IT- und Medienrecht

Unzulässiger Hinweis an Verbraucher über die Verlängerung eines Fitnessstudiovertrags wegen Schließung

Aktenzeichen  11 O 684/21 UWG

Datum:
24.8.2021
Rechtsgebiet:
Gerichtsart:
LG
Gerichtsort:
Würzburg
Rechtsweg:
Ordentliche Gerichtsbarkeit
Normen:
UWG § 5 Abs. 1 S. 2 Nr. 7
BGB § 275, § 326 Abs. 1

 

Leitsatz

1. Die Äußerung des Betreibers eines Fitnessstudios, die Vertragslaufzeit verschiebe sich um den Zeitraum der aufgrund der Corona-Pandemie behördlich angeordneten Schließung des Fitnessstudios, kann nach § 5 Abs. 1 S. 2 Nr. 7 UWG unzulässig sein. (Rn. 25 – 30) (redaktioneller Leitsatz)
2. Während einer behördlich angeordneten Schließung eines Fitnessstudios entfällt der Vergütungsanspruch des Fitnessstudios gemäß den §§ 275, 326 Abs. 1 BGB, sodass sowohl der Kunde als auch der Betreiber von ihren jeweiligen Pflichten frei werden. (Rn. 31) (redaktioneller Leitsatz)

Tenor

I. Die Beklagte wird verurteilt,
1. es bei Meidung eines für jeden Fall der Zuwiderhandlung festzusetzenden Ordnunggeldes bis zu 250.000,- €, ersatzweise Ordnungshaft bis zu sechs Monaten oder Ordnungshaft bis zu sechs Monaten, diese zu vollstrecken an ihren Geschäftsführern, zu unterlassen, im Rahmen geschäftlicher Handlungen gegenüber Verbrauchern, die einen Mitgliedsvertrag über die Nutzung von Fitnessangeboten in Fitnessstudios mit einer vertraglich vereinbarten Laufzeit abgeschlossen haben, für den Fall, dass die Studios aufgrund behördlicher Anordnung geschlossen werden,
a) mitzuteilen, dass sich die Laufzeit und die Schließzeit verlängert und/oder
b) zu formulieren „Es gibt bereits mehrere Gerichtsurteile zu der nunmehr relevanten Sachverhaltskonstellationen“ und dabei Bezug auf näher bezeichnete Gerichtsentscheidungen zu nehmen, in denen keine Entscheidung über die Zulässigkeit einer einseitigen Vertragsverlängerung um den Zeitraum einer behördlich angeordneten Schließung getroffen wurden.
2. an den Kläger 210,00 € nebst Zinsen hieraus in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit 17.5.2021 zu zahlen.
II. Die Beklagte hat die Kosten des Rechtsstreits zu tragen.
III. Das Urteil ist gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 10.000,- € vorläufig vollstreckbar.
IV. Der Streitwert wird auf 25.000,- € festgesetzt.

