IT- und Medienrecht

Urheber- und Verlagsrechtliche Unterlassungsansprüche gegen Veröffentlichung von “Snippets”

Aktenzeichen  37 O 23580/15

Datum:
5.2.2016
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
GRUR-RS – 2016, 11244
Gerichtsart:
LG
Gerichtsort:
München I
Rechtsweg:
Ordentliche Gerichtsbarkeit
Normen:
UrhG UrhG § 19a

 

Leitsatz

1 Wenn Zeitungsartikel nicht insgesamt, sondern nur in Teilen der Öffentlichkeit zugänglich gemacht werden, kommt es darauf an, ob diese Teile für sich betrachtet urheberrechtlich schutzfähig sind; daran sind dieselben Anforderungen zu stellen, wie an die Schutzfähigkeit des Werkes insgesamt. Je kürzer die jeweilige Formulierung ist, desto mehr muss sie sich von üblichen Formulierungen abheben. (red. LS Shanti Viktoria Sadacharam)
2 Wer Snippets als Bestandteil der jeweiligen Gesamtartikel auf seinem Rechner vorhält, übt die Kontrolle über die Bereithaltung der Werke aus und macht sie der Öffentlichkeit zu Orten und Zeiten ihrer Wahl im Sinne des § 19a UrhG zugänglich (BGH GRUR 2010, 628 – Vorschaubilder I).  (red. LS Shanti Viktoria Sadacharam)
3 Die Rechtswidrigkeit eines Eingriffs in ausschließliche Verwertungsrechte kann nicht nur durch eine schuldrechtliche Gestattung, sondern auch durch eine Einwilligung ohne rechtsgeschäftliche Willenserklärung ausgeschlossen sein (BGH GRUR 2010, 628 – Vorschaubilder I). Dies jedoch nur, wenn es um eine verkleinerte, aber im Übrigen identische Wiedergabe von Bildern, und nicht um die ausschnittsweise Wiedergabe eines Textes geht und es sich bei der Rechtsverletzerin um eine Suchmaschine handelt.  (red. LS Shanti Viktoria Sadacharam)

Tenor

I.
Die Beklagte wird verurteilt, es bei Meidung eines Ordnungsgeldes bis zu Euro 250.000,- oder einer Ordnungshaft – Ordnungshaft auch für den Fall, dass ein Ordnungsgeld nicht beigetrieben werden kann und zu vollstrecken am Geschäftsführer -, zu unterlassen,
die nachfolgend wiedergegebenen Textausschnitte öffentlich zugänglich zu machen:
„Kein Vollgas, nicht über 100 km/h, kein harter Tempowechsel beim Aus- und Einfahren der Verspoilerung, Vorsicht auf der welligen Rollbahn, beim Bremsen und beim Einlenken. Die 13 Mann und die Dame, die vor den bedampften Seitenscheiben“
„„Respektvoll“ erinnern sie darin an gemeinsame Werte und erbitten Solidarität. Doch den Autoren war vermutlich von vorneherein klar, dass die Chefs sich durch ihr Schicksal den EU-Türkei-Gipfel nicht würden verderben lassen. Solidarität? Ja klar: Die …“
„Am Samstag, als die Vorverhandlungen für den Weltklimagipfel, der Ende November in Paris beginnt, gerade beendet worden waren, verkündeten deutsche Energiewirtschaft und Bundesfinanzministerium ihren Beitrag zum Klimaschutz. Die hiesigen …“
II.
Die Beklagte wird verurteilt, es bei Meidung eines Ordnungsgeldes bis zu Euro 250.000,- oder einer Ordnungshaft – Ordnungshaft auch für den Fall, dass ein Ordnungsgeld nicht beigetrieben werden kann und zu vollstrecken am Geschäftsführer -, zu unterlassen,
Textausschnitte aus auf der Internetseite … öffentlich zugänglich gemachten Artikeln öffentlich zugänglich zu machen, wenn dies in einem Umfang wie nachfolgend abgebildet geschieht:
III.
