IT- und Medienrecht

Verschuldensmaßstab für unberechtigte Schutzrechtsverwarnung

Aktenzeichen  29 U 2165/20

Datum:
18.3.2021
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
GRUR-RS – 2021, 47534
Gerichtsart:
OLG
Gerichtsort:
München
Rechtsweg:
Ordentliche Gerichtsbarkeit
Normen:
BGB § 823 Abs. 1
BGB § 678

 

Leitsatz

1. Ein Kostenerstattungsanspruch eines Verwarnten setzt mindestens fahrlässiges Verhalten des Abmahnenden voraus. (Rn. 29) (redaktioneller Leitsatz)
2. Im Rahmen des Verschuldensmaßstabs bei einer Abmahnung aus einem geprüften und eingetragenem Recht muss der Abmahnende im Zeitpunkt der Abmahnung nicht in Betracht ziehen, dass das Schutzrecht vom Landgericht für nichtig erklärt wird. (Rn. 37) (redaktioneller Leitsatz)
3. Dies gilt selbst dann, wenn die Bezeichnung “Apfelzügle” im Schwäbischen häufig Verwendung im Rahmen entsprechender Veranstaltungen finden mag. (Rn. 37) (redaktioneller Leitsatz)

Verfahrensgang

33 O 17478/18 2020-03-10 Endurteil LGMUENCHENI LG München I

Tenor

I. Auf die Berufung des Klägers wird das Urteil des Landgerichts München I vom 10.03.2020, berichtigt mit Beschluss vom 27.04.2020, Az. 33 O 17478/18, in Bezug auf die dortige Ziffer I dahingehend abgeändert, dass die auf Zahlung von EUR 2.274,50 nebst Zinsen gerichtete Widerklage der Beklagten zu 1) abgewiesen wird.
II. Die Kostenentscheidung bleibt der die Instanz abschließenden Entscheidung vorbehalten.
III. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

