IT- und Medienrecht

Verwendung unzulässiger Geschäftsbedingungen durch Einkaufsverband

Aktenzeichen  13 O 117/19

Datum:
11.2.2020
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
WRP – 2020, 661
Gerichtsart:
LG
Gerichtsort:
Bamberg
Rechtsweg:
Ordentliche Gerichtsbarkeit
Normen:
UKlaG § 1
BGB § 307 Abs. 1, Abs. 2 Nr. 1

 

Leitsatz

1. Eine Klausel in den Einkaufsbedingungen eines Einkaufsverbandes, wonach bei Überschreitung der vertraglich vereinbarten Lieferzeit ein pauschalierter, nicht dem richterlichen Mäßigungsgebot unterliegender Schadenersatz geltend gemacht wird, verstößt gegen das haftungsrechtliche Verschuldensprinzip und damit gegen § 307 Abs. 1 u. 2 Nr. 1 BGB.   (Rn. 65 – 66) (redaktioneller Leitsatz)
2. Eine individuelle Vereinbarung der jeweiligen Lieferzeit lässt den Charakter einer solchen Klausel als allgemeine Geschäftsbedingungen nicht entfallen. (Rn. 64) (redaktioneller Leitsatz)
3. Eine Klausel, wonach die vereinbarte Lieferzeit garantiert wird, stellt eine unangemessene Benachteiligung gemäß § 307 Abs. 2 Nr. 1 BGB durch das formularmäßige Vereinbaren eines Fixgeschäfts dar. (Rn. 69 – 70) (redaktioneller Leitsatz)

Tenor

1. Die Beklagte wird verurteilt, es bei Meidung eines für jeden Fall der Zuwiderhandlung fällig werdenden Ordnungsgeldes bis 250.000,00 Euro, ersatzweise Ordnungshaft, oder Ordnungshaft bis zu 6 Monaten, letztere zu vollziehen an ihren Geschäftsführern zu unterlassen, im geschäftlichen Verkehr mit Unternehmen in Allgemeinen Geschäftsbedingungen zur Lieferung und/oder Bestellung von … und/oder Zubehör die nachfolgenden Klauseln und/oder inhaltsgleiche Klauseln zu verwenden und/oder sich auf diese Klauseln zu berufen:
1. Bei Überschreitung der vertraglich vereinbarten Lieferzeit, einschließlich einer Nachfrist von 5 Arbeitstagen, wird nachstehend pauschalierter Schadenersatz geltend gemacht,
der nach dem Parteiwillen nicht dem richterlichen Mäßigungsgebot unterliegt:
Fristüberschreitung: 6-10 Arbeitstage 10% des Rechnungsnettobetrages
11-15 Arbeitstage: 15% des Rechnungsnettobetrages
ab 16 Arbeitstage: 20% des Rechnungsnettobetrages und/oder
2. Die im Konditionsblatt vereinbarte Lieferzeit ist garantiert. Jede Bestellung der Käufergesellschaften ist durch eine Auftragsbestätigung mit Bekanntgabe der Anlieferwoche zu erwidern. Einseitige Änderungen wie z. B. von der Bestellung abweichende Auftragsbestätigungen sind ungültig (…).
Die Käufergesellschaften sind jederzeit und formlos berechtigt, von den erteilten Bestellungen zurückzutreten, wenn die vereinbarte Lieferzeit bei Werbeware um mehr als drei Arbeitstage, bei sonstiger Ware um mehr als zehn Arbeitstage überschritten werden.
2. Die Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin 299,60 € nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit 27.04.2019 zu bezahlen.
3. Die Beklagte hat die Kosten des Rechtsstreits zu tragen.
4. Das Urteil ist gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 110% des jeweils zu vollstreckenden Betrags vorläufig vollstreckbar.
Beschluss
Der Streitwert wird auf 50.000,00 € festgesetzt.