Die Beklagte wird verurteilt, es bei Meidung eines Ordnungsgeldes bis zu Euro 250.000,- oder einer Ordnungshaft – Ordnungshaft auch für den Fall, dass ein Ordnungsgeld nicht beigetrieben werden kann und zu vollstrecken am Geschäftsführer -, zu unterlassen,
Textausschnitte aus auf der Internetseite … öffentlich zugänglich gemachten Artikeln auf Servern der Beklagten oder von dieser beauftragten Dritte zu speichern, wenn dies wie nachfolgend abgebildet geschieht:
„Kein Vollgas, nicht über 100 km/h, kein harter Tempowechsel beim Aus- und Einfahren der Verspoilerung, Vorsicht auf der welligen Rollbahn, beim Bremsen und beim Einlenken. Die 13 Mann und die Dame, die vor den bedampften Seitenscheiben“
„,Respektvoll‘ erinnern sie darin an gemeinsame Werte und erbitten Solidarität. Doch den Autoren war vermutlich von vorneherein klar, dass die Chefs sich durch ihr Schicksal den EU-Türkei-Gipfel nicht würden verderben lassen. Solidarität? Ja klar: Die …“
„Am Samstag, als die Vorverhandlungen für den Weltklimagipfel, der Ende November in Paris beginnt, gerade beendet worden waren, verkündeten deutsche Energiewirtschaft und Bundesfinanzministerium ihren Beitrag zum Klimaschutz. Die hiesigen …“
IV.
Von den Kosten des Verfahrens trägt die Klägerin 10% und die Beklagte 90%.
Beschluss
Der Streitwert wird auf 150.000,00 € festgesetzt.

Gründe

Der Antrag auf Erlass einer einstweiligen Verfügung ist in der in der mündlichen Verhandlung gestellten Form zulässig und begründet.
A.
Der Antrag auf Erlass einer einstweiligen Verfügung ist zulässig.
I.
Die drei Verfügungsanträge sind ausreichend bestimmt.
Der Klägervertreter hat in der mündlichen Verhandlung klargestellt hat, dass die Anträge I und III ausschließlich auf die Urheberrechten der Autoren gestützt werden, der Antrag II dagegen auf das Recht des Verlegers aus § 87 f UrhG.
Im Antrag II ist durch die insgesamt fünf gegebenen Beispiele ausreichend bestimmt, ab welchem Umfang von Textausschnitten das beantragte Verbot gelten soll.
II.
Die Klägerin macht in zulässiger gewillkürter Prozessstandschaft Rechte des … geltend. Diese hat die Klägerin zur Prozessführung ermächtigt und die Klägerin hat als konzernintern zur Einräumung von Nutzungsrechten an den Publikationen zuständige Gesellschaft ein schutzwürdiges Eigeninteresse an der Prozessführung in eigenem Namen.
B.
Dringlichkeit liegt vor. Die Verfolgung der urheber- und verlagsrechtlichen Unterlassungsansprüche ist eilig, denn ein nachträglicher Schadensersatzanspruch kann die Rechte nicht im gleichen Maße wahren wie eine Verbotsverfügung.
Die Klägerin hat nicht durch ihr Verhalten gezeigt, dass ihr die Angelegenheit nicht eilig ist:
I.
Die Klägerin hat durch Vorlage der eidesstattlichen Versicherung des Verlagsleiters … der … (Anlage Ast 23 a) glaubhaft gemacht, dass die Verfolgung unautorisierter Nutzungen an die Klägerin ausgelagert ist; ferner, dass ihm erst im Dezember 2015 bekannt wurde, dass die Beklagte Inhalte der Internet – Seite … für ihren Dienst nutzt. Durch die eidesstattliche Versicherung von Frau … vom 18.01.2016 (Anlage Ast 24 a) ist glaubhaft gemacht, dass diese intern alleine zuständig ist und erst am 11.11.2015 auf einer Liste von „bot-user-agents“ die Adresse der Beklagten gefunden und daraufhin weitere Nachforschungen angestellt hat. Zureichende Kenntnisse von der Funktionsweise des Systems der Beklagten hatte sie frühestens im Rahmen des Demotermins am 25.11.2015. Die Antragsschrift ist am 23.12.2015 und damit innerhalb der Monatsfrist eingegangen.
