IT- und Medienrecht

Unzulässigkeit der Zusendung von Werbe-E-Mails an Privatpersonen ohne Einwilligung

Aktenzeichen  2 C 124/21

Datum:
3.8.2021
Rechtsgebiet:
Gerichtsart:
AG
Gerichtsort:
Neumarkt
Rechtsweg:
Ordentliche Gerichtsbarkeit
Normen:
BGB § 823 Abs. 1, § 1004 Abs. 1 S. 2
GG Art. 1 Abs. 1, Art. 2
EMRK Art. 8 Abs. 1 EMRK

 

Leitsatz

1. Die Versendung von elektronischer Post für die Zwecke der Werbung ohne Einwilligung des Empfängers stellt grundsätzlich einen Eingriff in dessen geschützte Privatsphäre und damit in sein allgemeines Persönlichkeitsrecht dar. (Rn. 12 – 13) (redaktioneller Leitsatz)
2. Für die Einwilligung in die Zusendung von Werbe-E-Mails trägt der Versendende die Darlegungs- und Beweislast, wobei für den Nachweis des Einverständnisses erforderlich ist, dass der Werbende die konkrete Einverständniserklärung jedes einzelnen Verbrauchers vollständig dokumentiert. (Rn. 14) (redaktioneller Leitsatz)
3. Der durch das ohne Einwilligung in die Übersendung erfolgte Eingriff in das allgemeine Persönlichkeitsrecht des Empfängers ist rechtswidrig. (Rn. 15 – 17) (redaktioneller Leitsatz)
4. Eine auf konkrete Mailadressen beschränkte Unterlassungserklärung hinsichtlich der Zusendung von Werbe-E-Mails ohne Einwilligung ist nicht ausreichend, um die aufgrund der Begehung zu vermutende Wiederholungsgefahr auszuräumen. (Rn. 18 – 20) (redaktioneller Leitsatz)

Tenor

1. Die Beklagte wird verurteilt, es bei Meidung eines vom Gericht für jeden Fall der Zuwiderhandlung festzusetzenden Ordnungsgeldes von bis zu 250.000,00 €, ersatzweise Ordnungshaft, oder Ordnungshaft bis zu sechs Monaten, zu vollziehen an dem Geschäftsführer der Beklagten, zu unterlassen, Werbung an eine E-Mail-Adresse des Klägers zu senden oder senden zu lassen, wenn der Kläger nicht zuvor in die Zusendung eingewilligt hat.
2. Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger 147,56 € nebst Zinsen hieraus in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit 04.12.2020 zu zahlen.
3. Die Beklagte hat die Kosten des Rechtsstreits zu tragen.
4. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar, für den Kläger gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 1.500,00 €.
Beschluss
Der Streitwert wird auf 1.000,00 € festgesetzt.