Gründe

Die Klage ist im Hauptantrag zulässig und begründet.
I.
Die Klage ist zulässig.
1. Das Landgericht Bamberg ist gemäß § 6 Absatz ein Satz 1, Abs. 2 UKlaG in Verbindung mit § 6 Nr. 3 GZVJu sachlich und örtlich zuständig.
2. Der Kläger ist aktivlegitimiert.
a) Eine Anspruchsberechtigung des Klägers gemäß § 8 Abs. 3 Nr. 4 UWG bzw. § 3 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 UKlaG ist gegeben.
Zur Überzeugung der Kammer ist der vorliegend relevante Markt der des …einzelhandels in Deutschland. In Deutschland sind alle …einzelhändler Pflichtmitglieder der Industrie- und Handelskammern. Diese sind wiederum (mit einer Ausnahme) Mitglieder des Klägers. Die mittelbare Zugehörigkeit zu einem Verband reicht aus, die Aktivlegitimation des Klägers ist gegeben (Köhler/Bornkamm/Feddersen, UWG, 38. Aufl., 2020, § 8 Rz. 3.43).
Lediglich ergänzend ist auszuführen, dass sich auch beim Abstellen auf … im …einkauf als relevantem Markt nichts anderes ergäbe. Sämtliche … sind Pflichtmitglied in der Industrie- und Handelskammer an ihrem jeweiligen Sitz.
b) Der Kläger ist auch bei der behaupteten Verwendung der beanstandeten Klauseln gegenüber ausländischen Herstellern und Lieferanten aktivlegitimiert.
Die international privatrechtliche Anknüpfung folgt aus § 6 Absatz 3 a und b Rom II-VO. Die Marktbeeinträchtigung erfolgt (zumindest ganz überwiegend) in Deutschland. Die Beklagte verwendet die streitgegenständlichen Allgemeinen Geschäftsbedingungen an ihrem Sitz in …. Substantiierter Vortrag der Beklagten zum Umfang der Beeinträchtigung ausländischer Marktteilnehmer liegt nicht vor.
Bei AGB-Verbandsklagen ist der Klaganspruch deliktisch und lauterkeitsrechtlich. Im vorliegenden Fall ist unter einem Tatbestand des Wettbewerbstatuts die Untersagung des Verwendens von Vertragsklauseln beantragt. Dies richtet sich nach dem Vertragsstatut, welches aus der Rom I-VO zu ermitteln (Mankowski in Münchener Kommentar zum Lauterkeitsrecht, 3. Auflage, 2020, Rz.135b). Auch insoweit gilt deutsches Recht, da sich die Verträge – soweit ersichtlich – deutschem Recht unterwerfen und ein deutscher Gerichtsstand gegeben ist.
II.
Es liegt keine rechtsmissbräuchliche Geltendmachung vor.
Gemäß § 2 b Satz 1 UKlaG ist die Geltendmachung eines Anspruchs nach § 2 UKlaG unzulässig, wenn sie unter Berücksichtigung der gesamten Umstände rechtsmissbräuchlich ist. Die Kammer ist hiervon auch unter Einbeziehung der von der Beklagtenseite vorgebrachten Argumente nicht überzeugt. Es kann dahinstehen, wie der Kläger auf die hier streitgegenständlichen Klauseln aufmerksam wurde. Es ist nicht zur Überzeugung des Gerichts nachgewiesen, dass das streitgegenständliche Verfahren nur zur Beeinflussung außergerichtlicher Verhandlungen geführt wird. Auch die vom Kläger durchgeführte Befragungsaktion führt nicht zu Rechtsmissbräuchlichkeit.
III.
Die Klage ist im Hauptantrag begründet.
1. Der Kläger hat Anspruch auf Unterlassung gegen die Beklagte aus § 1 UKlaG in Verbindung mit §§ 307-309 BGB.
a) Zur Überzeugung des Gerichts sind die streitgegenständlichen Klauseln Allgemeine Geschäftsbedingungen der Beklagten, so dass die Inhaltskontrolle eröffnet ist.
