IT- und Medienrecht

Vollzug des Umweltinformationsgesetzes –      Auskunftsanspruch nach dem Datenschutzgesetz

Aktenzeichen  Au 9 K 19.1246

Datum:
7.9.2020
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
BeckRS – 2020, 25080
Gerichtsart:
VG
Gerichtsort:
Augsburg
Rechtsweg:
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Normen:
VwGO § 113 Abs. 5 S. 2, § 114, § 154 Abs. 3, § 155 Abs. 1 S. 1, § 167 Abs. 2
BayDSG Art. 39 Abs. 1 S. 1, Art. 39 Abs. 3 Nr. 3 Var. 2
BayUIG Art. Art. 2 Abs. 1,Art. 3
VIG § 1, § 2 Abs. 1
EMRK Art. 10
AEUV Art. 13,Art. 191, Art. 267

 

Leitsatz

Tenor

I. Der Bescheid des Beklagten vom 8. August 2019 wird aufgehoben. Der Beklagte wird verpflichtet, über den Antrag der Klägerin vom 9. Juli 2019 unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts erneut zu entscheiden. Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.
II. Die Kosten des Verfahrens tragen die Klägerin und der Beklagte je zur Hälfte. Der Beigeladene trägt seine außergerichtlichen Kosten selbst.
III. Der jeweilige Vollstreckungsschuldner darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe des zu vollstreckenden Betrags abwenden, wenn nicht der jeweilige Vollstreckungsgläubiger vorher Sicherheit in gleicher Höhe leistet.

Gründe

Die Klage ist zulässig, hat aber nur teilweise Erfolg.
Der Klägerin steht gegen den Beklagten ein Anspruch auf erneute Entscheidung über ihren Antrag vom 9. Juli 2019 unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts zu (§ 113 Abs. 5 Satz 2 VwGO).
1. Die Klage ist zulässig. Sie ist insbesondere als Verpflichtungsklage in Form der Versagungsgegenklage statthaft (§ 42 Abs. 1 Halbsatz 2 Alt. 1 VwGO). Die Klägerin ist auch gem. § 42 Abs. 2 VwGO klagebefugt, da ihr aus Art. 39 Abs. 1 Satz 1 BayDSG möglicherweise ein Anspruch auf die begehrte Auskunftserteilung zusteht.
2. Die Klage ist jedoch nur zum Teil begründet. Der Klägerin steht ein Anspruch auf Erteilung der begehrten Auskünfte zwar weder aus Art. 3 Abs. 1 Satz 1 BayUIG noch aus § 2 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 VIG zu. Sie kann ihr Begehren aber auf Art. 39 Abs. 1 Satz 1 BayDSG stützen. Da der Beklagte die Voraussetzungen dieser Vorschrift nicht bzw. nicht umfassend geprüft hat, hat die Klägerin lediglich einen Anspruch auf erneute Entscheidung über ihren Antrag.
a) Die Klägerin hat keinen Anspruch auf Auskunft gemäß Art. 3 Abs. 1 Satz 1 BayUIG. Das Gericht schließt sich insoweit der Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts vom 30. Januar 2020 an (vgl. BVerwG, U.v. 30.1.2020 – 10 C 11.19 – juris). Tierschutzrechtliche Informationen sind keine Umweltinformationen im Sinne des Art. 2 Abs. 2 BayUIG. Sie beziehen sich insbesondere nicht auf das umweltrechtliche Schutzgut der Artenvielfalt und ihrer Bestandteile, selbst wenn diese Begriffe – wie geboten – weit ausgelegt werden. Etwas Anderes lässt sich auch nicht aus der Entstehungsgeschichte der Umweltinformationsrichtlinie und dem vormals verwendeten – vermeintlich weitergehenden – Begriff der „Tier- und Pflanzenwelt“ entnehmen. Nach dem Sinn und Zweck der Richtlinie geht es stets um den Schutz der Arten und den Erhalt der Biodiversität. In Gefangenschaft gehaltene Tiere sind nur erfasst, wenn es sich hierbei um bedrohte Arten handelt (vgl. BayVGH München, U.v. 24.5.2011 – 22 B 10.1875 – DVBl. 2011, 1045). Das Gericht folgt der Argumentation des Bundesverwaltungsgerichts auch insoweit, dass auch eine am Vertrag über die Arbeitsweise der Europäischen Union (im Folgenden: AEUV) orientierte Auslegung keine andere rechtliche Bewertung rechtfertigt. Dem in Art. 191 AEUV aufgegriffenen unionsrechtlichen Umweltbegriff unterfällt ebenfalls lediglich der Artenschutz. Ein darüberhinausgehender Schutz des Wohlergehens von Tieren tritt – insoweit losgelöst vom Umweltbegriff – erst mit der tierschutzrechtlichen Querschnittsklausel des Art. 13 AEUV eigenständig hinzu. Es ist demnach zwischen dem unter den Umweltbegriff fallenden Artenschutz und dem darüber hinaus selbständig geregelten Tierschutz zu differenzieren.