Gründe

Die zulässige Klage ist vollumfänglich begründet.
A.
Die Klage ist zulässig, insbesondere ist das Amtsgericht Neumarkt örtlich und sachlich zuständig gemäß § 1 ZPO, §§ 71 I, 23 GVG und § 32 ZPO, da der Kläger zum Zeitpunkt der Zusendung der Email seinen Wohnsitz ausschließlich in N. in der Oberpfalz hatte und somit der Erfolgsort der unerlaubten Handlung im Zuständigkeitsbereich des Amtsgerichts Neumarkt liegt.
B.
Die Klage ist vollumfänglich begründet, der Kläger hat einen Unterlassungsanspruch gegen die Beklagte aufgrund von eines rechtswidrigen Eingriffs in das allgemeinen Persönlichkeitsrecht gem. §§ 823 Abs. 1, 1004 Abs. 1 Satz 2 BGB analog, Art. 1 Abs. 1, Art. 2 Abs. 2 GG, Art. 8 Abs. 1 EMRK.
I. In der Zusendung der Werbe-Emails an die E-Mail-Adresse des Klägers liegt ein Eingriff in das allgemeine Persönlichkeitsrecht des Klägers.
1. Die Verwendung von elektronischer Post für die Zwecke der Werbung ohne Einwilligung des Klägers stellt grundsätzlich einen Eingriff in seine geschützte Privatsphäre und damit in sein allgemeines Persönlichkeitsrecht dar. Das allgemeine Persönlichkeitsrecht schützt den Bereich privater Lebensgestaltung und gibt dem Betroffenen das Recht, im privaten Bereich in Ruhe gelassen zu werden (vgl. Senat, BGHZ 131, 332 [337] = NJW 1996, 1128; BVerfGE 35, 202 [220] = NJW 1973, 1226 = GRUR 1973, 541; BVerfGE 44, 197 [203] = NJW 1977, 2205). Hieraus folgt ein Recht des Einzelnen, seine Privatsphäre freizuhalten von unerwünschter Einflussnahme anderer, und die Möglichkeit des Betroffenen, selbst darüber zu entscheiden, mit welchen Personen und gegebenenfalls in welchem Umfang er mit ihnen Kontakt haben will. Das allgemeine Persönlichkeitsrecht kann deshalb vor Belästigungen schützen, die von einer unerwünschten Kontaktaufnahme ausgehen. In der bloßen – als solche nicht ehrverletzenden – Kontaktaufnahme kann aber regelmäßig nur dann eine Beeinträchtigung des allgemeinen Persönlichkeitsrechts liegen, wenn sie gegen den eindeutig erklärten Willen des Betroffenen erfolgt, weil ansonsten die Freiheit kommunikativen Verhaltens schwerwiegend beeinträchtigt wäre (vgl. Senat, NJW 2011, 1005 Rn. 8 und NJW 2016, 870 = GRUR 2016, 530 Rn. 12).
Nach Art. 13 Abs. 1 der Datenschutz-RL EK ist die Verwendung von elektronischer Post jedoch für die Zwecke der Direktwerbung nur bei vorheriger Einwilligung der Teilnehmer oder Nutzer zulässig. Ungeachtet des Art. 13 Abs. 1 der Datenschutz-RL EK kann eine natürliche oder juristische Person, wenn sie von ihren Kunden im Zusammenhang mit dem Verkauf eines Produkts oder einer Dienstleistung gemäß der RL 95/46/EG deren elektronische Kontaktinformationen für elektronische Post erhalten hat, diese zur Direktwerbung für eigene ähnliche Produkte oder Dienstleistungen nur verwenden, sofern die Kunden klar und deutlich die Möglichkeit erhalten, eine solche Nutzung ihrer elektronischen Kontaktinformationen bei deren Erhebung und bei jeder Übertragung gebührenfrei und problemlos abzulehnen, wenn der Kunde diese Nutzung nicht von vornherein abgelehnt hat (Art. 13 Abs. 2 Datenschutz-RL EK). Aus den Erwägungsgründen 1, 12 und 40 sowie Art. 1 Abs. 1 der Datenschutz-RL EK ergibt sich, dass diese Regelungen dem Schutz der Privatsphäre der Nutzer im Bereich der elektronischen Kommunikation dienen soll (Köhler in Köhler/Bornkamm/Feddersen, § 7 Rn. 2, 184; MüKoUWG/Leible, 2. Aufl., § 7 Rn. 31; Ohly in Ohly/Sosnitza, UWG, 7. Aufl., § 7 Rn. 8). Der BGH konnte in seinem Urteil v. 15.12.2015 (NJW 2016, 870 = GRUR 2016, 530 Rn. 15) dahinstehen lassen, ob der Regelung des Art. 13 der Datenschutz-RL EK aufgrund des Gebots zur richtlinienkonformen Auslegung (vgl. BGHZ 179, 27 = NJW 2009, 427 Rn. 19 mwN; BGHZ 201, 101 = NJW 2014, 2646 Rn. 20) dadurch Geltung zu verschaffen ist, dass sich ein Verstoß gegen diese Regelung grundsätzlich als Eingriff in das allgemeine Persönlichkeitsrecht darstellt (vgl. Ohly in Ohly/Sosnitza, § 7 Rn. 9 a.E., 17 f.; Peters, Die Entwicklung der E-Mail-Werbung unter besonderer Berücksichtigung der UWG-Reform, 2006, 173 ff.; Menebröcker in Götting/Nordemann, UWG, 2. Aufl., § 7 Rn. 15; GK-UWG/Pahlow, 2. Aufl., § 7 Rn. 210; Heese, JZ 2016, 529 [530 f.]; Gramespacher, WRP 2016, 495 [496]; Wulf, DB 2016, 882). Diese Frage wurde nunmehr durch den BGH Senat bejaht. Dieser Rechtsauffassung schließt sich das Gericht vorliegend an. Denn die Gerichte sind nach ständiger Rechtsprechung des EuGH aufgrund des Umsetzungsgebots gem. Art. 288 III des Vertrags über die Arbeitsweise der Europäischen Union (AEUV) und des Grundsatzes der Unionstreue gem. Art. 4 III des Vertrags über die Europäische Union (EUV) verpflichtet, die Auslegung des nationalen Rechts unter voller Ausschöpfung des Beurteilungsspielraums, den ihnen das nationale Recht einräumt, soweit wie möglich am Wortlaut und Zweck der Richtlinie auszurichten, um das mit der Richtlinie verfolgte Ziel zu erreichen (BGHZ 179, 27 = NJW 2009, 427 Rn. 19 mwN; BGHZ 201, 101 = NJW 2014, 2646 Rn. 20). Folglich stellt jegliche Kontaktaufnahme mittels Email gegenüber einem Verbraucher, ohne entsprechende Einwilligung, einen Eingriff in das allgemeine Persönlichkeitsrecht dar.
2. Hier wurden dem Kläger unstreitig Werbenachrichten an seine E-Mail-Adresse jeweils am 13., 17., 24., 25., 26. September 2020 und am 01., 06., 08. und 10. Oktober 2020 gesendet. Hierin ist nach den vorgenannten Grundsätzen ein Eingriff in das allgemeine Persönlichkeitsrecht des Klägers zu sehen, da die Zusendung ohne vorherige Einwilligung erfolgte. Für die Einwilligung trägt die Beklagte die Darlegungs- und Beweislast (vgl. BGH GRUR 2004, 517, 519 [= MMR 2004, 386 m. Anm. Hoeren] – E-Mail-Werbung I). Für den Nachweis des Einverständnisses ist es erforderlich, dass der Werbende die konkrete Einverständniserklärung jedes einzelnen Verbrauchers vollständig dokumentiert. Im Fall einer elektronisch übermittelten Einverständniserklärung setzt das deren Speicherung und die jederzeitige Möglichkeit voraus, sie auszudrucken. Die Speicherung ist dem Werbenden ohne weiteres möglich und zumutbar. Verfahren, bei denen unklar ist, ob eine Einverständniserklärung tatsächlich von dem angerufenen Verbraucher stammt, sind für den erforderlichen Nachweis ungeeignet. Vorliegend hat die Beklagte zwar behauptet der Kläger hätte der Zusendung von Emails per double Opt-In Verfahren zugestimmt, ist jedoch darlegungs- und beweispflichtig geblieben, sodass nach Beweislastgrundsätzen zu entscheiden war. Die Auflistung der Daten, die auch eine IP-Nummer enthält, sind vorliegend als unergiebig anzusehen. Denn weder lässt sich die IP-Nummer zuordnen, noch ist ersichtlich, dass eine Einwilligung vom Kläger abgegeben wurde. Auch hat die Beklagte keinen Ausdruck einer etwaigen Bestätigungsmail o.ä. vorgelegt, die unter der E-Mail-Adresse versandt wurde. In diesem Zusammenhang konnte von der Einholung eines Sachverständigengutachtens abgesehen werden, da ein Nachweis eines Einverständnisses durch ein solches Gutachten nicht geführt werden kann. Einem Sachverständigen fehlen bereits die nötigen Anknüpfungstatsachen, um Überprüfen zu können, ob eine Einwilligung durch den Kläger stattgefunden hat. Es ist Sache der Beklagten, für eine ausreichende Dokumentation des Einverständnisses von Verbrauchern mit Werbeanrufen/Werbeemails Sorge zu tragen. Verwendet sie für Werbeanrufe/Werbeemails Adressdaten, für die ein Einverständnis der Verbraucher nicht oder nicht ausreichend dokumentiert ist, hat sie die sich daraus ergebenden rechtlichen Folgen zu tragen.