Gründe

A.
Nachdem die Klagepartei zunächst wegen vermeintlicher Verletzung einer Unionsmarke Unterlassungs- und Folgeansprüche gegen die Beklagten geltend gemacht hat, streiten die Parteien nunmehr nach in erster Instanz erfolgter Klagerücknahme noch um seitens des Beklagten zu 1) mit Widerklage geltend gemachte Schadensersatzansprüche aufgrund der dem Verfahren vorangegangenen Abmahnung sowie um die seitens der Beklagten zu 2) mittels Widerklage geltend gemachte Nichtigkeit der Unionsmarke (soweit das Landgericht diese nicht bereits im angegriffenen Urteil auf Widerklage beider Beklagten für nichtig erklärt hat).
Der Kläger ist Inhaber der Unionsmarke …59 „Apfelzügle“, die am 08.06.2017 angemeldet und am 19.10.2017 eingetragen wurde. Diese beanspruchte zunächst (bis zur insoweit rechtskräftigen Teil-Nichtigerklärung durch das Landgericht mit dem angegriffenen Urteil) Schutz für folgende Dienstleistungen (Anlage K1):
Klasse 35: Zusammenstellen von Waren aus dem Bereich der Nahrungs- und Genussmittel, insbesondere Betrieb eines Hofladens mit Vertrieb regionaler, handwerklich hergestellter Lebensmittel und/oder Getränke.
Klasse 41: Unterhaltung; kulturelle Aktivitäten; Organisation und Durchführung von Informationsveranstaltungen zur bäuerlichen Landwirtschaft.
Klasse 43: Dienstleistungen zur Verpflegung und Beherbergung von Gästen; Betrieb eines Restaurants; Catering.
Unstreitig bezeichnet der Begriff „Apfelzug“, im Schwäbischen auch „Apfelzügle“, ein Gespann aus mehreren von einem Traktor gezogenen Apfelernteanhängern, wobei zwischen den Parteien streitig ist, ob dieser Begriff den angesprochenen Verkehrskreisen geläufig ist bzw. sich diese Bedeutung ihnen ohne Weiteres erschließt.
In einer Broschüre „Apfelwochen am B. 2018“, die von der Deutschen B. T. GmbH herausgegeben wurde, wurde unter dem Datum 26.09.2018 ua die „Verkostung der frischen Apfelernte mit Apfelzüglefahrt“ am Ort des O.hofes des Beklagten zu 1) beworben. Hinsichtlich der konkreten Ausgestaltung wird auf Anlage K2 Bezug genommen. Eine entsprechende Information hielt der Beklagte zu 1) auch auf seinem Social-Media-Auftritt bei Facebook vor (Anlage K3). Die identische Information war zudem auf dem Facebook-Auftritt der Beklagten zu 2) abrufbar (Anlage K4).
Der Kläger sah hierdurch seine Markenrechte an der streitgegenständlichen Unionsmarke verletzt und mahnte den Beklagten zu 1) mit dem im Anlagenkonvolut K5 enthaltenen Schreiben seines Prozessbevollmächtigten vom 16.10.2018 ab. Dort ließ er ausführen, Inhaber der streitgegenständlichen Gemeinschaftsmarke „Apfelzügle“ zu sein, „die Dienstleistungen der Klassen 35, 41 und 43 schützt, darunter insbesondere kulturelle Aktivitäten wie die Organisation und Durchführung von Informationsveranstaltungen zur bäuerlichen Landwirtschaft.“ Er beanstandete, dass der Beklagte zu 1) in dem Dokument „Apfelwochen am B. 2018“ unter dem Datum 26.09.2018 für eine Verkostung der frischen Apfelernte mit Apfelzüglefahrt auf seinem O.hof werbe, wobei bei der Veranstaltung neben der Apfelzüglefahrt unter anderem „Infos zur Apfelernte“ gegeben würden. Daher forderte er den Beklagten zu 1) zur Abgabe einer strafbewehrten Unterlassungs- und Verpflichtungserklärung auf und fügte der Abmahnung eine entsprechend vorformulierte Erklärung bei, mit der sich der Beklagte zu 1) ua strafbewehrt verpflichten sollte, „es zukünftig zu unterlassen, die Bezeichnungen „Apfelzügle“ oder „Apfelzüglefahrten“ zur Bewerbung von kulturellen Veranstaltungen, insbesondere Informationen über die Apfelernte, zu verwenden.“ In der Abmahnung wies der Kläger jedoch auf die Möglichkeit hin, von der vorformulierten Erklärung abzuweichen.