Gemäß § 305 Absatz 1 Satz 1 BGB sind allgemeine Geschäftsbedingungen alle für eine Vielzahl von Verträgen vorformulierten Vertragsbedingungen, die eine Vertragspartei (Verwender) der anderen Vertragspartei bei Abschluss des Vertrages stellt. Gemäß § 305 Absatz 1 Satz 3 BGB liegen allgemeine Geschäftsbedingungen nicht vor, soweit Vertragsbedingungen zwischen den Vertragsparteien ausgehandelt sind.
Das Gericht ist nach durchgeführter Beweisaufnahme nicht davon überzeugt, dass bei der Verwendung der vorliegenden standardmäßig verwendeten Klauseln der Beklagten individuell verhandelte Vertragsbedingungen vorliegen. Das Aushandeln einzelner Vertragsbedingungen ändert nichts daran, dass die übrigen Vertragsbedingungen Allgemeine Geschäftsbedingungen bleiben (Palandt, BGB, 79. Aufl., 2020, § 305 BGB Rz. 18). Wenn der Text unverändert bleibt kann nur ausnahmsweise eine Individualvereinbarung vorliegen, wenn der andere Teil nach gründlicher Erörterung von der Sachgerechtigkeit der Regelung überzeugt wird und ihr zustimmt.
Vorliegend hatte der Zeuge … ausgesagt, dass er 300-350 Verträge kenne. In einem Drittel der Verträge seien Streichungen – im Sinne von individualvertraglichen Vereinbarungen – vorhanden, die sich jedoch auf sämtliche Vertragsklauseln beziehen. An den Vertragsverhandlungen selbst war der Zeuge nicht beteiligt.
Die Zeugin … sagte aus, dass sie für den Bereich … tätig sei. Die Anzahl der gesamten Lieferantenverträge betrage einen niedrigen 2-stelligen Bereich, eventuell 30 Verträge. 1/3 der Verträge enthalte Änderungen, 2/3 seien glatt durchgelaufen.
Unter Berücksichtigung der unteren Anzahl von Verwendungen (3 Verwendungen; Palandt, aaO., § 305 BGB Rz. 9) und dem Stellen der Vertragsbedingungen durch die Beklagte konnte die Kammer durch die Zeugenaussagen nicht die Überzeugung gewinnen, dass bei jedem Verwenden der von der Beklagten vorformulierten Klauseln, die in weit über hundert Fällen textlich nicht abgeändert wurden, jeweils ein individuelles Aushandeln nach vorheriger sachgerechter Erörterung vorliegt.
Die Kammer ist davon überzeugt, dass bei Vertragsschlüssen der Beklagten regelmäßig hinsichtlich der streitgegenständlichen Klauseln Allgemeine Geschäftsbedingungen vorliegen.
b) Eine individuelle Vereinbarung der jeweiligen Lieferzeit lässt den Charakter der streitgegenständlichen Klauseln als allgemeine Geschäftsbedingungen nicht entfallen (Palandt, aaO., § 305 BGB Rz. 18).
c) Klageantrag Ziffer 1 ist begründet, da Kausel Nummer 5 „Lieferzeit“ gemäß § 307 Abs. 1, Abs. 2 Nummer 1 BGB unwirksam ist, weil sie gegen das haftungsrechtliche Verschuldensprinzip verstößt. § 307 BGB ist auch bei der Verwendung gegenüber Unternehmen anzuwenden (Palandt, aaO, § 307 BGB Rz. 38).
Das haftungsrechtliche Verschuldensprinzip ist ein formularmäßig nicht abänderbares Gerechtigkeitsgebot, welches einem wesentlichen Schutzbedürfnis des Vertragspartners dient (Palandt, aaO., § 307 BGB Rz. 32 mit weiteren Nachweisen). Der Vortrag der Beklagten hinsichtlich einer anderweitigen faktischen Vertragsdurchführung, zum Beispiel bei höherer Gewalt, lässt die Unwirksamkeit nicht entfallen. Der Vertragstext lässt eine derartige Einschränkung nicht erkennen.
Auch unter Berücksichtigung der Tatsache, dass andere … ähnliche Klauseln verwenden, ist von einer Unwirksamkeit auszugehen.