II. Der Eingriff in das allgemeine Persönlichkeitsrecht des Klägers ist auch rechtswidrig.
1. Eine Einwilligung per double opt-in Verfahrens konnte nicht geführt werden (s.o.). Die insoweit erforderliche Abwägung der widerstreitenden Interessen der Parteien geht zulasten der Beklagten aus. Das Recht des Klägers auf Schutz seiner Persönlichkeit und Achtung seiner Privatsphäre aus Art. 1 Abs. 1, Art. 2 Abs. 2 GG, Art. 8 Abs. 1 EMRK ist mit dem Interesse der Beklagten abzuwägen. Wegen der Eigenart des Persönlichkeitsrechts als eines Rahmenrechts liegt – ebenso wie beim Recht am eingerichteten und ausgeübten Gewerbebetrieb – seine Reichweite nicht absolut fest, sondern muss erst durch eine Abwägung der widerstreitenden grundrechtlich geschützten Belange bestimmt werden, bei der die besonderen Umstände des Einzelfalls sowie die betroffenen Grundrechte und Gewährleistungen der Europäischen Menschenrechtskonvention interpretationsleitend zu berücksichtigen sind. Der Eingriff in das Persönlichkeitsrecht ist nur dann rechtswidrig, wenn das Schutzinteresse des Betroffenen die schutzwürdigen Belange der anderen Seite überwiegt (vgl. Senat, NJW 2010, 2432 = VersR 2010, 673 Rn. 14 m.w.N.). Dabei ist auch – zur Vermeidung von Wertungswidersprüchen – die Wertung des § 7 II UWG zu berücksichtigen (vgl. Senat, BGHZ 214, 204 = NJW 2017, 2119 = GRUR 2017, 748 Rn. 28), mit der der deutsche Gesetzgeber Art. 13 der Datenschutz-RL EK umgesetzt hat. Nach § 7 II Nr. 3 UWG stellt – abgesehen von dem Ausnahmetatbestand des § 7 III UWG – jede Werbung unter Verwendung elektronischer Post ohne vorherige ausdrückliche Einwilligung des Adressaten stets eine unzumutbare Belästigung dar (vgl. BGH, NJW 2009, 2958 = GRUR 2009, 980 Rn. 14 – E-Mail-Werbung II). Insofern ist aufzuzeigen, dass trotz dessen, dass das UWG unmittelbar das Wettbewerbsrecht regelt, Sachverhalte gegenüber Verbrauchern gleichlaufend behandelt werden.
2. Unter diesen Umständen besteht im Rahmen der Abwägung keine Veranlassung, die Interessen des Klägers hinter den Interessen der Beklagten zurückstehen zu lassen. Bei der Abwägung der beiderseitigen Interessen überwiegt das Interesse des Klägers das Interesse der Beklagten, Dritten aufgrund etwaiger Teilnahmen an Gewinnspielen Werbemails zuzusenden. Dabei ist einerseits zwar zu berücksichtigen, dass die unerwünschte Werbung die Interessen des Klägers nur vergleichsweise geringfügig beeinträchtigten, zumal er diese einfach ignorieren konnte. Andererseits ist das Versenden von Werbung auch keine solche Bagatelle, dass eine Belästigung des Nutzers in seiner Privatsphäre ausgeschlossen wäre. Er muss sich mit der Werbemail zumindest gedanklich beschäftigen. Zwar mag sich der Arbeitsaufwand bei einer einzelnen E-Mail in Grenzen halten. Jedoch sieht sich ein heutiger E-Mail Nutzer einer Vielzahl solcher unerwünschter E-Mails ausgesetzt, die häufig auch nicht in einen „Spam“ Ordner einsortiert werden. Zudem ist aufzuführen, dass mit der häufigen Versendung von Werbemails aber immer dann zu rechnen ist, wenn die Übermittlung einzelner E-Mails zulässig ist. Denn im Hinblick auf die billige, schnelle und durch Automatisierungsmöglichkeit arbeitssparende Versendungsmöglichkeit und ihrer günstigen Werbewirkung (vgl. hierzu Ohly in Ohly/Sosnitza, § 7 Rn. 2) ist mit einem Umsichgreifen dieser Werbeart zu rechnen (vgl. auch BGH, NJW 2009, 2958 = GRUR 2009, 280 Rn. 12 – E-Mail-Werbung II). Eine bei isolierter Betrachtung unerhebliche Belästigung kann Mitbewerber zur Nachahmung veranlassen, wobei durch diesen Summeneffekt eine erhebliche Belästigung entstehen kann (vgl. Ohly in Ohly/Sosnitza, § 7 Rn. 2). Insofern überwiegen die Interessen des Klägers durch Werbmails in Ruhe gelassen zu werden.