II.
Der Vortrag der Klägerin in der Antragsschrift, die Beklagte werte „für eine Vielzahl namenhafter Kunden in umfassender Weise die Medien- und Onlinelandschaft aus“ gab zunächst Anlass zu Zweifeln, ob die Klägerin, deren Geschäftsfeld die Vermarktung von Nutzungsrechten an Publikationen der … ist, die Beklagte und ihr Geschäftsmodell nicht schon vor den geschilderten Ereignissen im November 2015 gekannt hat. Die Klägerin hat diese Bedenken jedoch durch den Hinweis darauf, dass die Beklagte nicht Mitglied der einschlägigen Verbände ist ausgeräumt, jedenfalls aber durch die oben genannten eidesstattlichen Versicherungen.
III.
Die Annahme der Dringlichkeit ist auch nicht durch eine grobe Fahrlässigkeit relevanter Mitarbeiter der …, der … – Digital oder die Klägerin widerlegt. Diese mussten sich nicht bereits zu einem früheren Zeitpunkt als dem 25.11.2015 Kenntnis von dem Angebot der Beklagten verschaffen. Auch wenn der Zugriff von Crawlern auf eine Webseite feststellbar ist, bestand keine Verpflichtung, diese Information auszuwerten. Es gibt keine allgemeine Marktbeobachtungspflicht, erst bei Vorliegen konkreter Anhaltspunkte für einen Verstoß muss der Antragsteller den Sachverhalt mit der gebotenen Zielstrebigkeit aufklären (Köhler/Bornkamm, Gesetz gegen den unlauteren Wettbewerb UWG, 33. Auflage 2015, Randziffer 3. 15 a zu § 12 UWG, Cepl/Voß, Prozesskommentar zum gewerblichen Rechtsschutz, 1. Auflage 2015, Randziffer 75 zu § 940 ZPO). Die Klägerin hat jedoch nachvollziehbar dargelegt, dass sehr viele Bots auf die … Online Zugriff nehmen, und sie sich auf die Einhaltung rechtlicher Vorgaben verlassen hat.
IV. Die Frage, welche Erkenntnisse der Redakteur der … Anfang 2015 aus den ihm übergebenen Unterlagen und bei den Recherchen im Rahmen des ihm eingeräumten Testzugangs gewonnen hat, kann offen bleiben, denn seine Kenntnis wäre weder der … noch der Klägerin zuzurechnen. Herr … ist weder vertretungsberechtigtes Organ der …, noch eine Person, die zur Verfolgung der streitgegenständlichen Rechtsverletzung befähigt und befugt ist, noch kann von ihm erwartet werden, dass er diese unternehmensintern weitergibt (Cepl/Voß, a. a. O., Randziffer 77 zu § 940 ZPO). Verfügt ein Unternehmen über eine bestimmte Organisationsstruktur für die Verfolgung von Wettbewerbsverstößen bzw. Schutzrechtsverletzungen kommt es allein auf deren Kenntnis an (Cepl/Voß, a. a. O., Randziffer 78 zu § 940 ZPO). Darüber hinaus ist Herr … als Redakteur mit der Vermarktung der Zeitung nicht befasst. Wie sich aus seiner eidesstattlichen Versicherung vom 20.1.2016 (Anlage AST 31 A) ergibt, beschränkte sich die in seiner Vita erwähnte Mitarbeit an der „digitalen Strategie“ auf Ideen und Verbesserungen im Bereich der paid-Content-Produkte; dies umfasst nicht ein Vorgehen gegen nicht autorisierte Nutzungen.
Der Verfügungsanspruch I (Untersagung der öffentlichen Zugänglichmachung der nachfolgend wiedergegebenen Textausschnitte) ergibt sich aus § 97 Abs. 1 S. 1 UrhG.
I.
Die streitgegenständliche Snippets sind geschützte Werke im Sinne des §§ 2 Abs. 1 Nr. 1 UrhG.
