IT- und Medienrecht

Wechsel des Streithelfers auf andere Seite

Aktenzeichen  9 W 2093/16 Bau

Datum:
25.1.2017
Rechtsgebiet:
Gerichtsart:
OLG
Gerichtsort:
München
Rechtsweg:
Ordentliche Gerichtsbarkeit
Normen:
ZPO ZPO § 66 Abs. 1, § 71 Abs. 2, § 485

 

Leitsatz

2 Der Wechsel des auf Seiten des Streitverkünders beigetretenen Streithelfers ist bei Widerspruch des Streitverkünders nur zulässig, wenn ein rechtliches Interesse des wechselwilligen Streithelfers an dem Obsiegen der anderen Partei vorliegt. (redaktioneller Leitsatz)

Verfahrensgang

24 OH 11041/13 2016-11-15 Bes LGMUENCHENI LG München I

Tenor

1. Auf die sofortige Beschwerde der Antragsgegnerin zu 1) wird der Beschluss des Landgerichts München I vom 15.11.2016, Az. 24 OH 11041/13, aufgehoben.
2. Die Beitritt der Streithelferin … SE auf Seiten der Antragsteller wird als unzulässig zurückgewiesen.
3. Die Streithelferin … SE ist im Rubrum des selbständigen Beweisverfahrens zukünftig wieder als Streithelferin der Antragsgegnerin zu 1) zu führen.
4. Die Kosten des Zwischenstreits einschließlich des Beschwerdeverfahrens trägt die Streithelferin … SE.
5. Der Beschwerdewert wird auf 7.000 € festgesetzt.
6. Die Rechtsbeschwerde wird nicht zugelassen.