b) Der Klägerin steht gegen den Beklagten auch kein Anspruch auf Erteilung der begehrten Information gem. § 2 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 VIG zu. Auch insoweit folgt das Gericht der Argumentation des Bundesverwaltungsgerichts in dessen Urteil vom 30. Januar 2020 (vgl. BVerwG, U.v. 30.1.2020 – 10 C 11.19 – juris). Informationen über tierschutzrechtliche Verstöße unterfallen nicht dem Lebensmittel- und Futtermittelrecht und damit auch nicht dem Anwendungsbereich des Verbraucherinformationsgesetzes. Dessen Ziel ist gem. § 1 VIG der Schutz der Verbraucher vor gesundheitsschädlichen oder sonst unsicheren Erzeugnissen und die Verbesserung vor Täuschung beim Verkehr mit Erzeugnissen im Sinn des Lebensmittel- und Futtermittelgesetzbuchs. Es dient damit dem Gesundheitsschutz der Verbraucher sowie der Lauterkeit des Verkehrs mit Verbraucherprodukten, nicht aber dem Tierschutz. Die Ausführungen der Klägerin sind deshalb nach Ansicht des Gerichts nicht in der Lage, die nachvollziehbare Argumentation des Bundesverwaltungsgerichts in Frage zu stellen und eine abweichende rechtliche Beurteilung zu rechtfertigen.
c) Nach Auffassung des Gerichts hat die Klägerin aber aus Art. 39 Abs. 1 Satz 1 BayDSG dem Grunde nach einen Anspruch auf Erteilung der von ihr begehrten Auskunft. Dieser Anspruch ist hinsichtlich des „Ob“ der Auskunftsgewährung gebunden. Dem gegenüber steht es im pflichtgemäßen Ermessen der Behörde, in welcher Art und Umfang diesem Anspruch Rechnung zu tragen ist. Dieses Auswahlermessen hinsichtlich des „Wie“ ist vom Beklagten in der angegriffenen Entscheidung nicht ausgeübt worden, was einen Anspruch der Klägerin auf Neuverbescheidung zur Folge hat.
(1) Dem Auskunftsanspruch aus Art. 39 Abs. 1 Satz 1 BayDSG steht zunächst nicht entgegen, dass die Klägerin ihren Antrag vom 9. Juli 2019 ausschließlich auf Ansprüche aus dem Bayerischen Umweltinformationsgesetz und dem Verbraucherinformationsgesetz gestützt hat. Der Antrag der Klägerin ist trotz der Nennung zweier konkreter Anspruchsgrundlagen als allgemeines Auskunftsbegehren zu verstehen, das eine umfassende Prüfung aller in Betracht kommender Anspruchsgrundlagen erfordert. Zum einen zeigt der im Bescheid zu weitergehenden Ansprüchen enthaltene Hinweis, dass auch das Landratsamt vom Vorliegen eines allgemeinen Auskunftsbegehrens ausgegangen ist und demnach eine Prüfung aller denkbaren Anspruchsgrundlagen angezeigt war. Zum anderen ist insoweit zu berücksichtigen, dass der allgemeine Auskunftsanspruch aus Art. 39 Abs. 1 Satz 1 BayDSG in der Öffentlichkeit noch vielfach unbekannt ist, weshalb die bayerischen Behörden ausweislich des 27. Tätigkeitsberichts des Bayerischen Landesbeauftragten für Datenschutz angehalten sind, bei Auskunftsbegehren nicht ausschließlich die im Antrag angegebenen Rechtsvorschriften in den Blick zu nehmen, sondern auch das erkennbar Gewollte