Da hier die Zeitungsartikel nicht insgesamt, sondern nur in Teilen der Öffentlichkeit zugänglich gemacht worden sind, kommt es darauf an, ob diese Teile für sich betrachtet urheberrechtlich schutzfähig sind; daran sind dieselben Anforderungen zu stellen, wie an die Schutzfähigkeit des Werkes insgesamt (Dreier/Schulze, Urhebergesetz, 5. Auflage 2015, Randziffern 76 f zu § 2, 16 zu § 15 UrhG).
Je länger ein Text ist, desto größer ist der Spielraum für individuelle Wortwahl und Gedankenführung. Einzelne Worte und Zeichen genießen grundsätzlich keinen Urheberschutz. Je kürzer die jeweilige Formulierung ist, desto mehr muss sie sich von üblichen Formulierungen abheben (Dreier/Schulze, a. a. O., Randziffer 83 zu § 2 UrhG). Diese Voraussetzungen sind bei den drei, jeweils 30-40 Worte umfassenden streitgegenständlichen Snippets jedoch gegeben:
Im ersten Snippet werden die Eindrücke in einem Fahrbericht in kurzen, nur durch Kommas aneinander gereihten und daher aufgeregt wirkenden Aussagen wiedergegeben. Ein weiteres Stilmittel findet sich in der Passage „die 13 Mann und die Dame“.
In dem zweiten Snippet („„Respektvoll“ erinnern sie …“) wird bereits durch die Anführungszeichen in Frage gestellt, ob dieser Respekt tatsächlich gegeben ist. Am Ende des Artikels („Solidarität? Ja, klar: die …“) erwartet der Leser geradezu, dass die „klar“ bejahte Solidarität tatsächlich nicht besteht.
Den Inhalt des dritten Snippets („Am Samstag, als die Vorverhandlungen für den Weltklimagipfel, der Ende November in Paris beginnt, gerade beendet worden waren …“) muss der Leser sich aufgrund der verschachtelten Satzbildung und der wiederholten Verwendung der Worte „Anfang“ und „Ende“ erst durch Nachdenken erschließen (am Samstag war das Ende der Vorverhandlungen für den später beginnenden Weltklimagipfel – gerade nicht Beginn der Vorverhandlungen wie auf S. 23 der Antragschrift dargetan). Damit wird der Leser zu der Überlegung angeregt, welche Schlüsse aus der Wahl dieses Zeitpunktes für die Verkündung des deutschen Beitrags zum Klimaschutz zu ziehen sind. Die Verschachtelung kann als Hinweis darauf dienen, dass hier etwas verheimlicht werden soll.
Das im vorliegenden Fall gefundene Ergebnis fügt sich in der Rechtsprechung des Landgerichts München I, insbesondere ZUM-RD 2011, 562, insoweit bestätigt durch Urteil des Oberlandesgerichts München 29 U 1004/14, und ZUM 2013, 230 ein.
II.
Die Klägerin ist aktivlegitimiert, denn die Autoren der streitgegenständlichen Artikel haben der … deren Rechte die Klägerin geltend macht, ausschließliche Nutzungsrechte an ihren Beiträgen eingeräumt.
III.
Indem die Beklagte die Snippets als Bestandteil der jeweiligen Gesamtartikel auf ihren Rechnern vorhält, übt sie die Kontrolle über die Bereithaltung der Werke aus und macht sie der Öffentlichkeit zu Orten und Zeiten ihrer Wahl im Sinne des § 19 a UrhG zugänglich (BGH, Vorschaubilder I, GRUR 2010, 628). Dass die Anzahl der Nutzer durch die Anzahl der Abonnenten der Beklagten beschränkt ist, ändert nichts am Vorliegen der Voraussetzung einerunbestimmten Vielzahl von Nutzern (Landgericht München I, ZUM 2013, 230).
IV.
Die Beklagte hat das Vorliegen einer rechtsgeschäftlichen Einwilligung nicht substantiiert dargelegt und glaubhaft gemacht.