III. Die durch die oben aufgezählten Verstöße begründete Wiederholungsgefahr ist durch die von der Beklagten abgegebene Unterlassungserklärung nicht ausgeräumt, denn eine auf konkrete Mailadressen beschränkte Unterlassungserklärung ist hierfür nicht ausreichend. Der Unterlassungsanspruch des Klägers erfasst nicht nur den konkreten Verstoß, sondern auch im Kern gleichartige Verletzungshandlungen; die Verletzung des allgemeinen Persönlichkeitsrechts des Klägers liegt nicht in der Zusendung einer unzulässigen Werbe-E-Mail an eine konkrete Mail-Adresse, sondern in der unzulässigen Übersendung derartiger Mails an den Kläger generell. Entgegen der Ansicht der Beklagten ist der Kläger aber nicht gehalten, ihnen sämtliche von ihm verwendeten E-Mail-Adressen mitzuteilen, um seinen Unterlassungsanspruch durchzusetzen. Dies ist dem durch den Erstverstoß in seinem Persönlichkeitsrecht Verletzten bereits nicht zumutbar, da anderenfalls die Gefahr besteht, dass weitere unzulässige Werbe-Mails an die weiteren mitgeteilten Adressen versandt werden. Die Beklagte hat an der Mitteilung eventuell weiterer Mail-Adressen des Klägers auch kein schützenswertes Interesse. Sie haben vielmehr vor jeder Versendung einer Werbe-E-Mail zu prüfen und sicherzustellen, dass die erforderliche Einwilligung des Empfängers vorliegt und diese auch gerichtlich nachweisbar ist, anderenfalls und wahllos ist der Versand zu unterlassen.
Die Unterlassungserklärung vom 20.11.2020 ist nicht geeignet, die entstandene Wiederholungsgefahr auszuräumen. Zwar ist es grundsätzlich möglich, dass sich eine Unterwerfungserklärung, die lediglich die konkrete Verletzungsform wiedergibt, auf alle Handlungen erstreckt, die gleichfalls das Charakteristische der verletzenden Handlung aufweisen (BGH, GRUR 1998, 483, 485 – Der M.-Markt packt aus). Denn der Zweck eines Unterlassungsvertrages spricht erfahrungsgemäß dafür, dass die Vertragsparteien durch ihn auch im Kern gleichartige Verletzungsformen erfassen wollten (BGH, GRUR 2009, 418 Rn 18 – Fußpilz). An den Fortfall der Wiederholungsgefahr werden aber strenge Anforderungen gestellt. Bestehen an der Ernstlichkeit der übernommenen Verpflichtung auch nur geringe Zweifel, ist sie grundsätzlich nicht geeignet, die Besorgnis künftiger Verstöße auszuräumen (BGH, a.a.O. – Der M.-Markt packt aus). Zweifel gehen zu Lasten des Schuldners. Ist der Schuldner zu einer weiter gefassten Unterlassungserklärung aufgefordert worden und hat sich dann auf die konkrete Verletzungsform beschränkt, kann dies darauf hindeuten, dass er sich eben nur hinsichtlich der konkreten Verletzungsform unterwerfen will und sich hinsichtlich kemgleicher Verletzungsformen der Verfolgung entziehen will (BGH, GRUR 2010, 749 Rn 45 – Erinnerungswerbung im Internet). Dem kann der Schuldner nur dadurch entgegenwirken, dass er dem Eindruck, sein Unterlassungswille beziehe sich allein auf die konkrete Verletzungsform, in der begleitenden Korrespondenz klar entgegentritt (BGH a.a.O. – Der M.