Gründe

I.
Die Antragsgegnerin zu 1) ist Vertragspartnerin der Antragsteller und verpflichtete sich mit Bauvertrag vom 20.07.2007 zur Erstellung einer Doppelhaushälfte. Die Streithelferin … WE (nachfolgend abgekürzt: …) hat im Auftrag der Antragsgegnerin zu 1) als Subunternehmerin die Sonnehschutzanlagen ausgeführt. Mit Schriftsatz vom 11.06.2013 (Bl. 27/35) hat die Antragsgegnerin zu 1) der Fa. … den Streit verkündet. Diese ist dem Rechtsstreit gemäß Schriftsatz vom 27.06.2013 (Bl. 52/54) auf Seiten der Antragsgegnerin zu 1) beigetreten. Mit Schriftsatz vom 23.08.2016 (Bl. 371/378) erklärte die Streithelferin … – neben diversen eigenen Streitverkündungen – ihren Wechsel auf die Seite der Antragsteller, Hiergegen wandte sich die Antragsgegnerin zu 1) und beantragte mit Schriftsatz vom 13.09.2016 (Bl. 379/381) den Beitritt der Streithelferin … auf die Antragstellerseite als unzulässig – im Wege eines Zwischenurteils – zurückzuweisen, hilfsweise der Streithelferin … die bis zum Wechsel auf die Antragstellerseite entstandenen Kosten der Antragsgegnerin zu 1) aufzuerlegen. Mit Schriftsatz vom 14.10.2016 (Bl. 384/386) führte die Streithelferin … ergänzend zur Zulässigkeit des Wechseis aus. Mit Beschluss vom 15.11.2016 (Bl. 392/395) erklärte das Erstgericht den Wechsel der Streithelferin … auf die Seite der Antragsteller für zulässig. Hiergegen legte die Antragsgegnerin zu 1) mit Schriftsatz vom 07.12.2016 (Bl. 408/413) Beschwerde ein und begründete diese. Mit Beschluss vom 12.12.2016 (Bl. 414/419) hat das Erstgericht der Beschwerde nicht abgeholfen.
II.
Die zulässige Beschwerde der Antragsgegnerin zu 1) ist begründet, so dass der Beschluss des Landgerichts München I vom 15.11.2016 aufzuheben und der Wechsel der Streithelferin … auf die Seite der Antragsteller als unzulässig zurückzuweisen war.
1. Zulässigkeit der Beschwerde
Die Beschwerde der Antragsgegnerin zu 1) gegen den Beschluss des Landgerichts München I vom 15.11.2016 ist analog § 71 Abs. 2 ZPO i.V.m. § 567 Abs. 1 Nr. 1 ZPO zulässig. Das Rechtsmittel ist auch statthaft, da die Beschwerdeführerin sich als Streitverkünder gegen den Wechsel des Beitritts der Streitverkündungsempfängerin … auf die Seite der Antragsteller wendet.
2. Begründetheit der Beschwerde
Die Beschwerde ist auch begründet, da ein rechtliches Interesse der Streithelferin … am Obsiegen der Antragsteller nicht gegeben und mithin ihr Wechsel als Streithelfer auf die Antragstellerseite unzulässig ist.
Es entspricht ständiger höchstrichterlicher Rechtsprechung und ganz herrschender Meinung, dass eine Streitverkündung im selbständigen Beweisverfahren zulässig ist und eine entsprechende Anwendung der §§ 66 ff. ZPO rechtfertigt (OLG Köln, Beschluss vom 13.10.2009, 9 W 77/09 m.w.N. zur Rechtsprechung des BGH). Grundsätzlich ist es – höchstrichterlich entschieden (BGH NJW 1955, 1316) – auch möglich, dass ein Streithelfer zunächst auf der Seite des Streitverkünders beitritt und später dann als Streithelfer auf die Gegenseite wechselt. Eine Einwilligung der bisher unterstützten Partei ist dafür nicht notwendig. Bei Widerspruch des Streitverkünders muss aber für einen zulässigen Wechsel des Beitritt eines Streithelfers auf die Seite einer anderen Partei gem. §§ 66, 71 ZPO ein rechtliches Interesse des wechselwilligen Streithelfers an dem Obsiegen dieser Partei vorliegen (u.a.: Kniffka/Koeble, Kompendium des Baurechts, 16. Teil, Rn. 43).
a. Rechtliches Interesse im Allgemeinen
Der Begriff des rechtlichen Interesses in § 66 Abs. 1 ZPO ist nach der ständigen Rechtsprechung des BGH grundsätzlich weit auszulegen. Aus dem gesetzlichen Erfordernis eines rechtlichen Interesses folgt jedoch, dass ein rein wirtschaftliches oder tatsächliches Interesse für die Zulässigkeit der Nebenintervention nicht genügt (BGH NJW – RR 2011, 907).
b. Rechtliches Interesse im selbständigen Beweisverfahren Im selbständigen Beweisverfahren, das kein Rechtsstreit im eigentlichen Sinne ist, kann § 66 Abs. 1 ZPO nur entsprechend angewandt werden, weil es ein „Obsiegen“ im engeren Sinn hier nicht gibt. Auf das Obsiegen der vom Nebenintervenieten unterstützten Partei in einem nachfolgenden Hauptsacheprozess abzustellen, verbietet sich, weil während des vorgeschalteten Beweisverfahrens noch nicht feststeht, ob sich überhaupt ein Hauptsacheprozess anschließt und auch die Parteirollen und Anträge eines solchen Verfahrens unbekannt sind. Eine derartige hypothetische Prüfung wird daher vom BGH abgelehnt. Der BGH stellt stattdessen auf folgende Überlegung ab (NJW 2016, 1018, Rz. 15 f.; NJW 2016, 1020, Rz. 20 f.): „Ein Antragsteller „obsiegt“ in einem selbständigen Beweisverfahren vielmehr dann, wenn die von ihm behaupteten Mängel und deren Verursachung durch den Antragsgegner festgestellt werden. Insoweit besteht sein rechtliches Interesse i.S. von § 485 Abs. 2 ZPO gegenüber dem Antragsgegner an der Feststellung des Zustands einer Sache und der Ursache eines Sachmangels, für den eine Haftung des Antragsgegners ihm gegenüber in Betracht kommt. Mithin kommt es darauf an, ob der Nebenintervenient zu der unterstützten Partei oder dem Gegenstand des selbständigen Beweisverfahrens in diesem Sinne in einem Rechtsverhältnis steht, auf welches das Ergebnis der in dem selbständigen Beweisverfahren stattfindenden zulässigen Beweiserhebung unmittelbar oder mittelbar rechtlich einwirkt.“