In der eidesstattlichen Versicherung des Geschäftsführers der Beklagten … (Anlage AG 1) heißt es hierzu lediglich: „Soweit [die Beklagte] Ergebnisse aus dem Printbereich zur Verfügung stellt, greift das Unternehmen in vertragsgemäß vereinbarten Umfang auf die von der … – erteilte Lizenz zurück.“ Es bleibt offen, wann und mit welchem genauen Inhalt dieser Vertrag geschlossen worden ist. Darüber hinaus hat die Beklagte nicht dargetan und glaubhaft gemacht, dass … ihrerseits über entsprechende Rechte verfügt, die ihr lediglich von der … als Rechteinhaberin eingeräumt worden sein können. Die Klägerin hat hierzu in der mündlichen Verhandlung ausgeführt, eine … tatsächlich eingeräumte Lizenz beziehe sich inhaltlich nicht Verwertungshandlungen mit dem Ziel der Analyse der Artikel. Die Beklagte hat diesen Punkt nicht entkräftet.
V.
Bei Würdigung aller Umstände ist auch eine schlichte Einwilligung der … bzw. die … – Digital in das öffentliche Zugänglichmachen der Textausschnitte durch die Beklagte nicht festzustellen.
Der BGH hat in der Entscheidung Vorschaubilder I (GRUR 2010, 628) entschieden, dass die Rechtswidrigkeit eines Eingriffs in ausschließliche Verwertungsrechte nicht nur durch eine schuldrechtliche Gestattung, sondern auch durch eine Einwilligung ohne rechtsgeschäftliche Willenserklärung ausgeschlossen sein kann. In dem entschiedenen Fall unterhielt die Klägerin, eine bildende Künstlerin, eine Internetseite mit Abbildungen ihre Kunstwerke. Die beklagte Internetsuchmaschine Google verfügte über eine Bildersuchfunktion. Aufgefundene Bilder wurden in der Trefferliste als deutlich verkleinerte, in ihrer Pixelzahl gegenüber den auf den Originalseiten vorgehaltenen Abbildungen reduzierte, Vorschaubilder angezeigt. Die Vorschaubilder enthielten einen Link zur Seite der Klägerin. Die Internetseite der Klägerin war suchmaschinenoptimiert, insbesondere wurden mögliche Blockierungen der Suchmaschinenindexierung nicht genutzt. Der BGH hat wie die von ihm angenommene schlichte Einwilligung wie folgt begründet:
„Das Berufungsgericht ist … rechtsfehlerfrei davon ausgegangen, dass die textgestützte Bildersuche mit der Anzeige der gefundenen Abbildungen in Vorschaubildern ein übliches Verfahren von Bildersuchmaschinen ist. Es hat ferner angenommen, dass die Klägerin sich entweder mit ihrem Unterlassungsbegehren zu ihrem früheren Verhalten, durch Gestaltung ihrer Internetseite den Einsatz von Suchmaschinen zu erleichtern, in einen unlösbaren Widerspruch setzt oder durch die „Suchmaschinenoptimierung“ bei der Beklagten ein schutzwürdiges Vertrauen dahingehend geweckt hat, es könne erwartet werden, dass die Klägerin, wenn sie eine Bildersuche nicht wolle, eine mögliche Blockierung der Suchmaschinenindexierung von Bildern auch vornehme. Daraus ergibt sich ohne weiteres, dass das Verhalten der Klägerin, den Inhalt ihrer Internetseite für den Zugriff durch Suchmaschinen zugänglich zu machen, ohne von technischen Möglichkeiten Gebrauch zu machen, um die Abbildungen ihrer Werke von der Suche und der Anzeige durch Bildersuchmaschinen in Form von Vorschaubilder auszunehmen, aus der Sicht der Beklagten als Betreiberin einer Suchmaschine objektiv als Einverständnis damit verstanden werden konnte, dass Abbildungen der Werke der Klägerin in dem bei der Bildersuche üblichen Umfang genutzt werden dürfen. Ein Berechtigter, der Texte oder Bilder im Internet ohne Einschränkungen frei zugänglich macht, muss mit den nach den Umständen üblichen Nutzungshandlungen rechnen … Da es auf den objektiven Erklärungsinhalt aus der Sicht des Erklärungsempfängers ankommt, ist es ohne Bedeutung, ob die Klägerin gewusst hat, welche Nutzungshandlungen im Einzelnen mit der üblichen Bildersuche durch eine Bildersuchmaschine verbunden sind …. Danach hat sich die Klägerin mit dem Einstellen der Abbildungen ihrer Werke in das Internet, ohne diese gegen das Auffinden durch Suchmaschinen zu sichern, mit der Wiedergabe ihrer Werke in Vorschaubildern der Suchmaschine der Beklagten einverstanden erklärt.“