-Markt packt aus). So kann er deutlich machen, die Beschränkung auf die konkrete Verletzungsform habe nicht darin ihren Grund, dass kerngleiche Verletzungsformen ausgeschlossen seien, sondern allein darin, dass nicht vollständig zu überblicken sei, ob die abstrakte Formulierung nicht auch ein erlaubtes Verhalten einschließe. In der Rechtsprechung ist anerkannt, dass bei unerlaubten Telefonanrufen strafbewehrte Unterlassungserklärungen nicht ausreichend sind, wenn sie eine Beschränkung auf die konkrete streitgegenständliche Rufnummer enthalten. Vielmehr besteht ein Anspruch auf Unterlassung, unerwünschte Werbeanrufe ohne vorherige Einwilligung unter jeglicher Telefonnummer zu erhalten. Der Anspruch ist nicht auf ein Verbot unter der Telefonnummer, auf der der Anruf einging, beschränkt (OLG Frankfurt a.M., NJOZ 2013, 162, unter Verweis auf BGH, NJW 2004, 1655). Gleiches wird bei unzulässiger E-Mail-Werbung angenommen. Auch dabei lässt eine auf eine bestimmte Domain beschränkte Unterlassungserklärung die Wiederholungsgefahr nicht entfallen (LG Hagen, BeckRS 2013, 12494, unter Verweis auf LG Berlin, MMR 2010, 38). Unter Berücksichtigung dieses Maßstabes ist die Unterlassungserklärung der Beklagten vom 20.11.2020 zu eng gefasst, um die Wiederholungsgefahr für die in der Klage begehrte Unterlassung der generellen Kontaktaufnahme per E-Mail entfallen zu lassen. Mit Schriftsatz vom 03.11.2020 war die Beklagte zuvor aufgefordert worden eine vollumfängliche Unterlassungserklärung abzugeben. Mit Schriftsatz vom 02.12.2020 wurde gegenüber der Beklagten erklärt, dass die zuvor abgegebenen Erklärung nicht ausreichend sei und diese wurde nochmals zur Abgabe einer vollumfänglichen Erklärung aufgefordert. Eine solche Erklärung wurde nicht abgegeben, sodass es beim Eindruck bleibt, der Unterlassungswille beziehe sich allein auf die konkret genannte Verletzungsform und nicht auf kernleiche Verletzungsformen. Die abgegebenen Unterlassungserklärung (Anlage K2) bezieht sich insofern nur auf die E-Mail-Adresse „…@gmx.de“.
Dies entspricht auch der ständigen obergerichtlichen Rechtsprechung (vgl. BGH MMR 2010, 545; OLG Celle MMR 2014, 611; BGH NJW 2017, 2119). Unbeachtlich ist dabei, dass es sich hierbei in der Regel um Entscheidungen aus dem Wettbewerbsrecht handelt. Wie bereits oben aufgeführt und sich auch aus der Entscheidung des BGH vom 10.7.2018 – VI ZR 225/17 ergibt, ist ein Gleichlauf mit UWG intendiert, zur Vermeidung von Wertungswidersprüchen. Vorliegend sind trotz des anderen Schutzzwecks des Wettbewerbs im Vergleich zur Verletzung des allgemeinen Persönlichkeitsrechts keinerlei Gründe ersichtlich, weshalb eine natürliche Person, ein Verbraucher schlechter zu stellen wäre als ein Unternehmer im wettbewerblichen Bereich. Ein Verbraucher wäre in der Regel sogar schutzbedürftiger und zugleich schutzwürdiger als ein vergleichbarer Unternehmer, sodass die bisherige Rechtsprechung aus dem wettbewerblichen Bereich, v.a. die Kemtheorie vollumfänglich auf diesen Fall übertragbar und anwendbar ist. Zudem ist aufzuzeigen, dass nur durch eine Unterlassungserklärung, welche kemgleiche Verletzungsformen umfasst, effektiv ein Unterlassungsanspruch durchgesetzt werden kann.
IV. Aufgrund der Verletzung des allgemeinen Persönlichkeitsrechts hat der Kläger auch einen Anspruch auf außergerichtliche Rechtsanwaltskosten in Höhe von 147,56 € zzgl. Zinsen ab dem 04.12.2020. Der Anspruch auf Verzugszinsen ergibt sich aus §§ 286, 288 BGB. Mit Schreiben vom 02.12.2020, zugegangen am 03.12.2020 befand sich die Beklagte spätestens seit 04.12.2020 analog § 187 BGB in Verzug.
C.
I. Die Kostenentscheidung folgt aus § 91 Abs. 1 ZPO, die Entscheidung hinsichtlich der Vollstreckbarkeit auf §§ 709 Satz 1 ZPO.
II. Der Streitwert wird auf 1000,00 € festgesetzt, angelehnt an OLG München, Beschluss vom 22.12.2016, 6 W 1579/16, da vorliegend bereits eine Unterlassungserklärung abgegeben wurde und letztlich nur noch über den Umfang der Unterlassungserklärung gestritten wurde.


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