat gegen Art. 9 Abs. 2 SEPA-VO verstoßen.
a) Der Zeuge … wollte bei der Beklagten einen Versicherungsvertrag abschließen und hatte dabei bezüglich des Lastschrifteinzugs ein niederländisches Konto angegeben.
b) Nach Art. 9 Abs. 2 SEPA-VO darf ein Zahlungsempfänger, hier also die Beklagte, der eine Überweisung annimmt oder eine Lastschrift verwendet, um Geldbeträge von einem Zahler, hier dem Zeugen …, einzuziehen, nicht vorgeben, in welchem Mitgliedstaat dieses Zahlungskonto zu führen ist.
c) Hiergegen hat die Beklagte aber mit dem Nachbearbeitungsauftrag entsprechend Anlagen K 1, K 6 verstoßen. Denn wie die Beklagte selbst vorgetragen hat, hat der Sachbearbeiter der Beklagten das von dem Zeugen … angegebene ausländische Konto nicht akzeptiert, dem Zeugen daraufhin den Nachbearbeitungsauftrag übersandt und mit diesem dem Zeugen vorgegeben, eine im Inland geführte Bankverbindung anzugeben. Somit wurde dem Zeugen vorgegeben, in welchem Mitgliedstaat dieser sein Zahlungskonto zu führen habe.
Damit lag ein Verstoß gegen Art. 9 Abs. 2 SEPA-VO vor.
d) Der Umstand dass, wie von der Beklagten vorgetragen, es sich bei dem Nachbearbeitungsauftrag um eine von dem Sachbearbeiter selbst gestrickte Formulierung gehandelt habe, kann die Beklagte nicht entlasten, weil sie sich dieses Verhalten ihres Mitarbeiters nach § 8 Abs. 2 UWG zurechnen lassen muss.
3) Bei Art. 9 Abs. 2 SEPA-VO handelt es sich um eine Marktverhaltensvorschrift im Sinne von § 3 a UWG (vergleiche BGH, Urteil vom 06.02.2020, Aktenzeichen I ZR 93/18, Rn. 38 ff). Die Vorschrift regelt das Marktverhalten des Zahlungsempfängers und damit derjenigen Person, die Inhaber eines Zahlungskontos ist und die den bei einem Zahlungsvorgang transferierten Geldbetrag als Empfänger erhalten soll. Davon betroffen sind insbesondere Unternehmer, die Verbrauchern Waren oder Dienstleistungen anbieten. Damit regelt Art. 9 Abs. 2 SePA-VO das Marktverhalten von Unternehmern gerade auch im Interesse der Verbraucher als Marktteilnehmer. Die Vorschrift schützt die Freiheit des Verbrauchers, Zahlungen über ein Konto in einem anderen Mitgliedstaat als denjenigen seines Wohnsitzes abzuwickeln. Bei einem Verstoß gegen Art. 9 Abs. 2 SEPA-VO ist die Verhaltensfreiheit der Verbraucher in Bezug auf die Bestellung von Waren oder Dienstleistungen und damit in Bezug auf ihre Marktteilnahme eingeschränkt. (Vergleiche BGH a.a.O.).
4) Damit erweist sich der geltend gemachte Unterlassungsanspruch als begründet gemäß §§ 8 Abs. 1, Abs. 3 Nummer 2; 3 a UWG in Verbindung mit Art. 9 Abs. 2 SEPA-VO.
II)
Der geltend gemachte Zahlungsanspruch ist begründet nach § 12 Absatz 1 Satz 2 UWG.
Wie sich aus den obigen Ausführungen ergibt, war die seitens des Klägers am 15.04.2019 ausgesprochene Abmahnung berechtigt, sodass der Kläger Anspruch auf Erstattung der dafür erforderlichen Aufwendungen im Sinne einer Pauschale hat. Diese beläuft sich nach der Berechnung der Klagepartei, welche nicht substantiiert bestritten wurde, auf 299,60 €.
Die geltend gemachten Verzugszinsen sind begründet nach §§ 288, 291 BGB.
B)
Die Kostenentscheidung beruht auf § 91 Abs. 1 ZPO.
C)
Vorläufige Vollstreckbarkeit: § 709 Satz 1, Satz 2 ZPO.


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