Mit Schreiben vom 05.11.2018 (ebenfalls vorgelegt mit Anlagenkonvolut K5) ließ der anwaltlich vertretene Beklagte zu 1) die Abmahnung zurückweisen. Er sei schon nicht passivlegitimiert, da die Wortwahl nicht von ihm stamme und ihm auch nicht zuzurechnen sei. Unabhängig davon sei die beanstandete Verwendung des Begriffs gemäß Art. 12 Abs. 2 UMV zulässig, da sie lediglich ein Merkmal der Veranstaltung zum Thema Apfelernte beschreibe. Zudem sei die Streitmarke jedenfalls hinsichtlich der betreffenden Dienstleistungen entsprechend Art. 7 b), c) UMV zu Unrecht eingetragen worden. Eine Geltendmachung von Schadensersatzansprüchen wegen unberechtigter Schutzrechtsverwarnung bleibe vorbehalten.
In der mündlichen Verhandlung vor dem Landgericht am 14.01.2020 hat der Kläger seine Verletzungsklage, die den Beklagten am 04.02.2019 zugestellt worden war, zurückgenommen (vgl. Bl. 60 d.A.).
Die Beklagten, die ihrerseits mit Schriftsätzen vom 18.03.2019 bzw. 20.03.2019 Widerklage erhoben hatten, haben diese jeweils ungeachtet der Klagerücknahme vollumfänglich weiterverfolgt.
Der Beklagte zu 1) hat zuletzt beantragt,
I. auf die Widerklage hin die Unionsmarke …59 für „Unterhaltung; kulturelle Aktivitäten; Organisation und Durchführung von Informationsveranstaltungen zur bäuerlichen Landwirtschaft“ in Klasse 41 für nichtig zu erklären;
II. den Kläger/Widerbeklagten zu verurteilen, an den Beklagten zu 1)/Widerkläger vorgerichtliche Rechtsanwaltskosten in Höhe von 2.274,50 Euro zu bezahlen, nebst Zinsen hieraus in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit.
Die Beklagte zu 2) hat zuletzt beantragt,
die Unionsmarke Nr. …59 „Apfelzügle“ des Klägers für nichtig zu erklären.
Der Kläger hat beantragt,
Abweisung der Widerklagen.
Mit Urteil vom 10.03.2020 (berichtigt mit Beschluss vom 27.04.2020), auf dessen tatsächliche Feststellungen ergänzend Bezug genommen wird, hat das Landgericht wie folgt entschieden:
I. Der Kläger wird verurteilt, an den Beklagten zu 1) 2.274,50 Euro nebst Zinsen hieraus in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit 26.03.2019 zu bezahlen.
II. Auf die Widerklagen der Beklagten wird die Unionsmarke …59 „Apfelzügle“ für „Unterhaltung; kulturelle Aktivitäten; Organisation und Durchführung von Informationsveranstaltungen zur bäuerlichen Landwirtschaft“ in Klasse 41 für nichtig erklärt.
III. Im Übrigen wird die Widerklage der Beklagten zu 2) abgewiesen.
IV.
V.
VI.
Das Landgericht kam zu der Überzeugung, dass es sich bei der klägerischen Abmahnung um eine unberechtigte Schutzrechtsverwarnung gehandelt habe, was sich bereits daraus ergebe, dass in den angegriffenen Verletzungshandlungen keine rechtsverletzende Benutzung iSd Art. 9 UMV zu sehen sei. Das in Frage stehende Zeichen sei nicht im Sinne eines Herkunftshinweises, sondern rein beschreibend verwendet worden, was insbesondere daran erkennbar sei, dass sich die angegriffene Bezeichnung in einem Fließtext bzw. einer allgemeinen Überschrift ohne jedwede plakative Herausstellung eingebettet finde. Der Kläger habe auch mindestens fahrlässig gehandelt, wobei das Landgericht auf die „im Kennzeichenrecht allgemein geltenden strengen Maßstäbe“ Bezug genommen hat.
Die Widerklagen auf Nichtigerklärung hat das Landgericht trotz der bereits in erster Instanz erfolgten Klagerücknahme für zulässig erachtet. Begründet seien die Widerklagen indes nur in Bezug auf die Dienstleistungen in Klasse 41. Im Übrigen habe die darüber hinaus gehende Widerklage der Beklagten zu 2) keinen Erfolg, weil die Streitmarke in Bezug auf die Dienstleistungen in Klassen 35 und 43 nicht für nichtig zu erklären sei.