und die möglicherweise in diesem Zusammenhang sonst noch bestehenden Anspruchsgrundlagen zu prüfen (vgl. 27. Tätigkeitsbericht des Bayerischen Landesbeauftragen für Datenschutz 2016, 13.1, abrufbar unter: www.datenschutz-bayern.de). Dem ist das Landratsamt vorliegend nicht nachgekommen. Zwar ist dem Bescheid zu entnehmen, dass andere als die von der Klägerin genannten Anspruchsgrundlagen aufgrund fehlender Darlegung eines berechtigten Interesses nicht in Betracht gezogen wurden. Dieser pauschale Verweis auf ein von der Klägerin nicht dargelegtes berechtigtes Interesse greift im vorliegenden Fall jedoch zu kurz, da ein solches aufgrund der besonderen Funktion der Klägerin auf der Hand lag. Vor dem Hintergrund, dass es sich bei der Klägerin um eine überregional tätige und nicht in Bayern ansässige Stiftung handelt, konnte die Kenntnis länderspezifischer Rechtsgrundlagen auch nicht erwartet werden. Dies gilt umso mehr, als der allgemeine Auskunftsanspruch in Bayern, anders als auf Bundesebene und in anderen Bundesländern, nicht in einem Informationsfreiheitsgesetz, sondern – insoweit atypisch – im Bayerischen Datenschutzgesetz geregelt ist. Daher war infolge des Antrags der Klägerin auch eine Prüfung des Auskunftsanspruchs aus Art. 39 Abs. 1 Satz 1 BayDSG angezeigt.
(2) Der Antrag der Klägerin ist auch hinreichend bestimmt. Ein Auskunftsantrag ist ausreichend bestimmt, wenn nach interessengerechtem Verständnis aus der Perspektive des Empfängerhorizonts klar erkennbar ist, welche Information der Antragsteller begehrt. Dabei ist auch zu berücksichtigen, inwieweit der Auskunftssuchende zu einer Konkretisierung seines Anliegens in der Lage und ihm diese zumutbar ist (vgl. insoweit zum presserechtlichen Auskunftsanspruch: OVG NRW, U.v. 20.9.2018 – 15 A 2752/15 – juris Rn. 55). Diesen Anforderungen wird der von der Klägerin gestellte Antrag gerecht. Er bezieht sich auf die Informationen, die das Landratsamt seiner Stellungnahme gegenüber dem Bayerischen Rundfunk zugrunde gelegt hat und die zur entsprechenden Berichterstattung vom 9. Juli 2019 führten. Zu einer weitergehenden Konkretisierung des Auskunftsbegehrens ist die Klägerin mangels Kenntnis des genauen Akteninhalts nicht in der Lage. Die genaue Festlegung der insoweit relevanten Informationen obliegt deshalb letztlich dem aktenführenden Landratsamt.
(3) Nach Ansicht des Gerichts kommt vorliegend ein Auskunftsanspruch der Klägerin nach Art. 39 Abs. 1 Satz 1 BayDSG auch in Betracht. Nach dieser Vorschrift hat jeder das Recht auf Auskunft über den Inhalt von Dateien und Akten öffentlicher Stellen, soweit ein berechtigtes, nicht auf eine entgeltliche Weiterverwendung gerichtetes Interesse glaubhaft dargelegt wird und bei personenbezogenen Daten eine Übermittlung an nicht öffentliche Stellen zulässig ist und Belange der öffentlichen Sicherheit und Ordnung nicht beeinträchtigt werden.