Die Entscheidung ist in der Kommentarliteratur kritisiert worden. Bei Dreier/Schulze (a. a. O., Rndz. 22 zu § 31 UrhG) wird auf einen Widerspruch zu der vom BGH verlangten Eindeutigkeit einer schuldrechtlichen Gestattung hingewiesen und ausgeführt, im Zweifel sei auch hier der Übertragungszweckgedanke zu berücksichtigen und die Nutzung nicht gestattet. Darüber hinaus stellt sich die Frage, ob die Rechtssprechung zur schlichten Einwilligung trotz des neuen § 87 f UrhG fortgilt. Man könnte argumentieren, mit dieser Rechtssprechung laufe § 87 f UrhG praktisch leer und im Hinblick auf die Einheitlichkeit der Rechtsordnung könne die Rechtsprechung daher auch im Rahmen des urheberrechtlichen Schutzes nicht mehr angewandt werden.
All dies kann jedoch dahin gestellt bleiben, denn nach Auffassung der Kammer unterscheidet sich der vorliegende Fall in relevanter Weise von dem durch den BGH entschiedenen, so dass von einer schlichten Einwilligung nicht auszugehen ist.
Zunächst geht es im vorliegenden Fall nicht um eine verkleinerte, aber im Übrigen identische Wiedergabe von Bildern, sondern um die ausschnittsweise Wiedergabe eines Textes. Auch wenn der BGH Texte ausdrücklich in seine Betrachtung miteinbezogen hat, ist festzustellen, dass einerseits in dem vom BGH entschiedenen Fall das Werk umfassender – nämlich, wenn auch verkleinert, doch ganz – zugänglich gemacht worden ist, andererseits aber jeder Auszug die Gefahr einer Verzerrung mit sich bringt. Dies gilt insbesondere bei der automatisierten Generierung von Textausschnitten.
Zweitens ist die Beklagte nicht nur eine Suchmaschine, sondern ein Medienbeobachtungsunternehmen. Der BGH hat ausdrücklich darauf abgestellt, dass Suchmaschinen üblich sind. Dies gilt für Medienbeobachtungsunternehmen aber nur in weit geringerem Maße. Während Suchmaschinen praktisch von jedermann benutzt werden, bedient sich nur ein Teil von Öffentlichkeit, insbesondere Wirtschaftsunternehmen eines Medienbeobachtungsdienstes.
Die erbrachte Dienstleistung beschränkt sich bei Suchmaschinen darauf, dem Internetnutzer Webseiten aufzuzeigen und zu verlinken, die möglicherweise ein bestimmtes Thema behandeln; zur Beurteilung zeigt sie dem Nutzer Vorschaubilder und Ausschnitte. Die Dienstleistung der Beklagten geht weiter: sie bereitet die Suchergebnisse bereits in der Trefferliste unter Berücksichtigung des Nutzerinteresses auf und wertet sie aus. Damit arbeitete sie teilweise, beispielsweise bei der Sentimentanlalyse näher am urherberrechtlich relevanten Inhalt eines Werkes.
Der BGH stellt auf den objektiven Erklärungsinhalt in der Suchmaschinenoptimierung aus der Sicht des Erklärungsempfängers ab.
Dabei spielen zunächst die erkennbaren Interessen des Seitenbetreibers eine Rolle. Eine Webseitenbetreiber hat im Regelfall ein Interesse daran, dass seine Seite gefunden und wahrgenommen wird. Die Frage, ob der Herausgeber einer Online – Version einer Tageszeitung ein Interesse daran hat, von einem Medienbeobachtungsdienstes ausgewertet zu werden, ist demgegenüber deutlich weniger klar.