Hiergegen wenden sich sowohl der Kläger, soweit er zur Zahlung an die Beklagte zu 1) verurteilt wurde, als auch die Beklagte zu 2), soweit ihrem Antrag auf Nichtigerklärung der Streitmarke nicht entsprochen wurde, mit ihren jeweiligen Berufungen unter Wiederholung und Vertiefung ihres Vorbringens aus dem ersten Rechtszug.
Der Kläger ist der Auffassung, das Landgericht sei unzutreffend davon ausgegangen, dass die angegriffene Benutzung nicht markenmäßig erfolgt sei. Ungeachtet dessen treffe den Kläger nach den anzuwendenden Maßstäben der BGH-Rechtsprechung kein Verschulden. Der Kläger habe auf die Markeneintragung vertrauen dürfen und habe zudem ohne weiteres das Erforderliche getan, um die Rechtslage sorgfältig zu beurteilen.
Der Kläger, dessen Berufung sich nur gegen den Beklagten zu 1) richtet, beantragt,
Das Urteil des Landgerichts München I vom 10.03.2020 (Az. 33 O 17478/18) wird insoweit aufgehoben, als der Kläger gemäß Ziff. I des Urteilstenors zur Zahlung einer Summe in Höhe von € 2.274,50 nebst Zinsen hieraus an den Beklagten zu 1) verurteilt worden ist. Die Widerklage des Beklagten zu 1) wird insoweit abgewiesen.
Der Beklagte zu 1) verteidigt das angegriffene Urteil und beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Er ist der Auffassung, das Landgericht habe zu Recht eine markenmäßige Benutzung verneint und ein Verschulden des Klägers bejaht. Der Kläger habe entweder billigend in Kauf genommen oder mangels Anwendung der im Verkehr erforderlichen Sorgfalt schuldhaft verkannt, dass er den Schutzumfang seiner Marke überdehne. Nach Lage des Falles hätte der Kläger bei hinreichender Prüfung der Sach- und Rechtslage die Grenzen seines Markenschutzes bei der beschreibenden Zeichenverwendung durch den Beklagten nicht verkennen können.
Die Beklagte zu 2) ist der Auffassung, dass das Landgericht verkannt habe, dass auch bezüglich der Klassen 35 und 43 die Eintragungshindernisse des Art. 7 Abs. 1 c) UMV, des Art. 7 Abs. 1 b) UMV und jedenfalls des Art. 7 Abs. 1 d) GMV vorlägen.
Sie beantragt,
Das Urteil des LG München I vom 10.03.2020 (Az. 33 O 17478/18) wird abgeändert und auf die Widerklage der Beklagten zu 2) / Widerklägerin zu 2) / Berufungsklägerin wird die Unionsmarke UM …59 „Apfelzügle“ für nichtig erklärt.
Der Kläger verteidigt das landgerichtliche Urteil, soweit mit diesem die Widerklage der Beklagten zu 2) abgewiesen worden ist, und beantragt,
die Berufung der Berufungsklägerin vollumfänglich zurückzuweisen.
Im Übrigen wird auf die im Berufungsverfahren gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen und auf das Protokoll der mündlichen Verhandlung vom 18.03.2021 Bezug genommen.
B.
Da der Rechtsstreit hinsichtlich der Berufung des Klägers entscheidungsreif ist, in Bezug auf die Berufung der Beklagten zu 2) jedoch eine Vorlage an den EuGH veranlasst ist und dem Erlass eines Teilurteils über die Berufung des Klägers keine Zulässigkeitsbedenken entgegenstehen, war wie geschehen auf die zulässige und begründete Berufung des Klägers das landgerichtliche Urteil in Ziffer I. abzuändern und die auf Zahlung gerichtete Widerklage des Beklagten zu 1) abzuweisen.
I. Entgegen der Auffassung des Landgerichts hat die auf Zahlung gerichtete Widerklage des Beklagten zu 1) gegen den Kläger keinen Erfolg, da dem Kläger hinsichtlich der im Streit stehenden, unterstellt unberechtigten Schutzrechtsverwarnung kein Verschuldensvorwurf zu machen ist.