Der Klägerin steht gegen den Beklagten insoweit jedoch lediglich ein Anspruch auf Neuverbescheidung unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts zu. Der allgemeine Auskunftsanspruch gemäß Art. 39 Abs. 1 Satz 1 BayDSG ist zwar als materieller Rechtsanspruch ausgestaltet, wird jedoch auf einer zweiten Stufe durch eine ermessensgebundene Versagungsbefugnis begrenzt (Schmieder in Gersdorf/Paal, Informations- und Medienrecht, 28. Aufl. 2020, BayDSG Art. 39 Rn. 5). Zwar gewährt Art. 39 Abs. 1 Satz 1 BayDSG damit grundsätzlich einen gebundenen Anspruch auf Erteilung der begehrten Auskunft. Im Hinblick auf die im Rahmen des Auskunftsbegehrens zu berücksichtigenden widerstreitenden Interessen und die erforderliche Prüfung der Zulässigkeit der Übermittlung von personenbezogenen Daten (Art. 39 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 BayDSG) verbleibt jedoch ein selbständiger Entscheidungsspielraum der jeweiligen öffentlichen Stelle. Sie hat, sofern der Auskunftsanspruch nach Art. 39 Abs. 1 Satz 1 BayDSG besteht, auch insbesondere ein Auswahlermessen hinsichtlich der Art und Weise der Erfüllung des Anspruchs (Schmieder in Gersdorf/Paal, Informations- und Medienrecht, 28. Aufl. 2020, BayDSG Art. 39 Rn. 4 ff.). Eine abschließende Entscheidung über den Antrag bleibt daher der Behörde vorbehalten, da es sich bei der Gewichtung der gegenläufigen Interessen um eine in den Grenzen des § 114 VwGO überprüfbare Ermessensentscheidung handelt (Schmieder, a.a.O, Rn. 17).
Die Voraussetzungen des Allgemeinen Auskunftsanspruchs aus Art. 39 Abs. 1 Satz 1 BayDSG liegen im streitgegenständlichen Fall dem Grunde nach vor.
(4) Die Klägerin ist als juristische Person des Privatrechts antragsberechtigt und hat nach Auffassung des Gerichts auch ein hinreichend berechtigtes Interesse an der begehrten Auskunft. An die Darlegung des berechtigten Interesses dürfen seitens der Verwaltung keine überzogenen Anforderungen gestellt werden, weil für den Auskunftsanspruch aus Art. 39 Abs. 1 Satz 1 BayDSG im Grundsatz jedes von der Rechtsordnung gebilligte Interesse, das über eine reine Neugierde hinausgeht, genügt. Das berechtigte Interesse kann rechtlich, wirtschaftlich und ideell begründet werden und ist dementsprechend weit zu verstehen. Infolgedessen können allenfalls einzelne Informationsbegehren, die von vorneherein nur mit einem von der Rechtsordnung offenkundig nicht gebilligten Ausspähungsinteresses motiviert sind, den Auskunftsanspruch nicht begründen (Schmieder in Gersdorf/Paal, Informations- und Medienrecht, 28. Aufl. 2020, BayDSG Art. 39 Rn. 13a). Eine restriktive Handhabung ist auch unter Berücksichtigung der Zielsetzung des allgemeinen Auskunftsanspruchs, nämlich die Förderung der umfassenden Information für den Bürger, nicht angebracht.
Gemessen an diesen Grundsätzen liegt ein berechtigtes Interesse der Klägerin an der von ihr begehrten Information vor. Dem steht auch nicht entgegen, dass die Klägerin in ihrem Antrag hierzu keine weitergehenden Ausführungen gemacht hat. Aufgrund der Tatsache, dass es sich bei der Klägerin um eine gemeinnützige Stiftung handelt, die sich bereits ihrem Namen nach für den Tierschutz einsetzt, lag das berechtigte Interesse der Klägerin an den von ihr begehrten Informationen letztlich auf der Hand. Es war daher erkennbar, dass dem Antrag nicht bloße Neugierde zugrunde lag, sodass ein möglicher Anspruch aus Art. 39 Abs. 1 Satz 1 BayDSG jedenfalls nicht pauschal von vornherein abzulehnen war.
Das bereits aufgrund der Person der Klägerin anzunehmende berechtigte Interesse an den von ihr begehrten Informationen hat sich auch im Laufe des gerichtlichen Verfahrens bestätigt. Die Klägerin setzt sich ausweislich ihres Internetauftritts und der von ihr im Termin zur mündlichen Verhandlung vorgelegten Unterlagen und Berichte umfassend für den Tierschutz ein. Dabei legt die Klägerin ein besonderes Augenmerk auf die Rechtsdurchsetzung des Tierschutzes, die Aufdeckung von Vollzugsdefiziten und die Aufklärung der Öffentlichkeit. Insbesondere im Zusammenhang mit den Informationsfreiheitsrechten führt die Klägerin im Übrigen auch verschiedene weitere (Grundsatz-) Klageverfahren. Das Gericht hat deshalb letztlich keine Zweifel am Vorliegen eines berechtigten Interesses der Klägerin im Sinne des Art. 39 Abs. 1 Satz 1 BayDSG. Da die insoweit unter Beweis gestellte Tatsache deshalb als wahr unterstellt werden konnte, hat das Gericht den von der Klägerin im Termin zur mündlichen Verhandlung verlesenen Beweisantrag abgelehnt.