Voranzustellen ist, dass das Interesse des Verlages einheitlich zu betrachten ist, die Aufspaltung in eine Gesellschaft, die die Print – Ausgabe, eine weitere, die die Online – Ausgabe und eine dritte, die die Verwertung im gewerblichen Bereich betreut, kann nicht zu einer Erweiterung der Rechte führen.
Sodann ist zu überlegen, warum der Verlag eine in beschränktem Maße kostenfrei zu nutzende Online Ausgabe der … anbietet. Die Gründe hierfür dürften in der Möglichkeit der Platzierung von Werbung, der Steigerung der Bekanntheit und möglicherweise auch der Chance, neue Abonnenten zu gewinnen oder jedenfalls an kostenpflichtigen Einzelkäufen zu verdienen, zu sehen sein. Auch der Abonnent der Beklagten, der sich für einen im Dienst der Beklagten gefundenen Artikel interessiert, kann einen Link auf diese Online – Seite nutzen. Jedoch ist dies nur der letzte mögliche Schritt; zuvor hat die Beklagte eine an den Nutzerinteressen orientierte Auswahl getroffen, die Suchergebnisse aufbereitet und ausgewertet. In vielen Fällen wird der Abonnent sich mit den aus den Suchergebnissen oder einer durchgeführten Analyse gewonnenen Erkenntnissen begnügen und die Seite der Onlineausgabe gar nicht besuchen. Beispielsweise mag ein Unternehmer in regelmäßigen Abständen seine Firma oder den Geschäftsbereich seines Unternehmens in das System eingeben, um festzustellen, ob in der Sentimentanalyse alles im grünen Bereich ist. Insoweit erhält er einen unbeschränkten kostenfreien Zugang auf den Inhalt der ausgewerteten Medien. Die mit der Ausgabe einer Online Version verfolgten Ziele können nicht erreicht werden.
Es kann schließlich auch nicht unberücksichtigt bleiben, dass die Klägerin entgeltliche Lizenzen für eine gewerbliche Auswertung der … anbietet und solche Lizenzen unstreitig von Konkurrenten der Klägerin auch genommen werden. Ferner, dass in den Allgemeinen Geschäftsbedingungen für die Nutzung der Internetseite … eine kommerzielle Nutzung ausdrücklich ausgeschlossen ist. Auch wenn diese AGBs nicht in eine Vertragsbeziehung mit der Beklagten einbezogen wurden, darf davon ausgegangen werden, dass diese Marktverhältnisse einem kommerziellen Medienbeobachtungsunternehmen bekannt sind. Dann kann dieses Unternehmen aber nicht annehmen, dass der Verlag sich allein durch eine Suchmasphinenoptimierung konkludent mit einem kostenfreien Auslesen und Auswerten der Online Version einverstanden erklärt hat. Dies gilt insbesondere deshalb, weil nachvollziehbar ist, dass der Verlag ein Interesse daran hat, dass Suchmaschinen die Online – Zeitung finden.
Die Frage, ob Dissallow – Einträge einen wirksamen Schutz darstellen, kann dahinstehen. Der Verlag kann nicht zur Vermeidung des Erklärungsinhalts eines Einverständnisses mit einer Auswertung durch Medienbeobachter verpflichtet sein, zu überprüfen, hinter welchen Bots, die auf ihre Seiten zugreifen nicht erwünschte Suchmaschinen, sondern nicht erwünschte Medienbeobachter stehen und diese dann einzeln zu sperren.
D.
Der Verfügungsanspruch II (Verbot, Textausschnitte in einem wie nachfolgend abgebildeten Umfang öffentlich zugänglich zu machen) ergibt sich aus § 87 f Abs. 1 UrhG.
I.
§ 87 f UrhG ist nicht wegen eines Verstoßes gegen die Notifizierungspflicht aufgrund der Richtlinie 98/48 EG unanwendbar.
Die Rechtslage zu dieser Frage ist äußerst umstritten. Eine Vorlage an den EuGH gemäß Art. 267 AEUV ist im vorliegenden Eilverfahren nicht zulässig (Zöller, Zivilprozessordnung, 31. Auflage 2015, Randziffer 8 vor § 916 ZPO).