c. Rechtliches Interesse der Streithelferin … im Besonderen Nach diesen Maßstäben ist ein rechtliches Interesse der Streithelferin … am Obsiegen der Antragsteller vorliegend nicht gegeben.
aa.) Die Streithelferin … hat bei genauer Betrachtung kein Interesse am Obsiegen der Antragsteller, sondern an deren Unterliegen in dem Sinne, dass die von den Antragstellern behaupteten Mängel nicht bestätigt werden. Nur dann scheidet ihre Haftung definitiv aus.
bb.) Das Ergebnis des selbständigen Beweisverfahrens und ein „Obsiegen“ der Antragsteller wirken – entgegen den Ausführungen der Streithelferin auf S. 3 unten des Schriftsatzes vom 14.10.2016 (Bl. 386) – nicht rechtlich auf ein Rechtsverhältnis der Streithelferin ein. Zwischen den Antragstellern und der Streithelferin gibt es kein Rechtsverhältnis, da letztere nicht Vertragspartnerin der Antragsteller ist. Tatsächlich steht allenfalls ein Regressanspruch der Antragsgegner gegen die Streithelferin im Raum, falls insoweit Feststellungen getroffen werden würden. Auf dieses Rechtsverhältnis wirkt ein „Obsiegen“ der Antragsteller im selbständigen Beweisverfahren aber weder unmittelbar noch mittelbar rechtlich ein. Das Ergebnis des Beweisverfahrens hat nämlich für einen etwaigen Folgeprozess der (dann nicht mehr unterstützten) Antragsgegnerin zu 1) gegen die Streithelferin …  keine Bindungswirkungen. Ein für die Streithelferin günstiges Beweisergebnis würde keine rechtliche Bindungswirkung im Verhältnis zur Antragsgegnerin zu 1) entfalten, denn eine solche tritt nur im Verhältnis von Nebenintervenient bzw. Streitverkündungsempfänger zur unterstützten Partei ein (Thomas/Putzo – Hüßtege, § 68 ZPO, Rn. 3). Das mithin allenfalls tatsächliche Interesse am „Obsiegen“ der Antragsteller genügt nicht.
cc.) Soweit die Streithelferin vorträgt, dass es ihr darauf ankomme, dass alleine die Antragsgegnerin zu 1) aufgrund eines Planungsfehlers für die geltend gemachten Mängel haften möge (Schriftsatz vom 16.08.2016, Bl. 271 und 394), kann dies ein rechtliches Interesse am „Obsiegen“ der Antragsteller nicht begründen, denn ein dahingehendes „Obsiegen“ ist schon nicht von den Anträgen der Antragsteller im selbständigen Beweisverfahren vom 16.05.2013 (Bl. 1-17) gedeckt. Die Antragsteller streben gegenüber ihrer Vertragspartnerin die Feststellung von Mängeln und deren Ursachen an. Entscheidend ist für die Antragsteller einzig und allein, ob sie die Antragsgegnerin zu 1) für etwaig festgestellte Mängel in die Haftung nehmen können. Ob die Antragsgegnerin zu 1) ihrerseits im Innenverhältnis zu ihren Subunternehmern bei diesen Regress nehmen kann bzw. ob auch eine Haftung der Subunternehmer gegenüber der Antragsgegnerin zu 1) in Betracht kommt, ist für die Antragsteller irrelevant. Dementsprechend können auch die diesbezüglichen Erwägungen des Erstgerichts auf S. 2 des Beschlusses vom 15.11.2016 (Bl. 394) die Zulassung des Wechsels nicht tragen.
dd.) Soweit die Streithelferin vorträgt, dass ihr seitens der bislang unterstützten Antragsgegnerin ergänzende Fragen im Hinblick auf einen etwaigen Widerspruch im Sinn von § 67 ZPO verwehrt werden, ist dies ein rein tatsächliches Problem. Für ein rechtliches Interesse an einem Beitritt auf der Gegenseite genügt dies offensichtlich nicht. Im Übrigen stellt sich dieses Thema im Ausgangsverfahren immer im Verhältnis der unterstützen Partei zu dem Streithelfer, beschneidet dessen Rechte jedoch nicht, da er seine Einwände zu einem späteren Zeitpunkt in einem etwaigen Folgeprozess gegenüber der unterstützten Partei ohne Weiteres geltend machen kann.
ee.) Ein rechtliches Interesse gem. § 66 Abs. 1 ZPO an einem Beitritt auf Seiten der Antragsteller hat die Streithelferin hier auch nicht wegen einer etwaigen gesamtschuldnerischen Haftung mit der Antragsgegnerin. Grundsätzlich gilt zwar: „Wer zu einem Gläubiger in einem Rechtsverhältnis steht, auf Grund dessen er diesem möglicherweise als Gesamtschuldner mit einem weiteren Schuldner haftet, hat ein rechtliches Interesse daran, dass eine Klage des Gläubigers gegen den weiteren Schuldner Erfolg hat.“ (BGH NJW 2016, 2020, Rz. 17). Im vorliegenden Fall besteht zwischen den Antragstellern und der Streithelferin … aber kein Vertragsverhältnis und auch sonst ist nicht ersichtlich, geschweige denn seitens der Streithelferin, die ihr rechtliches Interesse darlegen und glaubhaft machen muss, vorgetragen, dass eine gesamtschuldnerische Haftung von ihr und der Antragsgegnerin zu 1) gegenüber den Antragstellern in Betracht käme.
III.
Die Kostenentscheidung ergibt sich aus § 97 ZPO.
Der Wert des Beschwerdeverfahrens wurde gemäß § 3 ZPO festgesetzt unter Schätzung des hier relevanten eigenen Interesses der Streithelferin … (Zöller – Vollkommer, § 71 ZPO, Rn. 7 a).
Die Rechtsbeschwerde war nicht zuzulassen, da die Voraussetzungen gemäß § 574 Abs. 2 ZPO nicht gegeben sind.


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