(5) Bei den von der Klägerin begehrten Informationen handelt es sich auch nicht um nach Art. 39 Abs. 3 Nr. 3 BayDSG vom Auskunftsrecht ausgeschlossene Inhalte. Hiernach sind von der Auskunft nach Art. 39 Abs. 1 Satz 1 BayDSG zum persönlichen Lebensbereich gehörende Geheimnisse oder Betriebs- und Geschäftsgeheimnisse ausgeschlossen, sofern die betroffene Person nicht eingewilligt hat. Bei den von der Klägerin begehrten Informationen über im Rahmen von Kontrollen festgestellten tierschutzrechtlichen Verstößen handelt es sich nicht um Betriebs- und Geschäftsgeheimnisse in diesem Sinne. Art. 39 Abs. 3 Nr. 3 Var. 2 BayDSG schützt Betriebs- und Geschäftsgeheimnisse allein als ökonomische Ressource. Erfasst werden demnach Informationen, deren Kenntnisnahme durch Dritte – insbesondere durch Konkurrenten – Einfluss auf die erarbeitete Marktposition haben kann. Als Betriebs- und Geschäftsgeheimnisse geschützt sind nur solche „Interna“ eines Betriebs, die mit der unternehmerischen Wertschöpfung in Zusammenhang stehen. Die von der Klägerin begehrten Informationen über beim Beigeladenen durchgeführte Kontrollen und dabei festgestellte tierschutzrechtliche Verstöße erfüllen diese Voraussetzungen nicht, sodass insoweit nicht vom Vorliegen von Betriebs- bzw. Geschäftsgeheimnissen auszugehen ist.
(6) Auch funktionsbezogene Ausnahmen zum Auskunftsanspruch gem. Art. 39 Abs. 4 BayDSG sind nicht ersichtlich. Vorliegend ist keiner der in Abs. 4 genannten spezifischen Bereiche öffentlicher Aufgabenverwaltung betroffen, bei dem der Gesetzgeber typisierend davon ausgeht, dass generell vorrangige öffentliche oder private Belange der begehrten Auskunft entgegenstehen.
(7) Soweit das Interesse der Klägerin etwaige gegenläufige Interessen des Beigeladenen überwiegt und keine sonstigen im Ermessen des Beklagten bestehenden Versagungsgründe eingreifen, steht der Klägerin demnach dem Grunde nach ein Auskunftsanspruch nach Art. 39 Abs. 1 Satz 1 BayDSG zu. Auch über die Art und Umfang der Erteilung der begehrten Auskunft hat der Beklagte ermessensfehlerfrei zu entscheiden. Der Begriff der Auskunft wird dabei als Überbegriff für die Akteneinsicht oder andere Arten des Informationszugangs verstanden (Schmieder in Gersdorf/Paal, Informations- und Medienrecht, 28. Aufl. 2020, BayDSG Art. 39 Rn. 28). Sofern keine Versagungsgründe vorliegen, hat die öffentliche Stelle hinsichtlich der begehrten Auskunft ein Auswahlermessen hinsichtlich der Art und Weise der Erfüllung des begründeten Auskunftsanspruchs. So kann die Auskunft etwa durch Gewährung von Akteneinsicht, Übersendung von Unterlagen oder anderen Arten der Informationsgewährung stattfinden (vgl. LT-Drs. 17/7537 S. 50). Art und Umfang des Zugangs zu den von der Klägerin begehrten Informationen liegen damit im Ermessen des Beklagten, welches im Rahmen der Neuverbescheidung auszuüben ist.