1. Zutreffend geht das Landgericht davon aus, dass eine materiell unberechtigte Verwarnung des Verletzers aus einem Schutzrecht Schadensersatzansprüche des Verwarnten gegen den Schutzrechtsinhaber unter dem Gesichtspunkt der Verletzung des Rechts am eingerichteten und ausgeübten Gewerbebetrieb gem. § 823 Abs. 1 BGB begründen kann (LGU, S. 13, I. 1 mwN).
a) In der Rechtsprechung des BGH ist anerkannt, dass die unberechtigte Verwarnung aus einem gewerblichen Schutzrecht unter dem Gesichtspunkt eines rechtswidrigen und schuldhaften Eingriffs in das Recht am eingerichteten und ausgeübten Gewerbebetrieb zum Schadensersatz verpflichten kann. Dem liegt die Erwägung zugrunde, dass der notwendige Ausgleich zwischen dem durch Art. 14 GG verfassungsrechtlich geschützten Interesse des Schutzrechtsinhabers, sein Recht geltend machen zu können, und dem gleichfalls durch das Grundgesetz geschützten Interesse des Wettbewerbs, sich außerhalb des Schutzbereichs bestehender Rechte unter Beachtung der Gesetze frei entfalten zu können, nicht mehr wirksam gewährleistet wäre, wenn es dem Schutzrechtsinhaber gestattet wäre, Schutz in einem Umfang zu beanspruchen, der ihm nicht zusteht, und wenn er den wirtschaftlichen Nutzen aus einer schuldhaften Verkennung des Umfangs des ihm zustehenden Schutzes ziehen dürfte, ohne für einen hierdurch verursachten Schaden seiner Mitbewerber einstehen zu müssen (BGH, GRUR 2018, 832 Rn. 70 – Ballerinaschuh mwN).
b) Daneben können dem zu Unrecht Abgemahnten auch Kostenerstattungsansprüche aus § 678 BGB zustehen (OLG München, GRUR-RR 2019, 227 Rn. 61 – Sonntagssemmel).
c) Voraussetzung für derartige Kostenerstattungsansprüche ist aber in jedem Fall nicht nur, dass die Abmahnung in der Sache unberechtigt war, sondern dass der Abmahner schuldhaft, dh zumindest fahrlässig gehandelt hat (Thiering, in: Ströbele/Hacker/Thiering, MarkenG, 13. Aufl., § 14 Rn. 819 mwN) bzw. ihn (in Bezug auf § 678 BGB) ein Übernahmeverschulden trifft (OLG München, GRUR-RR 2019, 227 Rn. 61 – Sonntagssemmel).
2. Vorliegend kann zugunsten des Beklagten zu 1) unterstellt werden, dass es sich bei der Abmahnung vom 16.10.2018 um eine unberechtigte Schutzrechtsverwarnung handelte. Insbesondere unterstellt der Senat zugunsten des Beklagten zu 1), dass die Auffassung des Landgerichts – ohne dies einer tiefergehenden Prüfung zu unterziehen – zutrifft, dass die angegriffenen Verwendungsformen nicht als markenmäßig relevante Benutzungen des Zeichens „Apfelzüglefahrt“ anzusehen sind. Denn entgegen der Auffassung des Landgerichts kann dem Kläger aufgrund der konkret zu beurteilenden Umstände des vorliegenden Falles kein Verschulden angelastet werden.
a) Soweit das Landgericht unter Bezugnahme auf Ingerl/Rohnke, MarkenG, 3. Aufl., Vor §§ 14 – 19d Rn. 219 meint, es müsse in Bezug auf den streitgegenständlichen Anspruch die im Kennzeichenrecht allgemein geltenden strengen Verschuldensmaßstäbe anwenden, und daher zu dem Ergebnis kommt, der Kläger habe mindestens fahrlässig gehandelt, vermag sich dem der Senat nicht anzuschließen. Die in Bezug genommene Kommentierung bezieht sich vielmehr auf die in § 14 Abs. 6, § 15 Abs. 5 MarkenG geregelten Schadensersatzansprüche und konstatiert, dass die Rechtsprechung seit jeher wie auch auf den anderen Gebieten des gewerblichen Rechtsschutzes strengste Anforderungen an die Sorgfaltspflichten vor Anmeldung oder Benutzungsaufnahme (von Zeichen) stelle. Rückschlüsse über den Verschuldensmaßstab, der an eine unberechtigte Schutzrechtsverwarnung anzulegen ist, lassen sich dem jedoch nicht entnehmen.
b) Maßgeblich sind vielmehr die Grundsätze der jüngeren Rechtsprechung des BGH (vgl. BGH, GRUR 2018, 832 Rn. 88 ff. – Ballerinaschuh mwN):