Die Kammer schließt sich der unter anderem von … (WRP 2013, 967) vertretenen Auffassung an, dass die Pflicht zur Notifizierung nur dann gilt, wenn eine Betroffenheit im Sinne eines Verbots vorliegt. Das Leistungsschutzrecht des § 87 f UrhG verbietet das Betreiben von Suchmaschinen aber nicht, sondern formt nur in einem spezifischen Sektor die Anzeige von Suchergebnissen oder aggregierten Nachrichten aus.
II.
§ 87 f UrhG verstößt auch nicht gegen Artikel 2 a, 3 Abs. 1 der Richtlinie 2001/29/EG. Der Schutz des Autors hinsichtlich seines Werks wird nicht dadurch gemindert, dass es zusätzlich einen Schutz des Verlegers hinsichtlich seiner redaktionellen verlegerischen Leistung gibt.
III.
Die Voraussetzungen des § 87 f Abs. 1 UrhG sind erfüllt. Der … Verlag ist Hersteller eines Presseerzeugnisses. Die Beklagte macht Teile hiervon zu gewerblichen Zwecken öffentlich zugänglich.
IV.
Es handelt sich bei den im Antrag II beispielhaft wiedergegebenen Suchergebnissen nicht um „kleinste Textausschnitte“ im Sinne des § 87 f UrhG.
Der Gesetzgeber hat die Bestimmung der Obergrenze der kleinsten Textausschnitte der Rechtsprechung überlassen, Entscheidungen gibt es hierzu jedoch noch nicht. In der Literatur ist die Frage erneut sehr umstritten, es wird die gesamte Bandbreite von 1-3 Wörter bis zu maximal 250 Zeichen sowie diverse inhaltlich Ansätze vertreten.
Kleinste Textausschnitte sind nur solche, die geeignet und erforderlich sind, den Inhalt knapp und zweckdienlich zu beschreiben (so auch Dreier/Schulze, a. a. O., Rndz. 17 zu § 87 f). Nach der Gesetzesbegründung soll der Verleger vor einer systematischer Nutzung seiner verlegerischen Leistung durch gewerbliche Anbieter von Suchmaschinen und gewerblichen Diensten geschützt werden, die Inhalte entsprechend aufbereiten. Der Ausschnitt darf daher sicher nicht den Inhalt ganz oder teilweise ersetzen. Mit der gesetzlichen Ausnahme hinsichtlich kleinster Textausschnitte soll eine Monopolisierung der aufbereiteten Informationen verhindert und das Betreiben von Suchmaschinen möglich bleiben. Unter Berücksichtigung dieser Kriterien sowie des in der Gesetzesbegründung gegebenen Beispiels für einen kleinsten Textausschnitt „Bayern schlägt Schalke“ überschreiten die streitgegenständlichen Suchergebnisse jedenfalls diese Grenze.
Hinsichtlich des ersten Snippets hätten die Worte „Maschinenbau. Das Studium“ zu einer Beschreibung des Inhalts der verlinkten Seite genügt, hinsichtlich des zweiten bereits die Überschrift „Integration und Medien – Was Medien für Flüchtlinge senden -“.
V.
Auf die ebenfalls ungeklärte Frage, ob die Grundsätze der schlichten Einwilligung auch im Rahmen des §§ 87 f UrhG anwendbar sind, kommt es nicht an, denn eine solche Einwilligung liegt aus den oben genannten Gründen nicht vor.
E.
Schließlich ist auch der Verfügungsanspruch III (Unterlassung die nachfolgend abgebildeten Textausschnitte auf Servern der Beklagten oder von ihr beauftragte Dritter zu speichern) begründet. Der Verfügungsanspruch ergibt sich aus § 97 UrhG. In der von dem Geschäftsführer der Beklagten in der mündlichen Verhandlung eingeräumten Speicherung der gesamten Artikel und damit auch der Snippets liegt eine Vervielfältigung im Sinne des § 16 UrhG.
F.
Die Kostenentscheidung ergibt sich aus §§ 91, 92 ZPO. Soweit die Klägerin den ursprünglich abstrakt gefassten Antrag III auf die konkreten Beispiele beschränkt hat, liegt eine teilweise Klagerücknahme vor.


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