(8) Inwieweit neben dem Anspruch aus Art. 39 Abs. 1 Satz 1 BayDSG auch ein unmittelbarer Auskunftsanspruch der Klägerin aus Art. 10 Abs. 1 Satz 2 EMRK in Betracht kommt, ist vorliegend nicht entscheidungserheblich. Das Gericht geht jedoch davon aus, dass ein solcher Anspruch nur dann ausnahmsweise in Betracht kommt, wenn ein vergleichbarer Auskunftsanspruch nicht bereits durch das nationale Recht gewährleistet wird. Da im vorliegenden Fall aber wie bereits dargelegt dem Grunde nach ein Anspruch nach Art. 39 Abs. 1 Satz 1 BayDSG besteht, bedarf es keines Rückgriffs auf einen Auskunftsanspruch unmittelbar aus Art. 10 Abs. 1 Satz 2 EMRK. Überdies entsprechen die durch die Rechtsprechung vom Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte (im Folgenden: EGMR) aufgestellten Voraussetzungen eines unmittelbar aus Art. 10 Abs. 1 Satz 2 EMRK abgeleiteten Auskunftsanspruchs (vgl. EGMR, U.v. 8.11.2016 – 18030/11 – juris) weitestgehend denen des Art. 39 Abs. 1 Satz 1 BayDSG. Auch nach der Rechtsprechung des EGMR bedarf es eines besonderen (öffentlichen) Interesses an der begehrten Information. Nach der Rechtsprechung des EGMR kann ein unmittelbarer Auskunftsanspruch aus Art. 10 Abs. 1 Satz 2 EMRK – insoweit über die Voraussetzungen des Art. 39 Abs. 1 Satz 1 BayDSG hinausgehend – aber nur dann bestehen, wenn es sich bei dem Informationssuchenden um einen „öffentlicher Wachhund“ handelt, dessen Tätigkeit sich auf Angelegenheiten öffentlichen Interesses beziehen. Da die Voraussetzungen des allgemeinen Auskunftsrechts nach Art. 39 Abs. 1 Satz 1 BayDSG damit weniger streng ausgestaltet sind, bedarf die Frage, ob der Klägerin vorliegend (auch) ein sich unmittelbar aus Art. 10 Abs. 1 Satz 2 EMRK ergebendes Auskunftsrecht zusteht und sie insbesondere die Rolle eines „öffentlichen Wachhundes“ einnimmt, letztlich keiner weitergehenden Prüfung. Insoweit war der in der mündlichen Verhandlung verlesene Beweisantrag der Klägerin, soweit er auf die rechtliche Einordnung der Klägerin als „öffentlicher Wachhund“ im Sinne der Rechtsprechung des EGMR abgezielt hat, nicht entscheidungserheblich.
3. Bezüglich der Frage, ob sich ein Auskunftsrecht über tierschutzrechtliche Verstöße aus dem Bayerischen Umweltinformationsgesetz bzw. dem Verbraucherinformationsgesetz ergeben, bedarf es entgegen der Auffassung der Klägerin vorliegend keiner Vorlage der aufgeworfenen Rechtsfrage an den Gerichtshof der Europäischen Union, gemäß Art. 267 AEUV. Zum einen teilt die Kammer insoweit ebenfalls die Auffassung des Bundesverwaltungsgerichts, wonach es angesichts des eindeutigen Auslegungsergebnisses einer Vorlage an den Gerichtshof der Europäischen Union nicht bedarf (vgl. BVerwG, U.v. 30.1.2020 – 10 C 11.19 – juris). Zum anderen ist die von der Klägerin aufgeworfene Frage im Hinblick auf den nach Art. 39 Abs. 1 Satz 1 BayDSG dem Grunde nach bestehenden Anspruch auf Zugang zu den begehrten Informationen nicht entscheidungserheblich. Eine Vorlage der von der Klägerin aufgeworfenen Frage ist deshalb für den Erlass des vorliegenden Urteils nicht erforderlich, Art. 267 Abs. 2 AEUV.
4. Nach alldem war der Klage mit der Kostenfolge aus §§ 155 Abs. 1 Satz 1, 154 Abs. 3 VwGO teilweise stattzugeben. Unter Berücksichtigung der Tatsache, dass die Klägerin lediglich einen Anspruch auf erneute Entscheidung über einen im Ermessen des Beklagten stehenden Anspruch besitzt, erachtet das Gericht vorliegend eine Kostenquote von je ½ als sachgerecht.
Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit folgt aus § 167 Abs. 2 VwGO i.V.m. §§ 708 Nr. 11, 711 Zivilprozessordnung (ZPO).


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