Da die Klausel bereits aufgrund Verstoßes gegen das haftungsrechtliche Verschuldensprinzip unwirksam ist, können die weiteren von der Klageseite geltend gemachten Unwirksamkeitsgründe dahinstehen.
d) Die Klausel Nummer 2 „Lieferzeit/Liefermenge“ (Einkaufsbedingungen) ist gemäß § 307 Abs. 1, Abs. 2 Nummer 1 BGB unwirksam, weil sie ein Fixgeschäft begründet.
Es liege eine unangemessene Benachteiligung gemäß § 307 Abs. 2 Nr. 1 BGB durch das formularmäßige Vereinbaren eines Fixgeschäfts vor, ohne dass vorliegend Gründe für die zwingende Vereinbarung eines Fixgeschäfts unter Berücksichtigung von § 323 Abs. 2 Nummer 2 BGB dargetan sind. Die einseitige Kündigungsmöglichkeit des Verwenders bereits 3 Arbeitstage nach der vereinbarten Lieferzeit ist weder durch die behauptete Vereinbarung von Lieferterminen mit den Endkunden, noch durch Aktionsware zu rechtfertigen. Es sind keine gleichlautenden Verträge mit den Endkunden dargetan. Hinsichtlich von Aktionsware besteht eine Entlastungsmöglichkeit nach dem UWG.
Da die Klausel bereits aufgrund Verstoßes gegen § 307 Abs. 1, Abs. 2 Nummer 1 BGB unwirksam ist, können die weiteren von der Klageseite geltend gemachten Unwirksamkeitsgründe dahinstehen.
e) Auch unter Berücksichtigung der Tatsache, dass im Verkehr zwischen Unternehmen die Umstände des Einzelfalls zu berücksichtigen sind, und unter Berücksichtigung der Interessenlagen der Beteiligten (Palandt, aaO., § 307 BGB Rz. 39) ist von einer Unwirksamkeit auszugehen.
2. Ein Anspruch gemäß §§ 3, 3 a, 8 Abs. 3 Nummer 2 UWG kann daher – unabhängig von der örtlichen Zuständigkeit – ebenfalls dahinstehen.
3. Der geltend gemachte Anspruch auf Kostenpauschale ergibt sich aus § 5 UKlaG in Verbindung mit § 12 Absatz 1 Satz 2 KWG. Der Zinsanspruch folgt aus §§ 291, 288 Abs. 1 BGB.
IV.
Die mündliche Verhandlung war nicht gemäß § 156 Abs. 1, Abs. 2 Nr. 1 ZPO wieder zu eröffnen.
Es liegt keine Verletzung rechtlichen Gehörs vor. Sämtlichen Parteivertretern wurde nach durchgeführter Beweisaufnahme Gelegenheit zur Stellungnahme gegeben (…). Nach der entsprechenden Protokollierung durch das Gericht wurden weder entsprechende Stellungnahmen abgegeben noch eine entsprechende Schriftsatzfrist beantragt. Eine gesonderte Protokollierung eines Verzichts war aus Sicht der Kammer nicht angezeigt. Vielmehr unternahm das Gericht sodann einen weiteren – vergeblichen – Versuch zur gütlichen Einigung.
Zudem sind rechtliche Ausführungen beider Parteivertreter bis zum Verkündungstermin möglich. Beide Parteivertreter haben hiervon auch Gebrauch gemacht. Auch unter Berücksichtigung des Vorbringens beider Parteien verbleibt es beim oben gefundenen Beweisergebnis. Soweit die beklagte Partei im Schriftsatz vom 20.01.2020 … neue Tatsachen vorträgt und unter Beweis stellt, sind diese nicht zugelassen (§ 296 a ZPO). Auch gibt der neue Sachvortrag keinen Anlass zur Wiedereröffnung der mündlichen Verhandlung (Greger in Zöller, ZPO, 33. Aufl., § 296 a Rz. 3).
IV.
Die Kostenfolge ergibt sich aus § 91 Abs. 1 ZPO, die vorläufige Vollstreckbarkeit im Hinblick auf die Kosten aus § 709 Satz 1, Satz 2 ZPO.


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