Gründe

Die zulässige Klage ist vollumfänglich begründet.
Entgegen dem Urteil des Landgerichts Würzburg vom 23.10.2020, 1 HK O 1250/20, kommt die erkennende Kammer zu der Auffassung, dass die beanstandete Äußerung der Beklagten, die trainingsfreie Zeit werde als Vertragsverlängerung angesehen bzw. die Vertragslaufzeit verschiebe sich um den Zeitraum der Schließung, im Gesamtkontext betrachtet, sich als Tatsachenbehauptung darstellt und nicht bloß die Äußerung einer Rechtsansicht enthält. Die Beklagte hat nicht nur die Rechtsansicht geäußert, dass es zu einer entsprechenden Vertragsverlängerung kommt, sondern aus Sicht des Verbrauchers wurde diesem verbindlich mitgeteilt, dass eine entsprechende Vertragsverlängerung verbindlich erfolgt bzw. feststeht. Insoweit ist der Sachverhalt, wie auch die Klägerseite zutreffend ausführt, nicht identisch mit dem von der Handelskammer entschiedenen Sachverhalt. Nach zuvor erfolgter Bestätigung der Kündigung konnte der hier betroffene Verbraucher die Äußerungen der Beklagtenseite nicht anders verstehen.
Gemäß § 5 Abs. 1, 1 UWG handelt unlauter, wer eine irreführende geschäftliche Handlung vornimmt, die geeignet ist, den Verbraucher oder sonstige Marktteilnehmer zu einer geschäftlichen Entscheidung zu verlassen, die er anderenfalls nicht getroffen hätte. Nach § 5 Abs. 1, 2 UWG ist eine geschäftliche Handlung irreführend, wenn sie unwahre Angaben oder sonstige zur Täuschung geeignete Angaben über die in den Nummern 1-7 aufgeführten Umstände enthält, wobei der Kläger hier zutreffend auf Nr. 7 (Rechte des Verbrauchers) abstellt.
Aussagen über die Rechtslage werden nach der Rechtsprechung des BGH nur in bestimmten Fällen von § 5 Abs. 1 UWG erfasst, wobei entscheidend ist, wie der Verbraucher die Äußerung des Unternehmers unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalls, insbesondere der Art und Weise der Äußerung auffassen muss (BGH GR UR 2019, 754 Rn. 30). Ist für die betroffenen Verkehrskreise erkennbar, dass es sich um eine im Rahmen der Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung geäußerter Rechtsansicht handelt, fehlt diese Äußerung, die zur Erfüllung des Tatbestands der Irreführung erforderliche Eignung zur Täuschung, es sei denn, der Unternehmer behauptet eine eindeutige Rechtslage, die tatsächlich nicht besteht, sofern der angesprochene Kunde die Aussage nicht als Äußerung einer Rechtsansicht, sondern als Feststellung versteht (BGH a.a.O., Rn. 31, 32).
Zwar ist die Kritik des Klägers an der Rechtsprechung des BGHs, der nach Auffassung des Klägers Art. 6 der RL 2005/29/EG als unionsrechtliche Grundlage von § 5 UWG nicht genügend berücksichtigt habe, festzustellen, dass sich der BGH in der zitierten Entscheidung ausführlich mit der entprechenden Norm als Richtlinie auseinandersetzt (vgl. BGH a.a.O., Rn. 26-28).
Gemessen an diesen Grundsätzen kommt die Kammer dennoch zu den Überzeugung, dass die Äußerung der Beklagten unter § 5 I 2 Nr. 7 UWG fällt. Im Kontext der Korrespondenz der Beklagten mit dem konkreten Verbraucher kann die beanstandete Äußerung der Beklagten nicht nur als Darlegung einer Rechtsansicht verstanden werden, sondern ein verständiger Verbraucher konnte die Äußerung der Beklagten nicht so verstehen, dass nur auf eine konkrete Form der Vertragsanpassung hingewirkt werden sollte. Die beanstandete Äußerung der Beklagten konnte von dem Verbraucher nur so verstanden werden, dass trotz seiner Kündigung die behauptete Verlängerung des Vertrages tatsächlich eintritt.
Die Kammer folgt daher nicht der Auffassung der Handelskammer, dass auch im vorliegenden Fall die Rechtslage nicht im Wettbewerbsprozess, sondern in dem Rechtsverhältnis zu prüfen und zu entscheiden sei, auf das sich diese Rechtsansicht bezieht (so BGH GR UR 2019, 754 Rn. 31).