aa) Nach der Rechtsprechung des BGH handelt ein Gläubiger, der vom Schuldner zu Unrecht eine Leistung verlangt, grundsätzlich nicht schon dann fahrlässig, wenn er nicht erkennt, dass seine Forderung unberechtigt ist. Diese Rechtsprechung beruht auf der Erwägung, dass dem Gläubiger die Durchsetzung seiner Rechte unzumutbar erschwert würde, wenn man von ihm verlangte, die nur in einem Rechtsstreit sicher zu klärende Berechtigung einer geltend gemachten Forderung schon im Vorfeld oder außerhalb eines Rechtsstreits vorauszusehen. Der im Verkehr erforderlichen Sorgfalt entspricht der Gläubiger daher regelmäßig schon dann, wenn er sorgfältig prüft, ob der eigene Rechtsstandpunkt plausibel ist. Dies gilt auch dann, wenn die zu beurteilende Rechtslage unklar ist. Ein Schutzrechtsinhaber setzt sich deshalb im Falle einer unberechtigten Verwarnung nicht dem Vorwurf schuldhaften Handelns aus, wenn er sich seine Überzeugung durch gewissenhafte Prüfung gebildet hat oder wenn er sich bei seinem Vorgehen von vernünftigen und billigen Überlegungen hat leiten lassen (BGH, GRUR 2018, 832 Rn. 88 – Ballerinaschuh).
bb) Art und Umfang der Sorgfaltspflichten eines Verwarners werden maßgeblich dadurch bestimmt, inwieweit er auf den Bestand und die Tragfähigkeit seines Schutzrechts vertrauen darf. Handelt es sich um ein geprüftes Schutzrecht – etwa eine Marke – kann vom Inhaber bei einer Verwarnung keine bessere Beurteilung der Rechtslage verlangt werden, als sie der Eintragungsbehörde möglich war. Anders ist dies bei ungeprüften Schutzrechten. Bei Verwarnungen aus in ihrer Schutzfähigkeit ungeprüften Gebrauchsmustern und Urheberrechten wird von dem Verwarner ein höheres Maß an Nachprüfung verlangt als bei einem Vorgehen aus geprüften Schutzrechten (BGH, GRUR 2018, 832 Rn. 89 – Ballerinaschuh).
cc) Zudem treffen denjenigen, der eine Abnehmerverwarnung ausspricht, gesteigerte Prüfungspflichten (BGH, GRUR 2018, 832 Rn. 90 ff. – Ballerinaschuh).
c) Bei Beachtung dieser Grundsätze kann vorliegend nicht von einem schuldhaften Verhalten des Klägers ausgegangen werden.
aa) Der Kläger hat sich in der im Streit stehenden Abmahnung auf ein geprüftes und eingetragenes Schutzrecht berufen. Dass dieses in Bezug auf Klasse 41 – unterstellt zu Recht – vom Landgericht für nichtig erklärt wurde, musste der Kläger im Zeitpunkt der Abmahnung daher nicht in Betracht ziehen, selbst wenn die Bezeichnung „Apfelzügle“ im Schwäbischen häufig Verwendung im Rahmen entsprechender Veranstaltungen finden mag, da es ihm nicht zugemutet werden kann, trotz einer erfolgreichen Eintragung seiner Unionsmarke durchgreifende Zweifel am Schutzbestand zu haben.
bb) Dass die angegriffenen Verwendungsformen offensichtlich keine markenmäßige Benutzung darstellen würden und der Kläger deswegen von einer Abmahnung des Beklagten zu 1) hätte Abstand nehmen müssen, kann ebenfalls nicht festgestellt werden. Ob im jeweiligen Streitfall eine markenmäßige Benutzung vorliegt oder nicht, gehört zu den meist diskutierten Streitfragen im Bereich des Markenrechts, wie die vielschichtige und sehr einzelfallbezogene obergerichtliche und höchstrichterliche jüngere Rechtsprechung eindrucksvoll belegt (s. nur beispielhaft: BGH, GRUR 2017, 520 – MICRO COTTON; BGH, GRUR 2019, 522 – SAM; BGH, GRUR 2019, 1289 – Damen Hose MO; OLG Frankfurt a.M., GRUR-RR 2016, 235 – Multi-Star; KG, GRUR-RR 2016, 118 – Tussi ATTACK; OLG Frankfurt a.M., GRUR-RR 2020, 70 – SAM; OLG Frankfurt a.M., GRUR-RR 2020, 487 – Mo; OLG Hamburg, GRUR-RR 2020, 355 – Rock Isha; OLG Hamburg, GRUR-RR 2020, 359 – MYMMO MINI; OLG Hamburg, GRUR 2021, 76 – SchoolJUMP; OLG München, GRUR-RR 2021, 24 – Silence). Dadurch, dass sich der Kläger bei seiner Abmahnung von einem Fachanwalt für gewerblichen Rechtsschutz hat vertreten lassen, hat er jedenfalls mangels anderer Anhaltspunkte das seinerseits Erforderliche getan, um zu gewährleisten, dass nicht von vornherein offensichtlich erfolglose Ansprüche geltend gemacht werden. Und dafür, dass der Prozessbevollmächtigte seinerseits in dem Kläger zuzurechnender schuldhafter Weise die Reichweite des klägerischen Schutzrechts verkannt hätte, bestehen keine Anhaltspunkte. Dies zumal auch, weil die Prozessbevollmächtigten des Beklagten zu 1) in der Antwort auf die Abmahnung ihrerseits selbst nicht behauptet haben, dass es bereits an einer markenmäßigen Benutzung fehle, sondern sich insoweit auf Art. 12 UMV berufen haben.
cc) Schließlich kann dahinstehen, ob sich die Abmahnung an den falschen Beklagten gerichtet hat. Jedenfalls aufgrund der Darstellung in der im Streit stehenden Broschüre durfte der Kläger von einer Verantwortlichkeit des Beklagten zu 1) für die angegriffene Zeichenverwendung ausgehen.
dd) Soweit der Beklagte zu 1) bemängelt, der Kläger habe nicht vorgetragen, was er konkret zur Prüfung des Anspruchs unternommen habe, ist dies nicht relevant. Die Umstände des Falles belegen bereits aus den dargestellten Gründen, dass der Kläger nicht zwingend davon ausgehen musste, dass seine Abmahnung erfolglos sein würde. Dementsprechend erübrigt sich weiterer Vortrag zum konkreten Prüfungsumfang vor Versendung der Abmahnung.
II. Im Übrigen ist der Rechtsstreit nicht zur Entscheidung reif, da zur Beurteilung der Frage, ob die auf Nichterklärung gerichtete, in der Berufung seitens der Beklagten zu 2) weiterverfolgte Widerklage nach erfolgter Rücknahme der Verletzungsklage zulässig ist, eine EuGH-Vorlage erforderlich ist, die mit gesondertem Beschluss erfolgt.
III. Angesichts dessen, dass das Verfahren hinsichtlich der Berufung der Beklagten zu 2) auszusetzen ist und die Berufung des Klägers entscheidungsreif ist, war wie geschehen durch TeilUrteil zu entscheiden. Dem steht im Streitfall nicht entgegen, dass nach ständiger höchstrichterlicher Rechtsprechung auch bei der grundsätzlichen Teilbarkeit des Streitgegenstands ein Teilurteil (§ 301 ZPO) nur ergehen darf, wenn die Gefahr einander widersprechender Entscheidungen – auch in Folge abweichender Beurteilung durch das Rechtsmittelgericht – ausgeschlossen ist (vgl. BGH, NJW-RR 2016, 1309, Rn. 15), da eine derartige Gefahr vorliegend nicht besteht. Da der mit der Widerklage des Beklagten zu 1) geltend gemachte Zahlungsanspruch nur besteht, wenn dem Kläger ein Verschuldensvorwurf zu machen ist, ein solcher nicht gegeben ist und sich auch nicht aus dem noch zu verbescheidenden Nichtigkeitsantrag ergeben kann, steht dem Erlass eines Teil-Urteils, mit dem der Berufung des Klägers stattgegeben wird, nichts entgegen.
C.
Die Entscheidung über die Kosten bleibt der die Instanz abschließenden Entscheidung vorbehalten.
Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf § 708 Nr. 10, § 713 ZPO.
Die Revision ist nicht zuzulassen. Die Rechtssache hat keine grundsätzliche Bedeutung (§ 543 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 ZPO) und auch die Voraussetzungen des § 543 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 ZPO liegen nicht vor. Die Rechtssache erfordert, wie die Ausführungen unter B. zeigen, lediglich die Anwendung gesicherter Rechtsprechungsgrundsätze auf den Einzelfall.


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