Die erkennende Kammer schließt sich nach eingehender Prüfung der Rechtsansicht des Landgerichts Osnabrück im Urteil vom 9.7.2021 (2 S 35/21, Beck RS 2021, 17881) an, wonach letztlich der Vergütungsanspruch des Fitnessstudios gemäß den §§ 275, 326 I, 4 BGB entfällt mit der Folge, dass sowohl die Beklagte als auch ihre Kunden von ihren jeweiligen Pflichten frei werden. Insbesondere ist die Begründung des Landgerichts Osnabrück gut nachvollziehbar, dass es der Regelung des Art. 240, § 5 EGBGB durch den Gesetzgeber nicht bedurft hätte, wenn die jeweiligen Verträge über die Regeln des Wegfalls der Geschäftsgrundlage problemlos hätten angepasst werden können., Sie würde im Übrigen obsolet, also soweit der Veranstalter/Betreiber das Mitglied auf eine Vertragsanpassung verweisen könnte, anstatt dem Mitglied – wie gesetzlich vorgesehen – einen Gutschein anzubieten. Eine solche Alternativlösung hat die Beklagte aber in , dem beanstandeten Schreiben nicht angeboten. Dies wurde nur in der Mail vom 20.4.2020 ins Gespräch gebracht, aber im Weiteren von der Beklagten nicht mehr aufgegriffen.
Nach allem musste der Verbraucher aus verständiger Sicht die Äußerung der Beklagtenseite zu diesem Thema so verstehen, dass sich sein Vertrag trotz der bestätigten Kündigung verlängert.
Eine solche Verlängerung trotz Kündigung wäre im Übrigen unbillig, da ein Verbraucher, z.B. bei, einem Umzug oder aus gesundheitlichen Gründen u.U. die Leistung nicht mehr annehmen kann und er dann von der Verlängerung der Laufzeit überhaupt nichts hat.
Demgegenüber ist die Kammer der Überzeugung, dass sich der Anspruch nicht aus § 3 a UWG i.V.m. § 309 Nr. 9 BGB ergibt, da diese Vorschriften nicht zugunsten des Klägers einschlägig sind. Dies folgt bereits daraus, dass § 309 Nr. 9 BGB dem Wortlaut nach nur für Vertragsverhältnisse gilt, welche die regelmäßige Erbringung von Dienst- oder Werkleistungen zum Gegenstand haben. Der als Gebrauchsüberlassungsvertrag zu qualifizierende Vertrag für die Nutzung eines Fitnessstudios wird vom Anwendungsbereich des § 309 Nr. 9 BGB nicht erfasst (BGH NJW 2012, 1431, Rn. 17). Hieran ändern auch evtl. von der Beklagtenseite angebotene Nebenleistungen, z.B. Schulung oder Einweisung in die Geräte, nichts, da dann ein gemischter Vertrag vorläge, der aber eindeutig an dem Schwerpunkt des Vertrags als Gebrauchsüberlassungsvertrag nichts ändert. Letztlich kann dies auch dahinstehen.
Die Klage ist auch insoweit begründet, als der Kläger die Zitierung von Gerichtsurteilen durch die Beklagte moniert. Insoweit handelt es sich um einen Verstoß gegen § 5 Abs. 1 UWG. Die beanstandete Äußerung stellt sich im Kontekt des gesamten Schriftwechsels nicht nur als Versuch der Beklagten dar, ihre bis dato vorgebrachten Rechtsansichten zu stützen. Im Zusammenhang gesehen kann ein verständiger Verbraucher den Hinweis auf die beiden Gerichtsentscheidungen nur so verstehen, dass diese tatsächlich die Situation der Pandemie betreffen und nicht nur allgemein das Problem des Wegfalls der Geschäftsgrundlage. Die Beklagte hat zwar nicht behauptet, dass insoweit bereit eine feststehende Rechtsprechung gegeben sei. Die Äußerung, es gebe bereits mehrere Gerichtsurteile zu der nunmehr relevanten Sachverhaltskonstellation, kann ein verständiger Verbraucher nur so verstehen, dass diese zitierten Entscheidungen sich auf die Rechtslage bei corona-bedingten Schließungen konkret beziehen und nicht nur allgemein auf den Wegfall der Geschäftsgrundlage. Dadurch liegt auch insoweit eine wettbewerbswidrige Aussage vor. Der Verbraucher soll ersichtlich hierdurch beeinflusst werden, die behauptete Vertragsverlänge-, rung zu akzeptieren und anzunehmen.
Die Kostenentscheidung ergibt sich aus § 91 ZPO.
Die Entscheidung hinsichtlich der vorläufigen Vollstreckbarkeit beruht auf § 709 S. 1 ZPO.
Der Streitwert wurde gemäß § 3 ZPO festgesetzt.


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